Unsportlicher Zuruf

  • Heute hatte ich in einem Spiel eine Situation, die für mich eigentlich recht klar war, jedoch gab es enorme Proteste von Trainern und Spielern der betroffenen Mannschaft.
    Ein Spieler von Weiß rennt auf das Tor von Rot zu. Ca 10 Meter vorm Strafraum hatte er praktisch freie Schussbahn, weil die Verteidiger von rot eine Lücke in der Mitte gelassen hatten und fast kein Angreifer im Weg stand. Lediglich ein Mitspieler von Weiß lief ca 2m neben ihm irgendwie etwas planlos in der Nähe der Schussbahn.
    Um sich die Schussbahn freizuräumen rief der Spieler am Ball "Weg, weg weg", bis es der Spieler kapiert hatte.
    Nun zog er ab und verwandelte.
    Die Proteste kamen auf, weil er durch sein Rufen angeblich rote Spieler iritiert hatte. Allerdings befanden sich im Umkreis von ca 8m kein roter Spieler der irgendwie abgelenkt schien. Und wenn ein Roter sich weg von der Schusslinie bewegt, kann man doch das nicht auf den Zuruf zurückführen bzw wäre es Dummheit von dem Spieler sich auf Zuruf des Gegners aus der Schussbahn zu bewegen?! Gerade bei dem Abstand der roten Spieler (also Erschrecken usw ausgeschlossen).
    Die Situation lässt sich jetzt ohne es gesehen zu haben schlecht beurteilen, aber mich würde trotzdem mal interessieren, wie ihr entschieden hättet, insofern ihr euch eine Entscheidung auf Grund meiner Beschreibung zutraut ;)

  • Eigene Blödheit von den roten Spielern. Der Ruf war ja wohl eindeutig an den Mitspieler gerichtet. Also ist der Treffer korrekt.

  • Schwierig schwierig.



    Regel 12 besagt zum Thema:


    ...Verwarnung für unsportliches Betragen


    Ein Spieler ist wegen unsportlichen Betragens zu verwarnen, wenn er
    [...] einen Gegner während des Spiels oder davor verbal ablenkt.




    Frage also: Ist die Absicht (Vorsatz, den Gegner verbal zu beeinflussen) zu bestrafen oder reicht es aus, dass der Gegner tatsächlich (egal ob durch Blödheit begünstigt) abgelenkt wurde?


    Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass im oben genannten Beispiel bei großem Abstand von rot - d. h. keine Eingreifmöglichkeit mehr - weiterspielen die richtige Entscheidung war.


    Die Regel jedoch macht die Unsportlichkeit "verbale Beeinflussung" nicht von einer Spielsituation oder einem Vorteil abhängig. Genausowenig wie für ein Foul (z.B. Beinstellen) der Ball in Spielnähe sein muss oder dem Gegner ein Nachteil entstehen muss. Ein Foul bleibt es allemal und kann durch den SR geahndet werden.


    Je länger ich darüber nachdenke- mein Fußballer-Bauch sagt weiterspielen.
    Aber die Regel sagt, dass eine verbale Beeinflussung vorliegt sobald der Gegner abgelenkt wurde.
    Wurde rot abgelenkt? Wenn ja, wäre das Spiel zu unterbrechen und der "weg"-rufende Spieler zu verwarnen.


    Wie ist in Zweifelsfällen (SR nicht sicher, ob rot tatsächlich abgelenkt wurde) zu entscheiden?
    Da ich als SR ja nicht mit Sicherheit sagen kann, dass rot nicht abgelenkt wurde- müsste ich im Zweifel immer abpfeifen und eine VW aussprechen.


    Jetzt bin ich komplett verwirrt- wer kann helfen?

  • Weiterspielen !
    Wenn kein gegnerischer Spieler in der Nähe ist, der irritiert werden konnte und auch wurde, liegt kein Vergehen vor.

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !

  • Die Situation stelle ich mir gerade einmal vor. Ein Spieler läuft auf das Tor zu und brüllt dabei: "Weg, weg, weg!!!" und die Gegenspieler machen ihm brav Platz. :D
    Also die Proteste sind absolut absurt. Ich rufe meinem Gegenspieler doch nicht zu, dass er weg gehen soll und der macht das auch noch. Und wenn die dann auch noch 8 Meter weg stehen...

  • Deswegen hatte ich auch keine Zweifel an meiner Entscheidung (Weiterspielen) zumal sich keine Irritation feststellen ließ. Vllt den Kopf minimal gedreht, aber das kann man bei so einer Distanz wohl nicht als Irritation werten XD
    Ich habe auch mal locker ne Minute gebraucht, bis ich kapiert hatte, welches Rufen die Roten meinten, hatte schon gedacht, ich hätte etwas überhört :D

  • Ihr mögt ja Recht haben. Aber mit der Regel bekomme ich das nicht in Einklang.


