Ansprache vor dem Spiel - oder: Weniger ist oft mehr

  • Ein gerne diskutiertes Thema ist die Ansprache vor dem Spiel. Aber gerade Neulinge fragen sich, was man denn da sagen soll- doch auch altgediente Schiedsrichter tun sich hier oft schwer. Daher zuerst der Grundsatz: Weniger ist mehr. Denke daran, dass eine Ansprache nicht vorgeschrieben ist – und wenn Du nichts zu sagen hast, dann lasse sie lieber ausfallen als mehr oder weniger hilflos herzumzustammeln. Sei Dir bewusst, dass gerade eine Ansprache eine mögliche Unsicherheit Deiner Person gnadenlos aufdecken wird – und dann hast Du den Teufel schon im Spiel bevor selbiges überhaupt begonnen hat.


    Auf der anderen Seite bietet eine Ansprache auch die Chance, eine erste Duftmarke zu setzen. Mache Dir klar, dass Du nicht am Rednerpult stehst und ohne Unterbrechung reden musst, die Sache kann ggf. auch interaktiv laufen. Der beste Einstieg ist immer, die ohnehin notwendige Kontrolle der Ausrüstung (Schienbeinschoner vorhanden) und das Verbot von Schmuck (darauf hinweisen) einzubinden – derartige Dinge sind die Spieler gewohnt, damit bewegst Du Dich auf jeden Fall im neutralen Bereich.


    Beachte: Die Ansprache ist Kür, keine Pflicht – und Du kannst hier selber die Messlatte beeinflussen. Niemand ist verpflichtet, sich selbst das Leben unnötig schwer zu machen. Geniale Redner sind – nicht nur in Schiedsrichterkreisen – selten, wenn Du also kein Naturtalent bist, sei Dir dieser Unzulänglichkeit bewusst, Deine Aufgabe ist ohnehin die Spielleitung und nicht die Rede.


    Traust Du Dir mehr zu, so darfst Du auch ein paar Worte – aber bitte nur wenige Sätze – dazu sagen, wie Du Dir das Spiel vorstellst. Berücksichtige, dass man Dich aber an Deinen Worten messen wird – und wehe, sie entpuppen sich in den ersten Spielminuten als leere Hülsen. Du darfst Dir gerne ein faires Spiel wünschen, denn das ist ein Wunsch und unverfänglich. Du kannst darauf hinweisen, dass es Regeln gibt, die einzuhalten sind – eine Binsenweisheit, aber manchem Spieler schadet eine Erinnerung daran nicht. Vermeide aber darauf hinzuweisen, dass Du für die Umsetzung zuständig bist, denn das setzt Dich unter unnötigen Handlungsdruck. Bei Mannschaften mit hohem Ausländeranteil kannst Du – achte aber auf Tonfall und Wortwahl – darum bitten, dass möglichst nur Deutsch gesprochen wird, damit keine Missverständnisse aufkommen können. Wichtig ist, dass ankommt, dass es sich um eine Bitte und nicht um eine Auflage handelt und die Spieler verstehen, dass die Vermeidung von Missverständnissen in erster Linie ihnen selbst hilft. Als Schlusssatz bietet sich – je nach Stimmung in der Kabine und Charakter des Schiedsrichters – eine aufmunternde Bemerkung an – und da ist nichts so gut geeignet wie das Wetter. Regnet es, so kannst Du darum bitten, den Rasensprenger abzustellen, brennt die Sonne oder ist es schwül, kannst Du zum Saunagang bitten, ist es richtig schönes Fußballwetter, kannst Du darauf verweisen, dass das Wetter heute ideal für Fußball ist. Aber beachte: Liegt Dir so etwas nicht oder ist die Stimmung – warum auch immer - angespannt, dann lass es lieber, auch hier gilt wieder: Weniger ist oft mehr.

  • Mal wieder ein vorzüglicher Text, Manfred. Mein Kompliment. Du solltest Schriftsteller werden! :top:

    FSK 6 Es gibt kein richtiges Mädchen
    FSK12 Der Held bekommt das Mädchen
    FSK16 Der Böse bekommt das Mädchen
    FSK 18 Alle bekommen das Mädchen

  • Bevor ich nach der Prüfung meine erste Ansetzung bekam, bin ich bei einigen Schiedsrichtern zum "Hospitieren" mitgefahren. Dabei habe ich miterlebt, wie unser junger Lehrwart vor einem C-Junioren-Verbandsliga-Spiel kurz vor dem Spiel die Trainer in die SR-Kabine bat, um noch einmal auf ein paar Dinge einzugehen, z.B. Behandlung von verletzen Spielern, Auswechslungen, Verhalten in der Coachingzone usw. Der weitgereiste Gästetrainer fühlte sich daraufhin dazu berufen, dem SR erklären zu wollen, wie es ablaufen muß (anstatt umgehkehrt). Somit war für mich schon vor meinem 1. Einsatz klar, dass ich auf jegliche Ansprachen vor dem Spiel verzichten werde, auch damit man sich nicht von vornherein selbst in der Spielleitung einengt und festlegt.


