Wechselseitige Regelverstöße

  • Im Rückblick auf die vergangene Saison habe ich noch eine Szene vor Augen, bei der mir die Klärung nicht leicht fällt:


    Freistoß ca. 30 Meter vor dem Tor. Ein Angreifer und ein Verteidiger kappeln sich in eindeutig übertriebener Weise, so dass ein Eingriff erforderlich ist.


    Ich habe die Ausführung des Freistoßes unterbunden, die beiden Kontrahenten herangeholt, ihnen in nicht zu überhörender Lautstärke (die Mitspieler und ein Teil der Zuschauer haben es gut verstanden und alle haben geschmunzelt) mitgeteilt, dass sie für Catchen auf dem falschen Sportplatz seien. Zum Glück haben es beide verstanden und es war Ruhe.


    Für mich stellt sich jetzt aber die Frage, wie in solchen Fällen zu verfahren ist, wenn man als SR so etwas nicht bemerkt, denn eine falsche Entscheidung an diesem Punkt kann spielentscheidend sein (Strafstoß für Angreifer und wahrscheinlich ein Tor oder Freistoß für Verteidiger). Also gesetzt den Fall, da kommt es zu einer Freistoß- oder Angriffssituation und man bemerkt als SR in diesem Moment, dass Spieler beider Mannschaften wechselseitig Regelverstöße einer Heftigkeit begehen, dass ein Eingriff zwingend ist. SR-Ball wäre gerecht, kann es aber eigentlich nicht sein, schließlich liegt ein (oder genauer: mehrere) Regelverstoß vor. Die Wahrnehmung kann es aber auch nicht sein, schließlich bemerke ich beide Verstöße gleichzeitig - oder muss ich mich dann dafür entscheiden, einen Verstoß zuerst bemerkt zu haben?

  • Offziell wirst Du Dich für den Regelverstoss entscheiden müssen, den Du zuerst siehst.


    Wenn Du Dir aber ob des Spielverlaufs und der Situation sicher bist, dass eigentlich beiden angefangen haben (ich weiß, dass das eigentlich nicht geht) würde ich die, nicht von den Regeln gedeckte Spielfortsetzung, "weg vom Tor" wählen.

  • Wenn Spieler beider Mannschaften gleichzeitig gegen die Spielregeln verstoßen, wird das Spiel mit SR-Ball fortgesetzt.

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • Manfred: Es handelt sich eigentlich nicht um einen klassischen Regelverstoß, sondern um ein "gleichzeitiges" Vergehen gegen die regel 12.


    Die Diskussion haben wir mal auf einer Lehrwartetagung geführt, das exakt gleichzeitige Vergehen gibt es in diesem Fall nicht, der SR-Ball kommt m.E. definitiv nicht als Spielortsetzung in Frage. Da muss ich Pfeiffekopp leider widersprechen :(


    2 Lösungsmöglichkeiten: Entweder hast Du den Freistoß noch nicht freigegeben und läßt ihn wiederholen oder Du gibst, wenn das Ganze nicht eindeutig ist, einen Freistoß für den Verteidiger, machst aber gleichzeitig die klare Ansage an beide Spieler, daß im Wiederholungsfall der Ball auf den Punkt kommt. Der südafrikanische SR hat im gestrigen Spiel nach einem Gerangel nach einem Eckball ähnlich agiert, es gab einen FS für den Abwehrspieler, bei der Ermahnung beider Spieler hat er aber eine eindeutige Geste mit dem Arm in Richtung der Strafstoßmarke gemacht.

  • SR-Ball auch nach eventuell auszusprechenden Verwarnungen?


    Sähe putzig aus, zumal wenn womöglich nur ein Spieler eine Verwarnugn kassiert oder es in einem Fall eben nur :gelbe_karte:, beim anderen Spieler aber :gelbe_karte::rote_karte: wäre, wenn das Spiel dann mit einem SR-Ball fortgesetzt werden würde ...


    Tante Edit zu mfs67227:
    Mein Problem ist, dass ich die Regelverstöße erst sehe, wenn ich hinschaue, weil der - ohne jeden Zweifel vorhandene - Anfang eben passierte, als ich woanders hingeschaut habe. Ich drehe mich um und sehe, wie sich zwei Spieler gegenseitig an den Haaren ziehen, dabei kann ich beim besten Willen nicht ausmachen, wer angefangen hat, muss aber definitiv einschreiten. Hierbei geht es jetzt mal ausschließlich um die Spielfortsetzung, die mir echt ein Rätsel wäre ...

  • Wenn du eine Szene erst bemerkst, wenn zwei Spieler im Ringkampf sind, bleibt dir nichts anderes übrig als SR-Ball zu geben. Wenn du es regeltechnisch richtig lösen willst.
    Ein dir. Freistoß für die abwehrende Mannschaft ist natürlich die elegantere Lösung

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • Es geht nicht um die elegante (die kenne ich selber, einer der wenigen Momente, wo ich als Schiri mal frei schwebend entscheiden könnte) sodnern um die richtige Lösung. Und da habe ich jetzt zwei sich widersprechende Aussagen von Lehrwarten ... :confused:

  • um als Dritter im Bunde vielleicht das Zünglein an der Waage zu sein:


    Auch ich bin der Meinung, dass eine Spielfortsetzung SR-Ball nur rein theoretischer Natur sein kann. Selbst wenn ich den Beginn der Auseinandersetzung nicht habe sehen können, sollte ich mich (mit entsprechender Ansage an beide Spieler!) für eine Richtung entscheiden.
    Alles andere ist einfach nicht vermittelbar.

