Handspiel von Mitspieler vor Torerzielung

  • Eine Hereingabe in den Strafraum wird von #7 mit dem Arm (in natürlicher Haltung und unabsichtlich) so abgefälscht, dass er zu seinem Mitspieler #9 kommt, der den Ball direkt ins Tor schießen kann. Wie ist zu entscheiden?


    Nach meinem bisherigen Verständnis sind solche Szenen ab dieser Saison abzupfeifen, weil durch das Handspiel eine Torchance bzw. sogar ein Tor entstand. Allerdings passt das in diesem Fall meiner Ansicht nach nicht zum Regeltext:

    Ein Vergehen liegt vor, wenn ein Spieler [...]

    in Ballbesitz gelangt, nachdem ihm der Ball an die Hand/den Arm springt,
    und danach:
    • ins gegnerische Tor trifft,
    • zu einer Torchance kommt,

    Das trifft deshalb doppelt nicht zu, weil

    • #7 nicht in Ballbesitz gelangt
    • #7 weder trifft noch zu einer Torchance kommt

    Wie seht ihr das?

    Wurde dieser Fall evtl. in euren Schulungen explizit besprochen?

  • Das trifft deshalb doppelt nicht zu, weil

    #7 nicht in Ballbesitz gelangt
    #7 weder trifft noch zu einer Torchance kommt

    Wie seht ihr das?

    Wurde dieser Fall evtl. in euren Schulungen explizit besprochen?

    Hier liegt der Fall vor, das das Team (von #7) durch das Handspiel unmittelbar in Ballbesttz kommt (Vorteilösnahme durch Handberührung) und ein Mitspieler ein Tor erzielt. Auch das will der Regelgeber nicht mehr im Rahmen der Torerzielung sehen.


    Nach meinem bisherigen Verständnis sind solche Szenen ab dieser Saison abzupfeifen

    Richtig. Und nach "Alter Regel" wäre dieses Handspiel auch nicht strafbar gewesen.

  • Oder einfacher ausgedrückt:
    Ein Tor, welches direkt oder indirekt durch einen Handkontakt zustandekommt, darf nicht zählen - wobei das "indirekt" insoweit einzuschränken ist, dass schon ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Torerzielung bestehen muss.


    Spannender finde ich aber die Frage nach dem Ort der Spielfortsetzung:
    Einerseits kann das nur der Ort des Handkontaktes sein, denn alle weiteren Aktionen waren ja regelkonform, andererseits wird damit eine an sich nicht verbotene Spielweise (der Handkontakt war ja nicht regelwidrig) rückwirkend regelwidrig, was eigentlich auch nicht sein kann, dann müsste es Freistoß am Ort des Balles bei Pfiff geben, weil erst in dem Moment, in dem der Ball die Torlinie überquert, die rückwirkende Regelwidrigkeit eintritt.

  • Hier liegt der Fall vor, das das Team (von #7) durch das Handspiel unmittelbar in Ballbesttz kommt (Vorteilösnahme durch Handberührung) und ein Mitspieler ein Tor erzielt. Auch das will der Regelgeber nicht mehr im Rahmen der Torerzielung sehen.

    Wenn der Regelgeber so viel nicht will, warum schreibt er es dann nicht in die Regeln?
    Der Regeltext hier ist mal wieder relativ eindeutig...

    Ein Vergehen liegt vor, wenn ein Spieler [...]

    in Ballbesitz gelangt, nachdem ihm der Ball an die Hand/den Arm springt[...]

    Für mich lässt das keine interpretation zu, dass ein Mitspieler auch nicht in Ballbesitz gelangen darf.
    Laut Regeltext muss eindeutig der Spieler den Ball mit der Hand berühren UND SELBST den Ball bekommen.

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler  Irgendjemand Alt-Herren Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert

  • andererseits wird damit eine an sich nicht verbotene Spielweise (der Handkontakt war ja nicht regelwidrig) rückwirkend regelwidrig,

    Doch, dieser Handkontakt ist laut neuestem Regeltext regelwidrig. Man muss nur unterscheiden zwischen Angreifer und Verteidiger. Und natürlich ist der Ort der Spielfortsetzung wo das Handspiel war.

  • Einerseits kann das nur der Ort des Handkontaktes sein, denn alle weiteren Aktionen waren ja regelkonform, andererseits wird damit eine an sich nicht verbotene Spielweise (der Handkontakt war ja nicht regelwidrig) rückwirkend regelwidrig, was eigentlich auch nicht sein kann [...]

