Beiträge von dennosius

    Das sehe ich anders:


    Nein, den ersten Teil sehe ich ganz genau so. Ein "weg da" des Angreifers gegen den Verteidiger ist auch unsportlich (ohne, dass es deswegen jetzt gleich eine Karte setzen muss). In dem Beispiel stellt der Spieler, der sich verpissen soll, aber beim Freistoß direkt vor den Ball. Da hat er nichts zu suchen.


    Beim zweiten Teil gebe ich Dir auch recht, dass ein hohes Maß an Disziplin (und Disziplinierung) helfen kann, das Spiel zu ordnen. Ich bin andererseits der Meinung, dass es zum Herz und zur Seele des Fußballs gehört, nicht Polo zu sein. Vielleicht unterscheidet uns da auch, dass ich keine Jugendspiele leite und deswegen keinen pädagogischen Ansatz mehr verfolge.

    "Verpiss dich" richtet sich aber gegen einen Spieler, der seinerseits etwas verbotenes tut. Außer, dass "verpiss dich" vulgär ist, ist daran überhaupt nichts verkehrt. Die Aussage richtet sich nicht gegen das Spiel und ist damit nicht unsportlich. Vulgarität als solche halte ich nicht für strafbar, Fußball ist halt Proletensport.


    "Halt den Mund" ist zwar (im Gegensatz zur "Fresse") nicht vulgär, richtet sich aber in dem Fall gegen den Schiedsrichter, der gerade eine Ermahnung ausspricht, also etwas erlaubtes tut. Der Schiedsrichter kommt in dem Moment seiner Aufgabe als Spielleiter nach und wird durch "halt dem Mund" daran gehindert. Die Aussage richtet sich also gegen das Spiel und ist deswegen unsportlich. Ich bin, wie gesagt, auch der Meinung, dass die Respektlosigkeit, die dadurch ausgedrückt wird, einer Beleidigung nicht nachsteht.


    "Fettsack" ist eine Formalbeleidigung. Dennoch sagt man doch auch formell beleidigende Bezeichnungen im Kontext häufig scherzhaft. Genau, wie es etwa eine freundschaftliche und eine feindselige Version von "du Penner" gibt. Wenn zwei Mitspieler eine Wette laufe haben, wer ein Tor schießt, und der Verlierer dann lachend zum Torschützen sagt "na da hast du Penner ja die Wette gewonnen", will niemand eine rote Karte sehen, wofür auch? Bei Mitspielern gehe ich immer erstmal davon aus, dass Formalbeleidigungen freundschaftlich gemeint sind, das sind sie nämlich fast immer. Selbst, wenn die Stimmung in einer Mannschaft kippt und die sich ernsthaft gegenseitig anranzen, sollte man (sofern es irgendwie noch darstellbar ist) m.E. nicht mit roten Karten reagieren, die sind mit ihrem Zwist gestraft genug. Entweder erstmal nichts machen und warten, ob es sich einrenkt, und wenn nicht, dann dem Kapitän sagen, dass die schlechte Stimmung auf dem Platz so nicht geht. Erst danach halte ich persönliche Strafen für sinnvoll (also im "Normalfall"; es lassen sich bestimmt Szenarios konstruieren, wo die Karte dann auch ohne Vorwarnung kommen muss).


    1: Normalerweise nichts, wenn kein Dauernörgler (dann Ermahnung oder eben gelb). "Man kann es auch übertreiben" ist ja eine noch fast nette Meinungsäußerung

    2: Da muss eine Reaktion kommen, wobei die Ermahnung da normalerweise genügt.

    3: Das ist keine ernstgemeinte Beleidigung, daher nix (oder im Vorbeigehen mal: "Pass auf, dass es bei solchen saloppen Sprüchen keine Missverständnisse gibt"). Ich hatte das glaube ich noch nicht, aber falls der Mitspieler wirklich ernsthaft gemobbt wird, ist es eine Beleidigung = rot.

    4: Rot. Wenn er der Meinung ist, dass das keine Beleidigung ist, kann er das dem Sportgericht erzählen. In meinen Augen zwar keine Formalbeleidigung, aber eine dem Maß einer Beleidigung gleichkommende Bekundung fehlenden Respekts.

