Fehler sind menschlich – die unschöne Seite des Fußballs

  • Schon das bekannt Sprichwort sagt: „Nobody is perfect“. In jedem Spiel sehen wir etliche Szenen, in denen die Spieler teilweise gravierende Fehler machen und so teilweise nachhaltig das Spielergebnis beeinflussen. Aber machen wir uns bitte klar, dass auch wir nicht fehlerfrei sind.


    Strategie 1 – Fehler vermeiden


    Die beste Strategie zum Umgang mit Fehlern ist ohne jeden Zweifel, erst gar keine zu machen. Klingt banal, ist aber zutreffend. Nur – wie schafft man das? Auch hier wieder eine Binsenweisheit: Durch stete Aufmerksamkeit, Spielnähe und die Fähigkeit, sich selbst zurücknehmen zu können. Je näher Du am Geschehen bist, desto besser kannst Du die Situation beurteilen, dazu kommen Regelfestigkeit und der Mut zu – auch unpopulären - Entscheidungen. Natürlich schützt Dich das nicht gänzlich vor Fehlern, aber Du wirst wesentlich besser beurteilen können, ob da jemand geschubst oder getreten wurde oder ob der angeblich Gefoulte nur seinen Flugschein macht. Ist der Ball aus dem Spielfeld und Du bist Dir nicht ganz sicher, wer den Ball nun zuletzt berührt hat, zögere einen Moment mit der Anzeige, oft regelt sich das von alleine (und das auch korrekt) – sollte dem nicht so sein, musst Du aber sehr spontan und bestimmt anzeigen, in welche Richtung es weitergeht.


    Strategie 2 – Fehler begrenzen


    Du hast einen Fehler gemacht oder zweifelst, ob Deine Entscheidung richtig war. Gut, einen erfolgreichen Angriff, den Du fehlerhaft unterbrochen hast, kannst Du nicht wieder herstellen, dennoch gibt es ein paar ganz legale Kniffe, um wenigstens in vielen Situationen den Schaden zu begrenzen.


    Die regeltechnisch sauberste Variante ist natürlich der Schiedsrichterball, was aber nur geht, wenn der Ball im Spiel war. Allerdings kommt dieser nur bei offenkundigen Fehlern in Betracht, etwa wenn Du bei der Abseitsentscheidung versehentlich einen Abwehrspieler übersehen hast, der sich in ausgesprochen ungewöhnlicher Position aufhält. Denke aber immer daran, dass für einen SR-Ball – entgegen landläufiger Meinung – keine Spieler erforderlich sind, schon gar nicht Spieler beider Mannschaften. Ein geschickter SR kann auf diesem Weg durchaus ein wenig seines Fehlers tilgen.


    Die zweite regeltechnisch saubere Variante betrifft die Fälle, in denen der Ball aus dem Spiel war oder Dein Pfiff grundsätzlich berechtigterweise erfolgte. Die häufigste Anwendung dürften die persönlichen Strafen sein, die Du, wenn Du Deinen Irrtum rechtzeitig erkennst bevor das Spiel fortgesetzt wurde, durch Mitteilung an beide Spielführer zurücknehmen kannst. Gerätst Du in eine solche Situation zeige Größe und tu dieses auch. Bemerkst Du den Fehler erst nach der Spielfortsetzung, so sei korrekt und notiere den Fehler im Spielbericht, Stolz, Ehrgeiz o.ä. sind hier deplatziert.


    Strategie 3 – Fehler korrigieren


    Nun, wirklich korrigieren kann man einen Fehler natürlich nicht und auch von so genannten Konzessionsentscheidungen (falsch Strafstoß hier gegeben, also bekommt auch die andere Mannschaft einen Strafstoß) rate ich ausdrücklich ab. Bist Du aber nicht sicher, ob es wirklich Eck- oder Abstoß war, der Einwurf (natürlich nur im kritischen Bereich) in die richtige Richtung geht oder der Freistoß womöglich doch eine Schwalbe war, dann ist Improvisationstalent gefragt.


