Zunächst erst einmal Dank für die Arbeit am "Handout".
Besonders gefreut hat mich dabei die Erwähnung des "Vorteils" durch das Handspiel, denn darüber wird kaum diskutiert.
Aber dies sei nur eine Randbemerkung. Viel schwieriger ist es die Absicht zu identiffizieren und dafür mache ich mal einen kleinen Ausflug in die Juristerei.
Absicht oder anders gesagt der Vorsatz ist bei einer Handlung immer einer der am schwersten zu beweisenden Dinge einer Handlung (in der Juristerei z.B. Straftat). Man kann dem Täter eben nur "vor die Stirn sehen", deshalb muss eine Absicht häufig durch Indizien bewiesen werden.
Übrigens: Einer der Gründe, warum Strafen in Mord oder Körperverletzungsprozessen meist niedriger als vom Laien erwartet ausfallen ist der, das der Vorsatz (Absicht) nicht bewiesen werden konnte.
Der Richter am Strafgericht bewertet hierbei Indizien und entscheidet "Im Zweifel für den Angeklagten".
Und so ist das mit den Indizien.
Unter einem Indiz wird ein Hinweis verstanden, der für sich allein oder in einer Gesamtheit
mit anderen Indizien den Rückschluss auf das Vorliegen einer Tatsache zulässt. Im Allgemeinen ist ein Indiz mehr als eine Behauptung, aber weniger als ein Beweis.
Das Regelheft sieht folgende Bewertungskriterien vor [Zitat]:
- die Bewegung der Hand zum Ball (nicht des Balls zur Hand),
- die Entfernung zwischen Gegner und Ball (unerwartetes Zuspiel),
- die Position der Hand
Das Regelwerk erkennt nur das "Absichtliche Handspiel" als Strafbar an und genau hier entsteht die Herausforderung. Zu entscheiden wann eine Absicht vorliegt. Damit sind wir bei meinen enleitenden Worten aus der Strafjuristerei. Man kann dem Spieler nur "vor die Stirn sehen".
Bei einigen Handspielen ist die Absicht offensichtlich. Die "Hand Gottes" ist dabei wohl der Klassiker, aber auch das "mitnehmen" des Balls mit der Hand bei einem Zweikampf oder dieTorwartfausteinlage des Abwehrspielers "auf der Linie" sind offensichtlich Absicht.
Schwieriger wird es dann bei den weniger offensichtlichen Ballberührungen mit der Hand
Die vielen Lehrarbeiten zum Thema Handspiel versuchen nun Indizien zu konstruieren die uns Schiedsrichtern die Entscheidungsarbeit erleichtern sollen. Leider wird damit aber auch sehr viel Unfug getrieben, und so kommt es zu den Kneipen- und Stammtischparolen die zu unnötigen Diskussionen auf dem Spielfeld führen.
Mal einige Beispiele zu den Kneipen- und Stammtischparolen
Natürliche Hand- bzw. Armbewegung:
Schaut Euch mal die Bewegung von Armen und Händen bei verschiedenen Bewegungsabläufen wie laufen, springen, schwung holen, fallen, stolpern, straucheln, stehen, drehen etc. an. In den meisten dieser Fälle sind die Arme eben gerade nicht am Körper direkt anliegend sondern in einer der Bewegung entsprechenden "natürlichen Position".
Trotzdem hält sich die Stammtischparole, das nur der direkt am Körper anliegende Arm als "natürlich" zu bewerten ist.
Vergrösserung der Körperfläche
Ebenfalls eine geniale Idee von Lehrarbeiten ein mögliches Indiz zu beschreiben. Aber! Bei nahezu jedem Bewegungsablauf -ausser dem stehen- wird die Körperfläche durch die Arme durch den natürlichen Bewegungsablauf vergrössert. Manchmal schaut -bspw. beim laufen- nur der Ellenbogen heraus, manchmal ist die Hand weit abgestreckt um einen Sturz abzufedern. Je nach Vereinsbrille wird dem Schiri hier das "gute-Auge" attestiert oder die "krasse Fehlentscheidung" vorgeworfen.