    5: Rot. Verstehe nicht, was es da zu diskutieren gibt. "Schwul" ist in diesem Kontext immer als Beleidigung gemeint. Der Spieler erkundigt sich ja nicht nach der sexuellen Orientierung.

    6: Gelb. "Lächerlich" ist bei mir eins der Trigger-Wörter, bei denen es in der Regel ohne weitere Vorwarnung gelb gibt (bei sonst sehr nettem Spiel ausnahmsweise Ermahnung).

    7: dito.

    8: dito.

    Das ist der Versuch, das in die Regeln zu quetschen, was jeder sehen will. Oder gibt es einen sachlichen Grund, warum bestimmte Verhaltensweisen beim Bejubeln eines Tores sanktioniert werden sollten, beim Bejubeln eines Sieges aber nicht?! Ich denke nicht. Also ich finde die Lösung im Sinne des Sports richtig und will da auch keine gelbe Karte sehen oder geben, aber die regeltechnische Begründung hierfür überzeugt nicht.


    Meine Auffassung übrigens zur Frage des Spielendes: Das Spiel ist mit erzielen des gültigen Treffers "automatisch" zu Ende. Dies signalisiert der Schiedsrichter durch Pfiff, aber der Pfiff ist nur deklaratorisch. Und das eben im Gegensatz zum Abpfiff nach 90 Minuten, der ist konstitutiv.

    Mit den Altherrenteams unseres örtlichen Proficlubs gibt es auch gelegentlich Probleme. Die "Traditionsmannschaft" hat auf einem Benefizturnier die Turnierleitung sogar mal zur Rücknahme einer roten Karte genötigt mit der Drohung, man würde nächstes Jahr nicht wiederkommen.


    Wobei es halt andersrum wohl tatsächlich auch Schiris gibt, die sich toll dabei vorkommen, deren Spielern (zum kleineren Teil Ex-Profis) auf der Nase rumzutanzen.

    Richtig, 'klar' bezieht sich bei technischen Entscheidungen auf die Richtigkeit der Entscheidung und nicht auf die Deutlichkeit der Situation. Bei einem knappen Abseits nicht zu pfeifen ist nach den Regeln eben genauso klar falsch wie bei einem deutlichen Abseits. Bei der ebenfalls technischen Frage, ob ein Vergehen im Strafraum war oder außerhalb, gibt es ja auch keinen Spielraum. Oder ob der Ball vor dem Tor im Aus war. Wenn der VAR es auflösen kann, gilt das.

    Für mich käme ein 'technisches Tor' nur in Frage, wenn der Spieler ein wirklich sicheres Tor verhindert. Also z.B. Handspiel auf der Linie oder der AWS, der den Ball von der Linie kratzt. Ich erinnere mich da an Suarez' Handspiel bei der WM2010 gegen Ghana.


    In anderen Fällen der Notbremse reden wir zwar umgangssprachlich von 'Hundertprozentigen', aber wie oft trifft der allein auf den Torhüter zulaufende Angreifer wirklich? Das ist von 100% weit entfernt. Und wenn man es weiter differenziert, wird die Regel zu kompliziert.


    An dem Grundproblem, dass persönliche Strafen gegen Spielende kaum noch Einfluss auf den Spielausgang haben können, können wir nämlich nichts ändern. Wenn zB eine knapp in Führung liegende Mannschaft kurz vor Schluss den besten Spieler des drückend überlegenen Gegners, der gerade zum 3. Mal gewechselt hat, kaputttritt, sichert sie sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auch den Sieg. Das kann man beim Strafmaß berücksichtigen, aber nicht ergebnistechnisch auf dem Platz korrigieren.


    Die Regeln können und müssen m.E. davon ausgehen, dass alle Beteiligten sich (in jedem Sinne des Wortes) sportlich messen wollen. Die das nicht wollen, muss man sportrechtlich aussortieren. Wer aber Spielregeln so macht, als würden die Teilnehmer gar nicht am sportlichen Wettkampf teilnehmen wollen, schüttet das Kind mit dem Bade aus.

