Kreispokalhalbfinale der B-Junioren. Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass es vor wenigen Wochen im Meisterschaftstreffen der beiden nicht so ganz harmonisch zugegangen sei, um es mal vorsichtig auszudrücken. Es war wohl so heftig, dass die Vorsitzende des Heimvereins sich genötigt sah, für dieses Pokalspiel bei unserem Ansetzer, dessen Namen stark an den hier im Forum sehr bekannten A_Kappi ( welch Zufall
) erinnert, ein Gespann anzufordern. Dieses Anliegen wurde vom Ansetzer freundlich mit dem Argument abgelehnt, dass er einen seiner erfahrensten Schiedsrichter angesetzt habe: Mich! Als ob Erfahrung ein Grund sei, einem nicht mehr ganz so jungen Kollegen die zwei Helfer an der Linie zu verweigern
. Aber Spaß beiseite und zum Spiel. Assistenten wären sicher übertrieben gewesen.
Da ich nun wusste, dass diese beiden Mannschaften eine innige "Feindschaft" verbindet, war ich entgegen meiner Gewohnheit bereits eine Stunde vor Spielbeginn am Spielort um alles in Ruhe anzugehen. Die Heimtrainerin war ebenfalls schon vor Ort und begrüßte mich sehr freundlich. Für uns beide war es das erste Zusammentreffen und der erste Eindruck war schon positiv. Um es vorweg zu nehmen, der Eindruck sollte sich im Spiel bestätigen. Ihr Verhalten an der Linie war absolut professionell und sportlich. Da können sich viele Herren eine dicke Scheibe von abschneiden.
Sehr heiße Temperaturen und der Kunstrasen tat sein übrigens und von Anfang an lag eine gewisse Spannung in der Luft. Ich war sehr konzentriert und alle Sinne waren in Alarmbereitschaft. Beide Mannschaften tasteten sich die ersten Minuten ab, gingen jedoch gleich beherzt in die Zweikämpfe. Hier würde sich nichts geschenkt werden. Das war mir schnell klar. Dennoch hatte ich die Jungs im Griff und konnte in der ersten Halbzeit durch viel Reden beruhigend auf sie einwirken. Einer von Heim wollte es dann doch etwas genauer wissen. Nach einem Zweikampf, den er verloren hatte, machte er einen Ausfallschritt nach hinten Richtung Gegenspieler, wobei er sein Bein doch etwas höher und heftiger nach hinten ausfuhr. Zum Glück hat er niemanden getroffen. Ich unterbrach das Spiel und zitierte den Burschen zu mir um ihm klar zu machen, dass ich das nicht dulden werde. ( wenn ich es ihm ganz streng auslege, war es eine versuchte Tätlichkeit ). Ich beließ es bei
. Kurz danach war Halbzeit. In der Halbzeit hab ich dem Spieler nochmal erklärt, wie nah er am Platzverweis stand. Er gelobte Besserung, was er auch hielt.
Halbzeit 2: Beide Trainer hatten ihren Mannschaften wohl erklärt, dass es sich um ein K.O.-Spiel handelt, denn es wurde deutlich intensiver, wobei Heim die etwas bessere Mannschaft war, während Gast meist zu spät kam und dadurch mehr Fouls produzierte, vor allem in Strafraumnähe. Einige Spieler von Heim hatten inzwischen bemerkt, dass ich die schnelle Spielfortsetzung zuließ und nutzten dies auch aus. So auch bei dem Freistoß, der zum 1:0 für heim führte. 18Meter Torentfernung, fast mittig. Der Ball lag am vorgesehenen Ort, die Mauer war dabei sich zu formieren, Torwart stand am Pfosten und ich stand zwischen Ball und Mauer. Ich wollte gerade den Abstand der Mauer überprüfen, als ich bemerkte, dass der Schütze anlief. Ich schnell zwei Schritte zurück, um nicht in der Schußlinie zu stehen und einen noch besseren Überblick zu bekommen. Kurz bevor der Schütze am Ball war, um zu schießen, bemerkte dies der Torwart und rief laut um seine Mitspieler zu warnen. Zu spät. Der Ball ging flach durch die Mauer, wurde auch noch abgefälscht und landete rechts unten im Netz. Zur Überraschung der Gastmannschaft zeigt ich auf die Mittellinie, erwarteten doch alle, dass ich den Freistoß zurück pfeifen würde. War aber nicht. Und nun kam das, weshalb ich den Titelnamen gewählt habe. Wenn ein Pubertier sich in den Kopf gesetzt hat, Recht haben zu wollen, dann weiß der erfahrene Schiedsrichter und Familienvater, dass es sinnlos ist, ihn davon abzubringen. Also hab ich sie labern lassen und habe dabei stets die Ruhe behalten. Auch als ein Spieler mir erklären wollte, dass ich verpflichtet sei, den Freistoß mit Pfiff freizugeben und dies damit unterstrich, indem er mir mitteilte, dass er selbst den Schirischein habe. Das habe ich später recherchiert und tatsächlich, er hat seit Mai seinen SR-Ausweis. Das freut einen natürlich, dass wir wieder ein junges Talent mehr haben. Im Spiel selbst machte ich ihm klar, dass er da beim Lehrgang etwas falsch verstanden haben musste und wir würden diesbezüglich bei der nächsten Belehrung nochmal darüber reden. Letztlich kam ich trotz der Proteste ohne Karte aus und es ging dann mit Anstoß weiter.
