SSD Hamburger SV - Schalke 04

  • Hallo,


    beim Strafstoß gestern fiel mir auf, dass Herr Rost vor dem Schuss nicht nur auf der Linie sondern auch in seinem Tor (der vom Netz und der Torlinie begrenzte Raum) herumtänzelte.


    Zwei Fragen dazu:


    1. Was hättet Ihr gemacht? Ich hätte den Strafstoß nicht abgewartet sondern noch vor der Ausführung den Torwart ermahnt, sich auf die Linie zu begeben und im Wiederholungsfall verwarnt.


    2. Wo steht eigentlich in der Regel, dass der TW sich auf der Linie bewegen darf, bevor der Ball gespielt wird? Den Passus habe ich nicht gefunden- bitte um Aufklärung.



    Danke und Gruß!

  • Das der Torwart auf der Linie stehen muss, ist in Regel 14 bei der Auslegung der FIFA zu finden.


    Was hätte ich getan? Ganz einfach, den Vorteil abgewartet. Geht der Ball ins Tor, wird der Treffer anerkannt (wenn nicht ein Mitspieler so früh reinrennt oder einen Verstoß begeht) ansonsten wird wiederholt.

  • Da brauchst Du gar nicht in die Auslegungshinweise zu gehen, der Regeltext ist da ganz eindeutig und unmissverständlich:
    "Der Torwart des verteidigenden Teams
    - bleibt mit Blick zum Schützen auf seiner Torlinie zwischen den Pfosten stehen, bis
    der Ball mit dem Fuß getreten wurde."


    Auch die Vorgehensweise ist im Regelheft ausgesprochen eindeutig formuliert:
    "Der Torwart verstößt gegen die Spielregeln:
    - Der Schiedsrichter lässt den Strafstoß ausführen.
    - Geht der Ball ins Tor, zählt der Treffer.
    - Geht der Ball nicht ins Tor, wird der Strafstoß wiederholt."


    Da brauche ich keinen Vorteil oder sonst etwas, sondern ganz klar: Ausführen lassen, die Konsequenzen sind beschrieben, die Ausführung (und die damit im Zweifelsfall verbundene zweite Chance ist wohl der größere Vorteil).


    Pragmatisch ist es sicher sinnvoll, einen Torwart an die Regeln zu erinnern, nicht aber, sie mit Nachdruck einzufordern (Dummheit schützt vor Strafe nicht).

  • Danke für Eure schnellen Antworten.


    Ich bin noch nicht zufrieden:


    Der SR soll die korrekte Ausführung des Strafstoßes sicherstellen. Das bedeutet pragmatisch für mich, dass ich Regelverstöße vor dem Anpfeifen abstelle. Ich werde nicht anpfeifen, wenn z.B. ein Verteidiger noch im Strafraum steht oder Spieler sich an der Torlinie zwischen Strafraum und Eckfahne aufhalten.


    Die Regelauslegung a la "ich schaue einfach, ob der Strafstoß verwandelt wird und wende dann die Vorteilsbestimmung an" kann es nicht sein.
    Bei jeder Freigabe einer Spielfortsetzung muss der SR die "regelkonformen" Rahmenbedingungen sicherstellen (oder etwa nicht?).



    Meine zweite Frage bezog sich auf "bewegen". Wie die älteren unter uns wissen, durfte sich der TW früher bis zum Spielen des Balles gar nicht bewegen sondern hatte auf der Linie zu stehen im Sinne von verharren. Heute darf der TW auf der Linie hin und herlaufen oder hüpfen oder springen- nur- wo steht das? Oder darf er es am Ende doch nicht?!?

  • Soweit ich weiß: Steht niergendwo in den Regeln drin, dass es verboten wäre, also ist es erlaubt.

  • Zitat von BestRefinTown;130248

    Bei jeder Freigabe einer Spielfortsetzung muss der SR die "regelkonformen" Rahmenbedingungen sicherstellen (oder etwa nicht?).


    Ein klares: Nein! Ein Freistoß darf ja grundsätzlich auch ausgeführt werden, wenn der Abstand noch nicht stimmt. Der SR muss also nicht bei jeder Spielfortsetzung die regelkonformen Rahmenbedingungen schaffen.


