"Schutzhand" und internationale Regelauslegung

  • Bevor alle aufschreien.. ich hab Schutzhand extra in Hochkommas gesetzt, da wir ja alles wissen "Schutzhand gibt es nicht"

    Ich bin gerade in einer Diskussion in einem englischsprachigen Schiedsrichterforum (https://www.reddit.com/r/Referees/ falls jemand mitdiskutieren möchte.)


    Dort sind hauptsächlich US-Amerikanische SR unterwegs.. davon abgesehen, dass das dort drüben schon "weit unten" wohl ein echter lukrativer Job ist, ist deren Regelauslegung oftmals.. gewöhnungsbedürftig.


    Egal in der aktuellen Diskussion geht es um die Schutzhand.
    Situation is folgende (gekürzt) (im Original: https://www.reddit.com/r/Refer…he_line_protecting_chest/)

    Frauenspiel. Ball geht Richtung Tor, Verteidigerin auf der Torlinie, Ball geht in Richtung ihrer Brust, sie hebt instinktiv die Arme um ihre Brust zu schützen. Ball trifft Hand und geht nicht ins Tor.


    Die ursprüngliche Frage war nach der Roten Karte... aber irgendwie war da jeder außer mir der Meinung, dass es nicht mal ein Handspiel wäre.

    Eigentlich halte ich mich ja für ziemlich regelfest, wenn aber quasi alle anderer Meinung sind wird man schon mal nachdenklich.


    Daher meine Frage an euch:

    Handelt es sich um ein strafbares Handspiel?


    Das es dann auch eine rote Karte geben muss steht glaube ich nicht zu Debatte oder?

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D

  • Ganz so einfach ist es dann doch nicht:

    Auch in Deutschland gab es - oder gibt es vielleicht noch? - einige Verbände, die in Frauenspielen die Schutzhand zuließen, da hilft nur ein Blick in die verbandsspezifische Spielordnung. Wo es eine solche Regelung aber nicht gibt, handelt es sich regeltechnisch um ein Paradebeispiel eines Handspiels, welches dann auch mit einem Strafstoß zu ahnden ist.


    Bei der persönlichen Strafe sieht es aber anders aus, denn wenn das Handspiel (s.o.) regelwidrig ist, reden wir dennoch nur über eine Verwarnung - und zwar nicht wegen des Rabatts auf Basis des Strafstoßes, sondern weil es eben keine klare Torchance war; ob der Ball nur die Hände oder die Brüste trifft, ein Tor wird damit nicht fallen, es handelt sich also um die Verhinderung eines aussichstreichen Angriffs, mithin also eine Verwarnung.

  • Wenn wir wettbewerbsspezifische Anweisungen außen vor lassen:


    Bzgl. der Strafbarkeit sehe ich es wie du: Der Arm wird absichtlich in die Flugbahn des Balles gehalten, damit sind alle anderen Bedingungen hinfällig und es ist auf jeden Fall ein Vergehen.


    Bzgl. der Roten Karte ist es etwas komplizierter: Wenn es wirklich klar ist, dass der Ball ohne das Handspiel an den Körper gegangen wäre und dadurch weder ein Tor noch eine klare Torchance entstanden wäre, kann man rein nach Regeltext wohl auf die Karte verzichten.

    Ich denke aber, dass in Deutschland die gängige Auslegung ist, solche Handspiele immer als Verhinderung einer klaren Torchance zu werten.

  • Wenn es wirklich klar ist, dass der Ball ohne das Handspiel an den Körper gegangen wäre und dadurch weder ein Tor noch eine klare Torchance entstanden wäre

    Ok DAS ist dann wirklich neu für mich. Ich dachte das spielt in der Situation keine Rolle. (Ich meine das sogar mal hier irgendwo gelesen zu haben kann mich aber auch irren.)

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D

  • Ich bin gerade in einer Diskussion in einem englischsprachigen Schiedsrichterforum (https://www.reddit.com/r/Referees/ falls jemand mitdiskutieren möchte.)


    Dort sind hauptsächlich US-Amerikanische SR unterwegs.. davon abgesehen, dass das dort drüben schon "weit unten" wohl ein echter lukrativer Job ist, ist deren Regelauslegung oftmals.. gewöhnungsbedürftig.

    Ich habe gerade so ein "umgekehrtes" Deja-Vue, weil wir hier im Forum mit einem deutschsprachigen Schiri, der aber wohl seit Jahren in Nordamerika im Jugend/College Bereich pfeift, schon die abstrusesten Diskussionen zur Übersetzung des Regelhefts und der Auslegung in der Praxis hatten (Nickname habe ich gerade nicht parat, Manfred sicherlich sofort ;) ).


    Wer gerne diskutiert, kann da sicherlich viel Zeit verbringen, aber zielführend ist das nicht.

  • mfs67227 - ich stelle fest, Du hast eine Macke ... ( DieMacke ) - und ehrlich gesagt bin ich nicht böse, wenn der hier nicht auftaucht, seine Inhalte waren in den letzten Jahren durchgehend obskur.