    Es erwartet ja niemand, dass die Bundesliga-Schiris jetzt mega-kleinlich pfeifen. Wenn sie ungefähr das Disziplin-Niveau der Premier League erreichen, würde mir das schon genügen. Wir sind ja keine Punktrichter beim Dressurreiten. Aber das Vorbild, dass man seinen Frust ständig beim Schiri abladen kann, möchte ich nicht mehr sehen.


    Bin gespannt, wie das in der Praxis aussieht.

    * Den Freistoß Mannschaft B zusprechen ist ja nicht möglich.

    Ich habe mal bei einem Turnier in USA gepfiffen, da war ich einmal an der Linie mit einem SR aus Brasilien, der (wie er mir später erklärt hat) nach dortigen Street-Soccer-Regeln gepfiffen hat. Der hat genau das gemacht. Gab zwar etwas Ärger, aber ich fand es eine faire Entscheidung (zumal es in dem Turnier keine Nachspielzeit gab).


    Soll natürlich keine Aufforderung sein, das so zu machen, sondern nur eine kleine Anekdote zum Thema.

    Und hierzu gibt es jetzt ein Urteil. Entweder ist die Berichterstattung schlecht oder die Sache ist ein - ebenso schlechter - Witz.


    Ich kann die Kritik nicht nachvollziehen. 800 Euro und 4 bis 7 Punkte sind ein ziemliches Brett. Zumal da nicht einmal eine ganze Mannschaft eskaliert ist, sondern ein Zuschauer beleidigt und ein Betreuer tätlich angegriffen hat. Im Artikel steht leider nichts vom Ausmaß der Tätlichkeit, aber wenn die nicht so schwer war und der Betreuer einsichtig, sind die vier Monate auch im Rahmen.


    Der "Hängt sie höher"-Mentalität aus Zeiten vor der Aufklärung sollte man sich auch nicht hingeben. Es gibt immer noch Sportgerichte, die bei Tätlichkeiten gegen SR die Strafe in Wochen und nicht in Monaten bemessen, und dann ist auch Kritik angebracht. Man darf aber das Maß auch nicht völlig verlieren.


    Update übrigens zu meinem C-Jugend-Fall: Die Truppe haben wir komplett für 6 Monate gesperrt (einschließlich des Trainers, dem jegliches Problembewusstsein fehlte), zwei identifizierbare schuldige Spieler für 1 Jahr (Tritte gegen am Boden liegenden Spieler). Dazu gab es insgesamt 500 Euro Geldstrafe. Das Urteil ist auch schon rechtskräftig, der Verein hat es akzeptiert.

    In Burgdorf ist ein C-Jugend-Spieler der Gäste mit inneren Blutungen in ein Krankenhaus gekommen. Grund war mutmaßlich, dass er am Boden liegend von Spielern der Heimmannschaft geschlagen und getreten wurde. Die Mannschaft hatte davor auch schon einen Spielabbruch. Das Sportgericht hat die ganze Mannschaft vorläufig gesperrt:


    https://www.sueddeutsche.de/pa…20090101-190923-99-993136


    (Da ich als Sportrichter in diese Sache involviert bin, möchte ich aber keine weiteren Details mit Euch teilen. Es gibt einen wesentlich ausführlicheren Artikel hinter der Bezahlschranke der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, den ich aber privat teilen kann).

    Steht denn in den Regeln irgendwo, dass Teamoffizielle die technische Zone nicht unangemeldet verlassen dürfen? Oder Auswechselspieler? Ich denke nicht, oder?


    Es kann sicherlich unsportlich sein, die Zone zu verlassen, um die Zone des Gegners oder das Spielfeld zu betreten. Oder einem Zuschauer die Meinung zu geigen. Aber ich denke, anders als bei Spielern (vom Platz) ist das schiere Verlassen der technischen Zone, indem man einfach weggeht, unabhängig vom konkreten Anlass nicht unsportlich.

    Ich finde es grotesk und bezeichnend, dass die "Leuchtturmfälle" gegen Rassismus an vielen Orten ausgerechnet "reverse racism" Fälle sind. Das war bis zu o.g. Entscheidung hier genauso, der Bericht des früheren Falls liest sich so grob wie Deiner.


