Taktisches abwerfen beim Einwurf

  • Gemäß Regel 15 darf der Ball absichtlich auf einen Gegenspieler geworfen werden um erneut in Ballbesitz zu gelangen, solange es nicht fahrlässig, rücksichtslos oder übermäßig hart ist. Wo aber ist die Grenze zwischen fahrlässig und erlaubt, z. B. hier?


    Frech, Frecher, Mbabu: Augsburg-Star mit genialem Einwurf
    Der Augsburger wirft einen Einwurf gegen den Rücken von Lainer, von wo aus der Ball ins Toraus geht. Es gibt Ecke für Augsburg.
    youtu.be

  • Ich denke die einzige Unterscheidung, die man treffen kann ist entweder erlaubtes Spiel oder Tätlichkeit. Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der ich so einen Einwurf zurückpfeife, aber nur Gelb oder keine pers. Strafe ausspreche.

  • Die Fahrlässigkeit bezieht sich m.E. auf einen heftigen Wurf, nur in diesem Kontext macht die auch Sinn.

    Zitat

    Wirft ein Spieler den Ball bei der korrekten Ausführung eines Einwurfs absichtlich auf einen Gegner, um erneut in Ballbesitz zu gelangen, und hat er den Ball weder fahrlässig noch rücksichtslos noch übermäßig hart geworfen, lässt der Schiedsrichter das Spiel weiterlaufen.

    Mithin ist jeder heftige Anwurf, aus welchem Grund auch immer, regelwidrig, alle anderen Anwürfe sind erlaubt. Und es liegt immer im Eindruck des Schiedsrichters, wann etwas heftig ist - spannend, dass es da übrigens selten zu unterschiedlichen Meinungen kommt. Im konkreten Fall sehe ich übrigens keine Heftigkeit ...

  • Bei dem Beispiel sehe ich auch keinen Grund. Es stellt sich mir trotzdem die Frage, in welcher Situation man auf direkten Freistoß ohne Disziplinarmaßnahme wegen „fahrlässig“ entscheidet.


    Ich gehe nicht soweit wie Nemata, aber mindestens gelbwürdig muss der Treffer schon sein, um einen dF zu verkaufen. In den vereinfachen Regeln auf S. 38 unten wird in der Frage auch nur rücksichtslos oder übermäßig hart beschrieben.


    https://www.datocms-assets.com/43623/1669994873-the-ifab_football-rules_category.pdf

  • Es ist halt nach normalem Sprachgebrauch ziemlich widersinnig, wenn "absichtlich" erlaubt und "fahrlässig" strafbar ist.

    Insofern für mich auch eine Spielstrafe ohne persönliche Strafe hier kaum vorstellbar.

    Und auch "rücksichtslos heftig, aber nicht übermäßig hart" finde ich schwierig.


    Gelb könnte ich mir ggfs. für einen eher sanften Wurf vorstellen, der aber offensichtlich eine unsportliche Absicht und nicht den Zweck des Ballbesitzes hat.


    Was ist eigentlich, wenn der Ball heftig, aber nach Ansicht des SRs unabsichtlich gegen den Gegner geworfen wird? Das dürfte analog zu einem heftigen Schuss, der den Gegner unabsichtlich trifft, nicht strafbar sein, oder?

  • Fahrlässig könnte sein, wenn der Wurf normalerweise als nicht heftig oder rücksichtslos durchgehen würde, aber empfindliche Körperteile des Gegners trifft, beispielsweise

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Fahrlässig könnte in dem Kontext auch heißen, dass man den Gegner gar nicht treffen wollte, es aber wegen einer Unachtsamkeit o.ä. doch zum heftigen Treffer kam.

  • Manfred:

    Ja, das habe ich auch überlegt.

    Aber wäre das überhaupt strafbar?

    Wenn ich schieße und dabei den Gegner wegen Unachtsamkeit heftig treffe, gibt es doch auch keine Strafe. Warum sollte das bei einem Einwurf anders sein?

    Die einschlägige Regel spricht ja gerade nur von "absichtlich".


    Ente:

    Aber auch dort: Sobald das absichtlich passiert, ist das doch

    a) gerade nicht fahrlässig (weil Absicht)

    b) mindestens eine Unsportlichkeit - also schon deshalb Gelb

  • Interessant an dieser Sache ist ja, dass wir zwar eine Tatbestandsbechreibung haben, aber keine Strafvorschrift.


    Was soll denn eigentlich (rein regeltechnisch) passieren, wenn ein einwerfender Spieler den Ball übermäßig hart auf einen Gegner wirft?

    Persönliche Strafe sollte klar sein, Rot wegen Tätlichkeit.

    Aber wie geht das Spiel weiter?


    Weiterlaufen gelassen wird ja nur, wenn es eben ein "erlaubter" Einwurf war.

    Wenn es nicht "weiterläuft", dann sind wir ja auch nicht im Spiel und dann müsste es nach Regel 15.2 als "sonstiges Vergehen" mit Einwurf für den Gegner weitergehen.


