Hi,
Ich bin mir ziemlich sicher dass diese Frage vor ein paar Jahren hier schon war, aber noch zu Zeiten als es die "Leg-Den-Ort-des-Vergehens-Auf-Die-Seitenlinie"-Regel noch nicht gab.
Anlass ist, dass mich ein Arbeitskollege heute auf dieses "Kuriosum" in den Fußballregeln hingewiesen hatte und ich da erstmal mit "gibt es nicht mehr, weil Ort des Vergehens wird dann die Seitenlinie" geantworte hatte.
Da sind mir allerdings im Nachhinein ein paar Zweifel gekommen und ich habe etwas genauer und vielleicht auch etwas zuviel drüber nachgedacht und Regelbuch gelesen.
Situation:
Der Ball rollt auf das komplett leere Tor zu, mit einer Geschwindigkeit, mit der er zweifelsfrei das Spielfeld zwischen den Torpfosten verlassen würde.
Der Torwart der verteidigenden Mannschaft springt mit einem Hechtsprung von der Seite ins Tor und hindert den Ball gerade so am vollständigen Verlassen des Spielfeldes indem er ihn durch einen Handkontakt, der eindeutig außerhalb des Spielfeldes stattfindet, am weiterrollen blockiert.
Wie ist zu entscheiden?
Wie schon geschrieben, mein erster Impuls wäre gewesen "Vergehen auf Spielfeldrand legen" und "Der daaf dat da".
Im Nachhinein fühlt sich mein Fazit aber wie irgendwas zwischen kurios und hanebüchenem Bullshit an :
- gegen den Torwart
SR-Ball für verteidigendes TeamStrafstoß
1) Bewertung des Vergehens: Handspielvergehen
Grundsätzlich sehe ich hier ein Handspielvergehen, wie es in der Regel definiert wird. Der Torwart versucht absichtlich den Ball mit der Hand zu spielen und schafft dies auch.
2) Strafbarkeit des Vergehens: Ja
Nach Regel 12 ist ein Handspielvergehen grundsätzlich ein verbotenes Spiel, welches mit einem direkten Freistoß oder Strafstoß geahndet wird.
Für den Torwart einer Mannschaft gibt es jedoch eine Ausnahme von der Strafbarkeit, wenn das Handspielvergehen im eigenen Strafraum begangen wird.
Der Kontakt zwischen Hand und Ball erfolgt außerhalb des Spielfeldes und damit auch außerhalb des Strafraums. Die Ausnahmesituation, die den Torwart von der Strafbarkeit befreien würde, liegt nicht vor.
Hier in der Situation haben wir sogar den Luxus, dass der Handkontakt außerhalb des Spielfeldes zweifelsfrei wahrgenommen wurde. Ich würde aber nach längerem Nachdenken sogar dazu tendieren, dass wir selbst bei Zweifeln über den Ort des Kontakts gegen den Torwart entscheiden müssten. Wir hätten nämlich die Situation, dass wir zweifelsfrei ein Handspielvergehen wahrgenommen haben, ohne das Vorliegen der Torwart-Privillegierung zweifelsfrei wahrgenommen zu haben. Für Im Zweifel für den Angeklagten fehlt mir hier die Regelgrundlage. Eher im Gegenteil. Die Regeln gehen eher in die Richtung Nur das, was wir gesehen haben.
Der Gedanke dass der Ort des Vergehens auf die Seitenlinie gelegt werden sollte und somit das Torwart-Privilleg wieder greift, ist von den Regeln auch nicht gedeckt. Die "Verschiebe"-Regel soll lediglich den Ausführungsort der Spielfortsetzung auf die Seitenlinie verschieben. Den Ort des Vergehens selbst ändert sie nicht.
3) Persönliche Strafen: gegen Torwart
Der Ball wäre laut Schilderung zweifelsfrei ins Tor gegangen, also ja, das würde ich als "Verhindern eines Tors durch ein Handspielvergehen" bewerten. Es wird zwar vom Torwart begangen, aber eben nicht in seinem Strafraum, daher keine Befreiung von der Strafbarkeit. Eine Herabstufung zu ist (abgesehen davon, dass es nicht zu einem Straftoß kommt) dadurch ausgeschlossen, dass es ein Handspielvergehen ist.
4) Spielfortsetzung: SR-Ball
Eigentlich müsste die Spielfortsetzung ein direkter Freistoß am Ort des Vergehens sein. Dummerweise liegt der Ort des Vergehens außerhalb des Spielfeldes.
Jetzt könnte man einwenden, dass wir ja die Spielfortsetzung auf die nächste Begrenzungslinie legen und damit wäre ein Strafstoß fällig, aber halt! Diese Regelung gilt nur für Vergehen, die gegen eine andere Person gerichtet sind. Für Handspielvergehen haben wir hier möglicherweise eine Regellücke.
Wir haben also ein strafbares Vergehen eines Spielers ohne dass wir eine Spielfortsetzung geregelt haben.
Regel 12.2, bei der ein indirekter Freistoß zu verhängen sei wenn wir das Spiel unterbrechen für ein nicht in den Regeln erwähntes Vergehen wenn wir einen Spieler verwarnen oder verweisen greift nicht, weil das Handspielvergehen geregelt ist.
Bleibt noch der SR-Ball nach Regel 8, dieser dann aber kurioserweise zugunsten der Verteidiger, deren Torwart gerade mit bedacht wurde, als letztem Rückfall.
4) Spielfortsetzung: Strafstoß
Eigentlich müsste die Spielfortsetzung ein direkter Freistoß am Ort des Vergehens sein. Dummerweise liegt der Ort des Vergehens außerhalb des Spielfeldes. Nach Regel 13 wird also der Ort der Spielfortsetzung (und nicht etwa der Ort des Vergehens!) auf die nächstgelegene Begrenzungslinie gelegt. Da diese im Strafraum liegt, folgt ein Strafstoß.
Mir ist schon bewusst, dass das erstmal wie ein verspäteter Aprilscherz rüberkommen muss, aber ich finde hier einfach den Fehler in meiner Interpretation der Regeln nicht (im Spoiler, falls sich jemand erstmal eigene Gedanken machen will).
Wäre nett, wenn mir da jemand ein bisschen auf die Sprünge helfen könnte