    Achte in solchen Fällen zunächst auf die Formalien, gerade bei einem Einwurf tun Dir viele Spieler ungewollt den Gefallen und machen einen kleinen Fehler, den Du sonst sicher nicht bemerken würdest, der aber eine Entscheidung auf „falschen Einwurf“ rechtfertigt – regelkonform die Fehlentscheidung „korrigiert“.


    Auch Frei- und Eckstöße lassen sich in ähnlicher Art „korrigieren“. Die Erfahrung lehrt, dass sich vor der Ausführung immer kleinere „Rangeleien“ ergeben – Du wirst garantiert auch einen Angreifer ausfindig machen, der seinen Gegner regelwidrig bearbeitet. Achte nur darauf, dass der Pfiff schon kommt, bevor der Ball den Strafraum erreicht, sonst wirst Du womöglich unglaubwürdig. Auch hier: Kein Regelverstoß von Deiner Seite, aber die Gefahr, dass aus einer Entscheidung, bei der Du unsicher warst, ein Tor entsteht, ist gebannt.


    Strategie 4 – Fehler eingestehen


    Wir haben schon den Fall besprochen, dass Du erst im Laufe des Spieles bemerkst, dass Dir ein Lapsus passiert ist. Gut, dumm gelaufen, aber nicht zu ändern. Bei Banalitäten rate ich Dir davon ab, einen Fehler einzugestehen, reagiere auf entsprechende Anwürfe nicht oder mit allgemeingültigen Äußerungen wie beispielsweise: „Selbst wenn es ein Fehler gewesen wäre, hätte es etwas geändert?“. Kein Eingeständnis, aber der Vorwurf ist entkräftet. War Dein Fehler gravierender, so solltest Du selbigen trotz allem nicht öffentlich eingestehen, aber sehr wohl im Spielbericht vermerken, besonders, wenn es um Feldverweise auf Dauer geht. Sofern sich der betroffene Spieler oder der Trainer vernünftig verhält, kannst Du natürlich unter vier Augen andeuten, dass Du einen entsprechenden Vermerk im Spielbericht machen wirst, komme aber nicht auf den Gedanken, den Feldverweis deswegen nicht zu erwähnen.



    Eines lasse Dir allerdings gesagt sein: Wenn Du mit einer Entscheidung sicher bist, dann setze Sie durch. Lasse Dich nicht von Protesten der Spieler oder der Zuschauer aus der Ruhe bringen. Den krassesten Fall hatte ich einmal, als ich auf Eckstoß entschieden habe, obwohl der Abwehrspieler den Ball nicht mehr berührt hatte – was aber keiner bemerken konnte war die Tatsache, dass ich wegen meiner Stellung gehört hatte, dass der Ball die Schuhspitze berührt hatte, ergo der Ball sehr wohl berührt worden war. Natürlich hatte ich mir damit eine Baustelle aufgemacht – aber hätte ich die Wahrheit deswegen unterdrücken sollen, wobei nicht einmal jemand protestiert hätte?


    Hast Du aber beispielsweise das Pech, dass das spielentscheidende Tor nach späterer Erkenntnis doch ein Abseitstor war, so empfehle ich dringend, dies nicht auf dem Platz zu kommentieren. Ob Du das im Spielbericht vermerkst – immerhin handelt es sich um eine Tatsachenentscheidung –, darüber befragst Du als Neuling am besten Deinen Lehrwart oder Obmann, der Dich über die diesbezüglichen Usancen in Deinem Kreis aufklären wird.



    Zum Schluss tröste Dich damit: Die Mannschaften machen in einem Spiel per saldo weit mehr Fehler als Du. Dennoch solltest Du natürlich versuchen, keine Fehler zu machen – und schon gar keine, die beispielsweise Ausfluss mangelnder Regelkenntnis oder Kondition sind.

  • Mensch, du solltest wirklich Autor werden. Deine Texte sind immer schön zu lesen und treffen denn Punkt. :top:

  • Fände es wirklich ganz geil, wenn Manfreds Beiträge eine Sonder-Rubrik bekämen.


