Sportausschuss BT - Gewalt im dt. Amateurfussball

  • Viel Spass beim Lesen. Es sind einige Interessante Fakten, Zahlen und Konklusionen mit drin.



    Deutscher Bundestag - 47. Öffentliche Sitzung des Sportausschusses
    Der Sportausschuss ist am Mittwoch, 21. Februar 2024, zu einer öffentlichen Sitzung zusammengekommen. Unter anderem tauschte er sich mit Sachverständigen über…
    www.bundestag.de


    https://www.bundestag.de/resource/blob/990096/9d1e1c27a6d459b155dab48894977e18/240221-Dr-Thaya-Vester.pdf

  • Mir fallen ein paar Details auf:

    Zitat

    es wird nicht jedes Spiel über DFBnet Spielbericht erfasst (in der Saison 2022/2023 lag die Abdeckung bei 86,66 %), die restliche Erfassung erfolgt noch papierbasiert


    Für den Ligabetrieb erscheint mir das wahnsinnig viel, bedenkt man aber, dass es beispielsweise auf Turnieren regelmäßig noch Papierspielberichte gibt, relativiert sich das. Wobei mir unklar ist, wie oft es gar keine Spielberichte gibt, beispielsweise im Bereich der Fair-Play-Liga, oder aber, weil da kein offizieller Schiri kommt und niemand den Spielbericht macht (oder allenfalls ein Ergebnis einträgt).

    Zitat


    Ein besonders wertvoller Indikator ist die Zahl der gewaltbedingten Spielabbrüche. Da diese gewissermaßen den worst case im organisierten Fußballsport darstellen, hat diese Summe eine besondere Aussagekraft, zumal auch aufgrund der damit verbundenen Folgen eine besondere Dokumentationsqualität besteht.


    Und ausgerechnet dieser extrem wichtige Indikator ist stark verzerrt, weil noch immer ein immenser Druck auf den Schiris lastet, dass auch ja alle Mittel zur Spielfortsetzung ausgeschöpft werden, so dass mit ziemlicher Sicherheit bei weitem nicht alle Spiele abgebrochen werden, bei denen das angezeigt wäre.

    Zitat

    Dass eine besondere Gewaltbelastung im Spätherbst herrscht, ließ sich zuvor bereits in anderen Analysen feststellen.


    Das wiederum verblüfft mich, denn nach meiner Wahrnehmung geht es gegen Saisonende weit deftiger zu ...

    Zitat

    Um in Erfahrung zu bringen, wie es den Schiedsrichtern tatsächlich auf den Fußballplätzen ergeht, liegt es daher auf der Hand, diese

    diesbezüglich direkt zu befragen.


    Will man das wirklich wissen? Mich hat noch niemand befragt ...

    Zitat

    Abb. 7: „Ich denke darüber nach als Schiedsrichter*in aufzuhören, da man auf dem Platz häufig großem Druck ausgesetzt ist.“


    Besonders spannend sind diese Zahlen - obgleich die m.E. auch dadurch verzerrt werden, dass die Anforderungen an die SR kontinuierlich steigen, also weitere Komponenten jenseits von Respekt und Gewalt eine Rolle spielen, angefangen bei sportlicher Leistungsfähigkeit und endend bei immer komplizierteren Regeln, bei denen selbst deren korrekte Umsetzung Unmut generiert (Musterbeispiel Handkontakte aller Art).

    Zitat

    Einen großen Schritt in die richtige Richtung stellt das 2023 vom DFB ausgerufene „Jahr des Schiedsrichters“ dar, das

    durch verschiedene Aktionen und Maßnahmen eine Trendumkehr einleiten konnte; diese Erfolge gilt es nun aber zu verfestigen.


    Das wiederum halte ich für eine steile These ohne jeden Beleg - dazu schweigt die Autorin auch dezent. Die steigenden Schiedsrichterzahlen resultieren m.E. vor allem aus dem Ende der Pandemie und der damit einhergehenden Normalisierung des Spielbetriebs und der Schiedsrichterausbildung; von einer Trendwende kann man frühstens Ende 2025 sprechen, wenn sich das wirklich fortsetzen sollte.

  • Will man das wirklich wissen? Mich hat noch niemand befragt ...

    Wir hatten in unserem Fußballkreis eine Befragung der Schiedsrichter im Dezember letzten Jahres zum Thema Gewalt. Teilgenommen hat leider nur die Hälfte der Kollegen und Kolleginnen. Die Ergebnisse wurden auf den Staffeltagen in den letzten beiden Wochen vorgestellt, wir bekommen sie am kommenden Montag im Detail präsentiert. Insbesondere bei Jugendspielen haben die Gewalt und die verbalen Angriffe signifikant zugenommen.


    Ich werde über die Ergebnisse in der nächsten Woche berichten.

