Die erste Verhandlung beim Sportgericht

  • Auch mit diesem Thema wird der Junge Schiedsrichter irgendwann einmal konfrontiert.


    Der eine früher, der andere halt später.
    Deshalb hier ein paar Tips für den Jungschiri, der seiner ersten Verhandlung entgegen siehst.


    Vor einigen Wochen, vor ein Paar Tagen - einige Spruchkammern arbeiten halt schneller als andere oder haben weniger zu tun -hast Du

    • einen Feldverweis ertwilt
    • einen Trainer des Innenraumes verwiesen
    • ein Spiel abgebrochen
    • oder es ist irgendetwas anderes passiert was die Spruchkammer tätig werden lässt.

    Eigentlich sollte auch hier jemand sein, der Dir entsprechendes Coaching gibt und Dich zur Verhandlung auch möglichst begleitet. Ich bereite jedenfalls meine SR- auf ihre erste Verhandlung vor und gehe auch wenn immer möglich mit meinem SR zur Verhandlung hin. Alternativ findet sich auch immer ein Alter Hase wenn ich mal verhindert sein sollte.
    Das Coaching für die Verhandlung führe ich auch immer in Form eines Rollenspiels innerhalb der SR-Gruppe durch, damit auch etwas Stress für den SR dabei ist. In die entsprechenden Rollen (Beschuldigter, Vereinsvertreter, Zeugen etc) schlüpfen dann Spruchkammer-Erfahrene SR.


    Wie bereitest du Dich am besten vor.


    Je nach Verband bekommst Du eine Woche bis 14 Tage vorher eine Einladung zur Verhandlung.


    Von dieser Einladung solltest Du schnellstmöglich Deinen SR-Obmann in Kenntniss setzen. Häufig bekommt der keine Info über diese Einladung. Bitte ihn um entsprechendes Coaching.


    Druck Dir den Spielbericht, den Du zu dem Vorfall verfasst hats aus.
    Nimm Dir einen Tag vor der Verhandlung etwa 1/2 Stunde Zeit und gehe diesen Spielbericht nochmal durch (möglichst mit Deinem Coach). Schliesse die Augen und lass die gesamte Situation nochmal vor Deinem geistigem Auge als Film ablaufen. Mach Dir ggf auf Deinen Sonderbericht noch Notizen.



    Am Verhandlungstag und unmittelbar vor der Verhandlung


    Am Tag der Verhandlung ziehst Du Dich ordentlich an. Du gehst zu einer
    Gerichtsverhandlung und nicht auf den Sportplatz oder chillst zu Hause
    auf der Couch.


    Und nun werde blos nicht nervös. Du hast absolut
    nichts zu befürchten. Du bist nur Zeuge. Keiner vom Verband wird Dir den
    Kopf abreissen. Meist merkst Du auch ganz schnell das der Vorsitzende
    voll hinter Dir als Schiedsrichter steht.


    Fahre zeitnah los, sodaß Du etwa eine halbe Stunde vor dem Termin Vorort bist. Es passiert immer irgendetwas was Dich in Zeitnot bringt.

    • Du findet keinen Parkplatz
    • Du findest den Eingang nicht
    • der Bus hat Verspätung
    • Du findest den Verhandlungsraum nicht
    • Du musst nochmal die nervöse Blase entleeren (solltest Du sowieso tun)
    • etc.


    Wenn Du also zeitgerecht da bist wird sich die erste unangenehme Situation nicht vermeiden lassen. Du wirst auf diejenigen treffen, mit denen Du vor ein bis zwei Wochen Stress auf dem Feld hattest -sie sitzen meist vor dem Verhandlungszimmer und warten.
    Hab keine Angst, Du bist auf sicherem Terrain. Das sagt sich jetzt so einfach denn ein mulmiges Gefühl wirst Du trotzdem haben. Vielleicht beruhigt es Dich, das auch Ich diese Situation nicht gerade angenehm empfinde.
    Hierzu ein Tip wie ich damit umgehe:


    Nachdem Du festgestellt hast in welchem Raum die Verhandlung stattfindet suche Dir irgedwo in der Nähe einen Platz an dem Du ganz für Dich alleine bist oder Du Dich ungestört mit Deinem Coach unterhalten kannst. Versuche einen möglichst hellen Ort mit guter Luft auszusuchen an dem Du die anderen Verhandlungsteilnehmer nicht sehen kannst. Das wirkt sich positiv auf Deine Nervosität aus.
    Hol den ausgedruckten Sonderbericht aus der Tasche, liest ihn nochmal durch und lass vor Deinem geistigem Auge nochmal den Film dazu ablaufen.
    Ab jetzt chillst Du nur noch. Steck den Sonderbericht wieder weg, mach das Telefon aus, schau aus dem Fenster oder geh an die frische Luft. Entleere die nervöse Blase und vergiss nicht die Hände zu waschen.
    Lass Dich von nichts und niemandem Ablenken und Chill. Aber bleib mit einem Auge und einem Ohr immer in Reichweite des Verhandlungsraums wenn der Termin kurz bevor steht.


