Kniffliges Handspiel

  • Hallo zusammen!


    Ich weiß, es ist schwierig, wenn man eine Szene selbst nicht gesehen hat. Ich versuche sie so gut wie möglich zu beschreiben:


    Ein Stürmer, der ungedeckt am Elfmeterpunkt steht, bekommt eine mustergültige Flanke auf den Kopf. Dieser köpft nun den Ball in das Tor. Der Schiedsrichter steht hinter dem Stürmer und hört/bemerkt, dass der Stürmer beim Kopfball wohl seine Hand angeköpft hat. Die Proteste der Abwehrspieler unterstreichen die Wahrnehmung des Schiedsrichters.


    Handelt es sich hierbei um ein unabsichtliches Handspiel (Tor zählt) oder um ein absichtliches (direkter Freistoß für den Gegner + Vw)?


    Wie hättet ihr entschieden?


    Viele Grüße
    Merk

  • Ein vorsätzliches absichtliches Handspiel liegt auf jeden Fall nicht vor. Für die Frage, ob es dennoch ein Handspiel im Sinne der Regel war, dafür liegt des Rätsels Lösung in der Handhaltung (natürlich oder unnatürlich). Gehe ich recht in der Annahme, dass der Spieler stand? Dann wäre die Hand an einem unnatürlichen Ort und es gäbe eindeutig einen direkten Freistoß und kein Tor. Oder sprang der Spieler zum Kopfball? Dann käme es darauf an, ob die Hand einen "normalen" Bewegungsverlauf im Sprungvorgang hatte oder nicht - aber das kann man nur beurteilen, wenn man die Szene gesehen hat.

  • Also auf die Proteste der gegenspieler würde ich erst mal garnichts geben, insbesondere, wenn ein Gegentor gefallen ist.


    Auch die Beurteilung nach dem Gehör halte ich für unmöglich. Wie klingt es denn, wenn sich ein Stürmer an die Hand köpft ?


    Bleibt noch die unnantürliche Handhaltung: Der Stürmer steht frei, sieht die Flanke kommen und konzentriert sich in seinem Bewegungsablauf darauf, den Ball mit dem Kopf zu verwandeln. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass es dabei auch noch zu einer unnatürlichen Handhaltung kommt, wenn er denn Ball nicht richtig mit dem Kopf trifft.


    Ergo Tor, auch wenn der Stürmer sich den Ball vielleicht an den Arm geköpft haben sollte.

  • Zitat von Merk;140774

    ....wohl seine Hand angeköpft hat....


    .."wohl"....Also war die Berührung nicht offensichtlich- also wahrscheinlich keine Absicht und keine wesentliche Richtungsänderung des Balles. Und welcher Stürmer nimmt sich schon absichtlich selbst ein Tor weg?!?
    Hört sich für mich zu 90% wie "keine Absicht" ergo "kein Handspiel" an.


    @ Manfred: Ich habe die Handspiel - Regel offensichtlich anders verstanden als Du. Es bleibt die Regel:


    Ein Handspiel liegt vor, wenn ein Spieler den Ball mit seiner Hand oder seinem Arm absichtlich berührt.


    Alle weiteren Ausführungen dienen nur dazu, Anhaltspunkte zu geben, wann dem Spieler Absicht unterstellt werden muss und wann nicht. Wenn Du also schreibst "Ein vorsätzliches absichtliches Handspiel liegt auf jeden Fall nicht vor." erübrigen sich alle weiteren Überlegungen. Weiterspielen.
    Ansonsten stimme ich Dir zu, wenn man die Szene nicht gesehen hat, kann man kein abschließendes Urteil abgeben.


    Und es gibt auch abgezockte Spieler, die z.B. erkennen, dass der Ball nicht die gewünschte Richtung nimmt und die Richtung dann "zufällig" noch mit dem Arm korrigieren....
    Ja, knifflig. Und schwierig, weil man als SR in jedem Fall einem Proteststurm entgegensieht, wenn man ein Tor nach einer solchen Situation anerkennt.

  • Du vergisst, dass ich als Randbedingung gestellt hatte, dass der Spieler steht. Und wenn er dann bei einem Kopfball die Hand so hoch hält, dass diese den Ball berührt, handelt es sich um eine unnatürliche Haltung, die m.E. sehr wohl den Schluss zulässt, dass der Ball hier absichtlich mit der Hand gespielt werden sollte, auch wenn er nicht wirklich getroffen wurde.


    Wenn der Spieler läuft oder springt, kann das anders aussehen und ist anhand der rein textlichen Beschreibung nicht abschließend zu beurteilen, da sind wir uns einig.

  • Das Problem Diskussionen um "Handspiel" liegt meiner Meinung nach in der Formulierung der Regel und der allgemeinen Lehrmeinung zum Thema.


    De facto ist ja nicht nur das absichtliche Handspiel (also der Vorsatz und die anschließende Ausführung) sondern auch die Ballberührung mit Hand oder Arm nach einer "unnatürlichen" Hand-/Armhaltung als "Handspiel" zu bewerten.


