TW-Handspiel außerhalb des Strafraums

  • ....hätte der TW beim Überschreiten der Strafraumgrenze den Ball los gelassen, hätte der Stürmer den Ballbesitz erlangt, so ist dies nicht nur spekulativ, sondern höchst unwahrscheinlich: Ein TW, der sich 100% regeltreu verhalten hätte bzw. selbst einen Freistoß verhindern wollte, Hände den kontrolliert gehaltenen Ball viel wahrscheinlicher zu einem Mitspieler oder sicherheitshalber ins Seitenaus geworfen.

    Merkste selber, nicht? Wir beide argumentieren jetzt mit hätte hätte.


    Danke für die differnzierten Betrachtungen und Überlegungen. Ich bleibe dabei: Um eine pers. Strafe festzulegen, müsste ich die Situation sehen. Für mich sind wie gesagt alle drei Möglichkeiten offen (nix, VW, FAD). Ein kategorisches "keine pers. Strafe" kann ich nicht nachvollziehen.


    Bei der oben zitierten Regelfrage denke ich, dass man die nur so lösen kann, dass in der Frage kein Hinweis auf Unsportlichkeit/ Vereitelung einer Torchance gegeben wird- ergo keine pers. Strafe. So muss man Regelfragen lesen und beantworten.


    Ein Umkehrschluss für die Praxis, dass ein TW für ein oben beschriebenes Handspiel keine pers. Strafe bekommen kann, ist nicht zulässig.


    Danke an almiko und Manfred.

  • Hier muß ich Dir widersprechen, die Schilderung ist recht eindeutig und entspricht einer klassischen Regelfrage, deren Auslegung verbindlich vorgegeben ist.


    So lange aus dem Verhalten des TW nicht definitiv herauszulesen ist, daß er absichtlich versucht, den Ball auch noch außerhalb zu spielen (was denke ich eher unwahrscheinlich ist), muß man ihm die Unsportlichkeit seines Handelns absprechen.


    In der beschriebenen Situation auf FaD für den TW zu entscheiden endet zu fast 100 % in einer Neuansetzung wegen Regelverstoß und einem Einlauf vom Einteiler / Obmann.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Da der Torwart den Ball sicher kontrolliert und dann aus dem Strafraum gerät, kann man wohl kaum von der Verhinderung einer offensichtlichen Tormöglichkeit sprechen. Es gibt ja auch keinen FAD, wenn der TW beim Abschlag den Ball erst nach Verlassen des Strafraums aus den Händen lässt, auch wenn vllt Gegenspieler in der Nähe sind. Das ganze kann man regeltechnisch am besten daran festmachen, dass, wie hier schon erwähnt, der Spieler nie eine Torchance hatte, da der Ball, da vom TW kontrolliert gefangen, nicht gespielt werden konnte, woraus sich also auch keine Torchance ergibt.

  • Ludi hat es auf den Punkt gebracht. Jetzt ist mir auch bewusst, warum sich manche Kollegen eine so lange Nachspielzeit gönnen. Hängt wahrscheinlich vom Hineininterpretieren ( hätte der Hund nicht gesch****, hätte er die Katze gefangen ) und das daraus resultierende Kopfkino ab. Eine Frage an Rande: Wie könnt ihr auf dem Platz schnelle Entscheidungen treffen, ohne die Situation zu zerpflücken ????

    "Der Schlüssel zum Erfolg ist Kameradschaft und der Wille, alles für den anderen zu geben."
    - Fritz Walter († 17. Juni 2002)

  • Tja, ich kann natürlich auch so handeln wie andere SR, ohne mir einen Kopf zu machen: Jede Aktion mit einem TW pro TW, Nachspielzeit so wie es mir gerade passt, und wenn ich Bock habe, dann war halt der Einwurf falsch. Hauptsache das Trikot ist beim Auflaufen in der Hose. Da brauche ich auch nicht nachzudenken.


    Was mir hier nicht gefällt sind pauschale Aussagen in bezug auf Torhüter. Bei der oben genannten Regelfrage könnte der Eindruck entstehen, dass es beim Herauslaufen mit dem Ball in der Hand nie eine pers. Strafe geben kann. Das sehe ich anders, da ich mir auch unsportliche Situationen vorstellen kann. Zugegeben- ein FAD ist sehr weit an den Haaren herbei gezogen- pauschal ausschließen möchte ich den auch nicht. Eine Neuansetzung würde es bei uns nicht geben- bei uns zählt die Tatsachenentscheidung des SR.


    Die Beantwortung der Regelfrage ist unstrittig. Wie oben erläutert, ist in der Regelfrage kein Hinweis auf Unsportlichkeit oder Vereitelung einer Torchance gegeben. Somit keine pers. Strafe. In der Praxis muss ich jedoch genau die beiden Dinge - Unsportlichkeit oder Vereitelung einer Torchance - prüfen und entsprechend entscheiden.

