Abseits, Foul und Vorteil ...

  • Ich hatte gestern eine Szene, die sich gleichzeitig richtig und falsch anfühlte:

    Langer Pass von Heim auf einen Stürmer, der im Abseits steht - und der einzige Angreifer ist, der den Ball erreichen kann. Der aufmerksame Verteidiger erreicht den Stürmer in Ballnähe und begeht dabei ein fahrlässiges Foul. Nun haben wir also zwei Vergehen, bei deren Einwertung ich mir nicht ganz sicher bin - greift zuerst das Abseits, womit das Foul dann irrelevant wäre oder haben wir hier tatsächlich gleichzeitige Vergehen, bei denen das Foul als schwererer Regelverstoß zu ahnden wäre?


    Pragmatisch habe ich das in dem Sinn aufgelöst, dass zuerst das Abseits greift (auch weil einziger Spieler) und sogar weiterlaufen lassen, weil der Ball zum Torwart Gast kam, der selbst vollkommen unbedrängt wiederum einen langen Pass schlug, also der Klassiker von Vorteil.

  • Zitat von Regel 11.2

    Wenn:

    sich ein Spieler in einer Abseitsstellung mit der Absicht zum Ball bewegt, diesen zu spielen, und er gefoult wird, bevor er den Ball spielt oder zu spielen versucht oder bevor er mit einem Gegner einen Zweikampf um den Ball führt, wird das Foul geahndet, da es vor dem Abseitsvergehen geschehen ist,

    Ein Angreifer hat meines Erachtens auch das Recht sich durch eine Abseitsstellung in eine taktisch bessere Position zu bringen, solange er nicht regelwidrig eingreift. Daher würde ich das Spiel nur dann frühzeitig anpfeifen, wenn er wirklich der einzige Spieler ist, der dem Ball noch erlaufen könnte.

  • Mein erster Gedanke stimmt dir zu, auch wenn ich wirklich den idF gepfiffen hätte und vielleicht auf den Vorteil verzichtet hätte. Das würde Deine Entscheidung klarer machen.


    Aber im zweiten Moment stellt sich mir eine Frage. Der Angreifer befindet sich im Abseits und der Ball kommt in seine Nähe. Wird durch seine Bewegung auch klar, dass er zum Ball gehen will und es kommt zum Foul, dann entscheide ich auf Abseits.

    Nimmt er sich aber erkennbar aus dem Spiel, weil er sich gar nicht zum Ball bewegt und das fahrlässige Foul wird begangen, dann würde meine Entscheidung dF für den Angreifer lauten.

  • Also Vorteil erscheint mir deutlich falsch.

    Wenn zuerst das Abseits greift, wäre die Reihenfolge ja:
    Abseits -> Foul des Verteidigers -> Ballbesitz des TW

    Da der Vorteil sich aufs Abseits bezieht, könnte dann höchstens entstehen:

    Abseits -> Vorteil -> Foul des Verteidigers -> Ballbesitz des TW

    Daraus wird klar, dass es kein Grund gäbe, das Foul des Verteidigers dann nicht zu ahnden. Und somit liegt dann auch kein Vorteil vor.


    Bzgl. dem Abseits selbst, sehe ich es ähnlich wie Sebastian. Es muss (wie sonst auch) erkennbar sein, dass der Angreifer versucht den Ball zu spielen oder in den Zweikampf mit den Gegner gehen will. Wenn er sich bis zum Foul des Verteidigers eher passiv verhält (z.B. weil er auf einen langen Ball wartet), liegt noch kein Abseits vor und das Foul ist zu werten.

    Das kann man aber letztlich nur bewerten, wenn man die Situation sieht und es gibt bestimmt auch einen Graubereich.

  • Marks Zitat war auch mein erster Gedanke: hat der Stürmer den Ball berührt?

    Wenn ja, dann sehe ich die Vorteilsauslegung als richtig.

