TW rutscht mit gehaltenem Ball aus dem Strafraum - Torverhinderung?

  • Ich hatte gestern mal wieder eine Szene, bei der ich mich gefragt habe, was wäre eigentlich wenn ...


    Langer Pass, der Stürmer rennt, der Ball ist aber noch ein paar Meter voraus. Der TW realisiert das, rennt auch und rutscht dem Ball entgegen, den er auch noch knapp im Strafraum "einsammeln" kann, der Stürmer ist da nur noch etwa eineinhalb Meter entfernt, weitere Spieler sind nicht beteiligt und weit weg. Das war meine Situation, also alles harmlos und im grünen Bereich.


    Aber: Wie wäre das eigentlich zu bewerten, wenn der TW mit dem Ball über die Strafraumgrenze gerutscht wäre? Einerseits hat er den zunächst regelkonform unter Kontrolle gebracht, damit kann es sich nicht um die Verhinderung einer klaren Torchance handeln, andererseits wäre der Handkontakt außerhalb des Strafraums klar regelwidrig und nähme dem Stürmer doch eine klare Torchance, die daraus entstünde, wenn der TW den Ball wieder freigeben hätte müssen ... Wobei: Dann läge der TW im Weg und wir haben hier ein potenzielles gefährliches Spiel ... Klar, intuitiv hätte ich situationsbezogen entschieden, aber ob das regeltechnisch richtig gewesen wäre?

  • Ich kenn diese Szenen aus der Halle. Habe das von u9 bis u17 schon von Torhütern geshenen.

    Bei u9 und u11 haben die Schiedsrichter fast immer die Hühneraugen mit zu gedrückt. Ansonsten gab es den Freistoß wegen des "Handspiels".

  • Bei uns ist da die klare Aussage und Anweisung: Handspiel, direkter Freistoß, keine persönliche Strafe.

  • Dass er den Ball vorher schon im Strafraum in den Händen hatte, spielt meines Erachtens keine Rolle. Warum sollte relevant sein, was vorher war?

    Und wenn der Ball [bei sonst identischer Situation] in Richtung Strafraum rollen würde und er ihn schon außerhalb des Strafraums mit den Händen stoppt bzw. im Liegen festhält, würden doch wenig Zweifel über die Rote Karte bestehen, oder?


    Dass der TW dann noch im Weg liegt, kann eigentlich auch kein großer Faktor sein, da regelmäßig auf Notbremse gegen den Verteidiger entschieden wird, wenn noch ein TW zwischen Angreifer und Tor ist.


    Und ein weiteres Argument: Bei sonstigen potenziellen Notbremsen bewerten wir eigentlich die Situation, die z.B. ohne den foulenden Verteidiger vorgelegen hätte. Wenn man sich hier dann analog den TW wegdenkt, ist es auch wieder klar.


    Zur Abgrenzung: Natürlich ist es nicht immer Rot, wenn der TW mit dem Ball aus dem Strafraum rutscht - aber im geschilderten Kontext mMn schon.

  • Die mir bekannte Lehrmeinung ist genauso wie von Sven geschrieben.

    In einer Aktion prallten Grevelhörster und Gerick zusammen. Der FC-Stürmer blutete aus der Nase, aber Schiedsrichter Stefan Tendyck aus Gelsenkirchen konnte mit einem Taschentuch aushelfen. Gericks Torriecher wurde nicht in Mitleidenschaft gezogen: Er markierte das 1:3.


    Westfalen-Blatt (29.5.2017) :D

  • Die mir bekannte Lehrmeinung ist genauso wie von Sven geschrieben.

    Könnte am selben Verband liegen :)

  • Nö, kenne ich genauso und war in anderen Verbänden aktiv. Aus einem Vorteil, der hier durch die regelkonforme Aufnahme des Balls erfolgt ist, darf durch nicht bewussten Regelverstoß kein Nachteil entstehen. Er beabsichtigt ja nicht, rauszurutschen. Und es ist ja auch kein versehentliches Aufnehmen, weil er denkt, dass er noch im Strafraum ist. Daher Freistoß und keine persönliche Strafe.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Sorry, das mit der fehlenden Absicht überzeugt nicht, er nimmt das ja ggf. durchaus in Kauf - und das wäre sehr wohl auch als Absicht zu werten. Entscheidend ist demnach, dass das offenbar so betrachtet wird, als wäre die klare Torchance erledigt - und das kann man so sehen, auch wenn das nicht zwingend ist, für mich ein Klassiker von Lehrsätzen, die man leider mal wieder nirgends nachlesen kann.

  • Es ist weder eine klare Torchance, noch ein aussichtsreicher Angriff, weil der Torwart auch beim Loslassen auf der Strafraumgrenze die Kontrolle über den Ball hätte und nicht der Stürmer. Unsportlich ist es auch nicht, daher direkter Freistoß für das Handspiel außerhalb des Strafraums und keine persönliche Strafe.