Der erste Satz im Regelbuch zum Handspiel lautet:
Ein Handspiel liegt vor, wenn ein Spieler den Ball mit seiner Hand oder seinem Arm absichtlich berührt.
Uns Schiries wird also abverlangt die Absicht im Handspiel zu erkennen
Dies ist aber nur in den wenigsten Fällen offensichtlich also gibt es eine Reihe von Indizien. Indizien sind aber keine Beweise, sondern nur Hinweise auf eine mögliche Absicht (beachtet den Konjunktiv)
In folgenden Fallbeispielen geht es nur um die Bewertung Absicht oder nicht - Also nicht darum ob und wie gepfiffen wird oder nicht:
Macht mal selbst den Test für Euch, aber interpretiert nichts in die Fallbeistpiele hinein, sondern bewertet sie nur so wie sie beschrieben sind.
- 1. Im Zweikampf um einen springenden Ball verändert der Spieler die Ballrichtung durch Berührung mit der Hand. Er gerät dadurch in Ballbesitz.
Absicht? Möglicherweise Absicht? keine Absicht?
- 2. Mit dem Rücken zum Ball stehend dirigiert der Abwehrchef noch seine Mannschaft während der Freistosschütze bereits den Freistoss ausführt. Aus etwa 10-12m Entfernung wird die ausgestreckte Hand getroffen, die gerade auf einen frei stehenden Angreifer deutet.
Absicht? Möglicherweise Absicht? keine Absicht?
- 3. Der Abwehrspieler kommt durch einen Zusammenstoss mit seinem Torwart auf der Torlinie rückwärts ins Straucheln. Um den Sturz nach hinten zu verhindern greift er nach dem Torpfosten um sich daran festzuhalten. In diesem Moment trifft der Ball den Torpfosten an genau der Stelle die der Abwehrspieler mit seiner Hand umklammert.
Absicht? Möglicherweise Absicht? keine Absicht?
- 4. Im Zweikampf kommt der Spieler zu Fall. und will den Sturz mit der Hand abfedern. Dabei kommt es zum Kontakt der Hand mit dem Ball.
Absicht? Möglicherweise Absicht? keine Absicht?
- 5. Den gut angeschnittenen Eckstoß faustet der am hinterem Pfosten stehende Abwehrspieler mit der Hand über dem Kopf aus dem Angel.
Absicht? Möglicherweise Absicht? keine Absicht?
Absicht oder nicht?
Wie Eingangs gesagt, es geht hier nicht um pfeiffen oder nicht, sondern nur um die Bewertung der Absicht.
- Bei diesen 5 Fällen kann man eigentlich nur bei Fall #5 definitv Absicht unterstellen.
- Fall #2 sieht den Ball gar nicht kommen und
- Fall #3 hat einfach Pech sich genau an der Stelle festzuhalten wo der Ball einschlägt.
- Fall #1 und Fall #4 sind Grauzonen. Hier sind Indizien gefordert, die der Schiri zu bewerten hat, die aber immer Raum für Interpretationen zulassen.
- Fall #2 wird -denke ich- regelmässig als Handspiel gepfiffen obwohl eigentlich keine Absicht vorliegt. Sicherlich hat der Spieler nicht alles dafür getan um das Handspiel zu vermeiden, aber dies ist im besten Falle Fahrlässigkeit und kein Vorsatz (Absicht).
Resumee:
Da nur das absichtliche Handspiel strafbar ist, muss der Schiri in den meisten Fällen durch Indizienbewertung eine Tatsache konstruieren.
Es gibt nur einen, der wirklich darüber Auskunft geben kann ob das Handspiel Absicht war oder nicht. Der betroffene Spieler wird dies aber in den seltensten Fällen zugeben.
Alle anderen sehen dies durch ihre ureigenste Brille. Diese Brille ist aber schwarz bzw. in Vereins- Spieler oder Fanfarbe. Durch diese Brillen betrachtet liegt der Schiri immer in 50% seiner Indizienbewertung falsch.
Nicht zu vergessen: Die Kommentatorenbrille, die immer irgendetwas sucht um aus einem Grottenkick eine Schlagzeile herauszuholen.
Thats Life.