Nicht verstandene Beleidigung unsportlich?

  • Folgende Situation aus meinem heutigen Spiel bringt mich auf eine Frage:


    Ein Spieler von Gast sagt etwas zu einem Spieler von Heim. Obwohl ich recht nahe dabei stehe, verstehe ich das nur bruchstückhaft, die Körpersprache und Mimik beider Beteiligten lässt aber keinen vernünftigen Zweifel daran, dass hier etwas weniger nettes gesagt wurde.


    Nun kann ich den an sich angebrachten FaD nicht aussprechen, da das letztlich eine Rote Karte im Indizienverfahren wäre - das Eis ist mir zu dünn. Aber im Nachgang bin ich nun am überlegen, ob ich das nicht als Unsportlichkeit (d.h. idF und Verwarnung) hätte ahnden können?

  • Ich halte hier eine klare Ansprache für sinnvoller. Man kann hier durchaus sagen, dass der Spieler Glück hatte, dass man die Äußerung nicht verstanden habe, dieser ab fortan auf dem Zettel ganz oben steht.

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • Diese Lösung halte ich hier für regeltechnisch nur bedingt umsetzbar. Unterbreche ich das Spiel und setze es wegen der Unsportlichkeit mit einem indirekten Freistoß fort, ist das irgendwie nicht Fisch und nicht Fleisch; erkenne ich auf Unsportlichkeit, dann muss hier auch die Verwarnung folgen, natürlich kann ich ein paar klare Worte zusätzlich verlieren.


    Die Alternative ist nur, sich die Ansprache für die nächste Spielunterbrechung aufzuheben - in der Hoffnung, den Spieler dann noch zu finden, außerdem verschafft es dem Beleidigten weitaus weniger Genugtuung, denn wir dürfen ja nicht vergessen, dass eben diese Satisfaktion Teil der Maßnahme ist und ein Spiel auch enorm beruhigen kann.

  • Körpersprache und Mimik beider Beteiligten lässt aber keinen vernünftigen Zweifel daran, dass hier etwas weniger nettes gesagt wurde.

    Das Eis ist auch für eine VW zu dünn. Entweder ich weiß klar was gesagt wurde oder nicht. Entsprechend handele ich. Stell Dir vor, er hat seinem Gegenspieler die schlimmste Beleidigung gesagt und Du unterbrichst und sprichst eine VW aus. Dann machst Du Dich komplett unglaubwürdig. Erklärst Du das ganze noch wie oben beschrieben, nimmt Dich keiner mehr Ernst. Während des laufenden Spiels ein zackiger Zuruf und in der nächsten Spielruhe eine klare Ansage. Mehr geht nicht.

  • Wenn ich unterbreche muss ich eine entsprechende Spielfortsetzung parat haben.
    Was kann ich jetzt wie ahnden ?? Unsportlichkeit ( die ich nicht oder nur teilweise gehört habe ) ??



    In solchen Situationen hole ich mir beide Spieler bei der nächsten Unterbrechung und mache eine klare Ansage,
    bzw. gib mit meiner Gestik und Mimik während des Spiels zu erkennen, dass ich auf solche Spielchen keine Lust habe

    "Der Schlüssel zum Erfolg ist Kameradschaft und der Wille, alles für den anderen zu geben."
    - Fritz Walter († 17. Juni 2002)

  • SR-Ball.


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    "Jetzt wechselt Jamaika den Torhüter aus!"
    (Gerd Rubenbauer, als der FIFA-Beauftragte am Spielfeldrand eine Minute Nachspielzeit anzeigte)

  • Seit dieser Saison nicht mehr, da muss sich der SR entscheiden.



    Leider doppelt falsch. Seit dieser Saison hat sich diesbezüglich gar nichts geändert (zumindest auf FIFA / DFB-Ebene).


    Theoretisch kann der SR das Spiel jederzeit aus "einem anderen Grund nach seinem Ermessen zu unterbrechen". Die Fortsetzung wäre in folgenden Fällen SR-Ball: Wenn er kein Vergehen feststellt oder wenn er gleichzeitige Vergehen beider Spieler wahrnimmt.


