25 plus x Leute – und alle haben andere Vorstellungen
Du betrittst den Sportplatz und sollst ein Spiel pfeifen. Vielleicht hast Du Dich schon im Vorfeld darüber informiert, auf welchem Tabellenplatz die Mannschaften stehen, ob es in der jüngeren Vergangenheit besondere Vorkommnisse gab usw. Aber hast Du Dich wirklich schon einmal mit den Spielertypen beschäftigt? Ich meine jetzt nicht die Stars und solche, die sich dafür halten, die Wasserträger, die Verteidiger, die lieber im Sturm spielen würden etc., obwohl auch dies durchaus erheblichen Einfluss auf das Spiel haben kann und nicht unterschätzt werden sollte – aber das wäre einen eigenen Artikel wert. Nein, ich meine die Positionen, die im jeweiligen Spiel wahrzunehmen sind.
Nüchtern betrachtet ist jedes Fußballspiel ein Theaterstück – jeder hat eine Rolle und einige spielen gut, während andere ihren Text nicht gelernt haben. Fangen wir mal mit den Rollen und ihren Besetzungen an:
- Der Torwart
Der Torwart hat eine ganz besondere Rolle. Er ist derjenige, der letzten Endes das Tor sauber zu halten hat, die Fehler seiner Mannschaft korrigieren muss und dennoch oft genug die Schuld zugewiesen bekommt, sein Interesse ist daher durchaus ganz eigener Natur. Um seine Rolle gut spielen zu können, ist er nicht nur auf die Mitarbeit seiner Mitspieler angewiesen, nein, teilweise stören sie ihn bei seiner Arbeit, weil sie den Gegner nicht abfangen können, ihm potenziell die Sicht verstellen oder ihn sogar behindern, dafür seine Anweisungen aber oft nicht befolgen. Folglich ist der Torwart immer ein wenig Staat im Staate, oft gepaart mit einer gewissen Spannung zwischen ihm und seinen Mitspielern. Nüchtern betrachtet ist er uns als Schiedsrichtern jedoch am ähnlichsten, denn auch er ist Einzelkämpfer. Gerade dieser Umstand verbunden mit der Tatsache, dass ein Fehler von ihm schwerer wiegt als hundert vergebene Chancen sowie der Tatsache, dass er der einzige Spieler ist, der sich ab und an selbst gefährden muss und hier innerhalb des Torraumes auch durch das Regelwerk besonders geschützt wird, empfiehlt ihn unserer besonderen Aufmerksamkeit.
- Die Abwehrspieler
Gute Abwehrspieler sind selten, denn zu einer guten Spielübersicht, entgegen landläufiger Meinung auch exzellenter Kondition und adäquater Regelkenntnis muss sich auch noch der Wille gesellen, in der Abwehr zu spielen. Abwehrspieler werden in den Spielberichten selten erwähnt – und wenn, dann meist nur durch Aufzählung ihrer Fehler. Ein Spieler in der Abwehr soll einerseits dafür sorgen, dass ein Gegner nicht zum Torschuss kommt, andererseits darf er aber auch die Mannschaft nicht gefährden, in dem er an ungünstigen Stellen für einen Freistoß oder gar einen Strafstoß sorgt. Gleichzeitig soll er möglichst alle Angriffe des Gegners verhindern, in dem er selbigen im Abseits stehen lässt und das Mittelfeld und die Stürmer mit guten Pässen versorgen. Für uns ist der Charakter des Abwehrspielers von besonderem Interesse, denn wenn der fair spielt, werden grobe Fouls selten und nicht mit Absicht vorkommen, ist er hingegen „Ausputzer“, sollten wir schon einmal prüfen, ob wir auch die Karten dabei haben.
