Ja, ist verständlich worauf Du rauswillst.
Dass du aber den "Umweg Schiedsrichter" pauschal unberücksichtigt lässt, lässt mich vermuten, dass Du die genau für den "Umweg Schiedsrichter" bestehende und klar formulierte Spezialregelung möglicherweise nicht kennst.
Zugegeben, ich habe das bisher auch noch nicht sauber begründet, warum ich 16.0 außer Acht lasse, also hole ich das nach.
Ich komme zum Schluss: SR-Ball dort wo der SR getroffen wurde, aber auch nur unter Zuhilfenahme eines formulierungstechnischen Strohhalms, der wenn ich ihn nicht anwende zu einer viel krasseren Lösung führen würde (s. Spoiler unten).
Ich kürze den Sachverhalt mal mit Regelgrundlagen zusammen (denke da sollte es keine Missverständnisse geben, falls doch, bitte intervenieren
- Abstoß wird ausgeführt. Der Ball bewegt sich und ist daher im Spiel nach Regel 16.2
- Der Ball trifft den Schiedsrichter und damit ist die erste von zwei notwendigen Bedingungen aus 9.1 erfüllt.
- Ball bleibt aber nach Regel 9.2 weiter im Spiel.
- Danach rollt der Ball ohne weitere Berührung ins Tor des abstoßenden Torwarts. Damit wird nach Deiner Meinung die Bedingung für Eckstoß nach 16.0 erfüllt, nach meiner Meinung wird die zweite von zwei notwendigen Bedingungen für SR-Ball nach 9.1 erfüllt. Genaugenommen sind sogar beide Bedingungen erfüllt und davon gehe ich jetzt mal weiter aus.
Bedeutet, wir haben zum exakt gleichen Zeitpunkt zwei Sachverhalte verwirklicht, die unterschiedliche Spielfortsetzungen erfordern.
Die Frage ist jetzt, welcher Regel hier Vorrang zu gewähren ist und warum.
Normalerweise gilt das zuerst eingetretene Ereignis. Das fällt hier aber aus, weil beide Ereignisse exakt gleichzeitig eintreten, nämlich in dem Moment, in dem der Ball das Spielfeld verlässt.
Dann kommt die Regelung, dass das schwerere Vergehen zu ahnden ist. Fällt aber auch aus, weil keiner der beiden Sachverhalte ein Vergehen beschreibt.
Eine Spezialregelung, die eine Allgemeinregelung schlagen könnte (und da sind wir schon tief in juristischer Auslegungslehre) sehe ich auch nicht. Zunächst dachte ich, dass 9.1 spezieller wäre als 16.0, aber die gleichen Argumente, die dafür sprechen, sprechen auch dafür, dass 16.0 spezieller ist als 9.1. Also auch eine Sackgasse.
Der einzige Strohhalm, an den ich meine (bisherige) Argumentation jetzt noch klammern könnte wäre, dass 16.0 gar nicht einschlägig ist, weil der Ball nicht direkt ins Tor des ausführenden Spielers gegangen ist weil er zuvor von einem Spieloffiziellen berührt wurde. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die Regelung "Schiedsrichterberührung zählt nicht" ihre Grundlage ausschließlich in 9.2 hat. Dort ist aber nur festgelegt, dass bei einer Ballberührung mit dem Schiedsrichter der Ball im Spiel bleibt. Aber nicht, dass die SR-Berührung nicht zählt wenn wir irgendwo Ballberührungen zählen müssen.
Der Sinn von 16.0 bleibt dabei dadurch erhalten, dass mittels Regel 9.1 sichergestellt ist, dass es nicht zu einem erzielten Tor kommt.
Der Ball wäre also mit meinem Strohhalm hier nicht direkt vom Abstoß ins Tor gegangen, wohl aber nach einer SR-Berührung direkt ins Tor.
Somit lautet mein Schluss wenn dieser Strohhalm greift zunächst: SR-Ball nach 9.1 wo der SR getroffen wurde nach 8.2
Wenn mir dieser Strohhalm aber nicht bleibt, komme ich zu einem anderen Schluss, ...
...dass es einen Konflikt gibt, der bei korrekter Auflösung zu zwei nicht miteinander vereinbaren Spielfortsetzungen für unterschiedliche Mannschaften führt.
Eine Entscheidung für Eckstoß wäre ein Verstoß gegen Regel 9.1 und eine Entscheidung auf SR-Ball wäre ein Verstoß gegen Regel 16.0.
Der Schiedsrichter könnte jetzt nach Regel 5.2 einfach frei entscheiden und ich denke das wäre insgesamt als Tatsachenentscheidung auch gedeckt.
Ich für meinen Teil erkenne jedoch in beiden Regelungen ihren Sinn im Sinne der Spielregeln und des Fußballs und vermag nicht die eine als sinnhaltiger als die andere zu kategoriesieren, zumal die Spielfortsetzungen auch noch ein Vorteil für verschiedene Mannschaften wäre. Eine Spielfortsetzung, die nicht gegen die Regeln verstößt gibt es nicht.
Dann wäre da noch Regel 8.0, die für Fälle, in denen keine Spielfortsetzung definiert ist den SR-Ball vorsieht. Das greift hier aber auch nicht, da wir hier nicht keine sondern sogar zwei konkurrierende Spielfortsetzungen haben.
Das Spiel ist daher mangels regelkonformer Spielfortsetzung abzubrechen.