24 Punkte, Platz 10, 12 Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, und Tuchfühlung nach oben - der Hamburger SV im Winter 2012.
Hätte mir jemand diese Halbzeitbilanz prognostiziert, ich hätte ihn in die Anstalt einweisen lassen.
Meine Aussicht vor der Saison war so grau wie der Sommer in Ostfriesland: Bloß nicht absteigen, alles andere war für mich schier unerreichbar mit dieser Mannschaft und diesem Trainer. Und es begann wie erwartet ziemlich mies: Pokalaus in Karlsruhe, und am ersten Spieltag eine Niederlage gegen ebenfalls fußballerisch völlig impotente Nürnberger, die aber im Gegensatz zum HSV mit Herz kämpften.
Was sollte man auch erwarten nach den Sommertransfers: Verdiente Stützen der Vergangenheit (Petric, Jarolim) wurden vom Hof gejagt, und geholt wurden Leute wie Rudnevs (den keiner kannte), und ein Torhüter, der seit gefühlten 2 Jahren kein vernünftiges Pflichtspiel mehr bestritten hatte. Dazu kam noch die Heimkehr des sogenannten "Stürmers" Marcus Berg (der auch im Ausland das Tor nicht fand), und ein Herr Jiracek von den Autschlossern vom Mittellandkanal. Der sieht zwar zum fürchten aus, spielt aber auch genauso. Nein, mit diesem Personal war nix zu holen - hoffentlich steigen wir nicht ab.
Das war im Sommer 2012 mein persönlicher Stand der Dinge.
Nach dem Nürnberg-Spiel jedoch verdichtete sich ein Gerücht, das bei jedem HSV-Fan das Messer in der Hose aufgehen ließ: Die Rückkehr von Rafael van der Vaart. In Tottenham gab es einen Trainerwechsel, und der neue Trainer hielt nicht viel von van der Vaart und seiner Spielweise. Nun kam mein emotionalster Moment in der Hinrunde: Das Hick-Hack um die Rückkehr des kleinen Engels. Auf der Arbeit hatte ich den Live-Ticker zum Transfer der Hamburger Morgenpost laufen, und irgendwann nachmittags sprang ich vor Freude gefühlte 4 Meter hoch. Die Rückkehr war perfekt!
Gut, das anschließende Derby gegen die Hühnerbarone aus Vechta-Nord wurde ebenso verloren wie das Spiel gegen Ex-Trainer Veh und seine Eintracht aus Frankfurt. Nun stand also als Heimdebüt von van der Vaart das Heimspiel gegen den BVB an. Ich sah das Spiel mit Freunden zusammen in einer Kneipe und hatte mir schon ordentlich einen auf die Lampe gegossen, so als Balsam für die kommende Niederlage. Meine Freunde, allesamt BVB-Fans, wollten mich mit Sprüchen wie "nach dem 5:0 hören wir auf" trösten, doch was dann passierte war fast schon legendär: Falko wurde immer fröhlicher und betrunkener, meine Kumpels wurden immer schweigsamer. Der HSV kämpfte, angeführt von van der Vaart, in aufopferungsvoller Art und Weise die spielerisch klar bessere Borussia nieder, und gewann mit 3:2. Jubel, Jubel, Jubel, aber bitte fragt mich nicht wie ich nach Hause gekommen bin. Es folgte ein Punkt in Gladbach und die Erkenntnis, dass es ganz langsam aufwärts gehen würde. Weg von den Abstiegsplätzen. Eine Handschrift von Thorsten Fink war für mich nur insoweit zu erkennen, dass die Gegner oft die klar bessere Mannschaft stellten (Hannover), doch der HSV in Bayern-Manier einfach die Tore machte.
Ein Highlight war sicherlich noch der Heimsieg gegen Schalke ohne van der Vaart, mit dem ich nie gerechnet hätte.
Nun steht der HSV im schönen Nirvana der Tabelle und ich bin froh, wenn das auch am Saisonende der Fall sein sollte. Ich mache mir keine Illusionen über eine Teilnahme am internationalen Wettbewerb, dazu ist die Mannschaft zu schwach besetzt im Vergleich zur direkten Konkurrenz. Trotzdem gefällt mir die momentane Lage als bester Nordklub schon ein wenig.
Zu den Transfers bleibt noch zu sagen, dass Rene Adler von den 24 Punkten mindestens 12 im Alleingang geholt hat, und das van der Vaart zwar wie früher auch nicht besonders viel läuft, aber sich die anderen Spieler alleine an seiner Persönlichkeit aufrichten können.
So ganz langsam, wirklich langsam, trägt der Umbau von Frank Arnsesen Früchte.
Danke, HSV!