Handspiel... Tor - mal philosophisch betrachtet

  • Das der Ball mit der Hand in´s Tor befördert wird entspricht zwar nicht dem Sinn des Fussballspiels, soll aber schon häufiger vorgekommen sein.
    Am bekanntesten ist wohl Maradona´s "Hand Gottes" aber auch in der Bundesliga ist der letzte "Hand-Tor-Aufreger" noch gar nicht so lange her.


    [Zitat "Collinas Erben"]
    Als Leon Andreasen den Ball beim Spiel seiner Hannoveraner in Köln nach 38
    Minuten aus kurzer Distanz mit dem rechten Oberarm ins Tor der Gastgeber
    beförderte, war er erkennbar selbst überrascht, dass der – letztlich
    spielentscheidende – Treffer anerkannt wurde.

    [Zitat Ende]


    Ich denke jeder von uns hat schonmal eine ähnliche Szene erlebt, bei der alle "Hand" schreien, der Ball im Tor landet und wir selber das Handspiel nicht gesehen haben bzw. nicht sehen konnten.


    Ich möchte die Situation aus oben genanntem Spiel Hannvoer gegen Köln mal zum Anlass nehemn, eine philosophische Diskussion anzustossen. Und bitte: Erzählt jetzt nicht was Schiedsrichter Bastian Dankert alles hätte besser machen können. Darum geht es nicht.


    Er hat die Tatsache entschieden, das dieses Tor durch Leon Andreasen regulär erzielt wurde. Das ist die Ausgangssituation! Und die wollen wir hier nicht diskutieren.


    Was wäre eigentlich passiert, wenn Leon Andreasen (rechtzeitig) zu Sebastian Dankert gegangen wäre und sein Handspiel gebeichtet hätte?
    OK, Dankert hätte seine Entscheidung auf Tor rückgängig gemacht und direkten Freistoß für Köln etwa an der Ecke des 5m Raumes gegeben.


    Aber wie ist das dann mit der persönlichen Strafe? Kann ich dafür Gelb geben?
    Ich meine, nur durch die Beichte revidiert der Schiri hier seine Entscheidung. Der Sünder ist geständig - und weil er (sofort) gesteht ist es auch kein Täuschungsversuch, sondern "nur ein Handspiel welches zum Tor führte"

    Was meint Ihr: Dem Sünder seine Unsportlichkeit wegen seines besonders sportlichem Verhaltens im Anschluss verzeihen oder die volle härte der Fussballregeln anwenden?

  • Wir müssen hier unterscheiden, ob das "strafbare" Handspiel mit der Absicht der Täuschung erfolgte oder nicht; gerade die Regel mit der vergrößerten Körperoberfläche lässt ja durchaus Fälle zu, in denen wir auf Handspiel zu entscheiden haben, man aber dem Spieler definitiv keine unsportliche Intention unterstellen kann, um nur ein Beispiel zu nennen.


    Unter dieser Prämisse ist aber klar, wie wir zu entscheiden haben:
    Gehen wir davon aus, dass eine Unsportlichkeit vorlag, so bleibt es bei der persönlichen Strafe, auch eine "tätige Reue" in Form einer Beichte kann daran nichts ändern, schließlich gibt es nach einem rohen Spiel auch die Rote Karte, selbst wenn wir aus den Umständen des Ablaufes erkennen, dass das nicht gewollt war und der Spieler sich auch sofort entschuldigt und sein Vergehen einräumt. Allerdings sollten wir den Ablauf und den "Verzicht" auf das Tor im Spielbericht erwähnen, zumindest dann, wenn die Verwarnung weitere Konsequenzen hatte oder haben könnte (Sperre nach x Verwarnungen).

  • Genau darauf wollte ich hinaus

    Handspiel mit der Absicht der Täuschung

    Kann es überhaupt ein Täuschungsversuch sein, wenn der Handspieler es von sich aus zugibt.


    Sicherlich, der SR hat es nicht gesehen, aber wenn der Torschütze den SR darauf aufmerksam macht, das es Handspiel war mag es zwar ein strafbares Handspiel sein aber doch kein Täuschungsversuch.