  • Vorteil wäre die denkbar schlechteste Lösung. Wenn beide Mannschaften gleichzeitig gegen die Regeln verstoßen, muss unterbrochen werden!


    Hier liegt aber nur ein Vergehen vor, da der Angreifer rein regeltechnisch noch gar keine Abseitsvergehen begangen hat. Dafür müsste einen Zweikampf begehen oder den Laufweg des Verteidigers klar beeinflussen. Der frühe Pfiff ist in den Regeln nicht vorgesehen und sollte auch nur dann erfolgen, wenn der Angreifer wirklich mutterseelenallein ist.


    Taktisch clever wäre es gewesen, wenn du gleich gepfiffen hättest, bevor der Verteidiger überhaupt die „Chance“ zum Foulspiel hatte. Laut der Schilderung hätte es daher direkten Freistoß geben müssen. Den idF nach dem Foulspiel bekommst du nur verkauft, wenn du vorher eine aktive Teilnahme des Angreifers gesehen hast.

  • Wenn beide Mannschaften gleichzeitig gegen die Regeln verstoßen, muss unterbrochen werden!

    Es war aber nicht gleichzeitig! Beide Spieler gingen in den Zweikampf, damit ist regeltechnisch der Eingriff in das Spiel erfolgt, der die Abseitsstellung wirksam macht, das Foul kommt erst, wenn auch nicht viel, später. Und nirgendwo steht, dass man beim Abseits keinen Vorteil gewähren kann.

  • Manfred Du hast geschrieben, dass du auf Vorteil entschieden hast und der Torwart einen langen Pass schlug, so zumindest versteht man es. Das geht aufgrund des fahrlässigen Foulspiel natürlich nicht, unabhängig ob gleichzeitig oder hintereinander. Oder hast du auf Abseits entschieden?

  • Auf Abseits - und da der Ball zum Torwart der verteidigenden Mannschaft gelangte und dieser vollkommen ungestört war, gleichzeitig die Distanz zum potenziellen Freistoßort aber unbedeutend war, habe ich mich für Vorteil für die verteidigende Mannschaft entschieden, das "spätere" Foul blieb daher ungesühnt - einerseits regeltechnisch richtig, andererseits aber eben doch mit einem gewissen Störgefühl bei mir selbst.

  • einerseits regeltechnisch richtig, andererseits aber eben doch mit einem gewissen Störgefühl bei mir selbst.

    Das Störgefühl ist richtig, da du nämlich auf idF für die Abwehr hättest entscheiden müssen. Das Foulspiel kannst du nicht ungesühnt lassen.


    Aber wie ganz zu Anfang zitiert, sieht der Regelgeber nicht vor eine Abseitsstellung als strafbar zu beurteilen, wenn der Angreifer der einzige Angreifer ist, der den Ball erreichen könnte, aber noch nicht eingegriffen hat. Das ist eine Auslegung, damit wir nicht den einzigen Spieler noch 30 m sprinten lassen, bis er den Ball berührt.


    Hier hat es jedoch ein Foulspiel gegeben, bevor er aktiv wurde oder du unterbrochen hast. Und da sieht der Regelgeber eben das Foulspiel als das erste und zu ahndende Vergehen.

  • Mark: Laut #7 gingen aber beide Spieler vor dem Foul in den Zweikampf - das sollte doch dann eigentlich für Abseits ausreichen, oder?


    Bzgl. Vorteil sehe ich auch nicht, dass das regeltechnisch richtig ist.

    Mit welcher Begründung gibst du denn den Freistoß für die Angreifer dort nicht?

    Die einzigen beiden Gründe, bei einem Foul nicht auf Freistoß zu entscheiden, sind doch Vorteil (liegt hier offensichtlich für die Angreifer nicht vor) oder Ball aus dem Spiel (liegt hier auch nicht vor, weil das Spiel nach dem Abseits weiterläuft) [na gut, oder Ende einer Halbzeit...].

  • Also Vorteil weiterlaufen lassen für die Verteidiger sehe ich hier auch grundsätzlich nicht.