    In der Praxis allerdings wird erwartet, dass wir das Spiel so weit wie möglich laufen lassen und es nur aus handfesten Gründen unterbrechen. Und wenn wir einen handfesten Grund haben, dann muss dieser auch geahndet werden und es gibt eine entsprechende pers. Strafe und entsprechende Spielfortsetzung.

  • Leider doppelt falsch. Seit dieser Saison hat sich diesbezüglich gar nichts geändert (zumindest auf FIFA / DFB-Ebene).


    ...oder du bist mal wieder nicht informiert.


    In Bayern wurde folgende Klarstellung des DFB veröffentlicht:

    „Beide“ oder „Ersttäter“


    Im laufenden Spiel beobachtet der SR eine heftige Rangelei zwischen zwei gegnerischen Spielern außerhalb des Strafraumes. Dabei wird von beiden Seiten geschlagen. Der SR unterbricht das Spiel. Entscheidung?


    FaD gegen beide Spieler, dF gegen das Team des Spielers, der zuerst geschlagen hat. Dabei ist der Schlag maßgebend, den der SR zuerst wahrnimmt. Der im Regelbuch beschriebene Fall „gleichzeitige“ Vergehen


    von Spielern „beider“ Teams ist ein theoretischer Fall. In der Praxis wird gegen den „Ersttäter“ die Spielstrafe (dF, SST) ausgesprochen.


    Nach Rücksprache im Lehrabend gilt es für jedes Vergehen das der SR wahrnimmt und kann somit auch bei verbalen Äußerungen angewandt werden.


  • Diese "Klarstellung" ist m.E. schon wesentlich älter und bezieht sich auf eine Frage aus der SR-Zeitung wenn ich mich recht erinnere. Deshalb hat die "Klarstellung" nichts mit der neuen Saison zu tun.


    Den Unterschied zwischen Theorie und Praxis haben wir hier schon mehrfach herausgearbeitet. Wenn der SR das Spiel jedoch aus "einem anderen Grund nach seinem Ermessen unterbricht", dann muss es in der Tat den SR-Ball geben.

  • Meine persönliche Erfahrung ist, dass in der geschilderten Situation (Zwei Spieler geraten verbal aneinander, eine Beleidigung ist offensichtlich, kann aber vom SR nicht eindeutig wahrgenommen werden) durchaus sinnvoll ist, das Spiel sofort zu unterbrechen und die "Kontrahenten" persönlich anzusprechen. Insbesondere dann, wenn sich der Ball noch im Mittelfeld befindet und gerade kein aussichtsreicher Angriff erfolgt. Durch die Spielunterbrechung nimmt man etwas Druck aus der Situation.


    Dies gilt insbesondere für unterklassige Ligen, in denen es ohnehin eher rustikal zugeht. Die sofortige Spielunterbrechung zeigt den Spielern, dass man solche "Nickligkeiten" nicht duldet, sondern ernst nimmt. Ferner verhindert man dadurch, dass sich insbesondere beim beleidigten Spieler etwas aufstaut, und ggf. wenige Sekunden bis Minuten später zu einer Kurzschlussreaktion führt, wenn das Spiel weiterläuft.


    Da ich im geschilderten Fall kein Vergehen feststelle (bzw. ein Vergehen nur vermuten kann) und auch keinen (Erst-)Täter habe, lautet die Spielfortsetzung SR-Ball.


    Wie das bei Schiedsrichtern beurteilt wird, die unter Beobachtung stehen, weiß ich nicht.


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    "Jetzt wechselt Jamaika den Torhüter aus!"
    (Gerd Rubenbauer, als der FIFA-Beauftragte am Spielfeldrand eine Minute Nachspielzeit anzeigte)

  • Unter Beobachtung unterbrichst Du das Spiel entweder ohne Grund (schlecht) oder wg. Unsportlichkeit, die Du dann nicht ahndest (nicht gegebene Pflichtverwarnung, Abzug zwingend).
    In der Betonklasse jedoch trotzdem oft ein wirkungsvolles Mittel.

  • Ohne Verwarnung(en) trotzdem schlechte Schiedsrichterleistung, wirkungsvoll oder nicht. Ich wünschte wir hätten die Freiheit so zu handeln, haben wir aber nicht. Aber Gelb ist in diesen Situationen vertretbar und damit wird es ohne Verbiegen von Regeln regelkonform.