Was ist hier richtig ?

  • Entscheidet der Schiedsrichter bei einer klaren Torchance auf Vorteil und ent-
    steht daraus direkt ein Tor, obwohl ein Gegner den Ball mit der Hand gespielt
    oder einen angreifenden Spieler gefoult hat, kann der betreffende Spieler nicht
    des Feldes verwiesen, sondern lediglich verwarnt werden.

    (Regelheft zu Regel 12, S. 92)


    Das vermag ich damit nicht in Übereinstimmung zu bringen.


    Dass der Angreifer nach dem Vorteil daneben schießt, ändert ja nichts daran, dass der gefoulte Angreifer vorher ein Tor hätte erzielen können.


    Übrigens muss sich der Vorteil nicht aus dem Foulspiel ergeben (das wäre ohnehin die höchst seltene Ausnahme), sondern aus der unterbleibenden Spielunterbrechung.

  • Wenn ich Vorteil laufen lasse, hat der Angreifer aber anscheinend immer noch die Chance ein Tor zu erzielen. Also wurde ihm diese Chance nicht genommen.

  • Zitat von dennosius;158839


    Übrigens muss sich der Vorteil nicht aus dem Foulspiel ergeben (das wäre ohnehin die höchst seltene Ausnahme), sondern aus der unterbleibenden Spielunterbrechung.


    Einfacher: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tor erzielt wird, muss größer sein als sie es beim Strafstoß wäre. Falls das der Fall ist - der Spieler den Ball also kontrollieren kann und der Vorteil gewährt wird -, finde ich eine folgende Gelbe Karte nur logisch, da ihm die Chance nicht genommen wurde.

  • Das Zeigen einer Verwarnung in der nächsten Spielruhe ist regeltechnisch machbar. Allerdings muss neben der Bewertung des Vergehens auch die Dauer zwischen dem Vergehen und der nächsten Spielruhe, insgesamt der bisherige Spielverlauf und die Wirksamkeit einer Verwarnung zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt werden, ob dies dann noch sinnvoll ist. Was nützt dem SR eine regeltechnisch richtige Verwarnung im nachhinein, wenn durch die oben genannten Aspekte die Akzeptanz dieser Strafe deutlich entgegensprechen.
    Wenn wir als SR die Verwarnung für ein Vergehen umbedingt Ausprechen wollen, dann müssen wir halt sofort unterbrechen oder nach dem nicht Eintreten des Vorteils ein Spielunterbrechung herbeiführen...:rolleyes:

  • Zitat von flitzpiepe;158841

    Wenn ich Vorteil laufen lasse, hat der Angreifer aber anscheinend immer noch die Chance ein Tor zu erzielen. Also wurde ihm diese Chance nicht genommen.



    Ich weiß gerade nicht, was für eine Situation Du da vor Augen hast.


    Ich denke an sowas wie: Verteidiger senst Angreifer um. Der Ball kommt zu dem mitgelaufenen Angreifer, der nur noch ins leere Tor schieben muss. Trifft er, zählt das Tor und es gibt nur gelb.


    Trifft er nicht, lautet die regeltechnisch richtige persönliche Strafe m.E. FaD und die Spielfortsetzung (normalerweise) Abstoß. Damit ist die Vorteilsregel gewahrt, denn die Chance des zweiten Angreifers war besser als die Spielunterbrechung (bzw. der folgende Strafstoß, um es mit Linus' anschaulichem Maßstab zu sagen). Und die persönliche Strafe ist auch gewahrt, denn auch bei Strafstoß hätte er rot gesehen.


    Mit Deiner Argumentation müsste man sagen, dass es auch bei Strafstoß kein Rot geben dürfte, denn auch dort bleibt die klare Torchance ja erhalten. Gibt's aber (derzeit noch, und wenn es nach mir ginge, auch in Zukunft) doch.

  • Wenn der SR wegen "Notbremse" das Spiel unterbricht, gibt es :rote_karte: und die Spielstrafe (direkter Freistoß bzw. Strafstoß).
    Lässt der SR bei einer "Notbremse" das Spiel unter Vorteilsgewährung weiterlaufen, da sich unmittelbar anschließend eine klare Torchance ergibt, wird das Spiel nicht unterbrochen und es gibt somit auch keine Spielstrafe. Als persönliche Strafe gibt es :gelbe_karte: unabhängig davon, ob die klare Torchance genutzt wurde oder nicht.

