Eckstoß - wann ist der Ball im Spiel?

  • Nein, ganz verblödet bin ich nicht, natürlich weiß ich, wann nach der Regel der Ball im Spiel ist - aber der Teufel liegt bekanntlich im Detail …


    Folgende Situation:
    Ball verlässt das Spielfeld nachdem er von einem Verteidiger zuletzt berührt wurde, er liegt im Gebüsch hinter dem Tor. Ein kurz zuvor ausgewechselter Spieler der angreifenden Mannschaft, der regelkonform das Spielfeld auf der Seite verlassen hatte, die gegenüber seiner Mannschaftsbank liegt, ist noch auf dem Weg zu seiner Mannschaftsbank - und dieser Spieler, der natürlich auch noch kein Leibchen trägt, also nicht als ausgewechselter Spieler erkennbar ist, holt den Ball aus dem Gebüsch und spielt den Richtung Eckstoßteilkreis. Dort nimmt ein anderer Spieler den Ball an und läuft dann Richtung Strafraum, während ein anderer Spieler zum Echstoßteilkreis läuft, dort den Ball mit dem Fuß nimmt und losdribbelt. Grundsätzlich also eine zulässige taktische Finesse, nur: Selbst mir war nicht klar, dass der erste Spieler ein ausgewechselter Spieler war, ergo wusste auch ich nicht, ob der Ball nun im Spiel war oder nicht.


    Wie das jetzt weiter gegangen ist, ist hier nicht von Relevanz, meine Frage geht in eine andere Richtung:
    Nehmen wir jetzt mal an, dass der zur Ausführung - scheinbar - bereitstehende Spieler den Ball mit dem Fuß noch ein wenig korrigiert - ist der Ball damit bereits im Spiel? Die Frage ist von grundlegender Bedeutung, denn wenn der Ball damit bereits im Spiel wäre, dürften die Verteidiger näher kommen und die eigentliche Ausführung wäre eine unzulässige Doppelberührung. Ist der Ball damit aber nicht im Spiel - wie sollen die Gegenspieler und der SR erkennen, ob der Ball damit im Spiel sein soll oder nicht?

  • Das ist eine komplizierte Frage. Im Regeltest würde ich entscheiden, dass der Ball schon im Spiel ist, sofern beschrieben wird, dass der erste Spieler ihn zunächst annimmt (Der Ball bewegt sich nicht mehr) und dann erneut spielt, sodass der Ball sich, wenn auch nur ganz wenig, erneut bewegt. Auf dem Feld erscheint mir das schwierig festzustellen, da man vor der Eckstoßausführung häufig auf Geplänkel im Strafraum achten muss.


    Diesbezüglich ergibt sich auch schon das nächste Problem: Bei diesen Zweikämpfen ist der Ball üblicherweise nicht im Spiel, sodass ich nicht auf Freistoß oder Strafstoß entscheiden kann. In dem von dir beschriebenen Fall ist der Ball aber im Spiel und wenn meine Entscheidung zu ungunsten der ausführenden Mannschaft fällt (und sie die Regeln kennt), wird mir jemand erzählen, dass der Ball schon gespielt wurde.


    Generell würde ich sagen, dass die ausführende Mannschaft Pech gehabt hat, wenn die Täuschung mich auch täuscht. Klingt zwar doof, aber gerade als Alleinpfeifer kann man die Eckstoßausführung über 5 cm manchmal einfach nicht erkennen.


    Dass der Spieler, der den Ball zum Eckfahne spielt ein ausgewechselter Spieler ist, scheint mir in dem Zusammenhang allerdings nicht relevant zu sein.

  • Regeltechnisch ist es wie von Nemata angeführt, wenn der angespielte Spieler den Ball zum Ruhen brachte und der auch noch im Teilkreis lag, ist das Korrigieren als Ausführung zu betrachten. Der Knackpunkt für mich aus pragmatischer Sicht ist, lag er wirklich ruhend im Teilkreis. Kann ich das in der Praxis nicht bejahen, ist die Ausführung nicht regelkonform.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Langsam, es geht hier, insoweit komme ich zum Ausgangsfall zurück, um eine Situation, in der Spieler A den Ball berührt, sich von diesem entfernt, und Spieler B erst gemächlich angetrabt kommt, also gut und gerne fünf oder zehn Sekunden vergangen sind; der Ball ruht dann sicherlich, selbst wenn Spieler A ihn nicht gestoppt hat. Kann man dann wirklich erkennen, ob das nur eine Korrektur der Ausführungsposition war oder ob das schon die Ausführung sein sollte?