    Wobei ich den Begriff "unnatürlich" doppelt ungeeignet finde. Erstens gibt es diesen Begriff in der Regel nicht und zweitens gibt es Spieler, die beim Kopfball die freien Hände in Schulterhöhe halten.


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    Wir wissen, was gemeint ist: Das vorsätzliche "Breitmachen" mit ausgestreckten Armen um einen gespielten Ball aufzuhalten ist als "Handspiel" zu werten, auch wenn es nicht Absicht im Sinne von "Spieler sieht den Ball- streckt dann seinen Arm dorthin und spielt den Ball dann mit dem Arm" ist sondern ein "Spieler breitet seine Arme aus, um seine Trefferfläche zu vergrößern und nimmt somit eine Berührung des Balles am Arm billigend in Kauf".
    Die Regel spricht hier von "Position der Hand", die der SR zu beachten hat, wenn er "Absicht" oder "keine Absicht" beurteilen muss.


    Ein Jurist würde sagen, nicht nur das vorsätzliche sondern auch das grob fahrlässige / billigend in Kauf genommene (unnatürliches Breitmachen/ Vergrößern der Trefferfläche) Handspiel ist zu bestrafen.


    Problematisch finde ich eben, deshalb mein Einwand Manfred, wenn erst festgestellt wird es wäre keine Absicht gewesen aber dann doch auf "Handspiel" entschieden wird. Das ist für mich ein Widerspruch und führt mit zu der nie enden wollenden Diskussion um was als Handspiel zu beurteilen ist und was nicht.


    Damit kein Unmut ensteht: Ich glaube, dass die meisten SR die Regel richtig anwenden- nur mit der Begründung und den Formulierungen tun wir uns schwer. Deshalb gibt es bei Spielern / Zuschauern etc. Unverständnis über manch eine Entscheidung.

  • Ich kann mir irgendwie keine Situation vorstellen, in der man beim Köpfen den Ball auf Kopfhöhe hat… :rolleyes: Denn beim Hochspringen reißt man doch die Hände von oben nach unten, oder?

  • Wenn der Pass genau kommt, stoße ich allenfalls noch mit dem Kopf, um die Richtung stärker zu beeinflussen oder dem Ball mehr Geschwindigkeit zu geben, es gibt also durchaus Kopfbälle, die im Stand durchgeführt werden.

  • Ich finde die Handspielregel eigentlich sehr einfach und deutlich definiert: Absichtliches Handspiel ist verboten.
    Das kann entweder sein, dass ich meine Hand zum Ball bewege oder dass ich meine Hände, mit der intension, den Ball zu spielen, irgendwo hinmache, wo der Ball dann auch hingeht (absichtliches breitmachen, etc.)
    Unnatürliche Armhaltung ist dafür eine Umschreibung, die die Regel deutlicher machen soll. Letztendlich ist damit aber das absichtliche platzieren des Arms zum Zwecke der Ballberührung gemeint.

  • Zitat von BestRefinTown;140791

    Damit kein Unmut ensteht: Ich glaube, dass die meisten SR die Regel richtig anwenden- nur mit der Begründung und den Formulierungen tun wir uns schwer. Deshalb gibt es bei Spielern / Zuschauern etc. Unverständnis über manch eine Entscheidung.



    Das Gute an unserer Tätigkeit auf dem Sportplatz ist, dass wir weder Begründen noch Formulieren müssen, sondern nur Situationen in Bruchteilen von Sekunden zu entscheiden haben.


    Wer versucht, Spieler und Zuschauer verbal zu überzeugen, zieht eh ganz schnell den Kürzeren ...

  • Habe kürzlich einen SR sagen hören (sinngemäß): War keine Absicht, aber ein Handspiel war es trotzdem- es war nämlich eine unnatürliche Handhaltung.


    Im gleichen Kontext wird dann davon gesprochen, dass nur absichtliches Handspiel ein Vergehen darstellt.


    Da fragt sich der Laie: Was denn nun? Ist nur absichtliches Handspiel strafbar oder auch noch andere Berührungen des Balles mit dem Arm?


    Das höre ich sinngemäß so jedes zweite Wochenende auf dem Platz.


    Und dann machen sich die SR über Zuschauer/ Trainer/ Betreuer/ Spieler lustig, die ja alle die Regeln nicht kennen würden. Und der Kollege im obigen Beispiel ist verunsichert.


    Nochmal: Mit "absichtlicher Ballberührung" nach der Regel ist eben mehr gemeint, als der Laie unter "Absicht" versteht. Deswegen werbe ich für präzise Ausdrucksweise.


    Im SR-Sprachgebrauch hat sich der (meiner Meinung nach ungeeignete) Begriff der "unnatürlichen Handhaltung" etabliert. Ich habe es oben mit einer Definition eines Juristen versucht.


    Die Definition von flietzpiepe finde ich auch sehr verständlich:


    Zitat von flitzpiepe;140798

    Absichtliches Handspiel ist verboten.
    Das kann entweder sein, dass ich meine Hand zum Ball bewege oder dass ich meine Hände, mit der Intension, den Ball zu spielen, irgendwo hinmache, wo der Ball dann auch hingeht (absichtliches Breitmachen, etc.).