  • Das wiederum halte ich für eine steile These ohne jeden Beleg - dazu schweigt die Autorin auch dezent. Die steigenden Schiedsrichterzahlen resultieren m.E. vor allem aus dem Ende der Pandemie und der damit einhergehenden Normalisierung des Spielbetriebs und der Schiedsrichterausbildung; von einer Trendwende kann man frühstens Ende 2025 sprechen, wenn sich das wirklich fortsetzen sollte.

    Also im akademischen Bereich darf man direkt von einer Trendwende sprechen in dem Fall, und sie schreibt ja als Zusatz "diese Erfolge gilt es nun aber zu verfestigen." Ich sehe das aber um ehrlich zu sein nicht, dass hier eine Verfestigung stattfindet. Ich empfinde es eher so, als ob jetzt nach dem "Jahr des Schiris" die sich aufgestauten Schleusen öffnen und solche Kommentare wie von Hummels "Das ist eine Erklärung die kann nur aus dem Regelbuch kommen und nicht aus dem Profifussball. Das möchte ich betonen. Das war null Elfmeter." Während ein Ex-Profi-Schiri der als Fachberater eingeladen wurde neben ihm steht gerade, wie ich finde, gut Erklärt hat wie es zur Entscheidung des Schiris gekommen ist. Das finde ich schon recht respektlos, ähnlich wie die Aktion der FCN-Frauen die ja jetzt, nachdem sich Skysports gegen sie gestellt hat und ihre Art der Kritik an den weiblichen Schiris verurteilt hat, plötzlich zurückrudern auch wenn noch nicht öffentlich.

    Kern des Problems finde ich in der Stellungnahme von Vester schon auch im gesellschaftlichen Umgang mit Fehlern und der destruktiven Fehlerkultur. Es bringt halt schlichtweg nichts sich ständig zu vermeintlichen Fehlern von Schiris aufzuregen oder irgendwelche Sammerschen Verschwörungstheorien zu spreaden, was der Zuschauer mitnimmt und dann auf alle Schiris generalisiert. Profis weigern sich ja auch ihre Verantwortung diesbezüglich anzuerkennen und anstatt dessen lassen sie dann wie zu dem Dortmund Interview lieber Dampf ab in einer Art und Weise die schon darauf schließen lässt, dass sie von diversen Erfahrungen in Social Media abgestumpft sind. Das Gesagte im Interview geht meiner Meinung nach auch weit über fachliche Kritik hinaus. Da muss man sich nicht wundern, wenn es an der Basis als Vorbild genommen wird.

  • Ob das akademisch korrekt ist, lassen wir einfach mal offen, das führt hier vom Thema weg (ein Trend ist eine langfristige Sache, der wird nicht von einem Einzelwert bestimmt) ...


    Und gefühlt erlebe ich gerade eine interessante Spreizung:
    Der Respekt, den man mir entgegen bringt, scheint sich im Herrenbereich tatsächlich etwas zu bessern, dafür ist der Abwärtstrend im Jugendbereich - bei Spielern und Trainern - ungebrochen und beschleunigt sich eher - könnte auch daran liegen, da schlösse sich der Kreis, dass Jugendliche in den sozialen Medien aktiver sind und sich auch mehr an den Profis orientieren.

  • Ob das akademisch korrekt ist, lassen wir einfach mal offen, das führt hier vom Thema weg (ein Trend ist eine langfristige Sache, der wird nicht von einem Einzelwert bestimmt) ...


    Und gefühlt erlebe ich gerade eine interessante Spreizung:
    Der Respekt, den man mir entgegen bringt, scheint sich im Herrenbereich tatsächlich etwas zu bessern, dafür ist der Abwärtstrend im Jugendbereich - bei Spielern und Trainern - ungebrochen und beschleunigt sich eher - könnte auch daran liegen, da schlösse sich der Kreis, dass Jugendliche in den sozialen Medien aktiver sind und sich auch mehr an den Profis orientieren.

    Gem. ihrer Aussage nimmt sie nicht den Jahreswert als Datenpunkt sondern den Ganzjahresverlauf. Ist halt immer so, dass man solche Dinge unterschiedlich auslegen kann in dem Fall wie man Segmente unterteilt, dann kann ein einzelner Datenpunkt eben zu einem Trend werden wenn man einen Zeitraum feiner unterteilt. Im Forschungsfeld der Kriminologie in dem sie sich bewegt weiss ich das nicht sicher, wie da der Standard ist.


