Es ist immer interessant, dass von Außenstehenden der Hinweis auf den Menschen hinter dem Schiri, den doch bitte nicht zu harschen Kritiken, eine faire Behandlung etc. kommt. Von den betroffenen Schiedsrichtern hört man hingegen davon ziemlich wenig.
Stark ist Schiedsrichter der Fußball-Bundesliga und agiert darüber hinaus auch international, weltweit. Dabei muss sich ein jeder Schiedsrichter mit jedem Aufstieg in eine höhere Spielklasse fragen, ob er das überhaupt will. Als SR in der Kreisklasse habe ich kurze Wege, verhältnismäßig geringen Zeitaufwand und kritische (falsche?) Entscheidungen sind schnell vergessen. In der Verbandsliga habe ich teilweise lange Anfahrtswege, viele Schulungen und Tests und meine Entscheidungen stehen ggf. schon in verschiedenen Regionalzeitungen zur Debatte. Als SR im Profifußball, in der höchsten deutschen Liga oder in der Champions League oder anderen internationalen Turnieren schauen Millionen, ggf. Milliarden (WM-Finale) Menschen zu. Wenn hier Fehlentscheidungen passieren, ist die Entrüstung der betroffenen Anhänger eben groß, das Medienecho anschließend ebenso. Das ist doch keine Überraschung.
Warum ist Wolfgang Stark Schiedsrichter in diesen Sphären? Er hat es finanziell sicherlich nicht nötig (so viel springt dabei nämlich, gerade in Bezug zum Aufwand, nicht heraus), er wird nicht gezwungen, er wurde nicht in die Kaste der Schiedsrichter hineingeboren - er macht es also aus freien Stücken. Dabei macht er das als SR der Bundesliga nicht, weil sonst kein Bundesligaspieltag mehr stattfinden könnte (anders als in der Kreisklasse möglicherweise), sondern weil es sein Hobby, seine Passion ist. Es bleibt nur ein Schluss übrig: Ein Bundesliga-SR mag den Druck, den Nervenkitzel, die Spannung, die mit diesem riesigen Medienevent "Bundesligaspiel" einhergeht. DAS ist der Grund für die Ausübung dieser Aufgabe.
Heißt: Ein jeder dieser SR weiß, dass eine Fehlentscheidung in dieser Deutlichkeit und mit diesen Konsequenzen ein solches Medienecho und eine solche Wand der Kritik hinter sich her zieht. Das ist sicherlich nicht schön, aber das ist es, was den Nervenkitzel eben auch ausmacht. Bleibt eine Fehlentscheidung diesen Grades folgenlos, wird sie totgeschwiegen - dann geht eben auch ganz viel vom Dasein des Bundesliga-SR verloren.
Beleidigungen, Bedrohungen, gar körperliche Angriffe will niemand. Das scheint hier aber auch nicht zu passieren. Subjektive Berichte, in denen vielleicht Vergleiche zu früheren Spielen gezogen werden, von subjektiven Schreibern Stark womöglich Absicht unterstellt wird - das ist doch normal! Und dass sich die Bildzeitung originelle Begriffe für Herrn Stark einfallen lässt, ist doch ebenso selbstverständlich - damit muss jede Person des Zeitgeschehens, die auf irgendeine Weise polarisiert (sei es der Politiker, der ein umstrittenes Gesetz fordert; sei es die Pop-Diva, die oben ohne ein Konzert gibt oder sei es der Bundesliga-SR, der eine kapitale Fehlentscheidung trifft) nunmal leben. Fast alle dieser Personen des Zeitgeschehens stehen freiwillig da und genießen das Rampenlicht mit seinen Schattenseiten.
In Anbetracht dessen wirkt diese Diskussion hier irgendwie ulkig. Die Berichte, seien sie objektiv, Stark schützend oder Stark kritisierend, werden noch ein bisschen weitergehen, aber in ein, zwei Wochen ist das Thema erledigt. Hinter den Kulissen wird Stark seine Fehlentscheidung rechtfertigen oder mit den entsprechenden Konsequenzen leben müssen, genau wie wir alle auch: Entweder, er bringt auch wieder gute Leistungen (davon bin ich persönlich überzeugt) oder irgendwann reicht es für die momentane Spielklasse nicht mehr. In der Bundesliga genauso wie in der Landesliga. Das ist das was für Stark zählt, und solange seine Privatsphäre, sein Lebensbereich und seine körperliche Unversehrtheit geschützt werden, ist doch alles in Ordnung. Und wenn Stark mit dieser Art von Kritik nicht länger leben möchte, vielleicht im Sinne seiner Familie, dann lässt er sich zur Winterpause in die Regionalliga einstufen. Wird er aber nicht tun, er will garantiert weiterhin in der Bundesliga aktiv bleiben. Nicht ohne Grund.
Jetzt werden, na klar, Verbindungen zu den unfassbaren Vorfällen in den Niederlanden konstruiert - für mich ein unfassbares Unding. Wer hier Parallelen sieht (die massive, aber berechtigte und in großen Teilen objektive Kritik gegen das erbärmliche Schlagen und Treten gegen eine schutzlose Person), verschiebt die Probleme, wodurch die Lösung dieser Probleme (Gewalt gegen Schiedsrichter in mittleren und tiefen Spielklassen) erheblich erschwert wird. Kritik an Stark ist jetzt selbstverständlich, eine gewisse Verballhornung durch Bild und andere nicht ernstzunehmende Boulevardmedien ist der logische Schluss und tragbar, aber die Anwendung von Gewalt gegen Personen ist eine andere Dimension, ein ganz anderes Problem. Auflehnen gegen Schiedsrichter-Entscheidungen hat rein gar nichts mit dem Angreifen, Verletzen und Töten von Menschen zu tun, auch wenn der Anlass eine (falsche?) SR-Entscheidung gewesen sein mag.
Ich fand den Artikel auf der BVB-Seite übrigens auch absolut neutral. Fehlentscheidungen, die Dortmund bevorteilten, wurden hier auch erwähnt - natürlich mit dem Hintergrund, Stark eine schwache Leistung zu testieren. Das ist doch normal. Dass soetwas auf der offiziellen Webseite des Vereins erscheint, schadet höchstens der Seriösität des Vereins (an der zweifle ich beim BVB allerdings sowieso), und deswegen wurde der Beitrag sicherlich auch schnell von der offiziellen Homepage entfernt. Der 11Freunde-Artikel ist fair, ohne Frage, aber er stellt sich doch recht deutlich auf Starks Seite - dass es hier eine Gegenposition gibt von Menschen, die sich über die Niederlage des BVB ärgern (ich nicht! ) ist doch auch klar. Bei alldem sollten wir das ganze nicht zu hoch hängen und in jedem Fall auf unpassende Vergleiche mit tätlichen Angriffen gegen SR der Amateurligen verzichten!
So, das war dann mein verspätetes Wort zum Sonntag.