Am 26.03.2011 stand ich zum ersten Mal in meinem Leben als eingeteilter Schiedsrichter auf dem Platz. Es war ein C-Jugendspiel der Kreisklasse. Diesen Samstag, am 28.05.2011 werde ich zum elften Mal als offizieller Schiedsrichter tätig sein. Diese elf Spiele verteilen sich folgendermaßen:
- 8x C-Junioren
- 2x D-Junioren
- 1x B-Juniorinnen
Dazu kommen noch 150 Minuten "Jugend trainiert für Olympia" und sechs E-Jugend- und drei D-Jugendspiele meines Heimatvereines. Mittlerweile schleicht sich so etwas wie Routine ein. Ich leite die Spiele relativ sicher, fühle mich sicher auf dem Platz und kann meine Entscheidungen verteten. Bisweilen gab es zwei Elfmeter (den ersten im ersten Spiel nach knapp 90 Sekunden, den zweiten im zweiten Spiel fünf Minuten vor Schluss beim Stande von 0:0), zwei erzielte aber nicht anerkannte Tore und eine Rote Karte. Der FaZ fehlt mir noch. Nach zehn Spielen habe ich einen Gelbe-Kartenschnitt von 2,1 Karten pro Spiel.
Aber eine Sache ist bei mir noch von Spiel zu Spiel grundverschieden. Mein allgemeines Verhalten auf dem Platz. Meine Gesten, meine Wörter, die ich spreche und meine Tonlage. Hier bin ich noch mitten in der Findungsphase. Ich habe eine einheitliche Linie, wann ich was wie warum abpfeife oder laufen lassen aber meine Sprache ist in jedem Spiel eine andere. Dies liegt daran, dass ich den richtigen Weg noch nichtmal ansatzweise gefunden habe. Das liegt zum einen daran, dass ich damit noch keine allzu große Erfahrung hab aber auch daran, dass ich, was dieses Thema angeht, bislang sehr unterschiedliche Meinungen gehört habe.
Vor dem Lehrgang stand für mich eines fest: "Ich werde mit den Spielern nicht reden. Ich werde nicht erklären, warum ich was wie weshalb gepfiffen habe. Ich werde pfeifen, anzeigen was in welcher Richtung entschieden wurde und sonst gar nichts sagen." So kam es, dass mein erster Strafstoß erfolgte, ohne, dass ich einmal den Mund aufgemacht habe. Beim zweiten Strafstoß folgte nach dem Pfiff und dem Fingerzeig auf den Punkt nur das Wort "Elfmeter". Ansonsten nichts. Bei meinem dritten Spiel bin ich mit dieser Einstellung grausam baden gegangen. Nach 60 Sekunden rennt ein Stürmer auf das Tor zu, mit einem Verteidiger neben sich. Der Verteidiger fährt den rechten Ellenbogen aus, Pfiff, Freistoß. Ich zeige mit dem Arm an, was der Grund für den Pfiff war, habe ansonsten nichts gesagt. Das hat in diesem Spiel nicht funktioniert. Ich hatte wirklich keinen Ton gesagt. Schon bald fingen die Spieler an mit mir zu diksutieren. Viele Entscheidungen wurden kommentiert, ich blieb stumm. Dadurch ist mir das Spiel ziemlich entglitten, ich hatte es eigentlich nie wirklich unter Kontrolle. Ich war relativ schnell verunsichert. Ich begründete keine Entscheidungen und ich beantwortete auch keine Fragen. Am Ende stand es 2:2 und beide Mannschaften waren sehr sehr unzufrieden mit mir, ich war es auch. Bei meinem vierten Spiel, nur drei Tage später, drehte ich den Spieß komplett um. Ich war fast die ganze Zeit am Reden. Nach einem rüden Einsteigen mit beiden Beinen voraus, zeigte ich Geld und erklärte dem Spieler, dass das am Rande zu Rot war und er beim nächsten etwas auffälligeren Foul definitiv mindestens fünf Minuten raus müsse. Der Spieler verhielt sich für den Rest des Spiels vorbildlich. Nach einem Pass vom eigenen Mitspieler spielt ein Stürmer den Ball mit der Hand. Ich pfeife und rufe Handspiel. Eine Minute später spielt ein Spieler den Ball mit der Hand, nachdem ein Gegner den Ball gespielt hatte. Ich nahm mir die Zeit und erklärte dem Spieler, warum er die Verwarnung bekommen hatte (unsportlich und so) und der Gegner davor nicht. Nach einem Schubser regte sich ein Spieler furchtbar über den Genger auf. Vor der Ausführung des fälligen Freistoßes nahm ich den Spieler zur Seite und erklärte ihm, dass ich den Schubser gesehen und gepfiffen hatte und er sich bitte wieder beruhigen solle. Später hob der Linienassi aus Versehen die Fahne. Ich pfiff, der Spieler regte sich zu Recht auf, ich erklärte den Irrtum und gab Schiriball. Das Ende der Geschichte war, dass ich nach dem Spiel von insgesamt vier Personen unabhönig voneinander zur Seite genommen und ausdrücklich für meine wunderbare Leistung gelobt wurde. Als Dankeschön gabs 10€ extra.
