Wann ist ein Vorteil ein Vorteil?

  • Hallo Kollegen,


    bevor das Thema in der nächsten Schiedsrichterzeitung behandelt wird, möchte ich es gerne noch einmal etwas auseinander nehmen.


    Mir stellt sich manchmal einfach diese Grundsatzfrage: Wann ist ein Vorteil überhaupt ein Vorteil?


    Im September des vergangenen Jahres hatte ich ein Szenario gepostet, in welchem ein Spieler vom Torwart im Strafraum durch einen fahrlässigen Faustschlag an den Kopf gefoult wird, der Ball jedoch Richtung Tor des Torwarts rollt und anschließend den Pfosten berührt. In diesem Moment habe ich auf Weiterspielen entschieden, da meines Erachtens zwischen Straftat und Pfostentreffer eine größere Zeitspanne lag, so dass für mich der Vorteil "abgelaufen" war.


    Mir wurde hier dann erläutert, dass jedoch der Pfostentreffer von größerer Bedeutung gewesen sei und ich hätte auf Strafstoß entscheiden müssen. Diesen Rat kann ich so absolut nachvollziehen, da ich mir danach selbst ziemlich sicher war, hier einen klaren Elfer nicht gegeben zu haben.


    Doch hat die Unsicherheit in dieser Situation eben vielleicht an dieser Frage gelegen, wann ein Vorteil denn überhaupt ein Vorteil ist. Kann der Vorteil - wie im oben beschriebenen Fall - vom Erfolg des Gegners ausgemacht werden? Ich hatte da mal gelesen, das sei nicht möglich. Stellt dieser konkrete Fall eine Ausnahme da? Und ist vielleicht jeder Fall eine eigene Sache für sich?


    Was mich eben brennend interessiert, ist, ob man nach Erfolg des Gegners oder Zeitspanne zwischen Vergehen und "Auswirkung" entscheidet.


    Zur Verdeutlichung auch mal diese beiden Szenen:


    a) Foul von Mannschaft A an B, Mannschaft B kann aber im Ballbesitz bleiben, der Ball geht nach 2,3 Sekunden durch einen Fehlpass von Mannschaft B aber wieder verloren. -> Weiterspielen


    Der krasse Gegensatz:


    b) Foul von Mannschaft A an B, Mannschaft B bleibt am Ball, spielt direkt einen Pass, der aber in den Füßen des Gegners landet. -> Pfiff, Vorteil nicht eingetreten


    Beides Beispiele dafür, dass ja einerseits nach Zeitspanne, aber auch nach "Erfolg" (wenn man das in-Ballbesitz-Bleiben in diesem so bezeichnen kann) beurteilt wird...


    Ich hätte da gerne einfach mal ein paar Meinungen!

  • Ich hatte gestern bei einem Blirzturnier der U15 Auswahlen des NFV, FV Sachsen und des FV Süd- West eine ähnlichen Szene. Und zwar wurde ein Spieler der Sachsen zentral vor dem Strafraum gefoult. Der Ball flog aber noch in einem Bogen Richtung Tor wo zeitgleich ein Stürmer hinlief.


    Nach 2/3 Sekunden fing dann aber der TW den Ball vor dem Stürmer ab und jch pfiff den Freistoß nach. Beschwert hat sich keiner.



    Ich entscheide das meist so, dass der Vorteil von mir zurückgepfiffen wird, wenn der Ball nach dem Foul direkt an den Gegner geht bzw ein Mitspieler nicht mehr an den Ball kommt wie in meinem Beispiel oben.


    Aber wenn ein Mitspieler den Ball bekommt und kontrolliert abspielen kann aber dann dem Gegner den Ball in den Fuß spielt - Pech gehabt.
    Außer wenn der Spieler gleichzeitig von 2 3 Gegener bedrängt wird, dann entsteht kein Vorteil und ich pfeif das Foul.

    Dem Schiedsrichter zu widersprechen, das ist, wie wenn man in der Kirche aufsteht und eine Diskussion verlangt. (Dieter Hildebrandt)


  • Also bei mir geht es immer darum, ob der Ball kontrolliert wurde oder nur einfach berührt und weitergespielt.
    Wenn er kontrolliert wurde und dann ein Fehlpass entsteht lass ich weiterspielen, sonst pfeif ich ab.
    Mein Vorteil geht immer so lange bis ich erkenne, ob der Spieler den Ball kontrollieren kann (meistens 3 oder 4 Sekunden)


    Ich hoffe das hilft,
    Roman :)

  • 4 Sekunden sind sehr lang. Das ist meistens zu viel. Es sei denn, nach dem Foul ist der Ball weit weg und muss erst erlaufen werden und man wartet ein direkt anschließendes Laufduell ab. Wichtig ist meiner Meinung nach, dass man perönliche Strafen trotz Vorteil in der nächsten Spielunterbrechung ausspricht und man den Vorteil bzw. den Freistoßort nach nicht eingetretenem Vorteil "gut verkauft". Dann fördert das den Spielfluss und das Vertauen in den SR, auch ohne unmittelbaren Pfiff Vergehen wahrzunehmen und wenn nötig zu ahnden.

  • Habe mir in der Zwischenzeit auch noch ein paar Gedanken darüber gemacht. In der Tat scheint das ganze sehr vom Einzelfall abzuhängen.


    Die allgemeine Vorgehensweise ist mir auch bewusst und ich handele jedes Wochenende danach, ich wollte jedoch auf die konkrete Frage abzielen, ob man einen Vorteil anhand des "Erfolgs" oder der Zeit beurteilt.


    Aber - und dazu bin ich mit meinen Überlegungen letztendlich gekommen: Wahrscheinlich kann man die Frage, nach welchem Kriterien denn ein Vorteil bewertet wird, so einfach gar nicht klären. Die Antwort müsste wahrscheinlich ganz simpel lauten: Ein Vorteil ist ein Vorteil, wenn er ein Vorteil ist. Sehr wichtig finde ich es auch zu beachten, dass man abwägen muss zwischen "Weiterspielen" und der für das Vergehen angemessenen Spielstrafe. Somit ist die Vorteilsauslegung auch wieder reine Ermessenssache und im schlimmsten Fall handeln zwei Schiedsrichter in einer Situation auf zwei verschiedene Arten - der eine gibt den Vorteil, der andere nicht.


    Im angesprochenen Strafraum-Faustschlag-Fall ist der einzige Vorteil (gegenüber einem Strafstoß) wohl das Tor. Gut, wenn der Ball jetzt fünf Sekunden aufs Tor zu rollt und die Zeitspanne für einen Vorteil langsam ausgedehnt ist, entscheide ich lieber direkt auf den Strafstoß.


    Halten wir also fest:


    a) Abwägen zwischen Vorteil und der dem Vergehen entsprechenden Spielstrafe -> Was ist der eigentlich(e) (größere) Vorteil?


    b) Zeitspanne beachten! -> Extremfall: Rollt ein Ball fünf Sekunden nach einem Foul im Strafraum (durch Verteidiger) auf das Tor der angreifenden Mannschaft zu und ist der Ausgang vor allem unbewusst, auf Strafstoß entscheiden.


    c) Notwendige Persönliche Strafen auch nach dem Vorteil in der nächsten Spielunterbrechung aussprechen.