Handspiel durch Torwart außerhalb des Spielfeldes

  • Hi,


    Ich bin mir ziemlich sicher dass diese Frage vor ein paar Jahren hier schon war, aber noch zu Zeiten als es die "Leg-Den-Ort-des-Vergehens-Auf-Die-Seitenlinie"-Regel noch nicht gab.

    Anlass ist, dass mich ein Arbeitskollege heute auf dieses "Kuriosum" in den Fußballregeln hingewiesen hatte und ich da erstmal mit "gibt es nicht mehr, weil Ort des Vergehens wird dann die Seitenlinie" geantworte hatte.

    Da sind mir allerdings im Nachhinein ein paar Zweifel gekommen und ich habe etwas genauer und vielleicht auch etwas zuviel drüber nachgedacht und Regelbuch gelesen.


    Situation:

    Der Ball rollt auf das komplett leere Tor zu, mit einer Geschwindigkeit, mit der er zweifelsfrei das Spielfeld zwischen den Torpfosten verlassen würde.

    Der Torwart der verteidigenden Mannschaft springt mit einem Hechtsprung von der Seite ins Tor und hindert den Ball gerade so am vollständigen Verlassen des Spielfeldes indem er ihn durch einen Handkontakt, der eindeutig außerhalb des Spielfeldes stattfindet, am weiterrollen blockiert.

    Wie ist zu entscheiden?


    Wie schon geschrieben, mein erster Impuls wäre gewesen "Vergehen auf Spielfeldrand legen" und "Der daaf dat da".



    Im Nachhinein fühlt sich mein Fazit aber wie irgendwas zwischen kurios und hanebüchenem Bullshit an :hammer: :

    • :rote_karte: gegen den Torwart
    • SR-Ball für verteidigendes Team
    • Strafstoß

    Mir ist schon bewusst, dass das erstmal wie ein verspäteter Aprilscherz rüberkommen muss, aber ich finde hier einfach den Fehler in meiner Interpretation der Regeln nicht (im Spoiler, falls sich jemand erstmal eigene Gedanken machen will).

    Wäre nett, wenn mir da jemand ein bisschen auf die Sprünge helfen könnte :)

    3 Mal editiert, zuletzt von KozKalanndok () aus folgendem Grund: Da stand zuerst noch Mist von wegen SR-Ball als Spielfortsetzung, da konnte ich aber mittlerweile die Regel finden, die da zum Strafstoß führen würde.

  • Irgendwie macht die Frage keinen Sinn!!! Oder Springt der Torwart durch das Tornetz :/? und was ist daran verboten wenn der Torwart den Ball mit der Hand aufhält oder soll das Ersatztorwart heißen oder ich steh auf dem Schlauch?


    Für die Bewertung des Handspiels eines Torwartes ist lediglich die Position des Balls und nicht die des Torwartes Auschlag gebend, d.h. befindet sich der Ball mit irgend einem Teil über der Begrenzungslinie des Strafraums darf er vom Torwart mit der Hand gespielt werden.

  • Muss ich mir das jetzt so vorstellen: Der Torwart steht, liegt neben dem Tor. Als der Ball über die Torlinie (zwischen den Pfosten) zu rollen droht, hechtet er zum Ball und erwischt diesen mit den Händen hinter der Torlinie gerade noch bevor der Ball die Torlinie vollständig überschritten hat. Das wäre korrekt und weiterspielen die richtige Lösung.

  • Für die Bewertung des Handspiels eines Torwartes ist lediglich die Position des Balls und nicht die des Torwartes Auschlag gebend, d.h. befindet sich der Ball mit irgend einem Teil über der Begrenzungslinie des Strafraums darf er vom Torwart mit der Hand gespielt werden.


    gigi Genau das. Aber was ist die Regelgrundlage dafür?


    Wirts

    Ok, das könnte dann mein Denkfehler sein. Das bedeutet aber dann im Umkehrschluß auch, dass ein Torwart, einen Ball auf der äußeren Kante der Strafraumgrenze liegt, von außerhalb des Strafraums aufnehmen dürfte.

