Nervende Zuschauer

  • Am Wochenende hatte ich meiner Meinung nach ein Spiel richtig gut im Griff. Und eigentlich war ich auch sehr zufrieden mit meinen Entscheidungen. Daher habe ich es nicht verstanden, wenn von der Seitenlinie kritische Rufe kamen, die man sehr gut gehört hat. Da stand jemand, der in seinen Leben wohl zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat und beim Fußball ordentlich Luft abgelassen hat. Kommentare wie "keine klare Linie", "ganz klar Foulspiel", etc.


    Wenn man sich deiner Sache etwas unsicher ist kann man eher verstehen, dass andere die Spielsituationen anders werten und Luft ablassen. Aber wenn man sich seiner sicher ist und dann kommen so unqualifizierte, einseitige Kommentare, das ärgert dann schon. Ich hab versucht darüber hinweg zu hören und hab einfach nicht darauf reagiert.


    Wie geht ihr mit so etwas um?

  • Mache Dir immer klar, dass die Zuschauer eine andere Perspektive haben als Du, potenziell dieselbe Szene also anders wahrgenommen haben und aus deren Sicht gar nicht zwingend falsch liegen müssen. Ich erinnere mich sehr gut an ein älteres DFB-Lehrvideo zum Thema Handspiel, bei dem dieselbe Szene aus drei verschiedenen Perspektiven gezeigt wurde (Frontalsicht, 45 Grad versetzt und 90 Grad versetzt) - frontal lautet die Entscheidung ganz klar auf aus kurzer Entfernung gegen den normal gehaltenen Arm geschossen, mit jeder weiteren Perspektive wird das Handspiel absichtlicher; es gibt eben nicht zwingend die "eine" Wahrheit, wir müssen aber nach unserer Wahrnehmung entscheiden.


    Dazu kommt: Zuschauer tragen regelmäßig die Vereinsbrille, nehmen also gleiche Dinge unterschiedlich wahr, abhängig davon, ob sie vom eigenen Verein oder vom Gegner begangen werden. Die des Öfteren eher rudimentären und volkstümlichen Regelkenntnisse tun ihr übriges.


    Generell gilt aber: Soweit möglich wird ausgeblendet, was draußen passiert. Wichtig ist aber: Wird auf diese Art und Weise Unruhe ins Spiel getragen? Wenn nein, lass die draußen brabbeln und blubbern, das geht mir am Ar... vorbei. Wenn doch, dann gibt es Maßnahmen, die aber zur Situation passen müssen:

    Sind die Spieler von den ewigen Nörgeleien draußen auch genervt, wirke beruhigend auf die Spieler ein, etwa mit einer Ansprache "Lass die draußen *passenden Begriff einsetzen*, wir spielen hier drin.". Lassen sich die Spieler anstecken, kann ich über den Mannschaftskapitän auffordern, er möge beruhigend auf die Zuschauer einwirken - Achtung: Kann sehr wirksam sein, kann die aber auch zusätzlich anstacheln - und gib ihm dafür die notwendige Zeit, nichts ist so wirksam wie eine "längere" Spielunterbrechung. Alternativ oder ergänzend kann man den Heimverein via Spielführer auch anweisen - das wird viel zu selten gemacht - den Ordnungsdienst in der Nähe der Störenfriede zu platzieren, der Effekt ist meist mehr als erstaunlich effektiv.


    Aber: Wenn Du selbst merkst, dass das heute nicht Dein Tag ist, nimm es einfach hin, jegliche Reaktion auf die Zuschauer heizt die Atmosphäre dann noch mehr an. Hier gilt es die Möglichkeiten der Ablenkung zu nutzen, etwa die Aufmerksamkeit auf die Spieler der Mannschaft zu lenken, deren Zuschauer Dich nerven, in dem Du die beispielsweise beim Einwurf/Abstoß/Eckstoß/Auswechslung aufforderst, sich nicht so viel Zeit zu lassen, plötzlich sind die dann schuld, dass das Spiel nicht so läuft wie gewünscht, weil die nicht so motiviert zu Werke gehen, wie die Zuschauer dies erwarten respektive die wertvolle Spielzeit vertrödeln.

