Schnelle Freistoßausführung und dann Handspiel

  • Über folgende Situation denke ich schon einige Wochen nach.
    Foulspiel vom Verteidiger an einem Angreifer einem Meter neben dem 16ner und ca. 5 Meter von der Grundlinie. Nichts schlimmes also Freistoß und weiter geht's ... Dachte ich ...
    Beide Spieler stehen etwa einen halben Meter von einander entfernt. Der Ball ruhte kurz zwischen beiden Spielern für ca. 2Sek. Der Angreifer schießt aus dem Fußgelenk den Verteidiger an. Der Ball geht vom Fuß des Verteidigers senkrecht nach oben. Reaktionsschnell fängt der Angreifer den Ball aus der Luft und stand mit dem Ball unter dem Arm da. Mein Pfiff... Freistoß wegen Handspiels. Völliges Unverständnis bei dem Angreifer der sich bei mir beschweren wollte, dass ja der Verteidiger sich ja nicht vom Ball entfernt hätte.
    Für mich sah es so aus, als wollte der Angreifer den Freistoß schnell ausführen. Ich versuchte es dem Spiel noch zuerklären, dass er dem Verteider auch schon noch die Möglichkeit geben muss sich vom Ball zu entfernen und für mich der Freistoß als schnell ausgeführt war. Und wenn dann ein Spieler mit dem Ball unter dem Arm da steht es wohl schon ein Handspiel ist.
    Da es ein (außer der oben genannten Situation) sehr ruhiges Spiel war und der Spieler nach dem Spiel echt ruhig und vernünftig nochmals nachgefragt hatte, hatte ich auch nochmals versucht ihm die Situation zu erklären. Aber immernoch herrschte völliges Unverständnis.
    Wie seht ihr das? Hätte ich den Freistoß zurückpfeifen sollen? Aber dann hätte doch das Anschießen des Gegenspielers (nach meinem Pfiff) noch im Raum gestanden?.
    Danke schonmal für eure Antworten.

    Spruch von: Jan-Aage Fjörtoft
    Der Trainer hatte nach den ganzen Ausfällen im Angriff nur noch die Wahl zwischen mir und dem Busfahrer. Da der Busfahrer seine Schuhe nicht dabei hatte, habe ich gespielt.

  • Hallo Claus,


    Deiner Schilderung nach kann ich Deine Entscheidung nachvollziehen und hätte genau so gehandelt.
    Der Verteidiger steht schließlich nur dort, macht keine aktive Bewegung zum Ball hin um ihn zu sperren. Innerhalb von zwei Sekunden kann man auch nicht erwarten, dass sich der Verteidiger auf 9,15 m Abstand entfernt. Den Angreifer zwingt ja niemand den unmittelbar vor ihm stehenden Verteidiger anzuspielen.
    Hätte dieser den Ball nun nicht in die Hand genommen, wäre es meiner Meinung nach normal weitergegangen. Der Angreifer hätte einen korrekten Mauerabstand einfordern können.
    Das Handspiel dann mit direktem Freistoß zu ahnden, ist m. E. korrekt.
    Dass Du auf eine persönliche Strafe verzichtet hast, ist situationsbedingt sicher ebenfalls richtig.


    Mal sehen was die Veteranen und erfahreneren Kollegen dazu sagen.


    Gruß,
    Steffen.

  • ich stelle auch immer wieder fest, das nur ganz wenigen Spielern bekannt ist, das ein Freistoß in den meisten Fällen nicht angepfiffen werden muss.


    Bemerkenswert dabei:
    Das Wissen um diese Regel steht in reziproker Relation zur Entferung zum gegnerischem Tor.
    Achte mal d´rauf: in der eigenen Hälfte wird der Freistoß mit einer Selbstverständlichkeit ausgeführt ohne das auf einen Pfiff gewartet wird. Ab etwa 25-30m Torentfernung sehen Dich die Spieler immer fragend an und warten auf den Pfiff.

    So wie Du es beschreibst sieht es aus, als ob Du alles richtig gemacht hast.

    • Es gab offenbar keinen Grund die Freistoßausführung durch Pfiff frei zu geben
    • Der Schütze hat zugunsten der schnellen Freistoßausführung auf korrekten Mauerabstand verzichtet.
    • Der Verteidiger hatte offenbar noch keine Zeit gehabt den Mauerabstand herzustellen und versuchte auch nicht die Freistoßausführung zu behnidern.
    • Du hast Entschieden, das der Verteidiger nicht absichtlich angeschossen wurde.

    Ergo: Freistoß ausgeführt, Ball im Spiel und dann Handspiel. Darüber hinaus denke ich das Du mit dem Verzicht auf :gelbe_karte: wegen Handspiel situativ richtig gehandelt hast.