    Die Frage ist aber, welche Regel definiert (abweichend von allen anderen Regeln, die einen direkten Freistoß zur Folge haben) den Ort des Balles als den relevanten Ort für die Bewertung ob die Straffreiheit für den Torwart greift?
    Überall sonst gilt ausdrücklich beschrieben "Ort des Vergehens", nur bei der Bewertung der Straffreiheit gilt "Ort des Balles"? Das wirkt widersinnig.


    Die einzige Stelle, die ich gefunden habe, die in einem ausformulierten Satz auf das Torwartprivilleg eingeht, ist die folgende und die geht nach meinem Textverständnis auf den Ort des Kontakts und nicht auf den Ort des Balles.

    Zitat

    Für den Torhüter gelten beim Handspiel außerhalb des eigenen Strafraums die gleichen Regeln wie für alle übrigen Spieler. Berührt der Torhüter den Ball unerlaubterweise innerhalb des eigenen Strafraums mit der Hand/dem Arm, wird ein indirekter Freistoß, aber keine Disziplinarmaßnahme verhängt.



    Das mit dem SR-Ball, da habe ich mittlerweile selbst die Regel gefunden, die mich da eines besseren belehrt.

    Die "Verschiebe"-Regel steht nämlich nicht nur bei Regel 12 sondern auch bei Regel 13 und die dortige Regelung bezieht sich allgemein auf Vergehen.

    Ungeachtet der evtl. noch zu ändernden Bewertung der Strafbarkeit des Handspiels, würde ich dann vorerst die Spielfortsetzung auf Strafstoß ändern.

  • Überall sonst gilt ausdrücklich beschrieben "Ort des Vergehens", nur bei der Bewertung der Straffreiheit gilt "Ort des Balles"? Das wirkt widersinnig.

    In dem Fall des Torhüters kannst Du ja nur den Ort des Balles als Kriterium für ein Vergehen als Grundlage nehmen, da die Absicht in den meisten Fällen ja wohl außer Frage steht. und hier gibt es nur 2 Möglichkeiten: 1 der Ball ist im Strafraum --> kein Handspielvergehen

    2. der Ball ist nicht im Strafraum --> Handspielvergehen

    Wie willst den Ort an Hand des Torhüters bestimmen wenn er flach mit ausgestreckten Armen am Boden liegt? Wo die Hände/Kopf/Füße sind?


    Deine Argumentation mal weitergedacht folgende Regelfrage:


    Der Ball rollt auf Höhe der Wechselbank Richtung Seitenaus und bleibt mit 4/5 seines Umfangs außerhalb des Spielfeldes liegen.

    Der Trainer stubst mit der Fußspitze den Ball zurück aufs Spielfeld.

    Wie entscheidet der Schiedsrichter?

  • Wie willst den Ort an Hand des Torhüters bestimmen wenn er flach mit ausgestreckten Armen am Boden liegt? Wo die Hände/Kopf/Füße sind?

    "Ort des Vergehens" wäre für mich exakt da, wo die Hand den Ball berührt. Und das wäre in dem Szenario nunmal außerhalb des Strafraumes.


    Ich erinnere mich auch noch dunkel an die alte Formulierung des Torwartprivillegs. Das ging so in die Richtung, dass der Torwart den Ball im Strafraum mit der Hand spielen durfte. Dort konnte man dann drüber streiten, ob er den (Ball im Strafraum) mit der Hand spielen durfte oder ob er den Ball (im Strafraum mit der Hand) spielen durfte, wobei da tatsächlich der Konsens war, dass ersteres gemeint war.

    Diese Formulierung gibt es aber nicht mehr. Sie wurde komplett entfernt und durch eine neue Regelung mit einem komplett anderen Bewertungsmaßstab.


    Früher war es ihm erlaubt den (Ball im Strafraum) mit der Hand zu spielen ohne dabei ein Handspielvergehen zu begehen.

    Mit der jetzigen Formulierung begeht er immer wenn der die Hand zu Hilfe nimmt ein Handspielvergehen, welches jedoch für den Fall, dass es in seinem Strafraum geschieht straffrei gestellt wird, aber keine Rede mehr vom "Ball im Strafraum".