    Bzgl. der Roten Karte ist es etwas komplizierter: Wenn es wirklich klar ist, dass der Ball ohne das Handspiel an den Körper gegangen wäre und dadurch weder ein Tor noch eine klare Torchance entstanden wäre, kann man rein nach Regeltext wohl auf die Karte verzichten.

    Wenn der Ball, wie in der Fallbeschreibung, in Richtung Tor unterwegs ist, eigentlich unvorstellbar.

    Ich denke aber, dass in Deutschland die gängige Auslegung ist, solche Handspiele immer als Verhinderung einer klaren Torchance zu werten.

    Nein, eben nicht, der gute Schiri erkennt, dass hier keine klare Torchance vorlag (das wäre :rote_karte: ), sondern der Ball auch ohne den Handkontakt nicht in das Tor gegangen wäre, da der Spielerin gegen die Brüste, ergo ist das die Verhinderung eines aussichtsreichen Angriffs (= :gelbe_karte: ).

  • Hallo.


    In der verlinkten Diskussion scheinen USSF, also US-amerikanische, und kanadische Referees aus verschiedenen Regionen zu diskutieren. Was das ganze nicht ganz einfach macht.


    DieMacke ist wohl in Kanada anzusiedeln. Dort sind die Auslegungen zwar nominell die gemäß FIFA, wie er sich auch immer wieder drauf verbissen hat bei den Diskussionen hier. Bei dem erwähnten Spiel der Ursprungsfrage ging es wohl um ein quasi Pflicht-Freundschafts-Spiel. Speziell die Kanadier haben hier wohl diverse Freizeitligen, die mehr oder weniger unterschiedliche Regelauslegungen haben, aber eben nicht einem regulären Spielbetrieb gleich zu setzen sind. Schaut man sich diverse Videos solcher Spiele auf YouTube an, erkennt man, wie extrem unterschiedliche Auslegungen dort gegeben sind und das Niveau extrem variiert was die SR anbelangt.


    Das kennen die Amerikaner wohl weniger, die spielen Turniere, die von geprüften SR geleitet werden - je nach Bundesstaat aber auch wieder diverse Durchführungsbestimmungen kennen. Dann noch mal getrennt nach Mannschaften unter der USSF und den beiden großen Hochschulverbänden NFHS und NCAA. Wieder mit teilweise unterschiedlichen Auslegungen.


    Liest man nun die Ergänzung des Threaderstellers, scheint dort die Auslegung als Verhinderung und somit der FaD zutreffend zu sein. Für Deutschland wurde ja schon die gewünschte Auslegung genannt: Keine Torverhinderung, aber gelbe Karte wegen des Blockens des Schusses.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Bei dieser Gelegenheit einfach mal die Regelung aus der Spielordnung des Hessischen Fußballverbandes im Abschnitt für Frauenspiele:

    Zitat

    § 144 Handspiel

    Der Gebrauch der angelegten Hand zum Schutz des Körpers ist erlaubt, wenn unter Beachtung der Fußballregeln die Hand nicht zum Ball, sondern der Ball zur Hand geht.

    Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - einfacher ausgedrückt: Die Spielerin muss die Hand, mit der sie ihren Körper schützen will, nicht wegnehmen, darf die Hand aber nicht explizit hinführen, es sei denn, es ist erkennbar, dass die Hand zum Schutz des Körpers genutzt werden soll, nicht jedoch, um damit den Ball zu berühren, auch wenn die Ballberührung dann unvermeidlich ist.


    Es gibt sie also doch, die "Schutzhand".

  • Also man sieht bei jedem Freistoß, wie die Männer ihr Geschmeide schützen ohne das hier jemand einen Kommentar verliert. Warum sollten dann die Frauen nicht ihre Brüste schützen dürfen??


    Im Endeffekt lasse ich bei Handspiel der verteidigenden Mannschaft den gesunden (oder meinen ;) ) Menschenverstand entscheiden.

  • Manfred


    Der „Paragraf 144“ ist eigentlich überflüssig, denn die eng angelegte Körperfläche nicht vergrößernde (Schutz-)Hand ist nach gängiger Auslegung auch im Herrenfußball erlaubt (die Diskussionen mit Quellenangaben aus der SZ hatten wir schon).


    Formal dürfen nach dieser Formulierung die Damen ihre Brust trotzdem nicht schützen, wenn sie z. B. einen Ball mit derselben stoppen möchten, insbesondere wenn sie sich mit der geschützten Brust nur leicht Richtung Ball bewegen.

  • Richtig, die Diskussion hatten wir schon - und die führt uns hier nicht weiter, denn das Lehrwesen ist beim "Sackhalter" und ähnlichen Schutzreflexen durchaus anderer Meinung.


    Den eigentliche spannenden Fakt des § 144 hast Du aber übersehen - einerseits ist der Gebrauch der angelegten Hand dadurch erlaubt, andererseits muss dies aber im Rahmen der Fußballregeln geschehen, was die vermeintliche Ausnahme faktisch auf eher deklaratorischen Charakter reduziert.