    Die Regel sagt nämlich nichts über

    • "Dummheit" der Gegenspieler
    • "Eigene Blödheit"
    • "Entfernung der Gegenspieler"


    Es ist Sonntag ;), da stelle ich mal eine These auf:


    Auschlaggebend nach Regel 12 ist nicht die Intention des ablenkenden Spielers, sondern nur ob eine verbale Ablenkung stattgefunden hat oder nicht. Allein die verbale Ablenkung eines Gegners ist als unsportliches Betragen zu werten.


    Noch eine These:


    Zitat von Ludi;140890

    ....Und wenn ein Roter sich weg von der Schusslinie bewegt, kann man doch das nicht auf den Zuruf zurückführen bzw wäre es Dummheit von dem Spieler sich auf Zuruf des Gegners aus der Schussbahn zu bewegen?! ...



    Die Dummheit ist nicht zu bewerten. Der SR hat lediglich zu bewertwen, ob rot abgelenkt wurde. Und wenn das in 50m Abstand gewesen ist- spielt keine Rolle.


    Zitat von Daniel;140891

    Eigene Blödheit von den roten Spielern. Der Ruf war ja wohl eindeutig an den Mitspieler gerichtet. Also ist der Treffer korrekt.


    Blödheit ist nicht zu bewerten. "...der Ruf war ja wohl..." Also was denn nun? Eindeutig oder nicht eindeutig? Ablenkung oder keine Ablenkung?



    Zitat von Ludi;140899

    ... zumal sich keine Irritation feststellen ließ. Vllt den Kopf minimal gedreht, ....


    Aha. Es gab also doch eine Ablenkung. Und wenn es nur eine minimale Drehung des Kopfes war- Also verbale Ablenkung durch weiß.


    Der Regel nach eindeutig: Der Spieler (weiß) ist wegen unsportlichen Betragens zu verwarnen; das Tor zählt nicht, idF wo Zuruf.



    Bin ich mit der Regel falsch unterwegs? Habe ich die falsche Stelle im Regeltext? Je länger ich mir die Passage anschaue, desto sicherer werde ich: Wenn rot nur mimimal abgelenkt wurde (Tatsachenentscheidung des SR), so ist der Spieler (weiß) wegen unsportlichen Betragens zu verwarnen; das Tor zählt nicht, idF wo Zuruf.



    @ Ludi: Du musst Dich also entscheiden. Entweder rot wurde verbal abgelenkt oder eben nicht. Dann steht auch Deine Entscheidung.

  • Richtig gehandelt.
    Dann könnte ja auch der Stürmer von hinten rufen..ey Schiri ich wurde von dem abgelenkt! XD



  • Ok Gegenthese, ist es bei einer solchen Distanz als Ablenkung zu beurteilen, wenn sich Rot bewegt, z.B. langsammes Kopfdrehen. Es ist ja nicht ganz ungewöhnlich, dass man bei einem Torschuss zum Schützen guckt. Und nicht jede Bewegung ist eine Ablenkung, oder nach deiner These vllt doch. Woher weiß ich ob er abgelenkt wurde oder vllt doch nur zum Schützen guckt.
    Wie gesagt, ist es für mich eine klare Sache gewesen und wenn man zu viel in die Regeln interpretiert, kann man es natürlich drehen und wenden wie man es will oder braucht.

  • Zitat von Ludi;140909

    ...Woher weiß ich ob er abgelenkt wurde oder vllt doch nur zum Schützen guckt.


    Das ist genau der Punkt. Du musst Dich entscheiden. Woher Du weißt, ob er abgelenkt wurde? Na, Du musst das, was Du wahrgenommen hast, in die Waagschale werfen und dann eine Tatsachenentscheidung fällen.


    Zitat von Ludi;140909

    Wie gesagt, ist es für mich eine klare Sache gewesen..


    Na prima- dann warst Du Dir bei Deiner Tatsachenentscheidung sicher und dann wird es höchstwahrscheinlich die richtige Entscheidung gewesen sein.


    Zitat von Ludi;140909

    ...und wenn man zu viel in die Regeln interpretiert, kann man es natürlich drehen und wenden wie man es will oder braucht.


    Zu viel interpretieren ist gar nicht meine Intention. Ich möchte lediglich präzise am Regeltext arbeiten und solche Entscheidungsfragen mit der Regel herleiten/ begründen. Und sorry, wenn ich da pingelig bin, aber Begründungen wie "Blödheit/ Dummheit/ Ungeschicktheit des Spielers" (da ist sie wieder, die Arroganz des SR) genügen mir nicht.
    Da kann ich genausogut sagen, dass es blöd von weiß war, überhaupt zu rufen.

  • Man soll in eine Regel nichts hineininterpretieren was dem Geist der Regel widerspricht. Es soll damit nur eindeutig sichergestellt werden, dass unsportliche Rufe unterbunden werden die einen Gegner beeinflussen (und nicht beeinflussen könnten). Als klassischen unsportlichen Ruf würde ich es z.B. empfinden, wenn ein Stürmer hinter einem Verteidiger steht und er ruft LASS IHN, weil der Verteidiger meinen könnte, dass hinter ihm ein besser postierter Abwehrspieler steht. Das wäre für mich ein klarer Fall, aber nicht wenn in größerer Entfernung ein Zuruf erfolgt, egal welcher Art. Wenn man so pfeifen würde wie BRiT, dann gäbe es viele Unterbrechungen und Verwarnungen. Aber so ist es halt nicht.