    Klar, es ist in den meisten Fällen Deckungsgleich mit der alten Regelung, aber in Grenzfällen kann das meiner Meinung nach durchaus einen Unterschied machen.


    Der Ball rollt auf Höhe der Wechselbank Richtung Seitenaus und bleibt mit 4/5 seines Umfangs außerhalb des Spielfeldes liegen.

    Der Trainer stubst mit der Fußspitze den Ball zurück aufs Spielfeld.

    Das ist wiederum ein in Regel 3.7 definierter Fall. Eingriff ins Spiel durch einen Teamoffiziellen führt zu direktem Freistoß auf der nähesten Begrenzungslinie.

  • Um die Frage noch mal ohne Hechtsprung, Spielfortsetzung etc. auf den Punkt zu bringen:


    Wenn der TW "hinter den Pfosten" steht und den Ball auch knapp hinter der Torlinie berührt, wieso tolerieren wir das bzw. wieso ist das regeltechnisch gedeckt?


    Zusatzfrage: Wenn sich der TW außerhalb des Strafraums im Feld befindet und den halb außerhalb befindlichen Ball mit der Hand wegschlägt, tolerieren wir das dann auch?

  • wieso ist das regeltechnisch gedeckt?

    Genau das ist denke ich der einzige der Punkte, der streitig sein dürfte.


    Ist die Handberührung des Torwarts außerhalb des Strafraums von seinem Privilleg gedeckt, für Handspielvergehen in seinem eigenen Strafraum nicht bestraft zu werden, obwohl der Kontakt zwischen Hand und Ball zweifelsfrei außerhalb des Strafraums geschieht? Falls ja, durch welche aktuelle Regel?

  • Ich glaube, ihr habt einen Knoten im Kopf bezüglich „Ort des Vergehens“, wenn die Berührung des Balles das Vergehen ist.


    Entscheidend ist, wo sich der Ball zum Zeitpunkt des Kontaktes befindet. Und wenn er eine Linie berührt, befindet er sich in dem Raum, den die Linie begrenzt.


    Das lässt sich aus den Regeln 1.2, 9.1 und 10.1 ableiten.

  • Ok, dann zerlegen wir mal:


    Regel 1.2 betrifft ausschließlich die Spielfeldbegrenzungen. Wo siehst Du da eine Interpretationsmöglichkeit für den Ort des Vergehens bei einem Handspiel?

    Meiner Meinung nach belegt 1.2 sogar eher, dass das Handspielvergehen tatsächlich außerhalb und nicht innerhalb des Spielfeldes und damit auch außerhalb des Strafraums stattfindet. Der Kontakt findet doch nicht auf der Linie sondern fast einen Balldurchmesser von der Linie entfernt statt.


    Regel 9.1 beschreibt wann der Ball aus dem Spiel ist. Aber es ist doch unstreitig, dass der Ball nicht aus dem Spiel ist.

    Wäre er durch Überschreiten der Linie aus dem Spiel, dann wäre es nach 10.1 ein Tor und es wäre kein Handspielvergehen mehr.

    Aber was hat die Definition wann der Ball aus dem Spiel ist mit dem Ort, an dem ein Vergehen passiert zu tun?


    Regel 10.1 beschreibt wann genau ein Tor erzielt wurde. Dass kein Tor erzielt wurde, weil der Ball das Spielfeld nicht verlassen hat ist unstrittig.

    Wie soll sich aus der Regel etwas über den Ort eines Vergehens nach Regel 12 ableiten lassen?

  • KozKalanndok Du wirst im offiziellen Regelwerk keine befriedigende exakte Antwort finden. Schon vor zehn Jahren hat man sich darüber den Kopf zerbrochen https://www.fussballregeln.inf…etzung-nachgedacht16.html


    Dem Geist der Regel entspricht nunmal am ehesten die Auslegung, dass beim Handspiel der Ort des Vergehens die Position des Balles ist und nicht der Punkt des Kontakts, da das sonst zu den abstrusesten Spielfortsetzungen geführt hätte und auch noch führen kann.