  • Sich innerlich mit unsportlichem Handeln zu beschäftigen sowie darauf vorbereitet sein und in einer Situation, die absolut kein Potential für einen FaD hergibt, mit diesem zu liebäugeln, sind zwei Paar Schuhe.


    Sei Dir der Tatsache, daß bei einem unberechtigten FaD des TW in einer Spielsituation wie beschrieben keine Neuansetzung gegeben sein wird, nicht so sicher. Ein Regelverstoß ist ein Regelverstoß und führt zu einer Neuansetzung.


    In so einer Situation dem TW die Verhinderung einer Torchance nachzuweisen ist ein verdammt dünnes Brett, auf das ich mich nicht stellen würde. Du kannst Dir sehr sicher sein, daß nach so einem FaD Dir weder der benachteiligte noch der bevorteilte Verein den Rücken stärken werden.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Praktisches Beispiel: Zwei Stürmer überwinden die Abseitsfalle und laufen einem langen Pass auf nassem Rasen hinterher. Abwehr hebt geschlossen fälschlicherweise die Hand anstatt hinterherzulaufen. Der TW kommt raus, rutscht am Boden liegend in den Ball und mit dem Ball dann aus dem Strafraum raus. Weit und breit kein Verteidiger neben den Stürmern.


    Für mich wär hier ein FaD in Betracht zu ziehen.

  • Warum denn nicht? Er hätte den Ball loslassen müssen, wenn da ein Stürmer lauert und kein Verteidiger in der Nähe ist, ist es für mich eine klare Torchance.


    Was er noch hätte legal tun können (z.b. den Ball gleich wegbolzen oder ihn rechtzeitig weit wegzuwerfen) interessiert mich nicht, genausowenig wie es mich interessiert ob ein Feldspieler der per Hand auf der Linie klärt ihn auch hätte köpfen können. Wenn er aus meiner Sicht per illegalem Handspiel verhindert dass ein Stürmer alleine vor dem Tor in Ballbesitz kommt, verhindert er für mich damit eine klare Torchance durch Handspiel außerhalb des Strafraumes und muss daher den FaD kriegen.


    Selbst wenn andere diese Einschätzung nicht teilen, ein Regelverstoß wäre sie auf keinen Fall. Es ist eine Tatsachenentscheidung ob eine klare Torchance vorlag oder nicht und wenn die klare Torchance bejaht wird ist der FaD die korrekte Regelauslegung.

  • Wenn du dem TW unterstellst, dass er den Ball hätte loslassen können. Dann unterstellst du gleichzeitig, dass er den Ball kontrolliert gehalten hat.
    Somit kann es niemals mehr eine Torverhinderung sein und auch eine Verwarnung wegen Unsportlichkeit fällt somit weg, da der Angreifer denn Ball ja gar nicht mehr spielen konnte.

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • Ich finde das sollte hier auch davon abhängen wie das Handspiel aussieht. Rutscht er raus mit dem Ball an der Hand und spielt ihn dann mit legalen Mitteln weiter, dann sehe ich hier auch keine Unsportlichkeit, geschweige denn einen FAD. Steht er hier aber mit Ball in der Hand auf und geht mit dem Ball in den Strafraum zurück ist hier die Lage eine andere.

  • Leute, Ihr könnt euch die Regeln nicht zurechtbiegen wie Ihr es für richtig haltet. Der geschilderte Fall ist im Regelwerk expliziert beschrieben, ich glaube Almiko hatte das zitiert. Alles andere entspricht nicht dem Regelwerk, was das zur Folge hat wurde auch schon beschrieben. Nehmt es doch einfach mal so hin und versucht nicht Wege zu finden hier eine persönliche Strafe zu rechtfertigen, schon gar keinen FaD.


    Ich könnte mir eine einzige Situation vorstellen wo es Gelb für den TW geben könnte, aber das hat mit der oben beschriebenen Situation nichts zu tun, nämlich dann wenn der TW den Ball sicher im Strafraum fängt, diesen auch sicher hält, sich aber dann mit dem Ball in der Hand außerhalb des Strafraums bis zur Mittellinie begibt. Warum er das macht sei mal dahin gestellt. Dann könnte man auf Unsportliches Handspiel entscheiden, aber das hat mit der Situation des Rausrutschens oder Rauslaufens nach einer Abwehraktion nichts zu tun.

  • @ Pfeifekopp: Er hat den Ball legal im Strafraum gefangen, also ist das alleine erstmal kein Problem. Aber er ist verpflichtet den Ball loszulassen sobald er ihn verlässt und wenn ich dann zusätzlich denke dass der Ball nach legaler Kontrollaufgabe des TW an den Stürmer gegangen wäre, warum verhindert er dann keine klare Torchance durch Handspiel?


    Auch wenn der Stürmer den Ball gerade nicht am Fuß hatte, wenn ich denke dass er ihn bekommen hätte ohne dieses Handspiel wird ihm doch eine klare Torchance geraubt. Er hatte zwar keine Ballkontrolle, aber die würde er in meinen Augen ohne das illegale Festhalten des Balles erlangen.