    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit."
    (Marie von Ebner-Eschenbach, österreichische Schriftstellerin, *1830 +1916)


    "Mancher ist für die Wahrheit, solang die Wahrheit für ihn ist."
    (Charles Tschopp, schweizer Schriftsteller, *1899 +1982)

  • Ich muss nochmal nachfragen: Wie ist diese Auslegung mit dem, was ich oben aus dem Regelheft zitiert habe, in Übereinstimmung zu bringen? Dort steht sehr deutlich, dass es nur dann keinen FaD gibt, wenn der SR Vorteil gewährt und daraus direkt ein Tor entsteht.


    Edit: Dass das möglicherweise so in irgendwelchen Regelfragen steht, mag sein, ich habe das auch im Hinterkopf. Aber da steht leider viel drin, was nicht (mehr) richtig ist.

  • Was ist denn, wenn ein Spieler eine klare Torchance mit einem groben Foul zunichte macht, der Ball aber trotzdem zu einem Mitspieler des Gefoulten kommt und dieser dann ein Tor erzielen kann. Dann gibt es Tor, Anstoß und :rote_karte: (anstatt :gelbe_karte:) für den Fouler, oder?
    (Ähnliche Frage wie dennosius)

  • Wenn du ein grobes Foulspiel erkennst (oder eine Tätlichkeit), dann sprichst du natürlich den Feldverweis aus - die vorige Diskussion handelte sich ja um die Vorteilsauslegung und anschließende persönliche Strafe bei einer Notbremse, das hier ist dann aber wieder ein anderer Fall.


    @ dennosius:
    Der Vergleich mit dem Strafstoß hinkt etwas, denn der Vorteil (und daraus resultierend gelb statt rot) bezieht sich immer nur auf die aktuelle Situation. Es stellt sich nur eine Frage: Wird die klare Torchance in der entsprechenden Szene durch unfaire Mittel verhindert oder nicht? Wenn sich ein klarer Vorteil ergibt, war dies nicht der Fall und somit nur eine Verwarnung wegen des Versuchs. Wenn sich kein Vorteil ergibt, gibt es den Platzverweis, auch wenn die Tormöglichkeit durch den Strafstoß wiederhergestellt wird. Dass das in Augen einiger Leute eine Doppel-Bestrafung ist, darum dreht sich ja die aktuelle Diskussion um die beantragte Regeländerung.

    Nur noch fünf Sekunden, nur noch die wenigen Stufen zum Spielfeld hinunter, und dann bleibst du allein, inmitten Tausender von Menschen...


    Pierluigi Collina

  • Ja, so könnte man es sehen. Dann ergäbe doch aber die von mir zitierte Passage aus dem Regelheft keinen Sinn.


    Dort steht: "Entscheidet der Schiedsrichter bei einer klaren Torchance auf Vorteil und entsteht daraus direkt ein Tor..."


    - Auf Vorteil, da sind wir uns alle einig, kann man nur entscheiden, wenn die Chance größer ist als ein Strafstoß
    - Wenn dem so ist, hat der Angreifer eine klare (zweite) Torchance
    - Wenn die Regelpäpste davon ausgingen, dass diese zweite klare Torchance allein (unabhängig von ihrer Verwertung) die Notbremse egalisiert (oder auf Gelb reduziert), warum haben sie dann die Torentstehung dort mit reingeschrieben?

  • Nur weil es da nicht erwähnt wird, muss es ja nicht falsch sein auch bei Nicht-Erfolg Gelb zu zeigen. Dies allein kann kein Argument sein, dass Rot immer folgen müsste.

  • Zitat von Linus;158903

    Nur weil es da nicht erwähnt wird, muss es ja nicht falsch sein auch bei Nicht-Erfolg Gelb zu zeigen. Dies allein kann kein Argument sein, dass Rot immer folgen müsste.


    Die von mir zitierte Stelle ist bekanntlich bereits eine Ausnahme von einer Regel. Und die Regel sagt :rote_karte:.

  • Für die Verhinderung eine Torchance gibt es laut Regel Rot. Hier bleibt die Torchance aber bestehen, wie ja nun schon mehrfach dargestellt wurde. Für diesen "Versuch" gibt es also Gelb!

  • Zitat von Linus;158929

    Für die Verhinderung eine Torchance gibt es laut Regel Rot. Hier bleibt die Torchance aber bestehen, wie ja nun schon mehrfach dargestellt wurde. Für diesen "Versuch" gibt es also Gelb!