  • Regel Nummer 1: Die da draussen haben Eintritt bezahlt. Also dürfen sie sich ein bisschen (!) austoben.

    Regel Nummer 2: Wird es beleidigend oder beeinflusst es stärker die Spielleitung wird über den Spielführer der Ordnungsdienst eingeschaltet.

    :saufbrüder:^^

  • Ich lasse auch "regelmäßig" Störenfriede entfernen. Der Ordnungsdienst wird dann ggf. auf seine Pflichten hingewiesen.

  • @ gigi deine erste Regel ist komplett falsch !

    Nur weil ich Eintritt zahle gebe ich doch nicht meinen Anstand an der Kasse ab!

    Wenn du ins Theater gehst, rufst du dann auch immer in das Stück rein ? ( He du Schnalle sprich mal lauter, auf den billigen Plätzen bist du nicht zu verstehen, hässlich bist du auch noch !)

    Dann kommt der Ordner/Polizei und bittet dich raus !

    Natürlich kommen Sprüche auf den Fussballplatz, mal sollte immer Anstand bewahren und nicht an der Kasse mit 5€ abgeben !

    Es gibt Leute, die denken Fußball ist eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist. (Bill Shankly)

  • Regel Nummer 1: Die da draussen haben Eintritt bezahlt. Also dürfen sie sich ein bisschen (!) austoben.

    ..also ich persönlich hab das ehrlich gesagt mal voll als Ironie deinerseits verstanden, gigi ;)

    tillongi und insofern eigentlich klar, dass man als sich Zuschauer durch Kartenkauf nicht automatisch einen "Pöbelanspruch" erwirbt!!

  • Sorry max_hb es gibt tatsächlich Kollegen die damit argumentieren !


    Meistens der Schiri von letzer Woche !

    Es gibt Leute, die denken Fußball ist eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist. (Bill Shankly)

  • Naja manches mag vielleicht nicht schön klingen,

    dennoch können die machen was Sie wollen und auch rufen was Sie wollen.

    Siehe Bundesliga da kannst auch nicht einfach einen Block räumen...


    Es gibt nur eins, Ignorieren!

  • Letzte Woche musste ich miterleben, wie ein SR-Kamerad einem Zuschauer die Rote Karte zeigte!

    Auf meine Frage (nach dem Spiel) weshalb dies geschah, teilte er mir mit, dass es keine Ordnerliste gab, bzw. der Spielführer und Trainer auf Anfrage mitteilten, sie seien nicht dafür (die Zuschauer!) zuständig.

    Hier haben wir gleich mehrere Fehlverhalten der Durchführungsbestimmungen im Vorfeld eines Spiels, was dann zu falschen Ergebnissen führt.

    Gruß 1874Eddy/Rolf

  • dass es keine Ordnerliste gab, bzw. der Spielführer und Trainer auf Anfrage mitteilten, sie seien nicht dafür (die Zuschauer!) zuständig

    Hui, das ist doch eine Einladung:
    Stehen auf dem Spielbericht keine Ordner, so wird der Verein noch vor Anpfiff aufgefordert, diese zu benennen, ansonsten findet kein Spiel statt und das Sportgericht bekommt Arbeit. Den Trainer spreche ich allenfalls hilfsweise bei jüngeren Jugenden an, ansonsten ist der Spielführer mein Ansprechpartner - und wenn der mir mitteilt, dafür nicht zuständig zu sein, wird das Spiel unterbrochen, bis er sich zuständig fühlt, allerdings verbunden mit einer Frist von 10 Minuten - und sollte die Zuständigkeit dann immer noch zweifelhaft sein und/oder bei den Zuschauern keine Ruhe herrschen, ist das Spiel eben beendet und das Sportgericht "freut sich".

    Aber: Einem Zuschauer zeige ich keine Rote Karte, dafür gibt es keine Grundlage - und es fehlen auch die Mittel, wie ich als SR das letztlich vollstrecken sollte, wenn der nicht geht. Mein Standardsatz in diesem Zusammenhang lautet: "Spielführer, der Herr möchte gehen!" - das hat noch jeder verstanden und umgesetzt.