    @ Airbag: Ob er es zu spät merkte, dann aber sofort losließ oder es zu vertuschen versuchte ist hier egal. Was erstmal zählt ist ob eine klare Torchance verhindert wurde oder nicht.

  • Wenn der TW den Ball an der Strafraumgrenze loslässt und dann vor den Füßen liegen hat, hat der Stürmer ja wohl noch lange keine klare Torchance.
    Ansonsten halte ich es wie Stefan W - nicht so viel konstruieren. Die Regelauslegung hier ist eindeutig und auch schon mehrfach so in der SR-Zeitung kommuniziert

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • Die Regelstelle, meinst du die wo die Wahrscheinlichkeit ob der Gegner in Ballbesitz bleibt oder kommt als Faktor zählt?


    Ersteinmal ist es für mich gerade eine hohe Wahrscheinlichkeit, zweitens kann es einen FaD geben ohne dass der Gegner jemals im Ballbesitz war oder sogar gekommen wäre, wenn z.b. ein Feldspieler ein potentielles Eigentor mit der Hand verhindert oder einen misslungenen hohen Rückpass nur vorm frei durchstartenden Stürmer per Handspiel aufhalten kann.


    Außerdem, ja, wenn der Stürmer auch da ist und der TW nur durch ein -illegales Handspiel- verhindern kann dass der Stürmer den Ball bekommt ist es für mich eine klare Torchance. Der losgelassene Ball würde ja nicht am Torwart kleben bleiben sondern mit dem Momentum wegrollen und dann muss der stehende Stürmer nur vor dem liegenden TW an den Ball kommen und ins leere Tor schießen.


    Die meisten Fälle ist diese Situation kein FaD. Aber ich finde dieses niemals never ein FaD ist in der Pauschalität einfach falsch.

  • Was sind die Bewertungskriterien für einen FaD wegen Verhinderung einer Torchance? Hier der Passus aus Regel 12, Zusatzanweisungen der FIFA:


    Die Schiedsrichter berücksichtigen beim Entscheid über einen Feldverweis für das Verhindern eines Tors oder das Vereiteln einer Torchance folgende Aspekte:
    Distanz zwischen Vergehen und Tor
    Wahrscheinlichkeit, dass das angreifende Team in Ballbesitz bleibt oder kommt
    Richtung des Spiels
    Position und Anzahl verteidigender Spieler
    Art des Vergehens, durch das eine klare Torchance vereitelt wird, da dieses mit einem direkten oder indirekten Freistoß geahndet werden kann


    Bezogen auch auf das Beispiel von Nummer4:
    Distanz zwischen Vergehen und Tor: Für die Stürmer größer als für den TW, sonst könnte dieser den Ball nicht aufnehmen. Also eher zu verneinen.
    Wahrscheinlichkeit des Ballbesitzes: Siehe Distanz. Bloß weil die Stürmer in der Nähe ist bedeutet dies für ihn noch nicht, daß sie auch Ballbesitz erlangt hätten. Also auch eher zu verneinen.
    Richtung des Spiels: Aufs Tor zu, daher zu bejahen.
    Position und Anzahl verteidigender Spieler: Für die angreifende Mannschaft.


    Das zeigt doch, daß wenn überhaupt das Handspiel als solchen zu bestrafen wäre, aber absolut keine Grundlage für einen FaD wegen Verhinderung, da zwei von vier Punkten effektiv nicht erfüllt sind.


    Und grade dieses "müsste" bzw. "könnte" , was hier für den FaD angeführt wird, sind bei einem Abstand von mehr als einem bis zwei Metern eher ein "wird nicht".

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Die meisten Fälle ist diese Situation kein FaD. Aber ich finde dieses niemals never ein FaD ist in der Pauschalität einfach falsch.


    Das findest Du aber falsch, nimm es bitte einfach mal so hin, dieses Thema wurde mehrfach in den SR-Organen beschrieben und diskutiert.


    Also notieren: Gelangt der TW bei der Abwehr des Balsl mit dem Ball in der Hand von innerhalb nach außerhalb des Strafraums, dir. FS, keine pers. Strafe

  • Danke für Eure vielen Antworten. Nachdem ich mir alle Argumente beider Parteien durchgelesen habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass selbst die Verwarnung zu viel gewesen ist.


    Ich kann mich mal an ein Europapokalspiel in den 90ern von Werder erinnern, bei dem Oliver Reck (gegen glaube ich Anderlecht oder Brügge) auf nassen Boden dem Stürmer entgegengerutscht ist und mit dem Ball in der Hand unbeabsichtigt den Strafraum verließ. Der SR zögerte keine Sekunde und stellte ihn vom Platz. Tja,lang lang ist es her.... ;)

  • In dem Video greift der TW bewußt nach außerhalb des Strafraums, um den Ball zu bekommen und zu verhindern, dass der Pass den eigentlichen Adressaten, der den Ball dann nur noch ins (leere) Tor schießen müsste, erreicht. Damit verhindert er eine klare Torchance und sieht mMn folgerichtig :rote_karte:.