Torerfolg nach nicht strafbarem Handkontakt

  • Den meisten sollte das wegen Handspiels nicht gegebene Tor von Darmstadt gegen Bremen bekannt sein. Die Entscheidung möchte ich zunächst auch gar nicht in Frage stellen. Trotzdem stellen sich für mich ein paar Fragen nach dem Betrachten der Wiederholung. Immerhin liegen zwischen dem grundsätzlich regelkonformen Ballkontakt mit der Hand und dem anschließenden Torschuss noch ca. 20 m.


    Was bedeutet unmittelbar bzw. wann ist unmittelbar vorbei? Ein Abschlag aus der Hand zählt ja.


    Wie müssen sich die Angreifer hier zukünftig taktisch richtig verhalten, damit ein Treffer zählt? Noch mehrere Sekunden warten, mehrere Meter im Kreis dribbeln, warten auf einen Mitspieler oder warten auf einen Abwehrspieler um noch einen Zweikampf zu führen, …?

  • Die englische Version des Textes ist etwas besser, aber Lutz Wagner hat auch danach erklärt:

    "kein weiterer Pass, kein weiterer Spieler und kein weiteres Dribbling folgt"

    Dribbling wäre eben ein eng am Fuß geführter Ball und nicht nur ein ballkontakt wie im fall von darmstadt.

    Der neue IG Account die Schiri Kolumne hat es auch super erklärt. > die_schiri_kolumne auf Instagram



    und ja, ich finde den regeltext hier auch nicht gut formuliert und hatte mir zuvor tatsächlich auch keine gedanken dazu gemacht , also gerade den unterschied "direkt" vs "unmittelbar" , also ich hab dieses WE einiges dazu gelernt 🤩⚽️❤️


  • Danke für die Erklärungen. Die befriedigen leider nicht bzw. erklären noch nicht, weshalb z. B. ein direkt verwandelter Abschlag des Torhüters zählt ( zwischen Handkontakt und Torschuss gibt es weder ein Dribbling noch einen Pass).


    Reicht eine leicht Berührung des Torhüters beim Torverhinderungsversuch aus? Wenn nein, weshalb zählt dann ein Tor nach einem Einwurf?


    In den Erklärungen der Lehrwarte steht auch kurze Dauer oder kurze Distanz. Dann stellt sich die Frage nach der Definition von „kurz“. Kurz zwischen Hand und Tor? Oder zwischen Hand und Torschuss?


    Und, WO können das Zuschauer und Spieler nachlesen?

    Einmal editiert, zuletzt von Mark () aus folgendem Grund: Aus Versehen zu früh geklickt.

  • weshalb z. B. ein direkt verwandelter Abschlag des Torhüters zählt

    Einfach:

    Während der Torwart den Ball in seinem Strafraum in den Händen hält begeht er ein Handspielvergehen, von dessen Strafbarkeit er aber mit dem Torwartprivilleg ausgenommen ist.

    Wenn er jetzt den Abschlag durchführt, dann geht zwar der Ball unmittelbar nach einem Handkontakt ins Tor und es würde dadurch (wenn es nicht ohnehin eins wäre) zu einem Handspielvergehen werden.


    Da dieses Handspielvergehen aber vom Torwart in seinem eigenen Strafraum begangen wird, ist es genaso strafbar als ob der Torwart in seinem Strafraum den Ball in den Händen hält...nämlich gar nicht.

  • KozKalanndok Sehr gut argumentiert. Ich halte jedoch dagegen, dass Regel 12.1 bei einem Handspielvergehen des Torhüters im eigenen Strafraum trotzdem einen indirekten Freistoß vorsieht. Und 10.1 sieht beim direkt erzielten Abwurftor den Abstoß vor. Insofern lässt sich daraus das gültige Tor nicht ableiten. ;)


    Aber mir geht’s nicht um den Abschlag. Der ist nur als extremes Beispiel für nicht mehr kurz (Distanz oder Zeit) aufgeführt.


    Die Frage ist, wäre das Handspiel 10 m hinter Mittellinie passiert und der Torschuss knapp 20 m weiter am Mittelkreis, hätte das Tor dann gezählt bzw. wo wären die Grenzen?