    Dein Termin wird aufgerufen.
    Wenn Du in den Raum kommst sitzen auf der einen Seite wirchtige Personen, meist mit Namensschildern und Akten auf dem Tisch. Gegenüber gibt es in Sitzreihen aufgestellte Stühle. Versuche einen Platz in der ersten Reihe ganz links oder ganz rechts aussen zu bekommen. Den am Fenster soltest Du bevorzugen weil es dort heller ist und das Dein Unterbewusstsein beruhigt.
    Setz Dich hin, pack Deinen Sonderbericht aus und verhalte Dich ruhig, schau nicht wie wild im Raum herum. Am besten ist, wenn Du nur die Personen die vorne am Tisch sitzen ansiehst.
    Da Deine Nervosität vermutlich einen weiteren Höhepunkt erreicht kannst Du versuchen Dich dadurch abzulenken, das Du Dir die Namen der Personen am Tisch einprägst. Glaub mir, das lenkt in dieser situation gut ab weil verdammt schwierig beim ersten mal ist. Du baruscht diese Namen nicht zu wissen, aber es ist tatsächlich eine Willkommene Ablenkung.


    Nachdem die Tür zu ist beginnt der Spass.
    Der Vorsitzende eröffnet die Verhandlung indem er sagt um welches Spiel es an welchem Tag mit welchen Mannschaften in dieser Varhandlung geht, ud was der Verhandlunsggegenstand ist (Feldverweis gegen Spieler XYZ zum Beispiel)
    Danach überprüft er die Anwesenheit. Wenn Deine Name aufgerufen wird sag einfach "Hier". Hast Du einen "Klos im Hals" hebe deutlich die Hand währende Du den Klos herunterschluckst.

  • Ab jetzt kommt der einfache Teil:


    Ist die Anwesenheit festgestellt kommt Dein Spielbericht zur Verlesung. Danach
    gibt es zwei Möglichkeiten

    • Der Vorsitzende fragt Dich zu der einen oder anderen Einzelheit im Spielbericht. Meist weil er etwas nicht richtig verstanden hat oder er sich die Situation noch nicht richtig vorstellen kann. Beantworte die Fragen wahrheitsgemäss aus Deiner Erinnerung. Dafür haben wir vorher auch die die Übungen mit dem "Film" gemacht. Zwischenbemerkungen anderer ingnorierst Du. Ebenfalls Antwortest Du nur auf die Fragen des Vorsitzenden oder auf Fragen die von seinen Kollegen kommen. Fragen aus dem Publikum die an Dich hestellt werden oder irgendwelche Zwischenbemerkungen ignorierst Du. Schau dabei nur den Vorsitzenden oder seine Kollegen an. (Das Hilft)
    • Der Vorsitzende hat keine Fragen. Meist stellt er dann nur noch die Frage ob Du irgendwelche Anmerkungen, Ergänzugen oder Richtigstellungen zu Deinem Spielbericht hast. Solltre das notwendig sein, hast Du jetzt die Chance dazu. Dafür hast Du ja auch Notizen gemacnt. Wenn Du unsicher bsit hast Du das am Tag vorher ausformuliert, dann kannst Du das auch ablesen.

    Wenn Du dem jedoch nichts hinzuzufügen hast teilst Du das geneu so dem Vorsitzendem mit.


    Und merke: Zwischenbemerkungen ignorierst Du und auf Fragen antwortest Du nur wenn sie vom Vorsitzendem oder seinen Kollegen gestellt werden.



    Ab jetzt hälst Du einfach die Klappe.



    Für Dich ist die Verhandlung in den meisten Fällen jetzt nämlich bereits zu ende.
    Die/Der Bexchuldigte(n) werden zu einer Stellungnahme aufgefordert und ggf. werden weitere Zeugen vernommen.


    Was hierbei passiert muss jetzt einfach an Dir abprallen. Tips dazu am Ende des Abschnitts.