    "Manfred Hilft!! Einstieg in die Pfeiferei leicht gemacht!"

  • Ein sehr guter Vorschlag, Braumeister, das Ganze würde ich sofort unterschreiben! ;)

    "Ein J.R. Ewing hat keine Magengeschwüre! Ein J.R. Ewing verursacht sie!"
    J.R. lebt! In memorarum an Larry Hagman (1931 bis 2012). Danke für die tolle Zeit bei DALLAS!!!

  • Oder du schreibst ein eigenes Buch Manfred ;):top:

    Manche Legenden erzählen erfundene Geschichten, die trotzdem wahr sind. Andere wiederum lügen nur, wen jene die sie hören, die Ohren vor der wahrheit verschließen. Und manche Geschichten- mögen sie auch noch so unwahrscheinlich klingen- malen ein bild von der Wirklichkeit, das diese an Schärfe und Wahrhaftigkeit um ein vielfaches übertrifft.

  • Wir sollten ihn hinter seinem Rücken für den Literatur-Nobelpreis vorschlagen! :D

    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit."
    (Marie von Ebner-Eschenbach, österreichische Schriftstellerin, *1830 +1916)


    "Mancher ist für die Wahrheit, solang die Wahrheit für ihn ist."
    (Charles Tschopp, schweizer Schriftsteller, *1899 +1982)

  • Ich wäe auch für ein Buch. Einen Titel hättest du ja schon:

    Zitat von Braumeister;92936

    "Manfred Hilft!! Einstieg in die Pfeiferei leicht gemacht!"

    jetzt fehlt nurnoch ein Verlag, aber da lässt sich bestimmt etwas machen.

  • Mal ganz ehrlich: Warum sollte nicht der DFB selbst so ein Buch herausgeben und damit jungen Schiedsrichtern was in die Hand geben? Macht meiner Meinung nach eine ganze Menge Sinn, denn unerfahrene Schiedsrichter hätten dann eine interessante Lektüre, die ihnen hilft und auch noch vom DFB getragen wird.


    Oder gibt's das Ganze eventuell schon in Buchform von dir, Manfred???

    Nur noch fünf Sekunden, nur noch die wenigen Stufen zum Spielfeld hinunter, und dann bleibst du allein, inmitten Tausender von Menschen...


    Pierluigi Collina

  • Also, mal ganz öffentlich zur Klarstellung:


    Nein, ich habe nicht vor, ein Buch zu schreiben, das käme mir auch zu vermessen vor. Sollte sich das Forum als Quelle für hilfreiche Texte dieser und anderer Art herumsprechen, so habe ich nichts dagegen.


    Ich habe einer Anregung aus dem Forum folgend einen Artikel mal an die Schiedsrichterzeitung geschickt und warte nun ab, ob die sich dafür interessieren oder ob die etwas daraus machen. Wenn ja, könnte ich über "Nachschlag" nachdenken, wenn nicht, kann ich damit auch gut leben.


    Ich muss zugeben, dass ich die Texte bisher nicht einmal meinem eigenen Lehrwart zur Verfügung gestellt habe - andererseits sehe ich eigentlich gerade die Lehrwarte, die Paten und die Schiedsrichtervereinigungen in der Pflicht dafür zu sorgen, dass derartige Texte nicht notwendig wären. Ihr dürft dabei nicht vergessen, dass ich zu den eher seltenen Exoten zähle, die das Prozedere Lehrgang und Prüfung im Abstand von fast 30 Jahren zwei mal durchlaufen haben - und es ist durchaus interessant, was ich nach meiner ersten Prüfung im praktischen Einsatz an - zum Teil bitteren - Erfahrungen sammeln musste und was sich seitdem geändert hat bzw. wo es noch immer Lücken gibt.