    Beim Strafstoß, der ja explizit per Pfiff freigegeben werden muss, hat der SR sicher darauf zu achten, dass im Moment der Freigabe die regelkonforme Ausführung möglich ist, das ist auch in den Regeln so verankert ("Nachdem sich die Spieler regelkonform aufgestellt haben, gibt der Schiedsrichter
    das Zeichen zur Ausführung des Strafstoßes."). Was aber danach kommt, ist nicht seine Sache.



    Zitat von BestRefinTown;130248

    Meine zweite Frage bezog sich auf "bewegen". Wie die älteren unter uns wissen, durfte sich der TW früher bis zum Spielen des Balles gar nicht bewegen sondern hatte auf der Linie zu stehen im Sinne von verharren. Heute darf der TW auf der Linie hin und herlaufen oder hüpfen oder springen- nur- wo steht das? Oder darf er es am Ende doch nicht?!?


    Ich kenne das durchaus noch - und zwar sowohl als meiner aktiven Karriere als Torwart als auch aus meiner ersten Schiedsrichterkarriere. Heute besagt das Regelwerk aber ausdrücklich, dass sich der Torwart mit dem Gesicht zum Spielfeld auf der Linie zwischen den Pfosten aufhalten muss. Von einem "Stillstand" o.ä. ist da nichts (mehr) enthalten, unter Vernachlässigung einer eventuellen Unsportlichkeit könnte der Torwart sogar die gymnasitsche Übung des Hampelmanns auf der Torlinie machen, das "stehen" aus dem Regeltext wird heute nicht mehr als steifes stehen interpretiert, was durch folgende Erläuterung klar wird: "Finten bei der Ausführung eines Strafstoßes gehören zum Fußball. Ist der Schiedsrichter jedoch der Ansicht, dass die Finte eine Unsportlichkeit darstellt,
    wird der betreffende Spieler verwarnt." Die Finten sind ausdrücklich nicht auf den Schützen beschränkt.

  • Die Regelung, dass sich der Torwart erst nach dem Schuss bewegen darf, wurde vor etwa 5 Jahren aufgehoben. Er darf sich auf seiner Linie bewegen, diese nur nicht vor dem Schuss verlassen.


    Zum Thema Ballfreigabe bzw. Fehlverhalten von Spielern vor, bzw. beim Schuss hat Manfred alles geschrieben.

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • Zitat von Manfred;130254

    Ein klares: Nein! Ein Freistoß darf ja grundsätzlich auch ausgeführt werden, wenn der Abstand noch nicht stimmt. Der SR muss also nicht bei jeder Spielfortsetzung die regelkonformen Rahmenbedingungen schaffen..


    War mir klar, dass dieser Einwand kommen würde. Das ist aber der Sonderfall "schnelle Freistoßausführung", die nur solange möglich ist, wie niemand das Stellen der Mauer einfordert. Ab Stellen der Mauer gilt wieder: Anpfiff nur, wenn alles regelkonform. Nix mehr von wegen Vorteilsbestimmung. Ich gebe nur frei, wenn die Rahmenbedingungen regelkonform sind. Also beim Anstoß alle Spieler in der eigenen Hälfte, beim Freistoß .....



    Zitat von Manfred;130254


    ...Beim Strafstoß, der ja explizit per Pfiff freigegeben werden muss, hat der SR sicher darauf zu achten, dass im Moment der Freigabe die regelkonforme Ausführung möglich ist, das ist auch in den Regeln so verankert ("Nachdem sich die Spieler regelkonform aufgestellt haben, gibt der Schiedsrichter
    das Zeichen zur Ausführung des Strafstoßes."). Was aber danach kommt, ist nicht seine Sache...


    Prima- jetzt haben wir´s gelöst: Alles, was vor dem Pfiff geschieht, muss ich kontrollieren und bei Regelwidrigkeiten darf ich nicht anpfeifen. Nach dem Pfiff Vorteilsbestimmung.
    OK-somit ist auch meine Rost-Frage von oben beantwortet.



    Zitat von Manfred;130254

    ......Die Finten sind ausdrücklich nicht auf den Schützen beschränkt.