  • Das ist sicherlich dein Ermessen als Schiedsrichter. Wie würdest du entscheiden, wenn der zweite Spieler nicht losdribbelt, sondern einfach wartet?


    Oder wenn ein Gegenspieler den Ball zuerst erreicht und die ausführende Mannschaft behauptet, der Spieler habe den Ball nur für seinen Mitspieler bereit legen wollen.


    Wer eine Täuschung anwendet, die geeignet ist den Schiedsrichter über einen wesentlichen Bestandteil des Spielzugs (Ball in / aus dem Spiel) zu täuschen, der muss damit rechnen, dass der Schiedsrichter getäuscht wird bzw. die Situation entsprechend WAHRNIMMT.


    Ich glaube, dass eine Wiederholung des entsprechenden Eckballs mit der Begründung man habe die ursprüngliche Berührung nicht auf Regelkonformität überprüfen können, oder ein IdF für die verteidigende Mannschaft (Doppelberührung) auf dem Platz gut vertretbar sind.

  • Entscheidend ist doch die Wahrnehmung des SRs. Wenn der 2.Spieler mit dem Ball losrennt, kommt es also darauf an, ob ich als SR wahrgenommen habe, dass der 1.Spieler den Ball bereits angetickt hat, so dass er sich bewegte. Und dementsprechend reagiere ich dann auch auf dem Platz, in dem ich weiterlaufen lasse, wenn ich das erste Spielen gesehen habe. Sonst muss ich abpfeifen und ind. FS für die Verteidiger geben, wegen zweimaligem Spielen des Balles.


    Im ersten Versuch kommt man so gut durch, wenn man es den Spielern erklärt. Nervig ist nur, dass man bei allen folgenden Ecken auf beiden Seiten SEHR genau hinsehen muss, ob der Ball korrekt ins Spiel gebracht wird. Da ist dann auch mal ein direkter FS wegen Handspiel vonnöten, wenn der erste Spieler den Ball antickt und sich der zweite den Ball mit der Hand in Position legen will.


    Wenn ich als Trainer diese Variante bei Eckbällen (oder auch Freistößen) anwenden will, sage ich den Spielern, dass sie in dem Spiel vor Ecken/Freistößen den Ball von vornherein ausschließlich mit der Hand zur Ausführung platzieren sollen und gebe dem SR vor dem Spiel einen kleinen Hinweis, er möge bitte sehr genau hinsehen, wann wir den Ball ins Spiel bringen. ;)

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • aber der Teufel liegt bekanntlich im Detail

    @Manfred, das ist weider einmal eine Deiner berühmten "Leitplankendiskussionen".


    Viele verstehen die Intention derartige Leitplankendiskussionen nicht denn hierbei geht es weiniger darum eine mögliche Spielsituation praxisnah zu lösen, sondern es geht darum, in der Theorie auszuloten wo die Grenzen einer Regel sind um das Regelwissen zu vertiefen.

    Ich erinnere mich hierzu an ein etwas, was mein Juraprof seinerzeit mal zum besten gegeben hat.

    Zitat

    "Ein Gesetz wirkt - wenn man Grenzfälle betrachtet - oft ungerecht und realitätsfremd. Nach Abwägung aller Fakten ist es Aufgabe eines Richters, zu entscheiden auf welcher Seite der Leitplanke dieser Grenzfall einzuordnen ist."

    Es hat lange gebraucht bis ich wirklich begriffen habe was unser Prof seinerzeit damit wirklich meinte, war er doch auch noch als Bundesweit bekannter "Kiez Anwalt" tätig. (War übrigens spannend wenn er die ein oder andere Anekdote aus dem Kiez zum Besten gegeben hat.)


    Nicht alle Regeln oder Gesetze sind Digital und geben eine schwarz weisse Lösung vor. Darüber hinaus ist es so, das selbst wenn eine Regel eine scheinbar Digitale Lösung und damit klare Lösung vorgibt, sich in der Praxis herausstellt, das diese scheinbar Digitale Lösung gar keine Digitale Lösung ist bzw. sein kann.


    Dazu gehört auch @Manfred Dein sichelich konstruierter aber dennoch nicht ganz so realitätsferner Fall.


    Der Ball ist im Spiel wenn er mit dem Fuß gespielt wurde und sich eindeutig bewegt. Der englische Originaltext redet hierbei m.K.n. von "kicked" was den Ballberührungsvorgang m.E. etwas besser beschreibt.


    Wer trifft die Entscheidung, ob der Ball "IM SPIEL" ist? Also: Wer trifft die Entscheidung ob der Ball im Sinne der Regeln regelkonform im Spiel ist.


