Strafstoß oder Rot

  • Inspiriert von Hummels Notbremse stellt sich für mich folgende Fragestellung:


    Ein Verteidiger versucht an der Strafraumgrenze durch ein Tackling den Ball zu spielen, trifft aber nur die Beine des alleine aufs Tor laufenden Angreifers, dee dadurch zu Fall kommt. Dabei trifft er gleichzeitig ein Bein außerhalb und ein Bein innerhalb des Strafraums.


    Wie entscheidet der Schiedsrichter, Strafstoß und Gelb oder direkter Freistoß und Rot? Oder hängt die Entscheidung gar vom Spielstand oder der Spielminute ab?

  • Ich würde in der Situation auf Strafstoß entscheiden mit dem Gedanken, dass das (wenn auch nur knapp) weiter vorne geschehene Foulspiel geahndet wird.


    Der Regeltext gibt vor "bei mehreren gleichzeitigen Vergehen das schwerste Vergehen hinsichtlich Sanktion, Spielfortsetzung, physischer Härte und taktischer Auswirkungen zu ahnden",


    was uns wohl tatsächlich ermächtigt bei einem 0:0 in der 90. Minute anders zu entscheiden als bei einem 1:0 in der 10. Minute. Welches jeweils die schwerere Sanktion ist, ist sicherlich sehr viel Ermessen und ich kann mir gut vorstellen, dass die Einschätzungen weit auseinander gehen.

  • Grundsätzlich ist das schwerere Vergehen, was implizit auch die Strafen einbezieht, zu ahnden. Da Sinn und Zweck des Spieles ist, Tore zu erzielen und der Regelgeber grundsätzlich davon ausgeht, dass ein Strafstoß die Torchance wieder herstellt, ist nach meinem Verständnis immer auf Strafstoß und Verwarnung zu entscheiden, zumal ja auch ein verwarnter Spieler "vorbelastet" für die restliche Spielzeit ist.

  • Dann hätten wir also gleichzeitig eine Notbremse im Strafraum und eine Notbremse außerhalb.


    Für das Verhängen von pesönlichen Strafen ist es nicht erforderlich, dass das Vergehen auch mit einer Spielstrafe belegt wurde (s. unter anderem Vorteilsregelung)


    Damit gäbe es für die Notbremse im Strafraum dann den Strafststoß als Spielsanktion und für das andere Vergehen außerhalb eben den FaD.

    Zumindest rein regeltechnisch sehe ich da keinen Grund warum man die Spielstrafe und die persönliche Strafe nicht voneinander entkoppelt sehen sollte und eben beide Vergehen jeweils mit der härtesten Sanktion bestraft. Mit der Rabattregel kollidiert das auch nicht, da es den FaD eben für ein anderes Vergehen gibt, für welches aber die Spielstrafe ausbleibt.

    Ja, das fühlt sich falsch an, aber die Regeln geben das durchaus auch her.


    Tatsächlich sehe ich das aber nicht als zwei Vergehen sondern nur eins mit zwei Kontaktpunkten wobei einer im Strafraum liegt, von daher wäre Gelb und Strafstoß richtig.


    Eine Analogie zur Auflösung wäre möglicherweise folgender Fall:

    Ein Verteidiger hält einen Angreifer über längere Zeit während eines aussichtsreichen Angriffs am Trikot fest, der Angreifer behält jedoch einen Vorteil aus dieser Situation.

    Noch während der Verteidiger den Angreifer hält(!), tritt er dem Angreifer rücksichtslos in die Beine und der Angreiferkommt zu Fall.

    Wie oft bekommt der Verteidiger Gelb?

  • Ich glaube du übersiehst hier, dass man nicht mit einem Foul 2 Torchancen verhindern kann und nicht jeder einzelne Kontakt als einzelnes Foul gewertet werden kann. Sonst müsstest du in einer abgewandelten Situation außerhalb des Strafraums, wenn durch jenes Foul in aussichtsreicher Angriff verhindert wird auch Gelb, Gelb-Rot geben (?). Das erscheint mir nicht durch das Regelwerk gedeckt.

  • Ein Physiker, Professor Tolan, hat analysiert, dass sich, statistisch gesehen Notbremsen außerhalb des Strafraums ab ca. der 56. Spielminute rentieren. Vorher fallen durch die Schwächung mehr als ein zusätzliches Gegentor.


    Vereinfacht ausgedrückt ist die Rote Karte in der ersten Halbzeit die Strafe mit der höheren taktischen Auswirkung auf den kompletten Spielverlauf.


    Im Prinzip zeigt diese Szene, wie abstrus das aktuelle Regelwerk ist. Wenige mm entscheiden nicht nur über Strafstoß (Grenzen muss es natürlich geben), sondern vor allem darüber, ob der Täter 91- 269 Minuten nicht mehr am Wettbewerb teilnehmen darf oder nur verwarnt wird.