    Bei deiner Eingangssituation „TW klärt einen Ball, der die Torlinie noch nicht vollständig überschritten hat, hinter der Linie mit der Hand“ gebe es nach deiner Auslegung für den Ort des Vergehens eben keine sinnvolle Lösung nach dem Geist der Regel:


    - Der TW ist nicht im Strafrau und darf somit den Ball nicht mehr mit der Hand berühren. Also wäre es Handspiel außerhalb des Spielfeldes. Der nächste Ort des Vergehens ist die Torlinie innerhalb des Strafraums und somit der Strafstoß die logische Spielfortsetzung. Abstruser geht es nicht.


    - Für den idF gibt es keinerlei Regelgrundlage, da das „Handspielvergehen“ ja nicht im eigenen Strafraum stattfindet.


    - Bliebe noch der SR-Ball. Den SR-Ball bekommt dann der TW, da die Ausführung im Strafraum ist. Das ist ebenfalls Unsinn.


    Damit ist Weiterspielen die sinnvollste Lösung mit der oben genannten Auslegung als Begründung anstelle des Ausschlussverfahrens anderer Spielfortsetzungen. ;)

  • Wir können das Thema einfach mal um eine Facette erweitern:


    Spieler A und B befinden sich mit einem Bein auf der Seitenlinie, wobei A mit dem Bein außerhalb des Spielfeldes mit erkennbarer Absicht das Bein von B außerhalb des Spielfeldes tritt.

    Lassen wir jetzt die Frage nach der persönlichen Strafe außen vor, da hier nicht von Interesse, aber wir haben ein klares Foul, welches rein formal außerhalb des Spielfeldes geschehen ist. Nun hat der Regelgeber - warum bloß? - vor einiger Zeit klargestellt, dass in diesem Fall der Freistoß auf der Begrenzungslinie auszuführen ist.


    Übertragen wir das jetzt auf die Ausgangsfrage:
    Bekanntlich gehören die Linien zu dem Raum, den sie begrenzen. Es ist dabei zweifelsfrei die Absicht des Regelgebers, dass der Ball, der sich noch auf dieser Linie befindet, sich eben in diesem Raum befindet. Ganz praktisch kann das zu netten Verwicklungen führen, denn was macht Ihr, wenn ein Verteidiger außerhalb des Strafraumes den Ball mit der Hand spielt und diesen dabei mit der Hand nur an dem Ballteil berührt, der außerhalb des Strafraums ist? Sofern wir keinen unbedeutenden Streifschuss haben, wirkt der Ballkontakt doch immer auf den Ball als Ganzes, wir können das nicht differenzieren und es wäre ohne jeden Zweifel klare Absicht des Regelgebers, den Ball als im Strafraum befindlich zu bewerten und ergo auf Strafstoß zu entscheiden.
    Hier ist der Ball noch im Spiel und es kommt nicht darauf an, wo sich der Spieler befindet, sondern wo der Ball ist. Da der Ball nicht aus dem Spielfeld ist - er hat dieses ja noch nicht vollständig verlassen, gleich wohin -, befindet er sich noch im Strafraum, dort hingegen darf ihn der verteidigende Torwart, so es sich nicht um einen Ball aus einem "Rückpass" handelt, mit der Hand berühren, ganz egal wo sich der Torwart befindet. Ergo ist hier weiterspielen sowohl die einzig richtige als auch die einzig mögliche Spielfortsetzung.


    Kleiner Denkanstoß:
    Der Torwart wehrt einen Schuss ab und fällt dabei auf den Boden im Netzraum seines Tores. Den Ball bringt er anschließend unter Kontrolle, in dem er seine Hand auf den Ball legt, der auf der Linie liegt. Käme da jemand ernsthaft auf die Idee auf eine andere Spielfortsetzung als "weiterspielen"?

  • Danke, Manfred.

    Mir ist durchaus bewusst, dass das eine recht kontroverse Sache ist und ich denke auch, dass dem Regelgeber als er das Torwartprivilleg umformuliert hat die Tragweite in einem solchen Grenzfall nicht bewusst war. Aber seit wann ist es Aufgabe eines Schiedsrichters eine möglicherweise(!) unbeabsichtigte Regel durch eine sinnvolle zu ersetzen?