Heute hatte ich ein langes Gespräch mit einem meiner Lehrer in der Schule. Er war mal Co - Trainer der Damen vom SC Freiburg (pendeln zwischen der ersten und zweiten Frauenbundesliga hin und her) und der hat mir seine Sicht der Dinge erzählt. Er vertritt die Meinung, dass es für einen Schiri umso besser ist, je weniger er redet. Wenn ein Spieler sich beschwert, soll man gar nichts sagen, weg laufen, wenn er einen verfolgt soll man Gelb zeigen und wenn er sich jetzt richtig in Rasche redet auf keinen Fall etwas sagen, weg laufen (nicht fliehen, sondern einfach weg gehen) und zur Not Gelb/Rot zeigen. Keine Entscheidungen begründen, nichts erklären, nicht in den Vordergrund stellen, nur reden, wenn es unbedingt notwendig ist und auf gar keinen Fall mit einem diskutieren lassen. Keine Entscheidungen rechtfertigen, keine Fragen beantworten, keine Diskussionen aufkommen lassen, nichts sagen.
Haltet ihr das für richtig? Egal was passiert, nichts sagen? Ich irgendwie nicht. Mir ist klar, dass man nicht mit sich diskutieren lassen soll aber eventuell eine Entscheidung begründen, den Spielern verständlich machen, warum man wie entschieden hat, halte ich nicht für falsch. Ich hab so den Eindruck, dass das etwas die Aggressivität nimmt, wenn man auch mal erklärt, warum man wie entschieden hat. Bei mir waren sich mal zwei Spieler nicht einig, wer jetzt den Einwurf bekommen sollte. Sie stritten sich um den Ball. Ich war zu weit weg und hatte es nicht gesehen. Das ganze fand bei der Eckfahne statt. Ich fragte die beiden Spieler, ob sie sich einig werden. Die Antwort war nein, beide wollten den Einwurf haben. Da erklärte ich, dass ich es nicht gesehen hatte und deswegen im Zweifel für den Verteidiger entscheide, damit der Ball weg vom Tor kommt. Ich fand die Lösung ehrlich gesagt besser, als einfach nur in eine Richtung zu zeigen und nichts zu sagen. Das wirkt auf mich immer so arrogant und überheblich, wenn ein Schiri das macht. Außerdem macht es furchtbar aggressiv, wenn ein Schiri einen einfach nicht wahr nimmt. Wenn man seine Entscheidungen begründet, kann das meiner Meinung nach in vielen Fällen sehr deeskalierend wirken. So z.B. auch die Gelbe Karte für das Handspiel, die ich einmal gegeben habe und einmal nicht. Bevor ich die Karte gezeigt habe, habe ich erklärt, warum es sie gleich gibt. So gab es überhaupt keine Diskussion darüber. Hätte ich nichts gesagt, wären wieder so Sachen gekommen wie: "Jaja, mir geben Sie jetzt Gelb aber vorhin haben Sie kein Gelb gegeben."
Mich interessiert brennend, wie ihr das handhabt. Redet ihr mit den Leuten oder seid ihr der stille Diktator auf dem Platz? Was das Thema angeht habe ich noch viel zu lernen und ich hoffe, dass hier eine rege Diskussion entsteht. Wann sagt ihr was warum zu wem? Und vor allem, das habe ich bislang noch nicht angesprochen, wann werdet ihr laut? Wenn überhaupt? Wann eskaliert ihr nach oben, um ein Exempel zu stauieren und mal ein Zeichen zu setzen, damit die Spieler merken: "So nicht mein Freund."
Ich bin sehr gespannt auf eure Antworten.