    Der Regelgeber redet also von einer eindeutigen und demzufolge wahrnehmbaren Bewegung. Wenn die Spieler ihre Eckballmätzchen machen müsen sie leider damit rechnen, das der Kollege in Schwarz auch mal etwas anders interpretiert als die Spieler.


    Frei nach Prediger 10 Vers 8: Wer anderen eine Grube gräbt......

  • Bei der Gelegenheit:
    Die Variante kann man auch nutzen, um ganz legal Zeit zu schinden - der Ball ist im Spiel, wir als SR haben also weder Anlassung noch Handhabe, hier zu intervenieren, im Sinne der Neutralität müssen wir sogar still bleiben und dürfen frühestens, wenn jemand den Zeitverlust reklamiert, darauf hinweisen, dass der Ball frei ist.

  • darauf hinweisen, dass der Ball frei ist.

    Selbst das würde ich im Rahmen der Neutralität in Zweifel ziehen.

    Das höchste der Gefühle auf die Reklamation "Schiri, Zeitspiel" wäre für mich "Nein, ist es nicht".

    Den Rest müssen sich meiner Meinung nach die Spieler selbst zusammenreimen.

  • Man kann sich das Spiel auch unnötig schwer machen - und ein Hinweis als Reaktion auf die Reklamation, ergo nicht aus eigenem Antrieb, mit den Worten "Ball ist frei" stellt m.E., ähnlich wie ein "Weiter" oder auch das eher zu vermeidende "Vorteil", keinen unzulässigen Eingriff durch den SR in das Spiel dar.

  • Ich hoffe, kein Spieler in meinen Spielen macht solche "Spielereien". Sonst muss ich den Rest des Spieles viele Korrekturen per Hand zur Freistoßausführung abpfeifen und bei Nichtausführung eines Einwurfes und Überlassen des Balles an einen Mitspieler eine Pflichtverwarnung aussprechen und und.

    Oder die Regelpäpste führen wieder ein, dass der Ball erst im Spiel ist, sobald er eine volle Umdrehung gerollt ist..

    Den berühmten Eckstoßtrick jedenfalls lasse ich nur zu, wenn die Ausführung zumindest für mich klar erkennbar war; jeder Grenzfall wird abgepfiffen. Unschön, aber die Konsequenzen muss ich sonst tragen und das gesunde Augenmaß bei Überlassung von Freistößen und Einwürfen ist nicht mehr zulässig. Das möchte niemand.

  • Langsam, es geht hier, insoweit komme ich zum Ausgangsfall zurück, um eine Situation, in der Spieler A den Ball berührt, sich von diesem entfernt, und Spieler B erst gemächlich angetrabt kommt, also gut und gerne fünf oder zehn Sekunden vergangen sind; der Ball ruht dann sicherlich, selbst wenn Spieler A ihn nicht gestoppt hat. Kann man dann wirklich erkennen, ob das nur eine Korrektur der Ausführungsposition war oder ob das schon die Ausführung sein sollte?

    Wenn Spieler A den Ball, der ihm von einem Auswechselspieler (oder von wem auch immer; das spielt keine Rolle) zugespielt wird, einmal berührt, also stoppt, dann kann das definitiv keine korrekte Ausführung sein. Für eine korrekte Ausführung ist es erforderlich, dass der Ball ruht und dann durch eine einzelne Berührung eines Spielers mit dem Fuß bewegt wird. Somit ist es unerheblich, ob der Ball bei der ersten Berührung durch Spieler B ruht oder rollt, da er durch Spieler A nicht korrekt ins Spiel gebracht wurde.


    Oder habe ich deine Beschreibung falsch verstanden?

    In einer Aktion prallten Grevelhörster und Gerick zusammen. Der FC-Stürmer blutete aus der Nase, aber Schiedsrichter Stefan Tendyck aus Gelsenkirchen konnte mit einem Taschentuch aushelfen. Gericks Torriecher wurde nicht in Mitleidenschaft gezogen: Er markierte das 1:3.


    Westfalen-Blatt (29.5.2017) :D

  • Schon: Der Aw-Spieler spielte den Ball dahin, der Spieler stoppte ihn, berührte ihn noch einmal, so dass eine leichte Bewegung erkennbar war, aber mir war nicht klar, dass das die Ausführung oder nur eine kleine Korrektur sein sollte - und den Verteidigern auch nicht, die wussten in dem Moment (ebenso wie ich) noch nicht, dass der eine Spieler der Aw-Spieler war und rechneten mit dessen Eintritt auf das Spielfeld.