    Meist haben derartige Situationen aber noch ein Nachspiel:

    • Der Schütze beschwert sich über den ungenügenden Abstand und fordert eine Freistoßwiederholung und vielleicht sogar :gelbe_karte: für den Verteidiger.
    • Der Verteidiger plädiert dagegen auf absichtliches Anschiessen - und fordert ebenso (meist indirekt) eine Disziplinarstrafe.
    • Geht der Ball statt dessen direkt, oder nach einem Abspiel ins Tor weil die Abwehr noch schläft hast Du Stress weil Du nicht angepfiffen hast.

    Gut, das es dafür auch in der BuLi genug Beispiele gibt.


    Das letzte mir gedanklich präsente führte zum Innenraumverweis des Trainers von Bayer Leverkusen und einer Geldstrafe für Rudi Völler. - Wobei... hier ging es jedoch eher um den Ort der Freistoßausführung.

  • Danke für eure Antworten. Ich war nur so verunsichert, weil die Spieler (selbst nach dem Spiel) so völlig überrascht und verständnislos für die Entscheidung waren. Das es manchmal eine gewisse "Regelunkenntis" gibt, ist schon klar. Aber selbst mit erklären lies sich die Sache nicht aufhellen.

    Spruch von: Jan-Aage Fjörtoft
    Der Trainer hatte nach den ganzen Ausfällen im Angriff nur noch die Wahl zwischen mir und dem Busfahrer. Da der Busfahrer seine Schuhe nicht dabei hatte, habe ich gespielt.

  • Aber selbst mit erklären lies sich die Sache nicht aufhellen.

    Da muss ich Dir recht geben. Das liegt aber daran, das auf dem Fussballplatz generell jeder die Fussballregeln besser kennt als Du.


    Bedenke:


    In der Bundesrepublik Deutschland lebt ein Volk von 81 Millionen Bundeskanzlern, 81 Millionen Bundestrainern und 81 Millionen Fussballschiedsrichtern.


    Halte es einfach wie dieser Staatsmann:

    Zitat von Konrad Adenauer

    Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.

  • Lasst uns doch einmal überlegen, welche Möglichkeiten es gäbe:


    Variante 1 - Wiederholung des Freistoßes ohne Verwarnung
    Eine schmutzige, im Ernstfall aber keineswegs abwegige Variante. Du als SR wolltest den Ball freigeben und hast in der Kürze der Zeit das noch nicht klarmachen können. Kein Regelverstoß und es geht mit dem wiederholten Freistoß weiter. Rein formal nicht ganz im Sinne der Regel, aber eben auch kein Regelverstoß - und da die meisten Akteure auf und um den Platz das nicht besser wissen, es sogar eher ihrem Regelverständnis entspricht, hat man damit keinen Stress. Ob das unter Beobachtung aber hilfreich wäre ... hängt sehr vom Beobachter ab.


    Variante 2 - Wiederholung des Freistoßes mit Verwarnung
    Eine saubere Variante und im Zweifelsfall empfehlenswert. Ich kann durchaus argumentieren, dass der Verteidiger die zwei Sekunden zumindest nutzen kann, um den Rückzug anzutreten. Dass er nicht weit kommt, ist nachvollziehbar, aber ohne Rückzug hat er die Regel gegen sich. Besonders ratsam, wenn ich so einen Strafstoß vermeiden oder - die Verwarnung lässt grüßen - ggf. einen Spieler entsorgen kann, der schon vorher mein Freund geworden ist. Merke: Es ist meine Wahrnehmung, ob sich der Spieler schon bei der regeltechnisch gestellten Aufgabe befand, den Abstand zum Ball herzustellen oder nicht!


    Variante 3 - Freistoß/Strafstoß wegen Handspiels
    Im konkreten Fall kann ich das vertreten - aber nur, weil der Spieler den Ball fängt; wäre er nur angeschossen worden, ginge das Spiel wegen der kurzen Distanz zweifelsfrei weiter, es sei denn, der Verteidiger hätte sich bewusst "dick gemacht".

  • Ergo: Freistoß ausgeführt, Ball im Spiel und dann Handspiel. Darüber hinaus denke ich das Du mit dem Verzicht auf :gelbe_karte: wegen Handspiel situativ richtig gehandelt hast.

    Nach neuer Regelauslegung kannst Du bei so einem Handspiel definitv kein :gelbe_karte: mehr geben.


    Zu Manfred:


    Variante 1 ist nicht die schmutzige, sondern die praxisnächste - im Zweifelsfall hat der Ball nicht geruht. Und nach der obigen Schilderung eines ruhigen Spiels die dem Spiel angepasste Variante.