    Wird nämlich der Strafstoß verschossen, bleibt trotzdem nur die Verwarnung bestehen. Wird der Freistoß verwandelt, beliebt der Feldverweis bestehen und allenfalls reduziert sich die Sperre um ein Spiel.


    Meines Erachtens sollte es entweder den Strafstoß bei jedem DOGSO geben oder die Reduzierung gehört wieder abgeschafft. Bei einem ballorientierten Foulspiel dann meinetwegen ohne zusätzliche Sperre, dann gibt es auch keine Dreifachbestrafung.

  • KozKalanndok Bei deiner Logik, unter der Voraussetzung einer zeitlichen Abfolge musst du schon konsequent sein: Das Vergehen vor dem Strafraum wäre dann ja nicht ursächlich für die Unterbrechung, somit gilt die Vorteilsregelung. Damit wäre es nur noch ein verwarnungswürdiges Vergehen. Somit wäre Gelb/Gelbrot die Konsequenz.


    Bei absoluter Gleichzeitigkeit bleibt nur Gelb und Strafstoß oder Rot und dF.

  • Wo kommt jetzt eine zeitliche Abfolge her? Wir reden von zwei gleichzeitigen Vergehen, die beide für sich genommen DOGSOs sind.

    Nehmen wir dein Beispiel mit dem Trikotziehen, das unstrittig außerhalb des Strafraums vor dem Tritt beginnt. Wenn jetzt der rücksichtslose Tritt knapp innerhalb des Strafraum ballorientiert war und der Spieler das Trikot kurz vor dem Strafraum losgelassen hatte, hätte man zwei zeitlich versetzte Vergehen an zwei unterschiedlichen Orten.

  • Richtig. In dem Fall wäre Vorteil und Foul.

    Beides Gelb, aber beim Halten greift noch der Vorteilsrabatt.


    Wenn das Halten aber während des Fouls noch andauert, dann sind die Vergehen gleichzeitig und eben kein Vorteil.

    Aber eben zwei Vergehen, wo beide die gleiche Strafe bekommen und da greift dann wieder Gleichzeitigkeit und das härteste.

    Von daher wohl wirklich schlechtes Beispiel gewesen von meiner Seite.

  • Irgendwie ist das ein typisches Beispiel für eine Szene, in der der VAR Fluch ist und nicht Segen, oder? Erst durch das Auflösen in Zeitlupe entsteht der Drang, einen exakten Zeitpunkt und einen exakten Ort im Sinne eines ausdehnungslosen Punkts für das Foul zu bestimmen.

    (BTW, wo ist dieser Punkt? In der Mitte der Kontaktfläche, am Ort des größten Kontaktdrucks in Newton pro Quadratmeter? Und wenn sich die Körperoberfläche des Gefoulten dabei eindellt, gilt der eingedellte oder der ursprüngliche Umriss?)

    Der Alltagsverstand Prä-VAR hätte gesagt, das Foul hat halt eine gewisse Ausdehnung in Raum und Zeit, und der Raum überlappt sich NATÜRLICH heftig mit dem Strafraum, und NATÜRLICH gibt es Strafstoß. Und kein Mensch hätte sich beschwert.

  • Naja, aber auch ohne VAR kann man ja sagen, dass er ihn auch außerhalb des Strafraums getroffen hat (also sich der Foul-Raum auch mit dem Nicht-Strafraum überlappt), also Rot + Freistoß in Frage kommt.

    Die hier diskutierte Frage ist doch, ob man sich für Rot+Freistoß oder Gelb+Strafstoß entscheiden sollte, wenn das Foul innerhalb und außerhalb des Strafraums passiert.

    Ganz unabhängig vom VAR.


    Übrigens braucht man ja noch nicht mal die zwei Beine aus Marks Einleitung.

    Es gibt ja auch die Möglichkeit, dass der Fuß des Verteidigers den Fuß des Angreifers von der Seite so trifft, dass er ihn zeitgleich innerhalb und außerhalb des Strafraums berührt (wenn der Angreifer mit einem Teil des Fußes auf der Linie und mit einem Teil außerhalb steht).

    Und auch ohne VAR könnte ein SR das genau so wahrnehmen (ob das dann 100% richtig ist oder nicht, ist ja erstmal egal) - und muss dann eine Entscheidung treffen.

  • Die Schwere des Vergehens richtet sich nach der Spielstrafe. Somit wäre man bei einem gleichzeitigen Vergehen innerhalb und außerhalb immer bei einem Strafstoß.


    Erst durch den "Notbremsen-Rabatt" ergibt sich überhaupt die Überlegung, ob dF und rot vielleicht der taktisch größere Vorteil für den Gegner sein könnte. Aber das ist out of scope von dieser Regel, sie betrachtet isoliert die Situation, und daher richtet sie sich entsprechend nach der Spielstrafe.