  • Zwischen nicht vermittelbar und regeltechnisch korrekt ist aber ein Unterschied.
    Ich habe in so einer Situation auch noch nie einen SR-Ball gegeben. Dennoch halte ich ihn regeltechnisch für die einzige richtige Lösung.

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • In der Regel 12 ist für Vergehen, die während des laufenden Spiels auf dem Spielfeld stattfinden, nur der direkte oder indirekte Freistoß als Spielfortsetzung vorgesehen. Einen SR-Ball wegen eines Verstoßes gegen die Regel 12 durch zum Spiel gehörende Spieler kann man nur für Vergehen verhängen, bei denen der Tatort außerhalb des Spielfeldes liegt.


    Wenn 2 Spieler mit gestrecktem oder hohem Bein zum Ball gehen, entscheidest Du Dich ja auch für eine Richtung oder läßt das Spiel weiterlaufen. Da würde doch keiner auf die Idee kommen, einen SR-Ball zu verhängen !?

  • Regel 5 widerlegt dies aber und regelt klar den SR-Ball. Siehe Seite 32 Regelheft:


    Bei Vergehen von Spielern beider Teams:


    Das Spiel wird unterbrochen und mit einem Schiedsrichter-Ball an der Stelle fortgesetzt, an der sich der Ball zum Zeitpunkt der Unterbrechung befand ...

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • Ich meine, dass in einer SR-Zeitung gelesen hab dass "auf dem Papier" die Auslegung von Pfeifekopp richtig ist. Gleichzeitig hat der DFB aber eine Stellungnahme dazu veröffentlicht, in der sinngemäß steht, dass diese Auslegung nicht angewendet werden soll, der SR entscheidet nach seiner Wahrnehmung wer das Vergehen zu erst begangen hat.

    'Dann würden einigen Stammtischen die Themen ausgehen.' (Hoffenheims Verteidiger Christian Eichner über die Folgen einer Einführung des TV-Beweises)

  • Genau diese Diskussion hatten wir schon mal hier


    Damals wurden diverse Lehrwarte und Eugen Striegel angeschrieben. Die Antwort von Eugen findet man auf Seite 7 der Diskussion:


    Zitat

    Begehen Spieler beider Mannschaften gleichzeitig ein Vergehen so ist nach den Spielregeln ein SR-Ball möglich (vorgesehen). In der Praxis ist es aber doch immer so - und so lehren wir es auch - dass ein Spieler das Foul zuerst begeht (und wenn es sich nur um Bruchteile einer Sekunde handelt). Entsprechend fällt auch die Freistoß- , bzw. Strafstoßentscheidung aus. Im neuen Regelheft führt die FIFA das auch so aus (vsl. Seite 71).



    Mit freundlichen 'Grüßen
    E.Strigel

  • Ich schließe mich da vollinhaltlich meinem Vorredner an! Spielfortsetzung wie geplant ...

    Hohe Bildung kann man dadurch beweisen, dass man die kompliziertesten Dinge auf einfache Weise zu erläutern versteht.
    Geistlose kann man man nicht begeistern, aber fanatisieren kann man sie.
    Gelassenheit ist die angenehmste Form des Selbstbewußtseins!

  • Zitat von Manfred;138275

    Im Rückblick auf die vergangene Saison habe ich noch eine Szene vor Augen, bei der mir die Klärung nicht leicht fällt:


    Freistoß ca. 30 Meter vor dem Tor. Ein Angreifer und ein Verteidiger kappeln sich in eindeutig übertriebener Weise, so dass ein Eingriff erforderlich ist.


    Ich habe die Ausführung des Freistoßes unterbunden, die beiden Kontrahenten herangeholt, ihnen in nicht zu überhörender Lautstärke (die Mitspieler und ein Teil der Zuschauer haben es gut verstanden und alle haben geschmunzelt) mitgeteilt, dass sie für Catchen auf dem falschen Sportplatz seien. Zum Glück haben es beide verstanden und es war Ruhe.



    So wie ich dass verstehe wurde doch auf Freistoß entschieden, dannach fingen sich die Spieler zu kappeln an oder nicht???


    Somit ist dass Spiel doch schon unterbrochen und die Spielfortsetzung steht doch gar nicht mehr zur debatte.
    Also Spielfortsetzung würde mit dem 30 Meter Freistoß laufen. Die Spieler könnte man noch verwarnen.


    Wenn ich diese Situation falsch verstanden haben sollte bleibt es bei der Auslegung meiner Vorredner.