  • BestRefinTown: Ich finde deine Einwände sogar ganz gut, denn du bringst immer neue Denkansätze in Spielsituationen, sodass es immer genügend Diskussionsmaterial gibt.


    Also kann man zu dem Ergebnis kommen, dass regeltechnisch noch ein offizieller Auslegungshinweis zu diesem Regelabschnitt fehlt.


    Denn hier lässt sich gigi nur zustimmen; das wäre definitiv nicht im Sinn der Regel gewesen.


    PS.: Die Wortwahl sollte nicht arrogant wirken, aber irgendwie muss man es ja beschreiben.

  • Zitat von gigi;140913

    ...Wenn man so pfeifen würde wie BRiT, dann gäbe es viele Unterbrechungen und Verwarnungen. ...



    Moment mal- ich habe gar nicht gesagt, dass ich hier unterbrochen hätte. Die meisten Unterbrechungen bei mir gibt´s übrigends wegen gefährlichem Spiel. Da ernte ich in den ersten 10, 20 Minuten oft etwas Unverständnis. Oft gelingt es mir, bei ortsbekannten "Rüpelmannschaften" die Gangart deutlich zu mäßigen. Das ist gerade in der Kreisklasse wichtig. Und siehe da- meistens sind beide Mannschaften am Ende des Spiels mit meiner Regelauslegung sehr zufrieden. Gemecker gibt´s trotzdem- aber nicht wegen meiner "gefährliches Spiel"- Interpretation.


    Schade, dass Bayern so weit weg ist und meine Spiele nicht live übertragen werden. Manchmal glaube ich, ich komme hier völlig falsch rüber. Muss wohl mal zu einem Usertreffen kommen.

  • Zitat von BestRefinTown;140916

    Manchmal glaube ich, ich komme hier völlig falsch rüber. Muss wohl mal zu einem Usertreffen kommen.



    Ich glaube, dass hier einige "falsch rüber kommen". Und da schließe ich mich in manchen Situationen gar nicht aus. Wenn man sich kennt und weiß, wie der andere "tickt", versteht man auch viele Beiträge anders / besser. Zum Usertreffen solltest Du unbedingt kommen, es lohnt sich auf jeden Fall ;)


    Zum Thema:


    Es gibt viele Dinge, die in der Regel nicht eindeutig definiert sind. M.E. nach sollte man hier darüber nachdenken, welchen Sinn die Regel verfolgt und die Regelauslegung entsprechend anwenden. Bei diesem Thema ist m.M. nach der Fall gemeint, den gigi beschrieben hat (Stürmer hinter dem Verteidiger in unmittelbarer Nähe), nicht der Eingangs beschriebene Fall. Kommunikation innerhalb der Mannschaft ist (wichtiger) Teil des Spieles, zurufe wie "spiel ab", "hier", "links" "Seitenwechsel" "zu mir" "hintenrum" usw. usw. sind normal und notwendig. Genau nach Regeltext müssten wir bei jedem dieser Ausrufe prüfen, ob ein Gegner irritiert wurde - das kann nicht im Sinne der Regel sein.

  • Also ich handhabe es so . Wenn ein Mitspieler bei dem Spieler in der Nähe ist , der ruft, dann lass ich weiterlaufen, weil sich nicht nachweisen lässt, wem der Ruf gedacht war.

  • Weiterspielen und nix anderes ist hier korrekt!
    Das Ablenken im Regeltext bezieht sich hier auf unsportliche "Leo"- Rufe und unsportliche "laß"-Rufe.
    Gemeint ist also der Versuch, den Gegner so zu beeinflussen, dass er den Ball mir überlässt. Sämtliche Mannschaftsinterne Kommunikation kann hier nicht mit gemeint sein, es ist also kein Fass in dieser Richtung aufzumachen. Ansonsten wäre es ja auch eine Unsportlichkeit, wenn der TW beim Abschlag den Namen des linken Angreifers ruft und dann den Ball zum rechten Angreifer spielt. Dass kann nicht Sinn der Regel sein.

  • Da muss ich dir etwas wiedersprechen Michael:
    Es ist vollkommen egal, was gerufen wurde, es zählt alleine das wie und die Intension des Rufers. Ich kann mich auch hinter einen Spieler stellen und ihm im Moment der Ballannahme irgendwas ins Ohr brüllen, dann ist das genauso unsportlich.


    @BestRef: Letztendlich ist es unsere Aufgabe, festzustellen, ob ein Gegenspieler dadurch abgelenkt wurde und ob das für diese Spielsituation irgendwie relevant war. Bezogen auf den geschilderten Fall kann man ganz klar nein sagen. Der Angreifer hatte den Ball am Fuß und hat eindeutig seinem Mitspieler weisungen erteilt, die auch auf die Spielsituation nicht missverstanden werden konnten.