    Oder ist der Ball in dem Moment im Spiel und es geht nach Regel 12? Dann ergibt aber wiederum die Normierung, wann weiterlaufen zu lassen ist, keinen Sinn, weil überflüssig.

  • Wenn ich schieße und dabei den Gegner wegen Unachtsamkeit heftig treffe, gibt es doch auch keine Strafe.

    Und da liegt der große Unterschied: Ein Schuss passiert im laufenden Spiel und eben nicht als Resultat einer Spielruhe - und ein absichtliches heftiges abschießen wäre auch klar regelwidrig und zu ahnden.

    Aber wie geht das Spiel weiter?

    Kann nur direkter Freistoß oder Strafstoß sein, je nach Ort des Treffers, denn der Ball ist ja ordnungsgemäß ins Spiel gekommen, dann gilt das "Übliche" bei Tätlichkeiten (wo getroffen wurde/werden sollte); spannend ist nur, dass es selbstverständlich nur einen Einwurf für den Gegner als Spielfortsetzung geben kann, wenn der Einwurf nicht regelkonform ausgeführt wurde, aber dennoch ein heftiger Treffer vorlag.


    Letztlich möchte der Regelgeber einfach dafür sorgen, dass bei der Spielfortsetzung "Einwurf" eben besondere Sorgfalt anzuwenden ist, was bei den übrigens Spielfortsetzungen wegen des weit höheren vorgeschriebenen Abstandes eben regelmäßig nicht erforderlich ist.

  • Der direkte Freistoß ist, wie Manfred beschrieben hat die korrekte Spielfortsetzung. Spannend ist die Frage, wie es sich beim „falschen“ Spiel Einwurf verhält. Hier ist der „Gegenwurf“ die übliche Spielfortsetzung, wobei das IFAB mir mal geantwortet hat, dass das Regelwerk auch bei einem Ausführungsvergehen den Vorteil nicht ausschließt, solange der Ball korrekt ins Spiel gebracht wurde. Und das ist beim Freistoß nur das Spielen mit dem Fuß und beim Einwurf dass der Ball im Spielfeld ist.


    „Fahrlässig“ (careless) bezieht sich im Regelwerk allerdings weniger auf das Zustandekommen eines Foulspiels, sondern eher auf die Wirkung. Ansonsten ergibt absichtlich fahrlässig keinen Sinn.


    Des Weiteren gibt es diese Abschieß-Regel auch beim Freistoß und Eckstoß.

  • Ausführungsvergehen

    Ist aber eigentlich gerade das Gegenteil von

    Ball korrekt ins Spiel gebracht


    Diese beiden Dinge schließen sich gegenseitig eigentlich aus.

    Entweder er ist korrekt ins Spiel gebracht, dann war die Ausführung korrekt, oder er ist eben nicht korrekt ins Spiel gebracht, dann gab es die Ausführung noch nicht.

  • Diese beiden Dinge schließen sich gegenseitig eigentlich aus.

    Entweder er ist korrekt ins Spiel gebracht, dann war die Ausführung korrekt, oder er ist eben nicht korrekt ins Spiel gebracht, dann gab es die Ausführung noch nicht.

    Korrekt ausgeführt und korrekt ins Spiel gebracht, sind tatsächlich zwei Paar Stiefel. Insbesondere am Beispiel des Strafstoßes aber plakativ erklärbar: Die Voraussetzung, dass ein Ausführungs-Vergehen des Schützen mit idF bestraft werden kann, ist das korrekte ins Spiel Bringen mit dem Fuß, sodass sich der Ball bewegt. Ansonsten muss die Ausführung wiederholt werden.


    Beim Einwurf ist der Ball im Spiel, sobald er sich im Spielfeld befindet, ohne zuvor den Boden zu berühren. Nur dadurch wird die Wiederholung beim falschen Einwurf durch das andere Team ja erst ermöglicht. Und wenn sich der Ball im Spiel befindet, kann auch die Vorteilsregel zur Anwendung kommen. Was ja auch regelmäßig geschieht, wenn das andere Team gegen die Ausführungsbestimmungen verstößt.


    In der Umsetzung wird anders gelehrt und praktiziert. Kein Schiedsrichter würde z. B. beim nicht ruhenden Abstoß oder am falschen Ort auf Vorteil entscheiden, wenn er mit dem Fuß direkt zu einem Gegenspieler gespielt wird. Trotzdem würden es die Regeln formal zulassen.


    Aber hier geht es primär um das absichtliche fahrlässige Abwerfen/Abschießen und wie man sich das vorstellen kann.

  • Die Voraussetzung, dass ein Ausführungs-Vergehen des Schützen mit idF bestraft werden kann, ist das korrekte ins Spiel Bringen mit dem Fuß, sodass sich der Ball bewegt.