    Für mich unverständlich. Der Handkontakt in dem Fall regelwidrig. Ob "rückwirkend" oder nicht spielt keine Rolle.

    Das ist doch ganz analog zum verzögerten Pfiff.


    Berechtigte Kritik, aber Regeln immer wörtlich im Sinne der Alltagssprache zu deuten hilft niemandem weiter.


    Hier ist die Situation einfach die, dass man Handspiele, die zu Torchancen führen, unterbinden wollte.

    Nur leider ist es unglaublich schwer zu definieren, wann ein Handspiel mit einer Torchance in Verbindung steht.

    Vermutlich ist es auch nicht gerade einfach, da im IFAB einen Konsens herzustellen.

    Also formuliert man das eben etwas offener.

  • Doch, dieser Handkontakt ist laut neuestem Regeltext regelwidrig

    Jein. Bleibt der Handkontakt folgenlos, weil beispielsweise der Ball über das Tor geschossen wird, ist er auch weiterhin nicht regelwidrig - und nicht etwa, weil der Abstoß die vorteilhaftere Spielfortsetzung wäre, sondern weil der Handkontakt eben nicht regelwidrig war. Er wird tatsächlich erst in dem Moment regelwidrig, wenn ein Tor erzielt wird, in allen anderen Fällen geht es, vollkommen unabhängig von etwaigen Vorteilen (es kann ja beispielsweise auch zu einem Eckstoß oder sogar Strafstoß kommen) weiter.

  • Jein. Bleibt der Handkontakt folgenlos, weil beispielsweise der Ball über das Tor geschossen wird, ist er auch weiterhin nicht regelwidrig - und nicht etwa, weil der Abstoß die vorteilhaftere Spielfortsetzung wäre, sondern weil der Handkontakt eben nicht regelwidrig war. Er wird tatsächlich erst in dem Moment regelwidrig, wenn ein Tor erzielt wird, in allen anderen Fällen geht es, vollkommen unabhängig von etwaigen Vorteilen (es kann ja beispielsweise auch zu einem Eckstoß oder sogar Strafstoß kommen) weiter.

    Das ist leider falsch. Der Regeltext im Ausgangspost sieht klar vor, dass es nicht nur bei einem Torerfolg zu ahnden ist, sondern auch bei einer klaren Torchance. Wir setzen hier die gleichen Maßstäbe wie bei der Notbremse an, um zu definieren, was die Torchance ist. Folglich ist das Handspiel auch abzupfeifen, wenn es zu einem Eckstoß oder gar Strafstoß kommt.

  • Manfred Ich hatte schon verstanden, was du meinst. Aber der Sachverhalt ist nicht so mysteriös, wie du ihn beschreibst. Entweder das Handspiel ist strafbar oder nicht. Wann der SR das Vergehen feststellt ist hier weder relevant noch problematisch.


    Zitat

    Wir setzen hier die gleichen Maßstäbe wie bei der Notbremse an, um zu definieren, was die Torchance ist. Folglich ist das Handspiel auch abzupfeifen, wenn es zu einem Eckstoß oder gar Strafstoß kommt.

    Was hat denn ein Eckstoß mit Bewertung von Notbremsen zu tun?

  • Naja, eine Formulierung

    "... wenn eine Mannschaft in Ballbesitz gelangt, nachdem einem ihrer Spieler der Ball an die Hand/Arm springt und danach..."

    wäre jetzt nicht so schwer zu finden.


    Wenn wir jetzt schon wieder eine Diskrepanz haben zwischen dem, was in den Regel steht und wie es ausgelegt wird, folgen auch die üblichen Probleme:

    - Es gibt Schiedsrichter, die sich am Regeltext orientieren und nicht an Auslegungsanweisungen - entweder weil sie diese nicht kennen oder "aus Prinzip". Folge: Uneinheitliche Regelanwendung

    - Wenn sich eine Mannschaft beschwert und mit dem Regelbuch argumentiert, ist der SR in einer unangenehmen Lage ("Das steht da zwar so, aber wir Schiedsrichter haben uns überlegt, dass wir das anders auslegen" ist nicht das tollste Argument...).

    - Der interessierte Zuschauer, der im Regelbuch nachschlägt, kommt zu der Bewertung "Fehlentscheidung"


    Also entweder wirklich ungünstig formuliert oder die IFAB wollte es tatsächlich anders als es alle verstanden haben...

  • Was hat denn ein Eckstoß mit Bewertung von Notbremsen zu tun?

    Es gibt 4 Mögliche Ausgangsszenarien für eine klare Torchance, bei der wir die Maßstäbe einer Notbremse für Vergehen anwenden: Torerfolg, Abstoß, Eckstoß oder Strafstoß.