Kurz danach, 53.Minute, dann die schlimmste Szene im Spiel und ich hätte gerne darauf verzichtet. Langer Ball in den Strafraum von Gast. Der Ball kam zu einem Angreifer, der aus kurzer Entfernung auf's Tor schoss. Der Torwart stand richtig und fing den Ball in Bauchhöhe. Aus irgendeinem Grund ließ er den Ball fallen, was dem seitlich neben ihm stehenden Angreifer nicht entging. Es war zu keiner Zeit auch nur ansatzweise Abseitsgefahr. Der Angreifer sah seine Chance und machte einen langen Schritt zum Ball und spielte diesen mit der Fußspitze quer vor's Tor, wo sein Mitspieler ins leere Tor einschob. Der Torwart machte im selben Moment, als der erste Angreifer zum Ball ging ebenfalls den Versuch seinen Fehler wieder gut zu machen und warf sich mit Kopf und Händen voran Richtung Ball. Fatalerweise kam er den Bruchteil einer Sekunde zu spät und so prallten Kopf und Fuss zusammen. Der Ball war in diesem Moment frei und klar spielbar und wurde von dem Angreifer auch klar vor dem Kontakt gespielt, was mir später auch bestätigt wurde. Leider verletzte sich der Torwart bei dieser Aktion so schwer, dass er nicht mehr weiter machen konnte. Eine zehnminütige Unterbrechung war die Folge. Wie ich am Abend erfuhr, hat sich der junge Mann einen Jochbeinbruch zugezogen und musste noch am Abend operiert werden. Das tat und tut mir sehr leid.
In der Situation selbst, konnte ich das natürlich nicht wissen, was auch meine Entscheidung, das Tor zu geben, auch nicht geändert hätte. Natürlich waren alle, die kein weißes Trikot trugen, einhellig der Meinung, dass es ein klares Foul am Torwart war. Nur der Typ in schwarz sah das dummerweise anders. Auch der Trainer sah mich böse an und machte mir Vorwürfe. Erst als ich ihm erklärte, dass nicht ich seinen Spieler verletzt habe, sondern er dies durch sein Einsteigen auch ein Stück weit selbst verursacht hat, wurde er ruhiger. Dennoch wurden wir keine Freunde mehr. Und auch hier haben mir meine langjährige Erfahrung enorm geholfen. Ich ließ die Pubertiere jaulen und jammern und einem zeigte ich nach dem vierten Mal "Frechheit" rufen dann noch
. Nach endlosen zehn Minuten Unterbrechung ging es dann mit Anstoß weiter. Ich war die ganze Zeit die Ruhe in Person.
Jetzt war allerdings richtig viel Aggressivität drin. Gast war ziemlich frustriert und wollte unbedingt den Anschlusstreffer erzwingen, auch mit unlauteren Mitteln. Viermal ging es im Laufduell in den Strafraum von Heim, viermal kam der Faller und viermal kam kein Pfiff, was die Fans von Gast, die sehr zahlreich angereist waren und die Mehrheit der ca. 100 Zuschauer bildeten, ziemlich auf die Palme brachte.
In der Mitte der zweiten Halbzeit kam es dann zu einem Zweikampf im Mittelfeld, der mit Freistoß für Gast beendet wurde. Der Gastspieler ging frustriert und angefressen auf seinen Gegenspieler zu und schubste ihn nicht besonders heftig und streifte ihn dabei leicht im Gesicht. Dieser fiel wie vom Blitz getroffen um. Bundesliga lässt grüßen, dachte ich mir. Ich ging dazwischen ( ohne laut zu pfeifen
) und rief beide zu mir. Dem einen machte ich klar, dass er seine Hände bei sich zu lassen hat und dem anderen, dass er nicht so eine Show abziehen müsse. Für beide gab es
und das war auch vollkommen ausreichend. Die Maßnahme kam auch nach außen gut an. 15Minuten vor dem Ende erneut ein Foul in der Hälfte von Gast. Diesmal eines von der robusteren Sorte, was mich dann doch dazu bewog, jetzt mal ein Zeichen zu setzen. Der foulende Spieler durfte sich mal fünf Minuten ausruhen. Die letzten 15 Minuten war dann viel Krampf, auch weil die Hitze ihren Tribut forderte. Es blieb letztlich beim 2:0 für Heim. Mein Fazit: In diesem Spiel haben mir vor allem meine große Erfahrung und die damit verbundene Ruhe geholfen. Auch die zahlreichen Zuschauer ließen mich völlig kalt, auch wenn beide Seiten ziemlich Radau gemacht hatten. Die Spieler hatten damit wesentlich mehr Probleme. Ich habe bewusst auf die knallharte Schiene verzichtet, auch weil ich immer das Gefühl hatte, dass die Spieler meine Art annahmen. Auch in der Situation wo man auch über Rot hätte nachdenken können, vermied ich dies, solange ich es halt auch vertreten konnte, ohne die Regeln zu beugen. Es ging schließlich auch um den Einzug ins Finale. Am Ende gab es viel Lob und Anerkennung für die Spielleitung, was man natürlich gerne mitnimmt.