    Nein, der Schiri könnte schon eingreifen, wenn der mit dem Bein neben dem Ball steht und die Ausführung verzögert, da hier bereits die Unsportlichkeit erfüllt ist - aber Strafstoß ist ein anderes Thema ...

  • Nein, der Schiri könnte schon eingreifen, wenn der mit dem Bein neben dem Ball steht und die Ausführung verzögert, da hier bereits die Unsportlichkeit erfüllt ist - aber Strafstoß ist ein anderes Thema ...

    Theoretisch ja, aber dann kann der Schiedsrichter nur verwarnen und der Strafstoß muss wiederholt werden. Also sollte er ihn auch schießen lassen. Nur dann sind die Vorraussetzungen für eine Änderung der ursprünglichen Spielfortsetzung erfüllt (Regeln 8 Einführung letzter Satz und 14.2 zweiter Satz). Beim Elfmeterschießen reicht tatsächlich ein Vergehen nach der Freigabe aus, damit er als Verschossen gilt.

    Ansonsten muss der Ball wenigstens für den Bruchteil einer Sekunde formal ins Spiel gebracht werden.

  • Definitiv nicht, das wird auch aus den Regeln ganz deutlich:

    Zitat

    Bei einer Verlängerung der Spielzeit ist der Strafstoß abgeschlossen, wenn sich der Ball, nachdem der Schuss ausgeführt wurde, nicht mehr bewegt, aus dem Spiel ist, von irgendeinem Spieler (einschließlich des Schützen) außer dem verteidigenden Torhüter gespielt wird oder der Schiedsrichter das Spiel wegen eines Vergehens des Schützen oder dessen Teams unterbricht.


    Regel 14.1 spricht sogar in dem besonderen Fall explizit davon, dass die "Verlängerung" endet, weil der Strafstoß abgeschlossen ist, selbst wenn der SR das Spiel - und hier macht nur die Ausführung Sinn - wegen eines Vergehen des Schützen unterbricht.
    Regel 14.2 schlägt übrigens in dieselbe Kerbe:

    Zitat

    In folgenden Fällen wird das Spiel unterbrochen und mit einem indirekten Freistoß fortgesetzt, unabhängig davon, ob ein Tor erzielt wird oder nicht:

    ...

    • Der Schütze täuscht nach dem Anlaufen einen Schuss an („Finte“ – eine Finte während des Anlaufens ist zulässig): Der Schiedsrichter verwarnt den Schützen.


    Deutlicher kann da gar nicht mehr stehen, dass es einen indirekten Freistoß gibt, ganz unabhängig davon, ob der Ball noch geschossen wird oder nicht. In der Übertreibung liegt die Wahrheit: Der Schütze läuft an, bleibt mit dem Standbein neben dem Bein stehen und hampelt im Extrem "minutenlang" herum - es sollte doch selbstverständlich sein, dass der Schiri hier die Ausführung nicht mehr abwartet, sondern gleich auf idF und Verwarnung entscheidet.


    Aber wenn das nicht reicht, sollten wir definitiv ein neues Thema dafür aufmachen.

  • Manfred Ja, deutlicher kann das da tatsächlich nicht stehen: Das Spiel kann man nämlich nur unterbrechen, wenn der Ball im Spiel ist. Und dafür muss er mit dem Fuß gespielt werden und sich eindeutig bewegen. ;)

  • Eine Ausführung kann man jederzeit unterbrechen - und genau das beschreibt Regel -, der Ball muss dafür eben nicht im Spiel sein.

  • Eine Ausführung kann man jederzeit unterbrechen - und genau das beschreibt Regel -, der Ball muss dafür eben nicht im Spiel sein.

    Selbstverständlich kannst du eine Ausführung jederzeit unterbrechen. Dann hast du allerdings nicht das Spiel unterbrochen und musst daher die Ausführung wiederholen lassen.


    Die Voraussetzung, dass aus einem Strafstoß ein idF oder aus einem Einwurf für Heim ein Einwurf für Gast wird, ist, dass der Ball zwischenzeitlich korrekt im Spiel war. Das ist beim Strafstoß das Spielen mit dem Fuß und beim Einwurf das Werden des Balles ins Spielfeld, ohne dass er zuvor den Boden außerhalb berührt.

  • Selbstverständlich kannst du eine Ausführung jederzeit unterbrechen. Dann hast du allerdings nicht das Spiel unterbrochen und musst daher die Ausführung wiederholen lassen.

    Tatsächlich teile ich Deine Meinung, dass man Spiel, was noch gar nicht läuft, nicht unterbrechen kann.

    Der Gesamtkontext, wie die Regel strukturiert ist, deutet aber darauf hin, dass der Regelgeber den Strafstoß hier als "verzockt" sehen will


    Wenn der Regelgeber hier gewollt hätte, dass der Strafstoß wiederholt wird, weil der Ball nicht im Spiel ist, dann hätte er das Vegehen nicht in die Liste der ausdrücklichen idF-Vergehen "before the ball is in play" aufgenommen.