    • Die Beschuldigten werden versuchen den Vorgang völlig anders darzustellen.
    • Einige behaupten sogar, das das, was in Deinem Sonderbericht steht überhaupt nicht passiert ist.
    • Einige weden behaupten das überhaupt nur Du an der ganzen misere Schuld bist.
    • Du hast das Spiel überhaupt nicht im Griff gehabt und abertausende von Fehlentscheidungen getroffen.
    • Du hast absichtlich falsch gepfiffen und die Mannschaft absichtlich benachteilligt.
    • Was Du "angeblich" gehört hast ist nie gesagt worden, Zeiugen werden aufgefahren die dies sogar bestätigen.
    • Ja sie werden sogar behaupten, das Du als SR völlig ungeeignet bist und niemals Spiele dieser Klasse pfeiffen solltest.
    • .....

    Die Liste ist lang was Dir hier alles an den Kopf geworfen werden kann. Nimm es zur Kenntniss und lächle.




    Und nun zu den Tips:


    Egal was passiert, egal was gesagt wird, egal was jemand behauptet, egal was irgendjemand über Dich sagt:
    Du hälst die Klappe und ignorierst das. Schau nur nach vorne und in die Gesichter des Vorsitzenden und seiner Kollegen. Mit etwas Übung wirst Du erkennnen was sie Denken und Du wirst automatisch lächeln.
    Du darfst auch gerne mal kurz aus dem Fenster schauen, aber Dein Handy ist komplett ausgeschaltet und ganz tief unten in Deiner Tasche damit Du gar nicht erst auf die Idee kommst es überhaupt anzufassen.
    Ganz still dasitzen, nichts sagen und schon nicht zu Wort melden. Wenn der Vorsitzende oder seine Kollegen etwas von Dir wissen wollen, werden sie Dich schon fragen.


    Von den Anderen werden Fragen an Dich gestellt werden. Manche provozierend und andere um Dich aufs Glatteis zu führen.


    Du ignorierst diese Fragen allesamt. Sollte eine Frage von Beschuldigten oder Zeugen an Dich gerichtet werden schaust Du nach Vorne dem Richter genau in die Augen und sagts nichts. Der Einzige der Dir Fragen stellt ist der Vorsitzende oder einer seiner Kollegen.


    Fordert der Vorsitzende Dich zu einer weiteren Stellungnahme auf solltest immer auf folgenden Trick zurückgreifen. Sag Das Du die Frage nicht richtig verstanden hast und bitte den Vorsitzenden höflich darum sie nochmal zu wiederholen. Daraufhin überlegst Du kurz und antwortest exakt und nur auf das was der Vorsitzende gefragt hat. Nichts dazu, nichts eventuell, und nichts wahrscheinlich.


    Eine Geschlossene Frage beantwortest Du nur mit Ja oder Nein. Keine weiteren Anmerkungen dazu -auch wenn es noch so krbbeelt.


    Merke: Du bist nur Zeuge und brauchst Dich nicht zu rechtfertigen. Sei also still und sei ein aufmerksamer Zuhörer



    Der Abschluss und die Zeit danach




    Wenn alles gesagt ist gibt es dann noch diejenigen, die meinen das zwar alles gesagt ist nur eben noch nicht von jedem. Dies ist dann meist der Zeitpunbkt an dem der Vorsitzende die Beweisaufnahme beendet.
    Die Spruchkammer will sich jetzt beraten


    Je nach Räumlichkeit verlassen die jetzt entweder den Raum, oder es wird darum gebeten das die Verfahrensbeteilligten den Raum verlassen.
    Ihr geht dann kurz vor die Tür oder wartet im Saal. Die Beratung dauert Erfahrungsgemäß nur 5 bis 10 Minuten.


    Danach wird das Urteil verkündet und auch durch die Spruchkammer begründet. Der Vorsitzende gibt dann noch ein paar rechtshinweise und alle dürfen den Saal verlassen.
    Dabei darfst Du Dir ruhhig etwas Zeit nehmen. Oft bekommst Du gleich im Saalnoch Dein Fahrgeld erstattet oder bekommst einen Hinweis darauf wie mit dem Fahrgeld verfahren wird.


    Fahr anschliessend in seelenruhe nach Hause und sprich dann nochmal -möglichst am selben Tag- mit jemandem über diese Sportgerichtserfahrung. Am besten natürlich mit einem Schiedsrichterkollegen.


    Du wirst sehen, ist alles gar nicht so aufregend. Man stellt sich das Ganze dann schlimmer vor als es ist.