    Zumal: Bewerten können wir es eh´nicht weil wir es nicht gesehen haben.
    Die Entscheidung wird ja nur durch die "Selbstanzeige" revidiert. Die Selbstanzeige an sich wird durch den "Torverzicht" glaubhaft.

  • Ist es nicht so, dass auf die VW verzichtet wird, wenn ein Spieler zugibt eine Unsportlichkeit begangen zu haben?


    Da habe ich mich unter anderem an Klose erinnert, der mit der Hand ein Tor erzielt hat und es zugegeben hat.
    Kurz in die Suchmaschine gehauen und sogar (oder besser natürlich ;) ) einen Thread hier bei uns dazu gefunden:
    Klose

    Dem Schiedsrichter zu widersprechen, das ist, wie wenn man in der Kirche aufsteht und eine Diskussion verlangt. (Dieter Hildebrandt)

  • Gibt es dazu nicht auch eine Regelfrage, wo bei so einer Situation auf die Gelbe Karte verzichtet werden sollte, was in m. A. ja auch sinnvoll wäre?


    Edit: David war schneller

  • Ist es nicht so, dass auf die VW verzichtet wird, wenn ein Spieler zugibt eine Unsportlichkeit begangen zu haben?

    Das ist genau richtig.


    Manfred: Wenn der Spieler auch noch unaufgefordert zu Dir kommt und seinen Fehler zugibt, wo liegt denn dann die Unsportlichkeit ? Wenn er selbst über seine Aktion und insbesondere deren Konsequenz überrascht ist, kann man das schwerlich als Unsportlichkeit auslegen.

  • Das sind für mich alles unnötige Diskussionen und Festlegungen. Für die Regelfrage habe ich mir die richtige Antwort gemerkt. Für die Praxis bleibe ich bei meinem alten Standpunkt: Der Spieler soll gar nicht erst ein Vergehen begehen.


    Wenn der SR das Vergehen nicht selbst erkannt hat wird er durch das Zugeben der Unsportlichkeit de facto eines Fehlers überführt. Aus Sicht vieler Spieler ein Beweis für das "Versagen" des SR. Da sieht der SR also schlecht aus.


    Zudem führen solche so genannten Fair-Play-Aktionen nach meiner Erfahrung dazu, dass bei der nächsten strittigen Situation vehement gefordert wird, das andere Team müsse jetzt zwingend auch Situation XY klarstellen. Auch wenn es da gar nichts klarzustellen gibt. Und Zack hat man Unruhe auf dem Platz.




    Wie sehen solche Dinge eigentlich aus Sicht einer Beobachtung aus? Wenn der SR eine kapitale Fehlentscheidung trifft (Anerkennung eines 1-0 Handspiel-Tores in der 90. Min) - dann aber das Glück hat, dass der Spieler das Vergehen einräumt- was hat das dann für einen Einfluss auf die Benotung des SR?

  • Die Bewertung ist für mich unabhängig von der Tatsache, dass ein Spieler danach seinen Faux-Pas eingesteht. Der Fehler wurde vom SR/Gespann gemacht, die Auswirkung des Fehlers auf das Spielergebnis (egal, ob es das 6:0 oder das 1:0 ist) soll eigentlich nicht mehr in die Benotung einfließen.

  • Ich schmeiß mal was in den Ring: Viele zugegebenen Hand-Tore sind trotzdem regelkonforme Tore. Spieler wissen nicht immer, dass nicht jegliche Hand-Tore illegal sind und geben daher ihr "Handspiel" in natürlicher Körperhaltung mit dem Ball zur Hand zu.

  • Viele ??? Wieviele Handtore werden denn in der Prakis freiwillig zugegeben ? Ich pfeife seit 1981 und kann mich an keine einzige Aktion dieser Art erinnern.


    Mich würde mal interessieren, wer das bei sich auf dem Sportplatz schon erlebt hat.