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Klare Auslegung, die ich ebenfalls kenne: keine persönliche Strafe. Argumentiert wird damit, dass die Torchance nicht mehr bestand, da der Torwart den Ball unmittelbar zuvor legal mit den Händen kontrolliert hat. Inhaltlich überzeugt mich die Argumentation auch nur so mittelmäßig, aber ich kann damit einigermaßen leben.


    Joa, und wo findet sich das nun nachlesbar? Da wären wir wieder beim altbekannten Thema. Vielleicht irgendwo im Archiv der SR-Zeitungen, in einer Präsentation eines Landes- oder Kreisverbandes, oder in einem Interview mit einem ehemaligen DFB-Funktionär ... Super unbefriedigend.

  • Im Regelbuch, Seite 81 oben.


    FaD gibt es nur, wenn die Torchance durch das verbotene Spiel verhindert wird.

    Die Torchance wurde aber bereits vorher durch ein legales Spiel verhindert.

    Das verbotene Spiel erfolgt erst nach der Verhinderung der Torchance.

    ... und wenn wir jeetzt noch wüssten, welches Regelbuch du meinst, könnten es Alle nachlesen.

    In meinem Regelbuch ist auf Seite 81 oben zu Regel 5 die Videosichtung

  • Selbstverständlich das aktuelle Regelbuch, zu finden beim DFB (https://www.dfb.de/verbandsser…ikationen/fussballregeln/)


    Seite 81 gehört da zu Regel 12.

    Welches verwendest Du denn?

    Fussballregeln in der Praxis; herausgegeben von Bayerichen Fußballverband e.V.



    Danke für die Fundstelle, das erleichtert wirklich das Leben.

    Wobei die von dir zitierte Stelle durchaus Interpertationsspieraum zulässt.

  • Das verbotene Spiel erfolgt erst nach der Verhinderung der Torchance.

    Und das ist der Denkfehler:
    Die gewissermaßen erste klare Torchance ist damit erledigt, wenn der TW den Ball aber regelkonform außerhalb des Strafraums spielen würde/müsste, reden wir durchaus über die Möglichkeit einer weiteren/zweiten klaren Torchance - zumindest könnte man das so sehen, insoweit passt der Regeltext eben nicht, womit wir wieder bei den nicht nachlesbaren Lehrmeinungen wären.

  • Der Titel klingt eher nach einer Sekundärquelle mit Auslegungskommentaren als einem primären Regelbuch.

    Sowohl das Werk, aus das die dich beziehst, als auch meine Literaturangabe sind "Sekundärquellen", da sich beide auf das Regelwerk des IFAB beziehen und Auslegungskommentare enthalten.

    Deshalb habe ich schon in einenm anderen Betrag angemahnt, das jeweilige Werk auch zu nennen, damit sich jeder ein eigenes Bild machen kann.

    (RE: Taktisches Foul und schnelle Spielfortsetzung)

  • Sehe ich anders.

    Die klare Torchance ist durch die Ballkontrolle des Torwarts erledigt, das Handspiel außérhalb ist ein neues Vergehen ohne Vorliegen einer Torchance. Wie kann ein Spieler, der einen Ball regelkonform kontrolliert, eine klare Torchance für den Gegner vereiteln? Ein Angreifer dürfte diesen Ball ohnehin nicht spielen.


    Analogie:

    Ein Torwart hält den Ball länger als 6 Sekunden in den Händen, während ein Verteidiger in 1m Abstand zum Torwart steht. Da ist der Verstoß gegen die 6-Sekunden-Regel doch auch keine klare Torchance für den Gegner.

  • KozKalanndok Unmittelbar bevor sich der TW außerhalb des Strafraums befindet, muss er formal den Ball loslassen bzw. freigeben. Theoretisch könnte der Ball nun direkt vor einem Einschuss bereiten Angreifer liegen.


    Im Strafraum muss der TH ja den Ball nicht unmittelbar nach Ablauf der 6 Sekunden fallen lassen, sondern verursacht nur einen idF. Des Weiteren darf er gemäß Regel 12.1 bei einem Handspielvergehen im eigenen Strafraum nicht persönlich bestraft werden.


    Es ist hier eine Auslegungssache, auch im Sinne der Regeln, dass es nur den dF gibt.

  • Im Strafraum muss der TH ja den Ball nicht unmittelbar nach Ablauf der 6 Sekunden fallen lassen, sondern verursacht nur einen idF.

    Was aber ein Vergehen ist und das reicht um potenziell eine DOGSO zu bejahen. DOGSO gibt es nicht nur für Vergehen, die mit DF zu ahnden sind sondenr für alle Vergehen.


    Des Weiteren darf er gemäß Regel 12.1 bei einem Handspielvergehen im eigenen Strafraum nicht persönlich bestraft werden.

    Die 6-Sekunden-Regel ist aber kein Handspielvergehen sondern ein technisches Vergehen.


    Theoretisch könnte der Ball nun direkt vor einem Einschuss bereiten Angreifer liegen.

    Und wenn der in dieser Situation draufhalten würde, hätten wir gefährliches Spiel des Angreifers gegen den Torwart, also keine Torchance und schon 3x keine klare Torchance.