    Noch etwas zum Abschluss:


    Nach Deiner ersten Verhandlung wirst Du feststellen:

    • Das Du (abgesehen von der Spruchkammer) der Einzige bist der sich wirklich sportlich professionell verhalten hat.
    • Wie sehr sich die Beschuldigten und deren Entlastungszeugen gegenweitig wiedersprechen (musst halt nur gut zuhören)
    • Das Dir überhaupt nichts passiert. Je mehr die Beschuldigten auf Dir herum hacken, desto ärgerlicher wird die Spruchkammer. Vor allem dann, wenn Du die Klappe hälst und es einfach nur erträgst.


    Denk dran, den Bockmist haben die Anderen gebaut sonst wären sie nicht hier.

  • Ein paar Kleinigkeiten möchte ich noch ergänzen:


    Das Wichtigste: Bleibe authentisch und ehrlich!
    Bleibe bei Deiner Sprache, aber vermeide Schimpfworte und Kraftausdrücke. Wenn Du etwas nicht weißt, nicht gesehen hast oder Dich nicht daran erinnerst, sagst Du auch genau das - und verfalle nicht auf den Gedanken, dass Dich das unglaubwürdig macht, eher im Gegenteil. Im Umkehrschluss darfst Du Dir aber auch nichts zusammenreimen.
    Wenn Dir Fragen zu Deinem Bericht gestellt werden, solltest Du die Szene schildern können - und beschreibe eben genau das, was passiert ist, so, wie Du das auch im Bericht schreiben würdest. Wertungen solltest Du vermeiden, aber ein "beschimpfte mich als Esel" ist in einer Verhandlung verzeihlich, während es im Bericht eher "bezeichnete mich im lauten Ton als Esel" heißen sollte.


    Und auf die Gefahr hin, dass mich SixtSCTF jetzt killt (wir diskutieren das beim nächsten persönlichen Treffen aus):
    Bleibe auch bei der Kleidung authentisch. Das bedeutet jetzt nicht ungepflegt, aber eben auch nicht Anzug oder weißes Hemd, zumindest, wenn Du das sonst nicht trägst. Natürlich solltest Du ordentlich aussehen, also keine Löcher in Oberteil und Hose, sauber sollte das auch sein, einigermaßen adrette Haare gehören ebenfalls dazu und selbstverständlich wird eine Basecap im Raum abgenommen. Aber: Wenn Du beispielsweise direkt von der Arbeit im Blaumann, in Malerklamotten oder sonst was kommst, erwähne ruhig in Deinem ersten Satz, dass es Dir eben leider terminlich nicht mehr möglich war, Dich umzuziehen und gehe dann zum inhaltlichen Teil über. Alle Beteiligten wissen um den Umstand, dass wir mit dem Schiedsrichter etwas neben der Arbeit tun und werden Verständnis haben, wenn es denn wirklich nicht anders geht.


    Ach ja:
    Sei vorsichtig mit Gesprächen mit Beteiligten oder anderen Zeugen vor der Verhandlung. Es ist nichts gegen Smalltalk einzuwenden, am besten ist es aber, wenn immer auch unbeteiligte Dritte dabei sind, damit es nicht hinterher heißt ...


    Und noch etwas:
    In den meisten Fällen erhält man Fahrtkosten und/oder Zeugengeld. Ein leeres Quittungsformular solltest Du also ebenso wie einen Kuli dabei haben.

  • Genau so ist mein Beitrag über Kleidung gemeint

    Und auf die Gefahr hin, dass mich SixtSCTF jetzt killt (wir diskutieren das beim nächsten persönlichen Treffen aus):
    Bleibe auch bei der Kleidung authentisch. Das bedeutet jetzt nicht ungepflegt, aber eben auch nicht Anzug oder weißes Hemd, zumindest, wenn Du das sonst nicht trägst. Natürlich solltest Du ordentlich aussehen, also keine Löcher in Oberteil und Hose, sauber sollte das auch sein, einigermaßen adrette Haare gehören ebenfalls dazu und selbstverständlich wird eine Basecap im Raum abgenommen. Aber: Wenn Du beispielsweise direkt von der Arbeit im Blaumann, in Malerklamotten oder sonst was kommst, erwähne ruhig in Deinem ersten Satz, dass es Dir eben leider terminlich nicht mehr möglich war, Dich umzuziehen und gehe dann zum inhaltlichen Teil über. Alle Beteiligten wissen um den Umstand, dass wir mit dem Schiedsrichter etwas neben der Arbeit tun und werden Verständnis haben, wenn es denn wirklich nicht anders geht.

    Vermeide jedoch den Blaumann wenn Du vorher im Moterraum eines Ozeanriesen gebadet hast, oder man zu deutlich erkennt in welcher Farbe die Decken gestrichen wurden.