    Also ich muss sagen hier in Berlin sehe ich die Erwachsenen eher problematisch und die D- bis A-Jugend bis zur Verbandsliga hoch, habe ich bis Dato als sehr respektvoll, mir gegenüber, empfunden. Männlich wie weiblich. Erwachsene (schwerpunktmäßig männlich und vereinzelt weiblich) haben sich in meinem Erfahrungsspektrum eher so gezeigt, dass sie eine reduzierte Frustrationstoleranz und Impulskontrolle hatten und ich deswegen auch im Verhältnis zu den Jugendspielen meinen Schwerpunkt eher auf das Spielmanagement bzw. disziplinare Ahndungen legen musste und bei den Jugendlichen kann ich mehr laufen lassen, mal einen Impuls setzen und der wird dann sehr schnell angenommen und umgesetzt. Mein Bauchgefühl ist hier, dass die Erwachsenen mental weniger "wendig" bzw. flexibel sind und ihre ganzen mentalen / psychologischen Baustellen mit aufs Feld bringen, deswegen nicht so schnell auf Ansprachen reagieren weil alles mögliche "im Oberstübchen" viel festgefahrener ist, aber sowas ist natürlich immer multikausal und das ist bestimmt nur ein Aspekt bzw. sogar nur eine Anekdotische Evidenz ;) .


    Ich finde die Reportage https://youtu.be/UbBPmpSdhys?si=cCmY_68Cy1lxs4fv interessant und da beschreiben die Sportpsychologen (u.a. unsere berliner Verbands-Sportpsychologin um die wirklich alle Schiris mega dankbar sind und ihre Erfahrungswerte und Fachwissen wertschätzen) ja auch, dass sich im Umfeld des Fußballs, die Problemfelder im Jugendbereich bei den Akteuren ausserhalb des Spielfelds inkl. Trainern, also nicht bei den SpielerInnen liegt und bei den Erwachsenen liegt die Problematik bei den Spielern auf dem Spielfeld. Ich hatte vor kurzem wieder einen Lehrgang zu dem Thema und männliche Gewaltexzesse oder auch "nur" Diskriminierung und Beleidigungen nehmen den größten Raum ein, ob Trainer Jugendschiris angegangen sind oder sogar Eltern Schiris (inkl. minderjährigen Schiris) bedroht haben. Ich hab auch schonmal rumgefragt ob mal jemand ein Beispielvideo von Jugendspielen hätte oder Damenspielen in denen Jugendliche oder Frauen zu "Tätern" werden, aber auch die Sportrichter die ich kenne sagen schon, dass sich die Probleme hauptsächlich im Erwachsenen und sich da im Männerbereich abspielt. Ich kenne viele neue Schiris in Berlin und Bayern die im Alter zwischen 25 und 40 ihre Spielerkarriere beendet haben um Schiri zu werden und sagen, dass sie alles außer erwachsene Männer pfeifen werden, weil sie sich das nicht antun möchten. Wenn ich mir die Anfangsszene von diesem Video anschaue bzw. anhöre https://youtu.be/DPEuaHFosKc?si=IXMyyEqz529kuNyp würden wahrscheinlich viele schmunzelnd sagen, dass das gängig ist und ein Schiri das aushalten muss oder vorbeihören muss. Ich muss sagen, dass ich zustimme das das gängig sein kann. Ich finde es unter aller Sau und Teile davon wären für mich eine rote Karte wenn es ein Teamoffizieller gesagt hat. Ich finde, jede Generation hat eine andere Art, Wertschätzung und Respektlosigkeit auszudrücken und ich persönlich versuche so flexibel wie möglich damit umzugehen und entsprechend zwar die Grenzen zu ziehen, aber auch verstehen zu wollen und angepasst auf den Adressatenkreis verständlich kommunizieren zu wollen.


    Es gab wohl mal einen Schiri der über einen langen Zeitraum Vollgejammert wurde und sagte "Sag mal hast Du keinen Frisör?" und der Spieler das auf sein Äußeres bezogen hat und den Schiedsrichterdisziplinarausschuss angerufen hat. Ich finde dass das noch recht niederschwellig ist, aber ich finde wir haben als Schiris schon auch die Pflicht uns adressatengerecht auszudrücken und wenn wir es nicht können weil wir uns nicht häufig genug in so einem Umfeld aufhalten, dann müssen wir unsere Grenzen anerkennen und uns auf eine pragmatische und neutrale Formulierung begrenzen. Ich finde den Spruch "Sag mal hast Du keinen Frisör?" so oder so respektlos und für jüngere unverständlich. Das nur ein Gedanke zu den Unterschieden von Respektlosigkeit in den Altersgruppen und , dass wenn wir uns in höherem Alter solcher markigen Fussballersprüche bedienen, das auch bei den Jugendlichen zu dem Empfinden von Respektlosigkeit Seitens des Schiris ihnen ggü. führen kann.


    Spannend, dass das evtl. regional unterschiedlich ist.


    Youtube Fairplay Experiment


    Schreie, Streit & Schiris: Schiedsrichter im Amateurfußball | Doku | Real Stories
    In dieser spannenden Doku zeigen wir euch die turbulente Welt der Schiedsrichter im Amateurfußball. Von strittigen Entscheidungen bis hin zu unerwarteten Esk...
    youtu.be