    Der Torwart wehrt einen Schuss ab und fällt dabei auf den Boden im Netzraum seines Tores. Den Ball bringt er anschließend unter Kontrolle, in dem er seine Hand auf den Ball legt, der auf der Linie liegt. Käme da jemand ernsthaft auf die Idee auf eine andere Spielfortsetzung als "weiterspielen"?


    Das ist doch fast die gleiche die Situation, die ich beschrieben habe. Natürlich würde man das nicht pfeifen. Die Frage, die sich mir halt stellt ist, warum nicht, denn eine Regel das nicht zu pfeifen (angenommen der Handkontakt ist nicht über der Torlinie) konnte mir bisher noch niemand nennen.


    Nun hat der Regelgeber - warum bloß? - vor einiger Zeit klargestellt, dass in diesem Fall der Freistoß auf der Begrenzungslinie auszuführen ist.

    Die Regel zum Verlegen des Freistoßes auf die Begrenzungslinie habe ich auch in Betracht gezogen und bin da aber zu dem Schluss gekommen, dass diese eben gerade zur Bestimmung des Ortes eines Vergehens herangezogen werden kann. Sie regelt lediglich, die Folge wenn der Ort eines Vergehens außerhalb des Spielfeldes war (also nach Feststellung des Vergehens). Nämlich dass die Spielfortsetzung dann auf die Begrenzungslinie gelegt wird.


    Der Torwart wehrt einen Schuss ab und fällt dabei auf den Boden im Netzraum seines Tores. Den Ball bringt er anschließend unter Kontrolle, in dem er seine Hand auf den Ball legt, der auf der Linie liegt.

    Dass in der Situation mit dem Torwart im Netztraum es durchaus kurios wäre, dass der Torwart für sowas bestraft würde, ist mir ja durchaus klar und würde Sinn ergeben. Was für mich eben überraschend ist, ist dass es ausdrücklich anders geregelt ist bzw. ich die Regel, die es so regelt, wie es eigentlich sein müsste bisher noch nicht gefunden habe.


    Der Regelgeber hat ja gerade die Regel, die es dem TW früher erlaubt hätte (er durfte früher den Ball im Strafraum mit der Hand spielen) durch eine anders formulierte Regel ersetzt, die aber nicht mehr auf den Ort des Vergehens abstellt sondern lediglich den Torwart in seinem eigenen Strafraum von Handspielvergehen befreit ohne dass es hierbei noch auf die Position des Balles ankommt. Für mich belegt das die Absicht, dass Position des Balles keine Relevanz mehr haben sollte.


    Zugegeben, es ist tatsächlich überhaupt nicht definiert, was denn bei einem Handspielvergehen der Ort des Vergehens ist. Nach meinem Sprachverständnis und Ockham's Rasiermesser kommt aber dann doch wohl der Ort des Kontaktes raus. Für eine andere Interpretation bräuchte man meiner Meinung nach irgendwo einen vergleichbaren Fall, der genau das tut, den Ort eines Vergehens verlegen. Das angeführte Beispiel mit dem Treten außerhalb ist hier aber keine passende Analogie. Dort wird lediglich der Ort der Spielfortsetzung, nicht aber Ort des Vergehens verlegt.

    Die Sache mit dem Verteidiger wäre (aus meiner aktuellen Sicht) hier übrigens auch klar. Das wäre rein nach Regeltext ein Handspielvergehen außerhalb des Strafraums, also nur direkter Freistoß (wobei man das tatsächlich in der Praxis nicht wirklich wahrnehmen können wird, aber es geht mir um die Regelgrundlage).

    Spieler A und B befinden sich mit einem Bein auf der Seitenlinie, wobei A mit dem Bein außerhalb des Spielfeldes mit erkennbarer Absicht das Bein von B außerhalb des Spielfeldes tritt.

    Lassen wir jetzt die Frage nach der persönlichen Strafe außen vor, da hier nicht von Interesse, aber wir haben ein klares Foul, welches rein formal außerhalb des Spielfeldes geschehen ist.