  • [...]

    dennoch können die machen was Sie wollen und auch rufen was Sie wollen.

    Siehe Bundesliga da kannst auch nicht einfach einen Block räumen...

    Stimmt komplett gar nicht.
    Bei bestimmten Äußerungen (Diskriminierungen, Rassismus) ist sogar ein klarer Ablaufplan vorgesehen. Und genau den ziehe ich auch bei Äußerungen von außen, die eine Spielfortsetzung unzumutbar machen. Und was genau das ist, bestimme ich. Ganz einfach.

  • Stimmt komplett gar nicht.
    Bei bestimmten Äußerungen (Diskriminierungen, Rassismus) ist sogar ein klarer Ablaufplan vorgesehen. Und genau den ziehe ich auch bei Äußerungen von außen, die eine Spielfortsetzung unzumutbar machen. Und was genau das ist, bestimme ich. Ganz einfach.

    Wir reden hier nicht von Rassismus das ist ja was ganz anderes und kommt extrem selten vor.

    Ich kann keinen Zuschauer entfernen lassen der einen Spieler Beleidigt, dazu habe ich überhaupt keinen Möglichkeit.

  • Also bitte:

    Ein Zuschauer, der einen Spieler beleidigt, stört das Spiel. Ich habe als Schiri sehr wohl die Möglichkeit, den Heimverein via Spielführer aufzufordern, diese Störquelle zu beseitigen. Dabei ist es zunächst egal, wie die das versuchen, wenn das aber nicht hilft, stelle ich die sehr schnell vor die Wahl, dass der Zuschauer von der Anlage entfernt wird oder das Spiel vorzeitig zu Ende ist.

  • Aber ganz im Ernst, wenn ich mich auf alles konzentrieren möchte, was von außen kommt, dann kann ich das Pfeifen des Spiels auch sein lassen. Dann komme ich nämlich nicht mehr dazu.

  • Es geht nicht darum, dass ich mich darauf konzentriere, was draußen passiert, aber ich sollte schon mitbekommen, wenn es von außen gravierende Einwirkungen gibt. Wenn ein Zuschauer einen Spieler beleidigt, habe ich Grund zur Annahme, dass sich dies auf den Spieler auswirkt - und wenn es nur ist, dass der sich auf kurz oder lang wie auch immer "revanchiert"; spätestens in diesem Moment ist es mein Problem und ich muss mir vorwerfen lassen, nicht präventiv agiert zu haben.


    Ich bin also gut beraten, durchaus Antennen zu haben - aber es ist der entscheidende Unterschied zu erkennen, wo ein Eingriff erforderlich ist und wo nicht. Auf meine Spielleitung wirken sich anhaltende Störungen von draußen übrigens stärker aus als wenn ich dort - hoffentlich einmalig - intervenieren muss. Und natürlich gilt das Hauptaugenmerk dem Spiel, aber für die Aufnahme der Atmosphäre um den Platz habe ich, von wenigen kritischen Momenten abgesehen, durchaus noch Kapazität.


    Wir dürfen nie unterschätzen, welcher Einfluss von draußen in das Spiel getragen werden kann - und das müssen wir angemessen managen, ob wir nun wollen oder nicht. Übrigens haben wir bei Zuschauern einen großen Vorteil: Für die niedrigschwelligen Maßnahmen wie eine Ansprache durch den Spielführer oder die Platzierung eines Ordners müssen wir weder den konkreten Zuschauer erkennen noch, was bei Spielern ja unabdingbar wäre, genau mitbekommen haben, was getan/gesagt wurde - und meist wirken diese Präventionsmaßnahmen ja durchaus, gerade weil die Zuschauer mitbekommen, dass ihr Verhalten auf dem Radar ist und nicht geduldet wird.