    Im November hatte ich als Austauschspiel ein Spitzenspiel der 1. KK zu pfeifen. Entweder waren dort Kabinenansprachen üblich oder man wollte mich als unbekannte Größe richtig einordnen können, jedenfalls kamen vor dem Spiel beide Trainer unaufgefordert zu mir in die SR-Kabine und wollte von mir wissen, ob sie etwas besonderes bei mir zu beachten hätten. Dies habe ich pauschal verneint, aber da sie ja unbedingt etwas hören wollten, habe ich angemerkt, dass ich auch "Verbalfouls" (Beleidigungen) ahnde. War aber mal wieder zwecklos, obwohl die Trainer ihre Spieler daraufhin vorgewarnt hatten, gab es in der 2. Halbzeit eine SR-Beleidigung und somit :rote_karte:.

    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit."
    (Marie von Ebner-Eschenbach, österreichische Schriftstellerin, *1830 +1916)


    "Mancher ist für die Wahrheit, solang die Wahrheit für ihn ist."
    (Charles Tschopp, schweizer Schriftsteller, *1899 +1982)

  • Also Manfred, ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus, Deine Texte sind immer wieder klasse, ich werde sie mir mal ausdrucken und wirklich verinnerlichen! Sie sind verdammt viel Wert! :top:


    J.R.

    "Ein J.R. Ewing hat keine Magengeschwüre! Ein J.R. Ewing verursacht sie!"
    J.R. lebt! In memorarum an Larry Hagman (1931 bis 2012). Danke für die tolle Zeit bei DALLAS!!!

  • Ich verzichte vor dem Anstoß auf Ansprachen jeglicher Art gegenüber den Spielern, da diese das sowieso nicht wirklich interessiert. Ein paar launige Bemerkungen während der Platzwahl oder des Mannschaftsgrußes an die Zuschauer reichen da oft aus, um die Atmosphäre ein bisschen aufzulockern.
    Alles andere wird mit den beiden Mannschaftsverantwortlichen bei der obligatorischen "Kabinenpredigt" in der SR-Kabine geklärt.

    :ironie: "Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.":ironie:
    Christian Morgenstern

  • Ich würde sagen, Manfred hat hier ein Thema angesprochen, zu dem es wirklich eine Menge Meinungen gibt. Jeder Schiedsrichter hat seinen eigenen Stil und seine eigene Art, ein Spiel zu beginnen und mit den Mannschaften umzugehen.
    Ich halte es als eine Art Mischung aus Manfred und Hallenser: Große Worte gibt's bei mir in der Kabine nicht (nur obligatorische Schmuck-Hinweise bzw. bei Jugenden kurze Ansprache zu den Auswechslungen). Was ich aber mache, ist vor dem Spiel (wenn es sich anbietet) mal ein bisschen Small Talk zu halten oder einen lockeren Spruch vom Stapel zu lassen. Kommt übrigens, wenn dem Spielcharakter angemessen, während des Spiels ganz gut, wenn der SR zeigt, dass er Mensch und keine Maschine ist.


    Bsp.:
    "Schiri, wie lang noch?"
    "Noch 15 Minuten müssen Sie durchhalten"
    "Was, so kurz? Aber die zweite Hälfte geht immer viel schneller rum als die erste..."
    "Macht der Sauerstoffmangel, da kommt einem immer alles so schnell vor"


    Zum Thema:
    Manfred, du hast hier ein paar super Anregungen für den jungen Schiedsrichter gegeben, denn solche Dinge werden leider auf den Lehrgängen gerne mal vergessen und für mich war es am Anfang unheimlich schwer rauszukriegen, was ich jetzt vor dem Spiel eigentlich genau machen/sagen soll.

    Nur noch fünf Sekunden, nur noch die wenigen Stufen zum Spielfeld hinunter, und dann bleibst du allein, inmitten Tausender von Menschen...