    Variante 2 - 85.Minute und verteidigendes Team führt 1:0 - Du setzt als SR ein klares Zeichen und unterbindest jegliche Diskussionen.


    Variante 3 - so wie es geschildert wurde in der Situation richtig entschieden - und bitte ohne GK

  • Ab etwa 25-30m Torentfernung sehen Dich die Spieler immer fragend an und warten auf den Pfiff.

    ...weil es zig SR in den Betonklassen gibt, die jedes Wochenende lautstark erklären, dass in Strafraumnähe jeder Freistoß zwingend angepfiffen werden müsse.


    Du als SR wolltest den Ball freigeben und hast in der Kürze der Zeit das noch nicht klarmachen können.

    Tja und dann hast Du einen Regelkundigen dabei der diesen Schmarrn durchschaut und den SR- völlig zurecht- darauf hinweist, dass es hier keinen Grund gab, den Ball zu sperren. Nicht empfehlenswert.

    im Zweifelsfall hat der Ball nicht geruht.

    Tja und dann hast Du einen Regelkundigen dabei der diesen Schmarrn durchschaut und den SR- völlig zurecht- darauf hinweist, dass der Ball schon 2 Sekunden ruhig lag. Nicht empfehlenswert.


    Für mich gibt es hier genau 2 Möglichkeiten und keine weitere: Entweder die schnelle Spielfortsetzung wurde hier verhindert- dann VW und Wdh. Oder aber das Spiel wurde korrekt fortgesetzt dann gibt es dFs wegen Handspiels. Alle anderen "Tricks und Kniffe" sind zwar regelkonform, tragen aber nicht zum Ansehen und Respekt der Schiedsrichtergilde bei.

  • Ach BRiT, warum bloß schreibe ich, dass meine Variante 1 nicht ganz dem Sinn der Regel entspricht und bezeichne sie daher als "schmutzig"? Dennoch wird da später kein Hahn nach krähen, selbst dem Regelkundigen kannst Du das problemlos verkaufen (Situation war mir zu unübersichtlich - und das ist ein absolut zulässiger Grund, eine schnelle Ausführung nicht zuzulassen).


  • Wenn ich mich recht an meine sSculziet (60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts)erinnere, stammt dieser Ausspruch im Original von einem Griechen namens Aesop, sechstes vorchritliches Jahrhundert

  • "Situation war mir zu unübersichtlich"


    Das nennst Du einen "absolut zulässigen Grund"?!? Weil es dem SR "zu unübersichtlich" ist, unterbindet er eine schnelle Spielfortsetzung 1 Meter vor dem Strafraum?!? Wenn ein Verteidiger hier eine schnelle Spielfortsetzung verhindert/ ein Foul begeht, dann ist das zwingend eine VW aber der SR darf mal kurz "die Übersicht verlieren"? Was genau gibt es denn in einer so klaren Situation, in der der Ball schon 2s ruht (eine halbe Ewigkeit, wenn Du mich fragst) zu überblicken?
    Da sagt man als SR besser gar nichts nach dem Spiel und verdrückt sich ganz schnell in seine SR-Kabine, sonst wird man (meines Erachtens zu Recht) scharf kritisiert werden.

  • Tja und dann hast Du einen Regelkundigen dabei der diesen Schmarrn durchschaut und den SR- völlig zurecht- darauf hinweist, dass der Ball schon 2 Sekunden ruhig lag.

    Das ist kein Schmarrn, sondern bewährte Praxis. Spieler hat den Ball in der Hand, legt ihn auf den Boden und leitet in gleichen Moment die Schussbewegung ein. Wenn der Ball bereits 2 Sekunden ruhig lag, kannst Du so natürlich nicht vorgehen. Wenn der Ball bereits 2 Sekunden ruhig lag, kann man aber auch sehen, ob der Verteidiger Anstalten macht, sich vom Freistoßort zu entfernen.


    Das sind aber Situationen, die in jedem Spiel passieren und in denen der höherklassige und auch der erfahrene SR idealerweise die entsprechenden Verhaltensmuster abrufen kann und hoffentlich nicht erst überlegen muß, wie er vorgehen könnte.

