Zum Glück war mein Assistent zur Stelle

  • Letzten Samstag, 15:00Uhr, Endspiel um den Kreispokal auf neutralem Platz.
    Es war heiß, sehr heiß. Um die 31°C zeigte das Thermometer und auf dem Kunstrasen waren es gefühlte 40°. Meine beiden Assistenten bzw eine Assistentin trafen uns um 14:00Uhr am Spielort und hatten somit genügend Zeit um uns auf die bevorstehende Aufgabe vorzubereiten. Viel trinken hieß die Devise und auch Sonnenschutzcreme war angesagt. Bis zum Spielbeginn hatte ich bereits 3 Liter Wasser und Isogetränk zu mir genommen in der Halbzeitpause nochmal einen Liter.
    Um fünf vor drei ging's dann raus. Vor über 300 Zuschauern und einer tollen Stimmung pfiff ich um Punkt 15:00Uhr an. Und gleich zu Beginn zeigten beide Mannschaften, dass sie diesen Pokal haben wollten. Von gegenseitigem Abtasten keine Spur, wozu auch, man kannte sich schließlich aus der Liga. Außerdem hatte das Spiel den Charakter eines Lokalderbys. Es entwickelte sich ein trotz der enormen Hitze flottes und ausgeglichenes Spiel mit Chancen auf beiden Seiten, was aber in geordneten Bahnen verlief. Bis zur 29.Minute hatte ich noch nicht ernsthaft eingreifen müssen. Ein paar knappe Abseitsentscheidungen, die von den Assistenten angezeigt wurden -was für eine Erleichterung, alleine hätte ich das nie erkannt- und die typischen kleineren Fouls waren alles. In der 29.Minute musste ich allerdings dann gleich zur :gelbe_karte: greifen. Angriff von Blau wird abgewehrt, schneller Gegenangriff von Rot und in Höhe der Mittellinie der Textiltest von Blau ob die roten Shirts auch stabil sind. Und um ganz sicher zu gehen, hielt er noch den Arm des Gegners fest. Somit Angriff unterbunden und für mich keine Chance mehr das PVC stecken zu lassen. Kurz danach dann eine von zwei Schlüsselszenen im Spiel. Angriff von Rot. Ball wird in den Strafraum von Blau geschlagen und etwa 6 Meter vor dem Tor an der Torraumecke auf Assistentenseite, kam es zum Duell zwischen Abwehrspieler und Angreifer. Angreifer Rot geht mit dem Kopf zum Ball während Blau das mit dem Fuß versucht, wobei dieser sich im Bereich Kinnhöhe befand und somit deutlich zu hoch war. Es kommt zum Kontakt und Angreifer stürzt. Ich pfeife und zeige sofort auf den Punkt, wie man das halt macht, wenn man es gewöhnt ist, immer alleine zu pfeifen. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich einen SRA habe und schaue endlich raus :hammer:
    Zu meinem Entsetzen stand der Kollege an der Seitenauslinie und machte auch keine Anstalten, um die Eckfahne zu laufen. "Mist" dachte ich, "irgendwas stimmt nicht". Und als dann der Spielführer von blau zu mir kam und sehr sachlich und ruhig intervenierte, waren meine Zweifel so groß ob der Richtigkeit meiner Entscheidung, dass ich mich entschloss, Rücksprache mit dem Assistenten zu nehmen. Dieser bestätigte die Aussage des Spielführes, wonach der Angreifer vom Ball getroffen wurde, der zuvor vom Abwehrspieler mit dem Fuß gespielt worden war. Also kein Kontaktvergehen sondern gefährliches Spiel. Ergo, kein Strafstoß sondern idF. Entscheidung revidiert, großes Gejammer bei Rot und noch größeres Geheul bei den Anhängern von Rot. Außenwirkung von mir: katastrophal. Aber egal. Hauptsache die Entscheidung war richtig. Ab diesem Zeitpunkt hatten mein Team und ich richtig viel Arbeit. Besonders auf den jungen Kollegen hatten sie sich nun eingeschossen. Dann erstmal Halbzeitpause. Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch, dass ich in beiden Halbzeiten nach 23 Minuten eine 3minütige Trinkpause eingelegt hatte.