    Gruss Marco

  • Ach wenn Du bloß meinen Ursprungsbeitrag zu Ende gelesen hättest ... Es ging ja darum, was passiert wäre, wenn die zwei nicht aufgehört hätten respektive wenn Du eine Situation erst siehst, wenn beide Kontrahenten (daher das Beispiel gegenseitiges Haareziehen) in Aktion sind und ein Ausköser selbst bei bestem Willen nicht mehr auszumachen, ein Eingriff aber zwingend erforderlich ist.


    Aber wird sind nunmehr in der Diskussion so weit, dass die formale Lösung "SR-Ball" klar ist, in der Praxis aber eben ein "Schuldiger" ausgemacht wird, was die Spielfortsetzung angeht - wobei ich inständig hoffe, dass kein SR in eine solche Situation kommen möge (Diskussionen sind garantiert).

  • Die Regelfrage ist geklärt.


    Aber ein fader Beigeschmack bleibt - wird doch der Verteidiger begünstigt, da in der Praxis meist "weg vom Tor" - also Freistoß für die verteidigende Mannschaft - entschieden wird.


    Analog wird auch bei Rangeleien im Strafraum meist pro verteidigende Mannschaft entschieden.


    Dieses in dubio "weg vom Tor" - Gepfeife hat dazu geführt, dass erst Recht die Verteidiger an den Trikots zerren und zupfen. Ich kann ja als Verteidiger fleißig zerren- solange der ruhende Ball noch nicht gespielt ist kostet´s maximal eine Ermahnung. Wenn der Ball erst gespielt ist, entscheidet so schnell kein SR auf Strafstoß- es könnte ja spielentscheident sein. Im allgemeinen Fußballersprachgebrauch wurde der Begriff "nicht elfmeterreifes Foul" erfunden- dabei sträuben sich mir die Haare.


    Ein bisschen schwanger ist sie schon, aber ein Kind bekommt sie deswegen noch nicht.



    Fazit: Jetzt hat man eine Zupfseuche, die man nur mühsam wieder in den Griff bekommt.


    Zusätzlich trägt diese Zupferei nicht gerade zur guten Laune des Angreifers bei: Der denkt nämlich folgendes: Das Weichei von SR sieht doch jetzt zum wiederholten Male, dass ich hier gehalten werde- warum pfeift der Angsthase denn nicht endlich?! Ergebnis- der Angreifer versucht, "sein Recht" eigenmächtig durchzusetzen und es kommt zu den bekannten Rangeleien oder sogar Tätlichkeiten.


    Frage: Was ist jetzt das höhere Gut? Das möglichst nicht spielentscheidene Eingreifen des SR (also in dubio "weg vom Tor" entscheiden) mit dem oben geschilderten Ergebnis, dass so diese unschönen Szenen noch häufiger vorkommen


    oder aber


    ab und zu mal "einen raushauen" und einfach mal auf Strafstoß entscheiden? Falsch ist das nicht, denn der Verteidiger muss sich ja auf keine Rangelei einlassen, selbst wenn der Angreifer sie begonnen haben sollte.


    Es ist ja noch die Zeit der Vorbereitung- da bin ich mal ganz kreativ:


    In dubio pro Strafstoß!! Die FIFA will mehr Tore sehen!

  • Wenn ich sehe, dass sich zwei Spieler im Strafraum vor einem Freistoß oder einem Eckstoß halten, klammern etc., dann unterbinde ich für alle sichtbar die Ausführung, hole mir die beiden Spieler aus dem Pulk und mache beiden mit entsprechender Gestik klar, dass ein Fortführen des Haltens einen Freistoß bzw. Strafstoß zur Folge hat.


    Und das wird dann auch durchgezogen. Habe neulich einer Mannschaft auch ein Tor aberkannt, weil just der ermahnte Spieler wieder zerrte was das Zeug hielt.

  • Auch ein gutes Beispiel dafür ist ja auch das EM-Spiel Österreich-Polen geleitet von H. Webb.
    Erst unterbricht er die Ausführung und ermahnt beide ausdrücklich. Lässt dann ausführen und die selben beiden ziehen und drücken immernoch und der Stürmer wird klar zu Boden gezogen und bekommt auch den Elfmeter.

    Dem Schiedsrichter zu widersprechen, das ist, wie wenn man in der Kirche aufsteht und eine Diskussion verlangt. (Dieter Hildebrandt)

  • Ich schließe mich dem besten Schiedsrichter Kiels an: wir müssen auch mal deutlich machen, dass wir Vergehen, die wir im Mittelfeld ahnden auch im Strafraum ahnden. Ich habe schon für Schubser in den Rücken des Angreifers auf der Strafraumlinie Strafstöße verhängt, nach dem zweiten im gleichen Spiel war merkwürdigerweise sehr viel Ruhe in den Strafräumen.
    Und da gibt es ja noch die Formulierungen: dieses Foul war nicht "elfmeterwürdig" (mir wird schlecht bei dem Ausdruck)
    So ähnlich hatte es auch mal ein Kollege ausgedrückt, als ich (als Trainer) ihm von der Seitenlinie zurief "Das darf man aber auch pfeifen", meinte er "Stimmt, aber dann müsste ich ja einen Strafstoß geben".