    Ein Verband, der es nicht hinbekommt, den zweifellos leider vorhandenen Fälle von Rassismus einigermaßen konsequent in den Griff zu bekommen, sollte nicht Exempel an denen statuieren, die sich zu Unrecht (und vielleicht mit unlauterer Absicht) rassistisch behandelt fühlen. Das, was den Sport kaputt macht, ist die Herabsetzung von Sportkameraden aufgrund ihrer Herkunft - nicht so sehr aber der unberechtigte Vorwurf, jemand täte das. Schön sind auch diese Dinge nicht, aber wenn die konsequenter verfolgt werden als "echter" Rassismus, stimmt doch auch was nicht.

    Gibt es ein getrenntes Jugendsportgericht oder sind die Zahlen da mit drin?


    Ansonsten ist "Promillebereich" immer eine Frage der Umstände. Würde man jedes tausendste Mal von einem Auto angefahren, wenn man die Straße überquert, wäre das auch "Promillebereich", und trotzdem viel zuviel.


    Auf Fußballplätzen herrscht nicht flächendeckend Mord und Totschlag. Andererseits nehmen die schwersten Vergehen auf niedrigem Niveau zu (das sind immerhin über 20% Zuwachs an Spielabbrüchen!) und gleichzeitig nehmen die Spiele, in denen man sagen möchte, dass da sportkameradschaftlich alles vorbildlich nett war, wohl ab.


    Solchen Entwicklungen muss man frühzeitig begegnen, und zwar entschlossen, wenn auch ohne panischen Aktionismus. Wenn wir die Abbrüche in Prozent ausdrücken müssen, ist es sicherlich zu spät.

    Hier gab es kürzlich einen Rassismus-Fall. Der Verband sieht in der (vermutlich viel zu selten angewendeten) Vorschrift Strafen bis 5.000 Euro vor, das ist das zwanzigfache der Höchststrafe für eine gewöhnliche Beleidigung.


    Im konkreten Fall waren zwei Trainer aneinandergeraten. Der Anlass war - wie so oft - ein völlig bedeutungsloser Freistoßpfiff des Schiedsrichters. Es kam zu einer Rudelbildung an den Bänken. Der Schiri hat die zwar mitbekommen, aber nicht, was dazu geführt hatte. Am Ende sagten viele Spieler von Heim, der Gästetrainer habe den (farbigen) Heimtrainer rassistisch beleidigt.


    In der Beweisaufnahme haben dann viele Zeugen selbst gar nichts gehört, sondern hatten auf dem Platz nur auf Vorwürfe der Mitspieler reagiert. Für beweisbar gehalten hat das Sportgericht letztlich "geh zurück dahin, wo du herkommst, du Affe!" und "in deinem Land ist Diktatur".


    Der beschuldigte Gästetrainer behauptete, er habe mit "wo du herkommst" die Coachingzone gemeint und "Diktatur" habe sich darauf bezogen, dass er keine anderen Meinungen zu dem Freistoß zugelassen habe. Sein Vereinsvorsitzender fügte an, selbst wenn es anders gemeint gewesen sei, sei das nur eine normale Beleidigung aus der Emotion heraus und eben kein Rassismus, weil das nicht ernst gemeint gewesen sei.


    Das Sportgericht hat 500 Euro Strafe verhängt, was für Kreisverhältnisse schon eine ziemliche Hausnummer ist. Es kann sich jedenfalls niemand (in meinem Umfeld) an eine höhere Geldstrafe erinnern (und nur ganz wenige gleich hohe).

    Mit dieser Einstellung hast Du in der Nähe eines Fußballplatzes nichts verloren, und schon gar nicht mit einer Pfeife im Mund.


    Es ist nicht die Aufgabe von Schiedsrichtern, Exempel zu statuieren, angeblich mangelhafte Erziehung des Elternhauses zu kompensieren oder Strafen zu provozieren. Fußball ist Volkssport, mit allen Problemen, die das mit sich bringt. Man kann das in einem gewissen Rahmen mit mehr Strenge oder mit mehr Verständnis lösen, dafür sind wir unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Stilen. Wir sind aber keine Fußballerzieher. Die Schiedsrichter sind für den Fußball da und nicht umgekehrt.


    Vielleicht bist Du beim Dressurreiten besser aufgehoben. Da sind die Pferde besser erzogen, und manche Menschen vielleicht auch.