    Nein, die Torchance bleibt nicht bestehen. Es gibt eine andere Torchance. Und die neue Torchance muss keineswegs besser oder gleich gut sein wie die vereitelte Torchance, sie muss nur besser als ein Strafstoß sein.


    Und die Diskussion dreht sich im Kreis. Die Regel sagt :rote_karte:, die Ausnahme sagt, :gelbe_karte: wenn Vorteil und Tor. Die Ausnahmeregelung ergibt keinen Sinn, wenn es bei Vorteil stets nur :gelbe_karte: geben würde, denn dann wäre der Zusatz mit dem Tor überflüssig - die Regel geht also davon aus, dass es bei Nichterzielung :rote_karte: gibt.


    Wenn tatsächlich die durch den Vorteil erlangte Chance nicht nur besser als ein Strafstoß, sondern besser als die durch Foulspiel vereitelte Chance war, kann man unter den allgemeinen Kriterien für die "Notbremse" wohl bei gelb bleiben.

  • Zitat von dennosius;158983

    Die Regel sagt :rote_karte:, die Ausnahme sagt, :gelbe_karte: wenn Vorteil und Tor. Die Ausnahmeregelung ergibt keinen Sinn, wenn es bei Vorteil stets nur :gelbe_karte: geben würde, denn dann wäre der Zusatz mit dem Tor überflüssig - die Regel geht also davon aus, dass es bei Nichterzielung :rote_karte: gibt.


    Mit dem und liegst Du falsch. Wenn ich als SR auf Vorteil entscheide, weil ich der Auffassung bin, dass die klare Torchance gewahrt bleibt, weil sie von einem Mitspieler vollstreckt werden könnte, so ist die klare Torchance noch da - und damit kann es nur eine Verwarnung geben, weil eben die klare Torchance durch den Regelverstoß nicht aufgehoben wurde. Kann der Mitspieler dann nicht vollstrecken, so hat das mit der Bewertung der Situation nichts mehr zu tun. Wenn Du das wirklich anders siehst, bitte ich um das entsprechende Zitat aus dem Regelbuch.


    Der andere Aspekt ist natürlich, ob ich in einer solchen Situation mit einer Entscheidung auf Vorteil gut beraten bin. Ich tendiere da zu einer sehr restriktiven Handhabung und zum bewussten Einsatz der verzögerten Pfiffs. Dies ermöglicht es - maßgebend ist ja schließlich meine Wahrnehmung -, in solchen Fällen auch noch nachzupfeifen; und sollte der von mir angenommene Vorteil nicht innerhalb von 3 Sekunden entschieden sein (Tor oder nicht), dann habe ich bei meiner Entscheidung ohnehin schon einen Fehler gemacht, den ich aber durch den Nachpfiff noch immer korrigieren kann. Pragmatisch kann ich also durchaus einen Moment abwarten, ob das Tor gelingt oder nicht und dann immer noch entscheiden (und sogar den FaD aussprechen) - und sogar ohne die Regel verbogen zu haben, schließlich kann man mir nicht nachweisen, dass ich auf Vorteil entschieden hatte, sondern muss mir einen Augenblick für Bewertung und Pfiff zugestehen. Verzögere ich aber offenkundig den Pfiff, so kommen wir in die obskur anmutende Situation, dass ich das Foul (innerhalb der 3 Sekunden) noch nachpfeifen kann, aber trotzdem nur noch Gelb statt Rot möglich ist.

  • Zitat von Manfred;158984

    Mit dem und liegst Du falsch.


    Wie kann ich denn mit etwas falsch liegen, das ich wörtlich aus dem Regelheft zitiert habe? Bitte lies doch mal selbst auf S. 92 nach.



    Zitat

    Wenn ich als SR auf Vorteil entscheide, weil ich der Auffassung bin, dass die klare Torchance gewahrt bleibt, weil sie von einem Mitspieler vollstreckt werden könnte, so ist die klare Torchance noch da


    Nein, ist sie nicht. Diejenige klare Torchance, die der Angreifer hatte, ist verhindert worden (sonst brauchen wir über :rote_karte: ja gar nicht zu sprechen).


    Vorteil ist - wie wir hier auch schon besprochen haben - wenn eine neue Torchance entsteht, die besser ist als die eigentlich zu verhängende Spielstrafe.