    Noch ein letztes Wort zum Thema Buch:
    Ich schreibe eigentlich nur dann einen Artikel, wenn mir ein Umstand auffällt, von dem ich ausgehe, dass es sich eigentlich um ein Grundsatzproblem handelt und das vornehmlich frisch ausgebildete Schiedsrichter betrifft. Dann muss auch noch das Glück dazu kommen, dass mir die Muse gerade zur rechten Zeit ein Küsschen gibt - dann klappt's auch mit einem Artikel. ;)

  • Sehr guter Artikel für Anfänger!
    Mit einem Jahr Erfahrung als SR kann ich sagen, dass man sich das mit der Zeit von alleine aneignet, aber gerade in meinen ersten Spielen hätte mir dein Text sehr geholfen.


    Ein paar Dinge hab ich noch hinzuzufügen:D: Bei irgendwelcher Kritik über vermeintliche Fehler weise ich die Spieler nett darauf hin, dass es ihnen nicht zusteht meine Entscheidungen zu kritisieren, wenn sie dann nicht ruhig sind und weiter meckern sind zieh ich den gelben Karton. Oder bei Aus-Entscheidungen, wo ich einfach nicht sehen konnte, wer den Ball zuletzt gespielt hat, entscheide ich mich für die verteidigende Mannschaft (Abstoß kann deutlich weniger Schaden anrichten als ein Eckball usw.). Und das wichtigste zum Schluss: Wenn man ein paar kleine Fehler gemacht, nach dem Spiel bloß nicht drüber nachdenken. Das Spiel ist gelaufen, man muss sich auf das nächste Spiel konzentrieren.

  • Erst mal ganz großen Lob für deine Texte, erste Sahne!!



    SO schöne Texte bekommet man nicht auf irgendwelchen Anwärterlehrgänge. Diese Texte erklären aber eine Menge und würden sehr sehr vielen jungen Kollegen helfen und auch neue Schiedsrichter werben



    :thanx:

  • Zitat von Manfred;92928

    Den krassesten Fall hatte ich einmal, als ich auf Eckstoß entschieden habe, obwohl der Abwehrspieler den Ball nicht mehr berührt hatte


    Ich hatte eine Spielerin angehalten die Schnürsenkel in Ordnung zu bringen.
    Sekunden später lief der Ball über den Senkel,
    wo ich dann auf Ecke entschied, obwohl sie beteuerte den Ball nie berührt zu haben.

  • Das größte Problem ist glaube ich nicht, dass wir Fehler machen.
    Das größte Problem ist, dass erwartet wird, dass wir KEINE Fehler machen :flop:
    Wenn man das irgendwie "abstellen" könnte, wäre ich sehr froh^^



    Liebe Grüße

  • Mit dem Eckball und dem Abstoß mach ich auch




    ______________


    FC BAYERN FOREVER

  • Erst mal ganz großen Lob für deine Texte:top:
    Ich hoffe, dass du weiterhin tolle Text schreibst.
    Ich bin immer spannend, was du schreibst.
    :top:

    Ich habe keine Ablenkung durch die Geräuschkulisse.
    Ich bin komplett konzentriert auf das, was ich sehe


    Gehörloser Schiedsrichter -
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten.

  • Zitat von pjl;93352

    Wenn man ein paar kleine Fehler gemacht, nach dem Spiel bloß nicht drüber nachdenken. Das Spiel ist gelaufen, man muss sich auf das nächste Spiel konzentrieren.


    Seh' ich anders. Ich gehe grundsätzlich jedes Spiel nochmal ganz genau durch und guck evt. mit meinem Beobachter wo ich Fehler gemacht habe und wie ich die abstellen kann.


    Man kann doch nicht einfach sagen, das ist Vergangenheit, nächstes Spiel kann kommen....


    Zumindest nicht, wenn man Ambitionen hat noch höher zu pfeifen...

  • Das kommt darauf an ob es vermeidbare Fehler waren. Dann sollte man diese schon mal analysieren.
    Wenn ich einen habe, der halt passiert ist, dann nutzt auch die Anneliese nichts mehr, als Beispiel sei hier ein knappes Abseits nach einem Konter genannt wenn der SR allein pfeift.

    Gott sei Dank habt ihr Schiedsrichter, sonst müsstet ihr eure Fehler ja bei euch suchen !