    Der Thread ist ja eh mit "philosophisch" übertitelt :thumbup:

  • Da gibt es in der Tat schiefe Ansichten. Ich selbst habe einmal erlebt, wie ein Angreifer in einer unübersichtlichen Situation im Torraum kurz den Ball hinter seinem Rücken aus den Augen verlor. Bei seiner Drehung um die eigene Achse beförderte er den Ball mit dem Ellenbogen direkt ins Tor. Klar ging die Hand zum Ball- trotzdem meiner Meinung nach ein Lehrbeispiel für ein unabsichtliches Handspiel- trotzdem erwarteten alle Akteure den Pfiff und blickten zum SR.
    Dieser entschied sich für die einzig falsche Möglichkeit: dFs ohne persönliche Strafe.

  • Warum ist das so falsch? Ein Handspiel zur Torerzielung muss kein Tor erzielen, ebenso kann ein absichtliches (im Regelsinn) Handspiel ein Tor zufällig erzielen, ohne dass es ein Handspiel zur Torerzielung war.

  • Kann es überhaupt ein Täuschungsversuch sein, wenn der Handspieler es von sich aus zugibt.


    Natürlich kann es ein Täuschungsversuch sein, hier kommt es auf den Einzelfall an, dazu gleich noch mehr.

    Wenn der Spieler auch noch unaufgefordert zu Dir kommt und seinen Fehler zugibt, wo liegt denn dann die Unsportlichkeit ? Wenn er selbst über seine Aktion und insbesondere deren Konsequenz überrascht ist, kann man das schwerlich als Unsportlichkeit auslegen.


    Ich habe den Verdacht, dass wir von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen.
    Habe ich als SR das Handspiel bemerkt, so ändert das Eingeständnis m.E. nichts daran, dass die persönliche Strafe in Form der Verwarnung fällig ist und bleibt. Anders liegt der Fall, wenn ich als SR das Handspiel nicht bemerkt oder nicht als Handspiel qualifiziert habe - wenn nicht gemerkt, scheidet die persönliche Strafe definitiv aus, wenn anders bewertet, nun, dann ist das sicher eine Einzelfallentscheidung, im Regelfall dürfte aber auch dann die persönliche Strafe entbehrlich sein.

  • Die Frage ob Gelb oder kein Gelb ist doch leicht zu beantworten: Wenn ich das Handspiel nicht gesehen habe und der Spieler kommt und es zugibt, ist die Verwarnung laut Regelwerk nicht vertretbar:


    Laut Regel 12, Auslegung der FIFA, wird verwarnt, wenn ein Spieler versucht, mittels absichtlichem Handspiel ein Tor zu erzielen. Ich denke, auch die allerdümmsten Spieler wissen, dass es bei einem absichtlichen Handspiel einen direkten Freistoß für den Gegner gibt, ergo kann ein Spieler, der so ein Handspiel zugibt, nicht versuchen ein Tor damit zu erzielen.


    Zweiter Punkt wäre der Grundsatz, nur Vergehen zu ahnden, die ich (bzw. meine neutralen SRA) selbst gesehen habe. Wenn ich kein absichtliches Handspiel wahrgenommen habe, kann ich auch keine Verwarnung dafür geben. Daher bleibt die Karte auch stecken, wenn der Spieler sein Handspiel erst nach wilden Protesten der anderen Mannschaft zugibt. (Was mir auf die Nerven geht ist, wenn solche Spieler dann auch noch in Fair-Play-Aktionen geehrt werden. Man kann die gerne nehmen, wenn sie von sich aus sofort zugeben "Tschuldigung, war ein Reflex, Tor darf nicht zählen", aber doch nicht, wenn er erstmal versucht mit der Aktion durchzukommen. Da würde ich mich als Verbandsoffizieller totlachen, wenn mir so jemand gemeldet würde...)

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Vorallem würde ich mich als cleverer Spieler rausreden und sagen: "Ja, ich war mit der Hand dran, aber ob das strafbar war muss der Schiri entscheiden." Wenn der Schiri nichts dergleichen gesehen hat, dann muss es eigentlich Tor geben.