    Pierluigi Collina

  • Interesantes Thema - hier bei uns nicht wirklich häufig genutzt!
    Ich hatte in meiner "aktiven Zeit" eigentlich nie solch eine Ansprache gehört.
    Finde die Idee an sich nicht schlecht - allerdings nicht bei allen durchsetzbar. Eine A oder B-Jugend wird sich das wohl eher nicht so zu Herzen nehmen, denke ich. Einfach meine Einschätzung, wie ich die anderen in meinem Alter kenne ;)


    Aber, wie immer, einer Spitzentext von dir, Manfred!!! :top:
    Ich bin ja für einen Titel für Manfred :laola:

  • Meine einzige Ansprache in den fast 25 Jahren SR-Tätigkeit:


    Bei der Einführung der Schmuckregel habe ich mir den Spruch aufgehoben:
    " Denjenigen, den ich auf dem Platz mit Schmuck erwische, zahlt freiwillig 10EUR in die gegnerische Mannschaftskasse"


    Kurzes Gelächter und lockere Stimmung, das wars.


    Ansonsten nur. " Gutes Spiel " und fertig !



    Die Leistung auf dem Platz zählt und nicht der Applausfaktor in der Umkleidekabine ;)

    "Der Schlüssel zum Erfolg ist Kameradschaft und der Wille, alles für den anderen zu geben."
    - Fritz Walter († 17. Juni 2002)

  • Kompliment Manfred, wieder ein toller und hilfreicher Text.:top:


    Ich lese gerade von Nick Hornby das Buch "Fever Pitch", aber im Vergleich zu Deinen Texten ist das Buch höchstens Durchschnitt (wie z.B. der BVB:D)



    btt:


    Ich stelle mich immer nur kurz vor (Name / Verein) und wünsche beiden Mannschaften ein faires und gutes Spiel. Bei einem Spiel bekam ich vorab die Info, dass die Gastmannschaft gerne lamentiert und meckert. Bei der Ansprache habe ich kurz gesagt das ich kein Gemecker oder ähnliches hören möchte, und ich es entsprechend ahnden werde.
    Es war ein wunderbar ruhiges Spiel, aber das funktioniert glaube ich auch nur bis zur C-Jugend.

    :hsv1: IN DUBIO PRO RAUTE! :hsv1:


    25.05.1983 - Die Helden von Athen:


    Uli Stein - Bernd Wehmeyer, Holger Hieronymus, Dietmar Jakobs, Manfred Kaltz - Wolfgang Rolff, Jürgen Groh, Felix Magath, Jürgen Milewski - Horst Hrubesch, Lars Bastrup (ab 61. Min. Thomas von Heesen)


    Trainer: Ernst Happel



    Nicht selten sind wir nach dem Spiel so richtig deprimiert,
    wir freuen uns schon wenn unser Team zumindest nicht verliert.
    Es ist schwer - wir sind Fans vom HSV!

  • Zitat von Markus;92837


    Aber, wie immer, einer Spitzentext von dir, Manfred!!! :top:
    Ich bin ja für einen Titel für Manfred :laola:


    Mein Vorschlag: "Literat des Forums" :)

    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit."
    (Marie von Ebner-Eschenbach, österreichische Schriftstellerin, *1830 +1916)


    "Mancher ist für die Wahrheit, solang die Wahrheit für ihn ist."
    (Charles Tschopp, schweizer Schriftsteller, *1899 +1982)

  • Danke Manni
    Als neuer sauge ich natürlich solche Beiträge besonders auf.

    Berti Vogts: Sex vor einem Spiel? Das können meine Jungs halten, wie sie wollen. Nur in der Halbzeit, da geht nichts.

  • Eine Ansprache in der Umkleide geht gar nicht. Das ist das Revier der Mannschaften. Vor dem Spiel gibt es bei mir auch keine große Rede. Wie oben gesagt, ist weniger oft mehr. Ein lockerer und freundlicher Umgang mit den Mannschaften ist für wichtig und nicht die Masse an Worten.


    Übrigens habe ich letzte Woche in der VL für nen Lacher bei der Platzwahl gesorgt. Ich habe zur Heimmanschaft gesagt, ihr seit der Gast ihr dürft euch die Farbe auf der Wählmarke aussuchen...:D

  • Habe Fr Kreisklasse Senioren bei sehr funzeligem Flutlicht gepfiffen- da gab es Proteste, weil ich zwei Bälle nicht "AUS" gepfiffen habe. Sorry- ich hatte diese nicht "AUS" gesehen und somit gilt - Weiterspielen bis der Pfiff kommt. Komisch, dass das einige Spieler nicht verinnerlichen können.