    Danke Manfred- das erklärt auch meine 2. Frage: "Die Finten sind ausdrücklich nicht auf den Schützen beschränkt"

  • Zitat von BestRefinTown;130259

    ... der Sonderfall "schnelle Freistoßausführung" ...


    Von wegen Sonderfall - auch beim Einwurf, Eckstoß und Abstoß gilt, dass dieser ausgeführt werden darf, auch wenn die formalen Rahmenbedingungen (meist Mindestabstand) noch nicht eingehalten werden, mithin ist also eher der Strafstoß der "Sonderfall" (und alle Fälle, in denen die formalen Dinge eingefodert werden). Man könnte es als (fast genaue) Faustregel auch so ausdrücken: Wo der SR per Pfiff freigeben muss, müssen zum Zeitpunkt des Pfiffes die formalen Voraussetzungen stimmen, in allen anderen Fällen ist dies nicht zwingend erforderlich.

  • OK- einverstanden.


    Ich bin ein Fan von klaren Regeln mit Quellenangabe, um die SR (und mich selbst) aus der Schusslinie zu nehmen und allen Beteiligten zu ermöglichen, es selbst nachzulesen.


    Für die Praxis sind "Grundregeln" hilfreich, von denen sich weitere Regeln ableiten lassen. Knackige Faustregeln helfen auf dem Platz.


    Insofern finde ich Manfred´s Faustregel gut:


    Zitat von Manfred;130262

    ...Man könnte es als (fast genaue) Faustregel auch so ausdrücken: Wo der SR per Pfiff freigeben muss, müssen zum Zeitpunkt des Pfiffes die formalen Voraussetzungen stimmen, in allen anderen Fällen ist dies nicht zwingend erforderlich.



    Bleibt noch die Frage, wo die "(fast genaue) Faustregel" ungenau wird?

  • Nach der Aussprache von persönlichen Strafen, Sperrungen des Balles wegen Auswechslung, Verletzung usw. Hier ist zwingend anzupfeifen, der Grundsatz der schnellen Spielfortsetzung kann dennoch im Einzelfall der Herbeiführung der formalen Voraussetzungen zuwiderlaufen.

  • Zitat von Manfred;130278

    .....der Grundsatz der schnellen Spielfortsetzung kann dennoch im Einzelfall der Herbeiführung der formalen Voraussetzungen zuwiderlaufen.



    Und dann? Schnelle Spielfortsetzung oder Herbeiführung der formalen Vorraussetzungen? Wenn Freigabe durch Pfiff erforderlich, dann kommt der Pfiff erst, wenn die formalen Vorraussetzungen herbei geführt wurden.
    Ansonsten würde ich ja durch den Pfiff die Regelübertretungen (das Fehlen der formalen Vorraussetzungen) quasi legitimieren- und das kann nicht sein.



    Also keine Ausnahme von der Faustregel?



    Wo der SR per Pfiff freigeben muss, müssen zum Zeitpunkt des Pfiffes die formalen Voraussetzungen stimmen, in allen anderen Fällen ist dies nicht zwingend erforderlich.

  • Wir kommen jetzt in eine theoretische, aber sehr interessante Diskussion.


    Mal unterstellt, dass nach einer Spielunterbrechung, die - warum auch immer (Auswechslung, Verwarnung, ...) - einen Pfiff als zwingend zur Spielfortsetzung vorschreibt, besteht für die benachteiligte Mannschaft noch immer oder - noch interessanter - wieder die Chance, durch schnelle Freistoßausführung einen Vorteil zu erhalten - ist es da nicht die Aufgabe des SR, der Mannschaft dies zu ermöglichen? Ist es in einem solchen Fall wirklich im Sinne der Regel, wenn ich den möglichen Vorteil vernichte, in dem ich erst mühsam eine formale Korrektheit herstelle?