  • Also bitte:

    Ein Zuschauer, der einen Spieler beleidigt, stört das Spiel. Ich habe als Schiri sehr wohl die Möglichkeit, den Heimverein via Spielführer aufzufordern, diese Störquelle zu beseitigen. Dabei ist es zunächst egal, wie die das versuchen, wenn das aber nicht hilft, stelle ich die sehr schnell vor die Wahl, dass der Zuschauer von der Anlage entfernt wird oder das Spiel vorzeitig zu Ende ist.

    Ich hatte das nicht nur einmal das Zuschauer Spieler beleidigen,

    ich sage zu den Spielern immer: "Bleib ruhig, dich kann ich Verwarnen oder gar des Feldes verweisen, der Zuschauer kann machen was er will darauf habe ich keinen Einfluss."

    So ist es auch, ich kann doch keinen Zuschauer vom Sportfeld jagen also bitte,

    wie macht man das dann in der Bundesliga?

    Den Block räumen weil Tausende "XY du Hurensohn" schreien?

    Ist mir absolut neu das wir als Schiedsrichter das ändern können!

  • der Zuschauer kann machen was er will darauf habe ich keinen Einfluss

    Und eben das ist ein fataler Fehler und nicht richtig! Wir haben uns auch um die Einflussfaktoren, die das Spiel in unsportlicher Weise beeinflussen, zu kümmern. Zwar ist das die originäre Aufgabe des Heimvereins, aber wir sind verpflichtet, wenn das von alleine nicht funktioniert, alle Maßnahmen zu ergreifen, um derartige Einflüsse abzustellen: Das fängt damit an, dass wir den Spielführer auffordern, für Ruhe zu sorgen, über den Spielführer den Ordnungsdienst anweisen sowie bei fortdauernden gravierenden Störungen das Spiel auch zu unter- und im schlimmsten Fall abzubrechen.


    Übrigens: Es ist wie auf dem Feld, kaum muss der erste Spieler gehen, ändert sich die Stimmung, auch die Zuschauer realisieren in aller Regel, dass und wo der Schiri eine Grenze zieht. Sicher können wir nicht alles unterbinden, aber die groben Schnitzer habe ich als SR abzustellen.


    Ach ja:
    Mich hat einmal ein Zuschauer bedroht - glaubt jemand ernsthaft, dass ich den habe machen lassen, weil ich keinen Einfluss darauf habe? Von wegen: Klare Ansage an den Ordnungsdienst, dass ich das Spiel erst fortsetzen werden, wenn dieser Herr die Sportanlage verlassen haben wird - die Zuschauer können eben nicht machen, was sie wollen.

  • Thijs, hast Du diesbezüglich eine Meldung gemacht?

    Leutz, wir reden hier im Forum über Klassen, wo man Störer relativ gut lokalisieren kann. Und weil häufig genau diese "kann man nix machen" Mentalität bei Vereinen als auch SR besteht, ist es doch teilweise so, wie es ist.

    Ich hatte in 30 Jahren genau ein Spiel, das ich wegen Beleidigung von außen abbrechen musste. Verursacher war jemand, der regelmäßig aufgefallen war, der massiv persönlich gegen mich wurde und eindeutig zu identifizieren war. Trotzdem hat der Verein auch nach Aufforderung zum Abstellen nichts gemacht. Ergo Abbruch.

    Nach dem Spiel kam der 1. Vorsitzende zu mir und fragte, was man hätte tun sollen und ob denn eine Meldung notwendig wäre. Meine Antwort hierzu war schlicht, dass die Meldung notwendig ist, und wenn der versammelte Vorstand plus Ordner verfügbar sind, muss man eben jemanden daneben stellen und im Zweifel den Störer entfernen. Was war die Antwort? Ja, aber das ist einer der größten Geldgeber, wenn wir das so machen kommt er nicht mehr und wir kriegen nix mehr.

    Und genau das ist der wahre Grund: Würde konsequent gehandelt hätte eine nicht geringe Zahl an Vereinen grade in den unteren Ligen Probleme, Geld zu generieren.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Manfred wo ist denn das geregelt? Nicht, dass ich dir nicht glauben würde, aber die Passage aus dem Regel Werk würde mich jetzt echt Mal interessieren.