    In der zweiten Hz. wurde noch verbissener gekämpft. Viele Fouls und Nickligkeiten prägten das Spiel und Chancen auf beiden Seiten in Führung zu gehen, gab es reichlich. Dann kam die 73.Spielminute. Die zweite und entscheidende Schlüsselszene im Spiel. Erneut stand der junge Kollege, er ist erst 16 Jahre alt, hat aber schon etliche Einsätze als SRA in der Rheinlandliga hinter sich, im Focus. Blau im Angriff. Getümmel im Strafraum. Ich selbst stehe ebenfalls im Strafraum etwa 15 Meter vom Tor weg etwa in Verlängerung des Strafstoßpunktes. Dann Kopfball von blau aufs Tor. Ball geht an die Unterkante der Torlatte und von dort auf den Boden, wo er sofort von einem roten Spieler weg gedroschen wurde. Unmöglich für mich, zu erkennen, ob der Ball hinter der Linie war oder nicht. Aber zum Glück hatte ich dieses Mal Assistenten. Ein Blick zur Eckfahne, wo der junge Kamerad bestens postiert war. Er bemerkte sofort, was ich wollte und im nächsten Augenblick kam die Fahne und es vibrierte und piepste bei mir am rechten Oberarm. Pfiff und Arm Richtung Mittellinie kamen sofort. Rot wollte das natürlich nicht wahrhaben, waren die es doch auch nicht gewöhnt, dass da draußen an der Linie noch zwei von meiner Sorte stehen. Die Nr 4 Rot ( hatte sich bereits vor der Halbzeit schon Gelb abgeholt ) stürmte zusammen mit einem weiteren Gefährten auf meinen jungen Freund zu und glaubten, dass dies tatsächlich etwas bringen würde. Der Junge stand da wie eine Statue und hat die beiden komplett ignoriert. Auch die aufgebrachten roten Fans, die das alle aus 50 Metern Entfernung ja ganz klar und deutlich besser gesehen haben und eindeutig erkannt haben, dass der Ball nie und nimmer im Tor war, ließen ihn völlig kalt. So eine coole Socke in dem Alter. Hut ab und großen Respekt. Dem 4er machte ich klar, dass das Spiel für ihn umgehend zu Ende ist, sollte er nochmal den Assistenten angehen. Danach hatten wir und besonders der Assistent wirklich ganz viele Freunde auf der Seiten der roten Anhänger. Ab jetzt wurde es wirklich schwer. Jede Menge knifflige Entscheidungen, die Assistentin zeigte ein ums andere Mal knappe Abseitspositionen offen an oder versteckte Fouls nur per Piepser, was immer wieder zu erstaunten Blicken der ertappten Spieler führte. Mittlerweile klappte die Zusammenarbeit mit den beiden richtig gut, bis auf ein paar Fehler von mir ( zu nah am Assistenten, 1×Fahnenzeichen falsch gedeutet oder falscher Laufweg ). Das lag aber an meiner Unerfahrenheit im Gespann zu pfeifen. In der 83.Spielminute machte blau den Sack dann zu. Schneller Angriff über die Abwehr nach außen. Ball von dort nach innen in den Strafraum auf den freistehenden Stürmer, der den Ball ohne Mühe einlochte. 2:0. Und diese Mal ohne jeden Zweifel. In der 90. holte sich Nr.4 rot dann doch noch :gelbe_karte: :rote_karte: :rote_karte: ( das zweite rote smiley bitte übersehen ) ab, weil er immer noch mit dem ersten Tor und unserer Entscheidung haderte und nun mit allem und jedem unzufrieden war. Nach einem erneuten Foul und anschließendem Reklamieren war's das dann für ihn.
    Alles in allem war es ein sehr anstrengendes Spiel und das nicht nur wegen der Hitze, das alles von mir und den beiden Kameraden abverlangte. Das war für mich das schwierigste aber auch schönste Spiel der Saison und ich behaupte, dass es auch meine beste Saisonleistung war. Unser Ansetzer und Beobachter ( in diesem Spiel aber nur inoffiziell) war sehr zufrieden und bescheinigte uns eine sehr gute Leistung. "Ihr habt alles richtig gemacht, sah zwar zweimal etwas unglücklich nach außen aus aber ihr habt nichts falsch gemacht. Ich bin voll zufrieden, lautete seine Billanz. Die rote Mannschaft und deren Anhang sahen das natürlich komplett anders. Besonders von dem jungen Kollegen waren alle, die Ahnung haben, richtig beheistert. Ich auch. Was der Junge abgeliefert hat, war einfach nur klasse :thumbup: . Der hat mir in dem Spiel den A.... gerettet.
    Ein unvergessliches Erlebnis für uns alle, geile Stimmung und eine sehr schöne und lange dritte Halbzeit beendeten diesen Tag. :thumbup: :thumbup:

    35 Jahre Schiri :saufbrüder: ( und immer noch nicht genug davon )
    1981 bis 2016

  • So soll die zusammenarbeit doch sein. Aber was mich nur wundert. DU bist das pfeifen im Gespann nicht gewohnt. WO pfeifst du denn sonst? Und dann Piepserfahnen :top:

  • Ich bin es nicht mehr gewöhnt, weil das schon Jahrzehnte her ist und da waren das auch noch keine Assistenten sondern Linienrichter. Völlig anders, als heute. Ich pfeife bei uns im Kreis in der Kreisliga A, der höchsten Klasse innerhalb des Kreises. Und da haben wir keine neutralen Assistenten.
    Und die Funkfahnen habe ich mir von einem Kollegen ausgeliehen. Bei uns gibt es mindestens 4 oder 5 Kollegen, die diese Sets besitzen und die auch bereit sind, sie auszuleihen. Wir kennen und verstehen uns alle sehr gut. Schiedsrichterfamilie eben :thumbup: .

    35 Jahre Schiri :saufbrüder: ( und immer noch nicht genug davon )
    1981 bis 2016

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  • Glückwunsch erst einmal zum verdienten Pokalfinale :top:


    Ich war selbst nicht vor Ort, habe aber auch mehrmals die Rückmeldung bekommen, dass du gut gepfiffen haben sollst. Deine Assistenten nehme ich mal dazu. Über die beiden geschilderten Situationen habe ich natürlich auch gehört.
    Schlussendlich kann man vor dem Assistenten nur den Hut ziehen. In dem Alter, bei solch einem Spiel, zwei Mal eiskalt zu bleiben und Eier zu zeigen - ich zolle Respekt :thumbup:


    Natürlich habe ich auch auf Facebook mal ein wenig nachgelesen und konnte folgendes Schlusswort auf der Verlierer-Facebook-Seite finden:


    "Während der Heimfahrt und anschließend am Vereinsheim wurde noch lange gemeinsam gefeiert und beschlossen sich im nächsten Jahr nicht von drei neben der Spur laufenden Rangern die verdiente Beute nehmen zu lassen." :flop:


    Da wünsche ich mir wiedermal, diesen Kommentar aus SR Sicht kommentieren zu dürfen :trink: Aber...

  • Aber auch zu dieser Zeit hatten wir mit den Assistenten keinerlei Probleme, weil geheime Zeichen uns das Leben leichter machten.

    Alle sagten das geht nicht.




    Und dann kam einer und hat es gemacht.

  • Paddy:
    Wir beide wissen ja, von wem der Kommentar kommt. Ist doch immer so bei denen. So lange alles für Sie läuft sind wir Best friends aber wehe, sie geraten in Rückstand oder verlieren, dann schlechtester Schiri ever. Klar wettern die auch gegen Lissy. Die hat ja bei fast jedem Angriff von denen die Fahne gehoben. Warum bloß? :whistling: . Vielleicht hatte sie ja keine Lust auf Verlängerung :muhaha: .
    Die Sieger sehen das bestimmt alles ganz anders.
    Übrigens, die beiden Mannschaften treffen heute abend in der Liga erneut aufeinander.



    Ja, natürlich hatten wir auch diese Zeichen. Daran lag es auch nicht. Aber wenn man eine gefühlte Ewigkeit kein Pflichtspiel mehr über die volle Distanz mit Assistenten gepfiffen hat, dann hat man sich vieles abgewöhnt. Ich habe fast die ganze 1.Hz gebraucht, meine Laufwege zu ändern, bin immer wieder in die alten Muster gefallen oder habe zu Beginn viel zu wenig Blickkontakt gehalten, weil ich zu selten raus geschaut habe. In der 2.Hz war es dann deutlich besser, nachdem wir in der Kabine auch mit Hilfe unseres Chefbeobachters, darüber gesprochen haben. Es ist eben schwieriger als man denkt, eingefahrene Gewohnheiten von jetzt auf gleich zu ändern.

    35 Jahre Schiri :saufbrüder: ( und immer noch nicht genug davon )
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  • Wasser und Isogetränk


    Okay, nach der Vorbereitung - 3 Liter Bier - kein Wunder, das erklärt auch die folgenden Probleme mit den Laufwegen ...

    Außenwirkung von mir


    Ach, Du kannst auch gute Außenwirkung - nit mööglich ...


    Quatsch, ich erlebe das ja beim Pfingstturnier immer wieder, wer das nicht gewohnt ist, für den ist das eine ziemlich anstregende Kopfsache. Aber worauf es im Kern ankommt ist doch, dass ihr keinen Fehler gemacht habt - und Du Deinen Assistenten, der draußen im Feuer steht, hinreichend den Rücken gestärkt hast. In der Summe doch alles bestens, unzufriedene Kommentare der Verlierer interessieren doch keinen.