    Wenn man gedanklich eine Notbremse außerhalb des Strafraums nimmt, wird das vielleicht deutlicher, weil dann mehr Raum für die Vorteilsregel ist:


    93. Minute, der Torwart der knapp zurückliegenden Mannschaft ist mit vorne beim Eckstoß. Der Eckstoß führt zum Konter, ein Spieler läuft allein frontal aufs leere Tor zu. 20m vor dem Tor senst der zurücklaufende Torwart ihn von hinten um (aber nicht brutal).


    Der Ball rollt weiter und kommt 15m vor dem Tor zum mitgelaufenen Angreifer, der zwar aussichtsreich, aber in spitzerem Winkel steht, außerdem kann der Torwart mittlerweile die Schussbahn mit einer Parade erreichen.


    Die Vorteilsregel ist dann anzuwenden, weil die Chance des 2. Angreifers immer noch besser ist als der direkte Freistoß aus 20m. Die neue Chance ist aber wesentlich schlechter als die vereitelte Chance.


    Wenn der Angreifer jetzt nicht verwandelt (warum auch immer, ob er nun daneben schießt oder der Towart hält), gibt es doch überhaupt keinen Grund, den Torwart nicht vom Platz zu stellen.


    Noch einmal:
    - Die Regel sagt: Vereitelung einer klaren Torchance :rote_karte:
    - Die Ausnahme sagt: Führt die Anwendung der Vorteilsregel (neue Chance entsteht, die besser ist als die zu verhängende Spielstrafe) direkt zu einem Tor, gibt es nur :gelbe_karte:
    - In Ermangelung einer anderen anwendbaren Ausnahme führt die Anwendung der Vorteilsregel ohne direkten Torerfolg zu :rote_karte:


    Wer etwas anderes behauptet, mag mir bitte zeigen, welche Regel (Auslegung/Anweisung) er für die "Reduzierung" anwendet.

  • Frage 12 aus der SR Zeitung 05/2010 (die Antworten besitzen Auslegungs-/Anordnungscharakter):


    Frage:


    Antwort:



    Für mich macht das auch durchaus Sinn. Der Spieler versucht zwar eine Torverhinderung, dieser Versuch ist aber so kläglich, dass er damit nicht den gewünschten Erfolg hat.

  • Also, wenn ihr mich fragt: Wenn nach einer "Notbremse" trotzdem eine Torchance entsteht, war das Foul für mich keine Notbremse. Notbremse ist nämlich ein verallgemeinerter Ausdruck für "Vereiteln einer Torchance".

  • Zitat von Schiriassi;159017

    In diesem Fall kann es ausschließlich die :rote_karte: geben, da der Spieler von hinten umgensenst wird!


    Es geht hier um die Torchanceverhinderung, nicht um die Art des Fouls.


    Linus
    Danke, endlich mit Quelle.


    Das muss man wohl so zur Kenntnis nehmen und befolgen. Bin der gleichen Meinung wie Schiriassi: "crime does pay", schade. In Übereinstimmung mit der FIFA-Anweisung vermag ich das nicht zu bringen. Aber auch die DFB-Regelpäpste sind nur Menschen, und versuchen außerdem vielleicht, eine ungeliebte Regel durch entsprechende Auslegungen erodieren zu lassen. Ändert aber nichts daran, dass das für uns so gilt.


    Zitat von Matze;159029

    Also, wenn ihr mich fragt: Wenn nach einer "Notbremse" trotzdem eine Torchance entsteht, war das Foul für mich keine Notbremse. Notbremse ist nämlich ein verallgemeinerter Ausdruck für "Vereiteln einer Torchance".


    Wie mein Beispiel zeigt, ist Raum für den Fall, dass die ursprüngliche Torchance "drei Nummern besser" als die neue (Vorteils-) Chance gewesen wäre, der Verteidiger sich also einen unsportlichen Vorteil verschafft.


    Allein die von mir zitierte FIFA-Anweisung spricht ja eigentlich dagegen, denn die geht davon aus, dass bei Vorteil (d.h., es bleibt eben eine Chance erhalten) nur unter Umständen auf Gelb reduziert wird. Wäre die FIFA der Meinung, dass bei Vorteil nie rot gezeigt werden kann, hätte sie nicht diese Anweisung geschrieben. Der DFB sieht es offenbar anders.