  • Das Tor aus dem Abwurf ist ein ganz speziell normierter Tatbestand in Regel 10.1 und damit kein Handspielvergehen sondern etwas, was man salopp als technisches Vergehen (wie beispielsweise Abseits) beschreiben kann.


    12.1 regelt keine indirekten sondern nur direkte Freistöße. Ok...versteckt im Absatz auf Seite 74. Da muss man aber mal fragen, was denn eine unerlaubte Handberührung des Torwarts sein soll, wenn ihm doch zuvor für alle Handspielvergehen im eigenen Strafraum straffreiheit zugesichert wurde...

    Die 6-Sekunden-Regel und die Rückpassregel sind in 12.2 normiert und sind keine Handspielvergehen sondern auch "technische Vergehen" (extrem situative Normen, die beschreiben wie ein Ball nicht gespielt werden darf). Das würde ich dann unter "unerlaubte Handkontakte" verstehen, aber das gehört eigentlich nicht in 12.1.


    Was an der Beschreibung des Handspielvergehens in 12.1 tatsächlich irritierend (und sehr wahrscheinlich auch nicht wirklich so gewollt ist):

    Es wird zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Hand-Tor-Regeln auch dann ein Handspielvergehen sind, wenn sie der Torwart begeht.

    Zuvor wurde jedoch definiert, dass Handspielvergehen im eigenen Strafraum für den Torwart eben nicht strafbar sind. Demnach sind die Klammerzusätze eigentlich überflüssig.


    Der Grund, warum ich das so sehe ist folgender:

    Nur mal angenommen der Klammerzusatz würde bedeuten, dass die so qualifizierten Handspielvergehen auch für den Torwart strafbar sein sollten.

    Dann hätten wir eine direkte Kollision von Regel 12.1, die dafür einen Strafstoß sehen will, aber dagegenstehend Regel 10.1, die ausdrücklich den Abstoß vorschreibt. Die Anwendung dieser Regeln schließt sich aber gegenseitig aus.


    Gedankliche trenne ich schon länger beim Torwart das tatbestandlichen Handspielvergehen (was man beim Torwart bei jeder Parade eigentlich bejahen muss) und die Strafvorschrift (der Torwart wird für das Handspielvergehen bei seiner Parade nicht bestraft). So komme ich eben zu dem Schluss, dass der Torwart das eben darf, der Feldspieler aber nicht.

    Das ist hier die Auslegung, die meiner Meinung nach den Wünschen des Regelgebers am nächsten kommt.

    Natürlich unterschlage ich da die ausdrückliche Erwähnung, dass es "auch für den Torwart" gelten soll (irgendeinen Grund muss es ja gehabt haben, dass diese Klarstellung da drin steht), aber ablauftechnisch ergibt sie keinen Sinn. Außerhalb des Strafraums gilt der Torwart ohnehin als normaler Spieler (und ist bei den anderen Qualifikationen für Handspielvergehen auch nicht explizit erwähnt), aber andererseits erwähnt der Klammerzusatz auch nicht ausdrücklich, dass der Torwart auch im eigenen Strafraum damit gemeint ist.

    Der Klammerzusatz bei den Hand-Tor-Regeln schafft da wohl mehr Verwirrung als Klarheit.


    Selbst wenn man den Klammerzusatz so interpretiert, dass damit dem Torwart, der den Ball ins gegnerische Tor wirft, da ein eigentlich straffreies Handspiel zu einer "unerlaubte Ballberührung mit der Hand gem. S. 74" gemacht werden soll, besteht immer noch das Problem nach welcher Regel dann zu handeln ist. Ist es 10.1, die einen Abstoß verlangt? Oder ist es 12.1, die einen idF dafür sehen will? Oder muss man da vielleicht sogar abbrechen, weil zwei sich gegenseitig ausschließende Tatbestandsfolgen definiert sind und damit keine geregelte Spielfortsetzung mehr möglich ist?


    Referenz für die Seitenzahlen: https://www.dfb.de/fileadmin/_…2300707_PL_Broschuere.pdf