- Das Mittelfeld
Im Idealfall sind das die konditionell stärksten und lauffreudigsten Spieler, denn sie spielen eigentlich in Abwehr und Sturm gleichzeitig. Leider ist das Ideal aber selten zu finden, was uns als SR aber egal sein kann, mit den Mittelfeldspielern gibt es meist nicht viele für uns kritische Situationen, da sich die meisten Spielsituationen eben im Mittelfeld abspielen.
- Die Stürmer
Eine ganz eigene Kategorie. Aus ihrer Eigensicht die wichtigsten Spieler der Mannschaft, denn sie schießen die Tore. Diese Ansicht wird durch die mediale Berichterstattung leider auch noch unterstützt. In Wahrheit finden sich hier aber meist die Spieler mit der höchsten Fehlerquote – sowohl was die Chancenverwertung als auch was die Regelkenntnisse angeht, von den Abseitsstellungen ganz abgesehen. Entsprechend ihrem Selbstverständnis haben diese Leute meist auch ein loses Mundwerk, so dass Meckerer in dieser Gruppe überdurchschnittlich häufig zu finden sind, besonders, da ihre Fähigkeit zur Selbstkritik des Öfteren ziemlich unterbelichtet ist; die Gelben Karten könnten wir hier meist schon vor dem Spiel ankreuzen, da wir sie ohnehin vergeben werden. Besonders kritisch sind die, die sich im wahrsten Sinne des Wortes für Schauspieler halten und uns gerne mal ihre besonderen Talente in Form von Schwalben präsentieren.
Damit hätte ich 22 Personen genannt, nun kommen die besonderen Spezies:
- Der Trainer
Kann nichts und weiß alles besser. Gut, sicher ist das überzogen, die Tendenz stimmt aber leider gar zu häufig. Einerseits hat er die – zugegebenermaßen schwierige – Aufgabe, aus dem Haufen Einzelgänger eine Mannschaft zu bilden, andererseits hat er auf der Bank den bequemen Job und muss nicht durch die Hitze rennen, sich pudelnass regnen lassen, mit rutschigem Boden klarkommen usw. Allerdings ist er uns insoweit sehr ähnlich, da er fast immer der Schuldige ist, wenn es in einem Spiel nicht so läuft, wie es erwartet wird. Für uns ist er vor allem deswegen ein schwieriger Zeitgenosse, da sich unsere disziplinarischen Vollmachten ihm gegenüber als nur eingeschränkt tauglich erweisen.
- Der Schiedsrichter
Also wir selber. Auch wenn es niemand gerne hört: Wir spielen die Hauptrolle in dem Stück, sind aber nur dann wirklich gut, wenn man den Eindruck hat, wir hätten die inhaltliche Bedeutung eines Statisten. Wobei wir nie wirklich Statist sein dürfen, denn erstens müssen wir – im Gegensatz zu allen anderen Beteiligten – unseren Text (sprich: die Regeln) immer können und haben zweitens die – oft undankbare – Aufgabe, dafür zu sorgen, dass unser Textbuch eingehalten wird. Je konsequenter wir das tun, um so besser sind wir. Denkt immer daran, dass es besser ist, ein Spiel konsequent kleinlich zu leiten, wo aber jeder weiß, wie der Hase läuft, als ein Spiel zu pfeifen, welches immer am Abgrund des Entgleitens stattfindet.
- plus x oder die Zuschauer
Die sehen, wissen und können alles besser; daran müssen wir uns gewöhnen. Schlimmer ist, dass es genügend Entscheidungen geben wird, in denen mindestens ein Zuschauer auch wirklich besser stand und es besser gesehen hat als wir. Disziplinarmöglichkeiten gegen Zuschauer haben wir fast keine. Mit dieser Gattung kommt man am besten klar, wenn man schnell und bestimmt entscheidet – also nie warten, bis die Zuschauer rufen und dann nach deren Wunsch entscheiden, auch wenn sich das bei einer fraglichen Vorteilssituation womöglich nicht immer verhindern lässt.
Und nun: Vorhang auf!