    Flitzpiepe´s Definition unterstreicht, dass wir SR die Regel verstanden haben und weitestgehend richtig umsetzen. Das ist schon viel wert.


    Die Kür wäre es meiner Meinung nach, die Regel so einfach zu formulieren, dass auch Laien sie umgehend richtig verstehen würden. Dann hätten wir SR auch weniger Stress, gerade im Strafraum die richtigen Entscheidungen zu fällen und diese zu vertreten.


    Obiges Beispiel zeigt, wie heikel solche Entscheidungen sein können.
    Und lass den Kollegen im obigen Beispiel das Tor anerkennen, da seiner Beurteilung nach eben kein "absichtliches Handspiel" vorlag. Einige Minuten später macht sich ein Verteidiger in Ampelmännchen-Manier auf der Linie breit und bekommt den Ball an den ausgestreckten Arm. Wenn der Kollege dann richtigerweise den Strafstoß gibt, vertehen das viele Akteure nicht und der Frust ist vorprogrammiert.

  • Hallo,


    danke für die Antworten und die lebhafte Diskussion.


    Die Reklamationen der Gegenspieler habe ich lediglich als zusätzliches Indiz angeführt, nicht als alleiniges Beweismittel.
    Der Spieler stand und ist leicht zum Kopfball hochgesprungen.
    Naja, ich habe eher wahrgenommen, dass die Flugbahn des Balles nicht ganz derer entsprach, die sie bei diesem Kopfball hätte haben müssen, obwohl der Ball relativ direkt ins Tor ist. Meine Schlussfolgerung ist gewesen, dass seine Hand sich irgendwo auf Brusthöhe befunden haben muss.
    Der Spieler bestätigte mir gegenüber unmittelbar danach, dass er den Ball mit der Hand gespielt hat...
    Jetzt geht es nur noch um die richtige Spielfortsetzung, bzw. um die Bewertung des Handspiels. Klar, kann man aus der textlichen Beschreibung sicherlich keine endgültige Aussage treffen, dennoch würde ich mich interessieren, wie ihr die Sache seht.


    Viele Grüße
    Merk

  • Wenn der Spieler noch vor dem Anstoß zugibt, dass er das Tor unter Zuhilfenahme der Hand erzielt hat, dann ist das Tor nicht anzuerkennen und das Spiel mit direktem Freistoß am Tatort fortzusetzen. Eine Verwarnung unterbleibt, weil der Spieler ja durch die Aufklärung des Sachverhalts zur sportlich fairen Entscheidung beigetragen hat.

  • Wenn der Spieler das Handspiel zugibt, kannst du nicht auf Tor entscheiden. Dann geht es mit dir. Freistoß weiter. Wie gigi richtig ausgeführt hat, unterbleibt die :gelbe_karte:

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • Also kurzum: ich habe direkten Freistoss und eine Verwarnung gegeben.


    Nachdem ich diese Entscheidungen kundgetan habe, sagte der Spieler sinngemäß zu mir: "Ich gebe ja zu, dass der Ball die Hand berührt hat, aber das können Sie ja nicht als Handspiel pfeifen!"

  • Ja was denn nun? Hat der Spieler angegeben, dass er den Ball "mit der Hand gespielt" hat - das hört sich für mich nach Absicht an.
    Dann dFS (kein Tor).


    Wenn der Spieler lediglich einräumt, dass der Ball die Hand berührt hat, wir als SR aber keine Absicht feststellen können-> Tor, Anstoß.

  • Ich habe mir Deine Beschreibungen nochmal durchgelesen und komme zu dem Schluss, dass Du in dieser Situation vermutlich falsch entschieden hast.
    Um ein Handspiel zu bewerten (Absicht oder nicht), muss man es m.E. nach gesehen haben. Du konntest es nicht sehen, da Du auf den Rücken des Spielers geschaut hast. Durch Deine im letzten Beitrag geschriebene Aussage des Spielers vermute ich stark, dass die Fragestellung von Dir nicht eindeutig war. Wenn der Spieler einräumt, den Ball mit der Hand berührt zu haben heißt dass noch nicht, dass ein absichtliches Handspiel vorliegt. Ausrufe der Gegner können kein Indiz sein (Hand und Abseits sind die meistgerufenen Worte auf dem Platz :) )
    Unglücklich finde ich die Verwarnung. Dieser Spieler wird sich das nächste Mal überlegen, ob er dem SR Auskunft gibt.


    Ich persönlich halte nichts davon, bei solch eklatanten Entscheidungen den Spieler zu befragen. Verlass Dich auf das, was Du wahrnimmst (das Handspiel hast Du nicht wahrgenommen, sondern schlussgefolgert). Wenn ein Spieler aus freien Stücken ein Vergehen einräumt ist das etwas anderes - aber dann die Ehrlichkeit nicht bestrafen, sondern bei "Fair ist mehr" melden ;)