    Offensichtlich auch nicht die Abwehrspieler des FC Bayern, die sich durch Reklamieren und Einstellen der Abwehrarbeit den Siegtreffer des VfB einbrockten- ich fasse es nicht.


    Gestern hatte ich dann ein B-Jgd-Verbandsligaspiel. Ich war etwas nervös- und Proteste wg vermeintlicher Ausbälle wollte ich mir diesmal ersparen. Also bat ich nach dem Auflaufen die Spieler zu einer kleinen Ansprache (ungefährer Wortlaut):


    "Kommt bitte nocheinmal kurz zusammen. Ich habe heute Morgen noch im DSF die Bayern-Niederlage gesehen. Da hören die Bayern Spieler doch tatsächlich auf, Fußball zu spielen, weil sie einen Ball im Aus meinen und kassieren das 2-1 durch den VfB. Ihr könnt es heute besser machen.
    Ich pfeife ohne Assisstenten und die Linien sind ziemlich krumm. Ihr spielt solange weiter, bis der Pfiff kommt. Der Ball ist so lange im Spiel, wie kein Pfiff ertönt.
    Viel Spaß!"


    Die Spieler hörten gespannt zu, lachten auch und gingen locker auf ihre Positionen- ich fand es einen guten Einstieg. Dass ich damit vor allem meine eigene Nervosität bekämpft habe, brauche ich ja keinem zu erzählen.


    Einige Zuschauer hatten das mitbekommen und fanden es auch nett. Aber ein Zuschauer meinte nach dem Spiel, das wirke wie eine Alibi-Ausrede vor dem Spiel und wirke so, als wollte ich mir vor dem Spiel künstlich schon Entschuldigungen für etwaige Fehlentscheidungen zurecht legen.
    Das ist dann natürlich nicht gut.


    Fazit: Gestern habe ich für einen guten Spielstart für die Jugendlichen (und mich :p) gesorgt. Da ich jetzt aber weiß, dass es zumindest auf einige Beteiligte auch als Schwäche interpretiert wird, werde ich sowas in Zukunft lassen.


    Dabei ich fand das eine so gute Idee, da wir uns hier in "Südschweden" ja fast geschlossen über Bayern-Niederlagen freuen.

  • Finde eine Ansprache vom Schiri vor dem Spiel nicht schlecht, sie sollte aber kein Roman sein. Deine Ansprache hätte mich auf jeden Fall auch erheitert :)

  • Moin,


    ich mache die Ausrüstungskontrolle immer in der Kabine beider Mannschaften.


    Nachdem ich höflich angeklopft habe gehe ich rein und begrüße die Akteure mit einem freundlichen "Moin Moin". Der übrige Dialog ist eigenlich immer ähnlich ich erinnere noch mal daran, dass Schmuck verboten und Schienbeinschoner pflicht sind. Und dann wünsche ich UNS ein gutes und faires Spiel.


    Wichtig bei einer Ansprache ist, dass man als SR einen sicheren Eindruck macht und nicht zu viel erzählt. Ein unsicher auftretender SR vor dem Spiel in der Kabine kann schnell zu einem Spielball der Spieler werden.


    Also - wie bereits im Thread erwähnt - man tut sich keinen Gefallen mit einer Ansprache, wenn diese nicht ankommt.


    Flotte Sprüche zum Wetter halte ich dagegen für bedenklich.


    Gruß

  • Die Ausrüstungskontrolle der Spieler erfolgt bei uns immer am Spielfeldrand vor dem Auflaufen der Mannschaften. In die Kabinen der Mannschaften gehe ich prinzipiell nicht. Das ist bei uns völlig unüblich und ich auch niemandem dazu raten, außerdem wüsste ich eigentlich auch nicht, aus welchem Grund ich dort anwesend sein müsste.

    :ironie: "Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.":ironie:
    Christian Morgenstern

  • Wird Euch vorgeschrieben, wo die Ausrüstungskotrolle statt zu finden hat?


    Deine grundsätzliche Abneigung kann ich nicht ganz teilen nur weil es bei Euch unüblich ist. Ich finde die Ansprache in der Kabine einfach persönlicher als im Trubel rund um den Platz.


    Das kommt natürlich auch auf die Spielklasse an. Zumal auch nicht überall aufgelaufen wird. Da finde ich die Ausrüstungskontrolle auf dem Platz - ehrlich gesagt - ziemlich albern.


    Gruß

  • Ja, die ist bei uns vorgeschrieben. Auf den Spielfeld wird kontrolliert und dann wird aufgelaufen. Und das wurde so immer gehandhabt. Anders kenne ich es nicht.