    Das bestärkt meine Meinung eigentlich sogar noch. Der Ort des Vergehens in diesem Beispiel ist nicht wo sich das Knie, der Kopf, der Arm oder die Brust oder der gemeinsame gemittelte Masseschwerpunkt von A und B befinden, sondern exakt dort, wo sich Fuß A und Bein B berühren, oder? Übertragen auf ein Handspiel bedeutet das, dass das Handspielvergehen exakt an der Kontaktstelle zwischen Hand und Ball zu verorten ist.

  • Dem Geist der Regel entspricht nunmal am ehesten die Auslegung, dass beim Handspiel der Ort des Vergehens die Position des Balles ist und nicht der Punkt des Kontakts, da das sonst zu den abstrusesten Spielfortsetzungen geführt hätte und auch noch führen kann.

    In Deinem zitierten Beispiel wurde aber genau das Gegenteil dargelegt. Nämlich dass für ein Kontaktvergehen der Ort des Kontaktes und nicht der Ort des Balles relevant sein soll. Wobei tatsächlich weiter unten (der italienische Verband und nur dieser) wohl doch auf die Ballposition zurückfallen wollte.

  • https://www.youtube.com/watch?v=rb6UybWWROY


    hier ein schönes video zu diesem Thema. Die Situation, dass ein Torhüter den "Ball im Tor" mit der Hand berührt ist keinesfalls so selten.


    KozKalanndok der Ball ist entweder im Spiel oder aus dem Spiel du kannst Ihn nicht in der Mitte teilen und sagen ein Teil ist drin und ein Teil ist raus. Es gibt kein Handspiel außerhalb des Spielfeldes!


    Dir steht es natürlich frei in deinem nächsten Spiel in dem Du eine solche Situation hast auf Strafstoß und :rote_karte: für den Keeper zu entscheiden um Grundlegene Änderung der Fußballregeln herbeizuführen.

  • Es gibt kein Handspiel außerhalb des Spielfeldes!

    Zumindest ist dies nicht regelwidrig :P , weil klar ist, dass es das nicht sein kann, denn der Ball ist dann zwangsläufig aus dem Spiel. Und damit kommen wir der Sache wieder näher ...

    Nach meinem Sprachverständnis und Ockham's Rasiermesser kommt aber dann doch wohl der Ort des Kontaktes raus.

    ... weil ein Handspiel eben aus den Komponenten Ball, der im Spiel sein muss, und Kontakt mit der Hand besteht (und dieser zusätzlich regelwidrig sein müsste) - damit bleibt nur der Ort des Kontaktes.

    Was für mich eben überraschend ist, ist dass es ausdrücklich anders geregelt ist bzw. ich die Regel, die es so regelt, wie es eigentlich sein müsste bisher noch nicht gefunden habe.

    Da kommen wir wieder zurück zum Sinn und Geist der Regel: Ein strafbares Handspiel kann es nur geben, wenn der Ball im Spiel ist und der Handkontakt verboten ist - jede andere Lösung widerspricht den grundlegenden Intentionen des Regelgebers und eine ausdrücklich andere Regelung, die vorliegen müsste, um davon abzuweichen, weil nur die klar beschreiben könnte, dass es wirklich anders gewollt ist, gibt es nicht. Vereinfacht: Nach allgemeiner Ansicht ist ein Ball rund - auch das ist nicht im Regelheft erwähnt, obgleich sonst einiges über den Ball geregelt ist - und niemand hätte den Hauch eines Zweifels, dass man nicht mit einem Ball in der Form eines Medizinballes spielen wird; die Nichtregelung spiegelt also die Selbstverständlichkeit wieder.

  • Nach allgemeiner Ansicht ist ein Ball rund - auch das ist nicht im Regelheft erwähnt, obgleich sonst einiges über den Ball geregelt ist


    Off-Topic:

    Tatsächlich beginnt Regel 2 mit den Worten:


    "Sämtliche Bälle müssen: kugelförmig sein[...]"

  • Wirts: "Es gibt kein Handspiel außerhalb des Spielfelds"

    Zumindest ist dies nicht regelwidrig :P , weil klar ist, dass es das nicht sein kann, denn der Ball ist dann zwangsläufig aus dem Spiel.