    Haben wir eine Szene, bei der wir bei einem Foulspiel auf Notbremse entscheiden würden, dann liegt eine klare Torchance vor. Dann ist es irrelevant, ob der Ball im Tor oder im Seitenaus landet oder ob gar ein Foulspiel geschieht, dass einen Strafstoß zur Folge hätte. Wir entscheiden nach der neuen Regelung immer auf Handspiel und pfeifen dieses ab.

  • Folgende Situation:
    Angreifer A befindet sich auf der Torlinie am Schnittpunkt des Torraumes mit der Torlinie (und ist nicht im Abseits). Ein vom Torwart abgelenkter Ball prallt ihm aus kurzer Entfernung gegen den normal gehaltenen (und eng angelegten) Arm, von dort zurück zu dem direkt neben ihm stehenden Verteidiger V und von diesem ins Toraus zum Abstoß (--> Eckstoß).


    Hier von einer Situation zu sprechen, die einer Notbremse gleichkommt, erscheint mir dann doch mehr als abwegig - und diese Definition wurde uns auch nicht vorgetragen, sondern lediglich bei Tor oder klarer Torchance, selbst der aussichtsreiche Angriff wurde nicht explizit erwähnt.


    Mir scheint, hier gibt es unterschiedliche Lehraussagen ...

  • Bei uns wurde besprochen, dass das unabsichtliche Handspiel durch Nr 7 oder 9 in Strafraumnähe stattfinden muss und Torchance bedeutet, dass die Nr 9 im Strafraum auf das Tor schießen könnte. Der Schuss oder die Wirkung soll nicht abgewartet werden.


    Ein unabsichtliches Handspiel im Mittelfeld oder gar in der eigenen Hälfte mit anschließender Torchance wird nicht abgepfiffen.

  • Oder einfacher ausgedrückt:
    Ein Tor, welches direkt oder indirekt durch einen Handkontakt zustandekommt, darf nicht zählen - wobei das "indirekt" insoweit einzuschränken ist, dass schon ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Torerzielung bestehen muss.


    Spannender finde ich aber die Frage nach dem Ort der Spielfortsetzung:
    Einerseits kann das nur der Ort des Handkontaktes sein, denn alle weiteren Aktionen waren ja regelkonform, andererseits wird damit eine an sich nicht verbotene Spielweise (der Handkontakt war ja nicht regelwidrig) rückwirkend regelwidrig, was eigentlich auch nicht sein kann, dann müsste es Freistoß am Ort des Balles bei Pfiff geben, weil erst in dem Moment, in dem der Ball die Torlinie überquert, die rückwirkende Regelwidrigkeit eintritt.

    Doch, nach der neuen Regel ist es verboten, den Ball unabsichtlich mit der Hand zu berühren, wenn die o.g. Kriterien erfüllt sind. MMn ist alles außer dem Freistoß am Ort der Berührung ziemlich unlogisch.

    "Ich habe einmal die Alkoholiker aus der Mannschaft gegen die Antialkoholiker im Training spielen lassen. Die Alkoholiker gewannen 7:1, da habe ich gesagt: 'Mir ist es egal, sauftas weiter!' "

    - Max Merkel:trink:

  • Folgende Situation:
    Angreifer A befindet sich auf der Torlinie am Schnittpunkt des Torraumes mit der Torlinie (und ist nicht im Abseits). Ein vom Torwart abgelenkter Ball prallt ihm aus kurzer Entfernung gegen den normal gehaltenen (und eng angelegten) Arm, von dort zurück zu dem direkt neben ihm stehenden Verteidiger V und von diesem ins Toraus zum Abstoß (--> Eckstoß).


    Hier von einer Situation zu sprechen, die einer Notbremse gleichkommt, erscheint mir dann doch mehr als abwegig - und diese Definition wurde uns auch nicht vorgetragen, sondern lediglich bei Tor oder klarer Torchance, selbst der aussichtsreiche Angriff wurde nicht explizit erwähnt.


    Mir scheint, hier gibt es unterschiedliche Lehraussagen ...

    Wir sprechen hier eben nicht von einer klaren Torchance oder Notbremse, da ist allein die Ballkontrolle nicht erfüllt. In dem von dir geschilderten Fall gibt es Eckstoß, weil es einfach keine Torchance gibt. Deshalb sprechen wir auch nach wie vor die selbe Lehrmeinung. Dennis und ich saßen in den selben TelKos, ich bin mir ziemlich sicher, dass wir das gleich vermitteln.