    Natürlich reden wir von einem Ausnahmefall, aber nach meinem Empfinden gilt auch hier, dass die schnelle Freistoßausführung ermöglicht werden soll. Unterstellt, es gab einen Vorfall, der zu einem FaD führt, so ist - es sei denn, es besteht eine glasklare Torchance - kein Vorteil zu gewähren und das Spiel sofort zu unterbrechen. Der Feldverweis wird ausgesprochen, der Spieler trollt sich und hat das Feld verlassen, um mich herum stehen noch einige Spieler, die ihren Gesprächsbedarf befriedigen wollen und ich stehe 5 Meter vom Ball entfernt. Dadurch, dass die Spieler mit mir diskutieren wollen, hätte die den Freistoß ausführende Mannschaft "freie Bahn". Soll ich hier wirklich die Jungs erst auf 9,15 Meter entfernen? Mir scheint hier das Nützliche mit dem Praktischen zu verbinden die bessere Option zu sein, der Pfiff beendet die Diskussion und verschafft der durch das Foul benachteiligten Mannschaft zusätzlich noch einen Vorteil - da sind mir die fehlenen paar Meter Abstand vollkommen egal.

  • Da z.B. nach einer Auswechselung oder Aussprache einer persönlichen Strafe der Pfiff zur Wiederaufnahme des Spiels zwingend notwendig ist, handhabe ich es so:


    Es kann in den nachfolgenden Fällen nicht zu einer schnelleren Spielfortsetzung kommen,
    da erst die o.g. formalen Grundvoraussetzungen erfüllt werden müssen.


    In der Praxis sieht dies so aus:


    Nach Aussprache einer GK notiere ich diese, bringe mich
    in Position und gebe das Spiel mit einem Pfiff wieder frei.


    Nach Aussprache einer G/R oder RK muß ich vor der Spielfortsetzung beachten,
    dass der Spieler den Innenraum verlassen hat. Erst danach wird das Spiel frei gegeben.


    Nach einer Auswechselung erfolgt die Freigabe erst nachdem der ausgewechselte Spieler
    das Feld verlassen und ggf. der neutrale SRA seine Position wieder eingenommen hat.



    Auch wenn das Herstellen dieser formalen Grundvoraussetzungen aufwendig ist,
    und eine Mannschaft ggf. benachteiligt wird ( schnelle Spielfortsetzung ),
    soll es nicht unser Problem sein, da die Regel den Pfiff zwingend vorschreibt
    und uns SR´s diese Zeit keiner nehmen kann.


    In dem von Manfred beschriebenen Fall muss jedoch 100% sichergestellt sein,
    dass alle Grundvoraussetzungen erfüllt sind. Dann kann ich die Diskussionsrunde
    schnell beenden, indem ich den FS mit einem Pfiff frei gebe und dem Gegner
    die Möglichkeit gebe, das Spiel schnell fortzusetzen.


    Hier ist viel Erfahrung und Übersicht notwendig.

    "Der Schlüssel zum Erfolg ist Kameradschaft und der Wille, alles für den anderen zu geben."
    - Fritz Walter († 17. Juni 2002)

  • Ich schließe mich den Ausführungen von schiri-ft an. Die Gewährung von Vorteil ist eine Ermessensentscheidung. Ermessen kann der Schiedsrichter aber nur da ausüben, wo die Regel ihm die Freiheit dazu gibt. Das ist nicht der Fall, wenn die Regel den Pfiff zur Spielfreigabe vorschreibt und die Freigabe an die Herstellung von bestimmten Voraussetzungen gebunden ist.


    Zur Situation Mauerstellen: Hier kann es schon deswegen keinen Vorteil geben, weil entweder der SR von sich aus das Spiel zur Herstellung der Voraussetzungen unterbrochen (gestoppt) hat und die verteidigende Mannschaft nun den Vertrauensschutz genießt, dass es keine (vor)schnelle Ausführung gibt, oder weil die angreifende Mannschaft die Mauer stellen lassen will, also explizit auf den Vorteil einer schnellen Ausführung verzichtet.


    Zur Situation Strafstoß: Es ist mMn zu unterscheiden zwischen der Zeit vor dem Freigabe-Pfiff und der Zeit zwischen Pfiff und Wirkung des Strafstoßes. Vor dem Freigabe-Pfiff wäre das Verlassen der Linie durch den TW noch nicht strafbar, daher: Ermahnung des TW, die Position einzuhalten. Nach dem Pfiff darf nicht mehr eingegriffen werden, die Wirkung des Strafstoßes ist abzuwarten.

    "Weißt du, Fußball ist das Einfachste, das es gibt. Wenn nur nicht das ganze Drumherum wäre." (Sebastian Deisler)