    Wenn der Ball auf der Linie ist (und somit im Spiel), kann man ihn trotzdem mit der Hand außerhalb des Spielfelds berühren. Es sollte relativ klar sein, dass so etwas trotzdem regelwidrig sein kann - und es steht auch nirgendwo explizit in den Regeln, dass Handspielvergehen außerhalb des Spielfelds erlaubt sind.

    Die Frage ist nur, ob das Handspiel in dem Fall auch außerhalb des Spielfelds ist - oder nur der Handkontakt. Aber das ist ja gerade der Punkt, der hier diskutiert wird - und leider im Regelheft nicht eindeutig geklärt ist.

  • Es geht mir auch nicht darum, dass da ab morgen Torwarte massenhaft vom Platz fliegen. Ich suche nur die Regelgrundlage, warum hier ein Kontaktvergehen nicht am Ort des Vergehens sondern plötzlich am Ort des Balles bewertet werden soll. Ich bin gerade eher schockiert, dass es da scheinbar gar keine Regelung zu geben scheint.


    Mittlerweile habe ich in den Regeln sogar eher Hinweise darauf gefunden, dass für die Bewertung eines Handspielvergehens tatsächlich nicht der Ort des Balles sondern der Ort des Kontaktes relevant ist.

    Nämlich im VAR-Protokoll Punkt 4. (Vorgehen -> Videosichtung, Spiegelstrich 2). Dort soll die Prüfung bei Handspielvergehen auf den Ort des Kontaktes und eben nicht auf den Ort des Balles gehen.


    hier ein schönes video zu diesem Thema. Die Situation, dass ein Torhüter den "Ball im Tor" mit der Hand berührt ist keinesfalls so selten.

    Dieses Video wäre (gesunden Menschenverstand ausschalten...rein nach Regeltext) eigentlich ein Fall für den VAR. Ohne VAR könnte man das als SR über die Wahrnehmung drehen, dass man es als "innerhalb" wahrgenommen hat, daher wollte ich aber die Wahrnehmung außen vor lassen...reiner Regeltext.

    Gerade der VAR kann (und soll) doch den Ort des Kontaktes bei Handspielen sogar mit Zeitlupe aufklären. Warum sollte er das tun müssen, wenn der Ort des Balles und nicht der Ort des Kontakts maßgeblich ist?


    Ich habe mir ja durchaus schon Gedanken darüber gemacht und hatte eine mögliche Interpretation dieser Regelstelle überlegt:

    Zitat

    Ein direkter Freistoß wird auch gegeben, wenn ein Spieler eines der folgenden Vergehen begeht:

    Handspielvergehen (gilt nicht für den Torhüter im eigenen Strafraum)

    Daraus könnte man ableiten, dass der Torwart für Handspielvergehen nicht bestraft wird, solange er sich in seinem eigenen Strafraum befindet. Dann wäre der Fall aus dem Video nicht strafbar. Das wäre zwar die Lösung des Knotens, aber es knüpft einen anderen: Auf der buchstäblich anderen Seite des Strafraums gäbe es dann eine genauso :hammer: Situation: Der Torwart, der mit den Fußspitzen auf der Strafraumlinie bäuchlings in Richtung Mittellinie liegt, würde für jeden Handkontakt mit dem Ball noch als "im eigenen Strafraum" gelten.


    Nach allgemeiner Ansicht ist ein Ball rund - auch das ist nicht im Regelheft erwähnt, obgleich sonst einiges über den Ball geregelt ist - und niemand hätte den Hauch eines Zweifels, dass man nicht mit einem Ball in der Form eines Medizinballes spielen wird

    Der Medizinball ist nicht (wie übrigens in Regel 2.1 durchaus explizit geregelt) kugelförmig und zusätzlich verletzt alle anderen Regelungen zum Spielgerät.