    Der Schuss oder die Wirkung soll nicht abgewartet werden.

    Das ist der springende Punkt. Haben wir eine klare Torchance, die durch ein unmittelbar vorher stattfindendes Handspiel der Angreifer zustande kommt, ist dieses Handspiel in jedem Fall zu pfeifen, egal wie die Wirkung (Tor, Abstoß/Eckstoß, Foulspiel) weiter geht.

  • Haben wir eine klare Torchance, die durch ein unmittelbar vorher stattfindendes Handspiel der Angreifer zustande kommt, ist dieses Handspiel in jedem Fall zu pfeifen, egal wie die Wirkung (Tor, Abstoß/Eckstoß, Foulspiel) weiter geht.

    Da sind wir wieder beieinander - nur in Post #11 klang das sehr viel universeller.

  • Das kann uns noch ganz schön beschäftigen, wenn sich die Spieler erstmal auf die neuen Regeln eingestellt haben. Nr. 9 könnte ja den Ball, nachdem sie gesehen hat, dass der Ball der 7 an den Arm springt, direkt wieder nach außen ablegen. Ist das dann immer noch eine klare Torchance?


    Wir hatten beim Lehrabend auch eine nette Situation zu dem Thema: Einem Stürmer im gegnerischen Strafraum springt eine Flanke erst an den angelegten Arm und fällt ihm dann auf den Fuß. Bevor er irgendetwas anderes tun kann, senst ihm ein Verteidiger die Beine weg. Dann gibt es Strafstoß, wenn der Stürmer mit dem Gesicht zum eigenen Tor steht, und Freistoß für den Verteidiger, wenn der Stürmer mit dem Gesicht zum gegnerischen Tor steht.

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Spannender finde ich aber die Frage nach dem Ort der Spielfortsetzung:

    Wenn man streng nach Regeltext geht, ist das Vergehen das Erlangen des Ballbesitzes nach einer Handberührung (wenn danach eine Torchance oder ein Tor entsteht). Insofern wäre es meiner Meinung nach logisch, den Ort des Erlangen des Ballbesitzes als Ort für die Spielfortsetzung anzusehen.

    Wenn der Spieler nach seiner Handberührung gar nicht selbst in Ballbesitz kommt, wird das natürlich problematisch - womit wir wieder bei meinem Ausgangspost wären...


    Timey: Wie ist folgende Situation nach der von dir vorgestellten Logik zu bewerten?: Ein Spieler bekommt 25m vor dem Tor den Ball an den Arm, gelangt dadurch in Ballkontrolle und schießt aufs Tor. Der Torwart kann den gefährlichen Schuss gerade noch über die Latte lenken.

    Dann lag nie eine "klare Torchance" im Sinne einer möglichen Notbremse vor und deshalb geht es mit Eckball weiter. Habe ich das richtig verstanden?

  • enn man streng nach Regeltext geht, ist das Vergehen das Erlangen des Ballbesitzes nach einer Handberührung (wenn danach eine Torchance oder ein Tor entsteht). Insofern wäre es meiner Meinung nach logisch, den Ort des Erlangen des Ballbesitzes als Ort für die Spielfortsetzung anzusehen.

    Wenn der Spieler nach seiner Handberührung gar nicht selbst in Ballbesitz kommt, wird das natürlich problematisch - womit wir wieder bei meinem Ausgangspost wären...

    Denk doch mal Deinen völlig richtigen Absatz zu Ende.


    Der per se strafbare Vorgang ist die Berührung des Balls mit der Hand. Sonst würden wir ja nicht diskutieren.


    Nehmen wir dann noch das Wörtchen "Unmittelbar" mit dazu und das die Idee des Regelgebers ist das Handspiel in Zusammenhang mit einer Torerzielung generell als strafbar zu betrachten, kann der Ort der Spielfortsetzung nur noch der Ort des Ballkontaktes mit der Hand sein.

  • Ich denke auch, dass das am meisten Sinn macht.

    Aber auch hier wieder die Frage: Was bringt uns der Zusatz "in Ballbesitz gelangt" bzw. was will das IFAB uns damit sagen?


    "Ein Vergehen liegt vor, wenn einem Spieler der Ball an die Hand/den Arm springt,

    und er danach: [...]"

    würde doch das angeblich Gewollte präziser darstellen. Es wäre noch klarer, dass tatsächlich die Ballberührung mit der Hand das Vergehen ist. Und der Ballbesitz des Spielers ist ja gemäß der überwiegenden Meinung zur Situation im Ausgangspost nicht notwendig für eine Anwendung der Regel.