    Das gilt auch bei einem Faustschlag außerhalb und dann minimalem Foulspiel innerhalb: Es geht mit Strafstoß weiter. Die rote Karte für die Tätlichkeit wird natürlich dennoch gezeigt, weil die persönlichen Strafen unabhängig von der einen Spielstrafe sind. Auch dann, wenn der Faustschlag selbstverständlich ein schwereres Vergehen als ein leichter fahrlässiger Fußkontakt ist.


    Überlegungen, taktische Vergehen mit doppelten persönlichen Strafen zu belegen (also ein Foulspiel mit Spielstrafe Strafstoß wegen innerhalb und FaD wegen außerhalb) sind hoffentlich nicht ernstgemeint.


    Die Bestrafung nach dem schwereren Vergehen kann übrigens auch in ein paar anderen Konstellationen noch nachteilige Auswirkungen bzgl. persönlicher Strafe haben. Beispiel: bereits verwarnter Spieler foult den Angreifer fahrlässig aber, taktisch außerhalb des Spielfelds, Angreifer rappelt sich auf und bleibt in Ballbesitz mit aussichtsreicher Torchance, vertendelt den Ball und wird dann im Strafraum fahrlässig gefoult. Hier gibt es Strafstoß ohne persönliche Strafe, der Verteidiger darf trotz des taktischen Fouls weiterspielen.

  • Die Schwere des Vergehens richtet sich nach der Spielstrafe. Somit wäre man bei einem gleichzeitigen Vergehen innerhalb und außerhalb immer bei einem Strafstoß.

    Wo steht das? In 5.3 steht die Reihenfolge Sanktion, Spielfortsetzung, physische Härte, taktische Auswirkung.


    Beispiel: bereits verwarnter Spieler foult den Angreifer fahrlässig

    Vorsicht. Wenn der Schiedsrichter auf Vorteil entscheidet, dann reduziert sich eine DOGSO immer auf maximal Gelb oder gar keine Strafe und ein SPA auf keine Strafe. Diese Analogien kannst du nicht 1:1 hier anwenden.

  • Wo steht das? In 5.3 steht die Reihenfolge Sanktion, Spielfortsetzung, physische Härte, taktische Auswirkung.

    OK, das bringt mich jetzt ins Straucheln. Bisher war die mir bekannte Lehrmeinung immer, dass die Spielfortsetzung hier das (ausschließliche) Kriterium ist.


    Was ist denn mit "Sanktion" gemeint? Wirklich die persönliche Strafe, die höher zu gewichten ist als die Spielfortsetzung? Das kann doch kaum sein, aber wie gesagt, die Passage verwundert/überrascht mich gerade.

  • Aufgrund des Ausschlussprinzips bleibt für mich die persönliche Strafe als „Sanktion“ übrig. Und die steht ganz vorne.

  • Fände ich schwierig, weil die persönliche Strafe allein durch die taktische Auswirkung eine Rote Karte ist. Dasselbe Foul an der Mittellinie zöge nicht einmal eine Verwarnung nach sich.

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Das Problem ist, das in 5.3 eigentlich nur der Fall beschrieben ist, wenn beide Teams gleichzeitig gegen die Regel verstoßen. Daher bleibt es eine offene Frage, ob Rot den Strafstoß sticht oder umgekehrt.


    Der Regelgeber will in 12.3 bei einem grobem Foulspiel, einer Tätlichkeit oder einem zweiten verwarnungswürdigen Vergehen den Vorteil nur bei einer klaren Torchance. Ein DOGSO ist gar nicht erwähnt. zettelbox Insofern kann man schon zustimmen, dass der Regelgeber lieber das Aufrechterhalten der klaren Torchance und somit den Strafstoß sehen möchte als den Feldverweis.


    Trotzdem ist die frühe rote Karte inkl. 1-2 Spiele Sperre ein größeres Handikap als ein frühes Gegentor bzw. die 75%ige Chance eines Gegentors. Irgendwie muss die Regel nachgebessert werden. Mein Wunsch wäre, dass es für jedes DOGSO Strafstoß gibt, fertig.

  • Sorry, dem widerspreche ich energisch:
    Es ist keineswegs sicher, dass eine Rote Karte ein größeres Handicap ist, eine rein statistische Berechnung hilft da nicht weiter - und ich denke, dass wir alle Spiele kennen, in denen erst ein Feldverweis einen Ruck in die Mannschaft gegeben hat, die danach weit besser spiele ls vorher, obwohl sie in Unterzahl war.


    Ansonsten verweise ich auf meine Antwort: Es ist klare Intention des Regelgebers, dass Tore fallen sollen, mithin wünscht der den Strafstoß.

  • Manfred Es geht um Statistik und nicht den konkreten Einzelfall, der natürlich immer abweichen kann. Wir wissen nämlich auch, dass ein verschossener Strafstoß, insbesondere nach einem DOGSO ebenso eine gegenteilige nämlich demoralisierende Wirkung erzielen kann bzw. dem Team des Torhüters eine Ruck verpasst.