  • Ach BRiT, Du willst es einfach nicht verstehen ... Gerade in solchen Situationen kann tatsächlich Unübersichtlichkeit eintreten, weil Du als Alleinpfeifer für die Übersicht im Strafraum bei gleichzeitiger Abseitsbeurteilung die ideale Position brauchst, welche man in diesem Fall aber nur höchst selten haben dürfte. Und was los ist, wenn schnell ausgeführt wird und dann ein Angreifer - vermeintlich oder tatsächlich - im Abseits stehst und Du nur raten kannst, nicht gerade optimal. Wir als SR müssen hier einen fairen Ausgleich zwischen dem berechtigten Interesse auf schnelle Ausführung und der Notwendigkeit einer vernünftigen Spielleitung finden - mit Assistenten ist das leichter als alleine. Und wenn ich alleine klar mache, dass ich mir hier erst einmal Überblick verschaffen will und deshalb den Freistoß freigeben wollte, wird es auf dem Platz kaum Widerspruch geben - und ich erinnere ja nur daran, dass es eine mögliche und auch nicht die beste, aber dennoch eine regeltechnisch zulässige Option ist, denn der SR darf die schnelle Ausführung verhindern, wenn er der Meinung ist, dass dies geboten sei.

  • Wir als SR müssen hier einen fairen Ausgleich zwischen dem berechtigten Interesse auf schnelle Ausführung und der Notwendigkeit einer vernünftigen Spielleitung finden


    Das unterstreiche ich.
    1m vor dem Strafraum (wenn auch hier seitlich in etwa der Höhe der Torraumlinie) sehe ich hier das Interesse auf schnelle Ausführung (welches ein RECHT der Angreifer ist- nicht umsonst wird die Verhinderung der schnellen Spielfortsetzung bestraft) als sehr groß an. Letztendlich kommt es auf den Einzelfall an.


    Dem Angreifer soll der Vorteil, der ihm durch Foul/Handspiel genommen wurde, wieder hergestellt werden. Deshalb sollte der SR sich bemühen, dies auch zuzulassen. Ob der SR die Ausführung auch 5m weiter entfernt vom tatsächlichen Ort des Vergehens zulässt oder wie jüngst von Herrn Brych gesehen es mit dem "Ball muss ruhen" nicht ganz so genau nimmt - der Angreifer soll seinen Vorteil wiederbekommen.


    Nur Frage ich mich, ob wir SR diese ganzen Mauscheleien überhaupt betreiben müssten, wenn wir es von vornherein genauer nehmen würden. Wer dem Angreifer die schnelle Ausführung nicht ermöglicht wird verwarnt. Ende aus. Wenn wir SR das konsequent durchziehen würden, hätten wir diese unschönen Situationen nicht. Dann wäre der Verteidiger im obigen Beispiel binnen 2 Sekunden wenigstens 3m weg vom Ball und in einer Rückwärtsbewegung befindlich, so dass es gar keine Zweifel darüber gäbe, was denn hier nun zu tun ist.
    Ich wundere mich regelmäßig bei Drittligaspielen (!), bei denen gerade in den ersten 30 Min die Verhinderung der schnellen Spielfortsetzung so gut wie nie geahndet wird. Dann gibt es ein "Du Du Du" vom SR und die Angriffsmöglichkeit ist vorbei. In der 2. Hz werden gleiche Vergehen dann plötzlich mit einer VW geahndet.
    Das mag moderne Spielleitung sein- mit der Regel hat das wenig zu tun.

  • Gerade in solchen Situationen kann tatsächlich Unübersichtlichkeit eintreten, weil Du als Alleinpfeifer für die Übersicht im Strafraum bei gleichzeitiger Abseitsbeurteilung die ideale Position brauchst, welche man in diesem Fall aber nur höchst selten haben dürfte. Und was los ist, wenn schnell ausgeführt wird und dann ein Angreifer - vermeintlich oder tatsächlich - im Abseits stehst und Du nur raten kannst, nicht gerade optimal.


    Da hast du ja ganz schön Glück gehabt, dass der Verteidiger in genau dieser Situation gefoult hat. Sonst hättest du ja die unübersichtliche Situation aus dem laufenden Spiel heraus beurteilen müssen. Oder hättest du erstmal unterbrochen, und nachdem du dir den Überblick verschafft hast, geht es mit SR-Ball weiter? :flieh:

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Es ist gut zu lesen, dass hier eine Situation, die eigentlich für mich klar zu sein schien (ich habe ja nur von der Reaktion der Spieler verunsichern lassen) hier für unterschiedliche Lösungsansätze und Bewertungen ergibt. Jede Antwort ist ja ein anderer Lösungsansatz über den es sich zumindest nachzudenken lohnt. Danke für die rege Beteiligung. Ist auch auch ein Ziel des Forums (denke ich mal).

    Spruch von: Jan-Aage Fjörtoft
    Der Trainer hatte nach den ganzen Ausfällen im Angriff nur noch die Wahl zwischen mir und dem Busfahrer. Da der Busfahrer seine Schuhe nicht dabei hatte, habe ich gespielt.