    Ein strafbares Handspiel kann es nur geben, wenn der Ball im Spiel ist und der Handkontakt verboten ist

    Richtig. Aber genauso wie man einem Spieler, der mit einem Bein im Feld steht trotzdem an das andere Schienbein außerhalb des Feldes treten kann, kann auch das Handspiel außerhalb des Spielfeldes stattfinden während der Ball aber noch (aufgrund einer anderen Regelgrundlage) als innerhalb Spielfeld gilt. Warum sonst müsste der VAR bei Handspielvergehen den Ort des Handkontaktes prüfen?

    Dann kommt dazu: Der Handkontakt ist verboten, da der Torwart grundsätzlich wie alle anderen Spieler zu betrachten ist. Das Handspiel ist (so wie es aktuell in den Regeln steht) dem Torwart nur dann erlaubt, wenn es innerhalb des eigenen Strafraumes erfolgt.


    "Sinn und Geist (und Wille des Regelgebers)" kommen nach meinem Verständnis ausschließlich dann zur Anwendung, wenn es um eine in den Regeln nicht vorgesehene Situation geht. Ich bin aber mittlerweile sogar der Meinung, dass die Situation sogar in den Regeln abschließend geklärt sein dürfte (wenn auch tatsächlich :hammer: ) und damit nicht "Sinn und Geist der Regeln" für die Entscheidung maßgeblich sind sondern eben nur die Regeln:

    • Ein Handspiel ist ein Kontaktvergehen. Sind wir uns da einig? Falls nicht, warum wäre ein Handspiel kein Kontaktvergehen und was wäre es dann?
    • Für Kontaktvergehen gilt der Ort des Kontakts als Ort des Vergehens und nicht etwa ein ganzer Balldurchmesser daneben. Da denke ich sind wir uns noch uneinig. Allerdings deckt sich die Annahme, dass der Ort des Kontaktes der Ort des Vergehens ist, auch mit den Regeln zum VAR, der bei vermeintlichen Handspielen den Ort des Kontaktes und nicht etwa den Ort des Balles im Moment des Kontaktes zu prüfen hat.
    • Es scheint da noch die eineandere Meinung zu geben, dass der Ort des Vergehens nicht der Ort des Kontaktes sondern der Ort des kontaktierten "Objektes" ist. Das wirft dann aber weitere Fragen auf. Welches der beiden kontaktierenden Objekte ist dann für die Ortsbestimmung relevant? Wenn Spieler B mit einem Fuß im Strafraum steht und Spieler A tritt ihm außerhalb des Strafraums an das andere Bein...Warum gibt es dann nur Freistoß und keinen Strafstoß?
    • Hand am Ball ist ein Handspielvergehen. Grundsätzlich auch für den Torwart. Er wäre lediglich unter bestimmten Umständen von der Strafbarkeit befreit. Über diese Umstände kann man natürlich streiten. Muss der TW im Strafraum sein oder das Vergehen, von welchem die Strafbarkeit aufgehoben wird im Strafraum sein?
    • Dass der TW früher mal den "Ball im Strafraum" mit der Hand spielen durfte, müssen wir hier ausblenden. Das hat Regelgeber nämlich vor einigen Jahren durch eine andere Regelung ersetzt. Und wenn hier "Sinn und Geist der Regeln" ins Spiel kommen, dann komme ich nicht umhin dieses Herausnehmen so zu interpretieren, dass eben für die Entscheidung, ob der TW handspielen darf, gerade nicht mehr die Position des Balles ausschlaggebend sein soll. Wie können wir uns da anmaßen diese Abschaffung einfach so mit "datt wollte die doch gar nicht" zu ignorieren? Macht uns das nicht zu "Schiedsrichtern von letzter Woche"?
  • KozKalanndok


    Wir haben es nun alle verstanden, dass der reine Regeltext hier nicht eindeutig ist und wir auf eine Auslegung angewiesen sind, die dem Sinn und Geist des Spiels entspricht. Und das ist bei unerlaubten Ballberührung wie Handspiel, dass der Ort des Vergehens der Ort des Balles und nicht der ungünstigste Kontaktpunkt ist.


    Ein Handspiel ist für mich auch kein Kontaktvergehen, sondern ein eigenständiges. Unter Kontaktvergehen verstehe ich ausschließlich faktische oder versuchte Vergehen gegen Personen.