    Ein idF irgendwo zwischen Mittellinie und Strafraum ist eigentlich immer vorteilhafter als "Torwart hat Ball in Hand".


    Wenn sich aber ein Verteidiger dazu berufen fühlt den Angreifer in dieser Situation in den Zweikampf zu nehmen, tendiere ich eher zu einem Spieleingriff des Angreifers und damit Abseits.

    Die Alternative (wobei "fahrlässig" da nicht mehr zu passt) wäre, dass der Verteidiger ohne Kampf um den Ball den Angreifer angeht (Stichworte Sperren ohne Ball, Behinderung, Tätlichkeit), was dann zu einem Freistoß für die Angreifer führen würde.

  • Das Störgefühl ist richtig, da du nämlich auf idF für die Abwehr hättest entscheiden müssen. Das Foulspiel kannst du nicht ungesühnt lassen.

    Finde den Fehler: Wenn ich auf Abseits entscheide - der erste Regelverstoß -, dann bleibt das Foul - der spätere Regelverstoß - zwangsläufig ungesühnt, weil es eben nur um Spielstrafen und nicht um persönliche Strafen geht; mit persönlicher Strafe hätten wir idF für die verteidigende Mannschaft plus Karte für den Verteidiger gehabt.

    Wenn sich aber ein Verteidiger dazu berufen fühlt den Angreifer in dieser Situation in den Zweikampf zu nehmen, tendiere ich eher zu einem Spieleingriff des Angreifers und damit Abseits.

    Der Ball war tatsächlich in der Nähe der beiden Spieler - und damit für mich ein klares Abseits.

    Ein idF irgendwo zwischen Mittellinie und Strafraum ist eigentlich immer vorteilhafter als "Torwart hat Ball in Hand".

    Das sehe ich anders: Der vom TW unmittelbar weit geschlagene Ball stellte in der Situation sogar einen klaren Vorteil dar, warum hätte ich den nicht gewähren sollen?

  • (...) Das sehe ich anders: Der vom TW unmittelbar weit geschlagene Ball stellte in der Situation sogar einen klaren Vorteil dar, warum hätte ich den nicht gewähren sollen?

    Ich denke die Einschätzung, ob in der jeweiligen Situation ein Vorteil vorliegt oder nicht, das ist doch recht subjektiv.

  • Vielleicht schreiben wir aneinander vorbei. Den Zweikampf in #7 habe ich nicht wahrgenommen. Damit ist Abseits und idF klar. In #1 wurde es anders geschildert.

  • Wenn ich auf Abseits entscheide - der erste Regelverstoß -, dann bleibt das Foul - der spätere Regelverstoß - zwangsläufig ungesühnt

    Kannst du das mal bitte mit einer Regelstelle begründen?

    Der Ball war tatsächlich in der Nähe der beiden Spieler - und damit für mich ein klares Abseits.

    Das ist meines Erachtens aber kein relevantes Argument.

    Der entscheidende Punkt ist, ob der Angreifer sich vor dem Foul aktiv um diesen Ball bemüht oder sich passiv verhält.

    Und das erklärt auch, warum wir (zumindest Mark und ich) die Szene durch die Info aus #7 anders bewerten als durch die Schilderung aus #1.

  • Das sehe ich anders: Der vom TW unmittelbar weit geschlagene Ball stellte in der Situation sogar einen klaren Vorteil dar, warum hätte ich den nicht gewähren sollen?

    Weil ein Verteidiger nach dem Abseitsvergehen gefoult hat. Dann musst du das Spiel unterbrechen. Wenn du schon vor dem Foulspiel Vorteil angezeigt hättest, wäre sogar der dF für die Angreifer die korrekte Entscheidung.

  • Ich denke, dass man nich auf Vorteil entscheiden kann, wenn Spieler beider Mannschaften gegen die Regeln verstoßen, sondern dass dann zwangsweise eines der beiden Vergehen geahndet werden muss (oder es mit SR-Ball weitergeht).