Weil nicht sein kann, was nicht sein darf...

Vor ca. 8 Wochen hatte ich als Allein-SR ein Spiel, bei dem ein Spieler vor dem Anpfiff in meinem Rücken "Sieg Heil" rief. Da ich trotz sofortigen Umdrehens den Täter nicht ausmachen konnte, ging es nicht mit , sondern mit Anstoss weiter.
Nach dem Spiel habe ich den Vorfall dem Trainer vorgehalten, so dass dieser dafür sorgte, dass der Spieler zu mir in die SR-Kabine kam, sich als Täter zu erkennen gab und für den Ausruf "Sieg Heil" entschuldigte. Somit konnte ich in meinem diesbezüglichen Sonderbericht den Spieler benennen.

Der Staffelleiter kündigte mir an, dass es bestimmt eine mündliche Sportgerichtsverhandlung geben würde. Über zuverlässigen Buschfunk erfuhr ich dann, dass der Sonderbericht vom Kreissportgericht zum Landesverband, von dort zum DFB und dann wieder retour ging. Als ich nach 4 Wochen noch keine Ladung vom Gericht hatte, erfuhr ich auf Nachfrage vom Staffelleiter, dass der Fall ohne mündliche Verhandlung entschieden worden sei und der Spieler nach kurzer Sperre schon wieder spielen dürfe. Ich habe mich darüber sehr gewundert und konnte es mir nur so erklären, dass der Spieler sich reuig entschuldigt hatte und glaubhaft machen konnte, dass er nicht aus Überzeugung, sondern "nur" als (schlechten) Scherz gerufen hatte.

Heute wurde mir am Rande meiner Jugendsportgerichtsverhandlung in anderer Sache dann auf`s Brötchen geschmiert, dass das Sportgericht festgestellt habe, der Spieler habe nicht "Sieg Heil", sondern etwas anderes gerufen!? Dies erklärt mir zwar nun das offensichtlich milde Urteil, aber wie konnte das Sportgericht von meinem Sonderbericht abweichen, ohne mich auch nur mündlich anzuhören...?

Langsam beginne ich die SR zu verstehen, die alles tun, um Sonderberichte zu vermeiden...

Keine Sorge, wo Sonderberichte erforderlich sind, werde ich diese selbstverständlich auch weiterhin schreiben. Ich habe seit gestern nur etwas mehr Verständnis für die SR, die das nach ähnlichen Erfahrungen anders handhaben. Meine Beziehungen werde ich nur insofern nutzen und nutzen können, dass ich möglichst nicht mehr in den Bereichen als SR angesetzt werde, wo die Zuständigen offensichtlich gerne etwas unter den Teppich kehren - aus Fusionsgründen gibt es bei uns z.Z. mehrere Sportgerichte mit verschiedenen Zuständigkeiten und darunter gibt es zum Glück auch brauchbare.

Nach hiesiger Handhabung habe ich fast keine Chance, an den Wortlaut des Urteils heranzukommen, aber das wäre wohl der erste entscheidende Schritt zur Aufklärung dieser Kuriosität.
Da ich erst 1 Jahr in der Branche bin, sind meine Beziehungen nicht so gut, wie die Beziehungen derjenigen, die an diesem Urteil direkt und indirekt mitgewirkt haben, die sind nämlich alle in der Altersklasse Ü50 und schon teilweise ca. 30 Jahre als Funktionäre verwurzelt. Mein SR-Ausschuss-Vorsitzender kann mir leider auch nicht weiterhelfen. Dies weiß ich so genau, weil letztes Jahr meine Sonderberichte zu einem Spiel komischerweise nie den Weg vom Staffelleiter zum zuständigen Sportgericht fanden. Da war mein Vorsitzender leider auch ohnmächtig und hat mir gesagt, er kann da leider nichts für mich erreichen. Dies hat den Hintergrund, dass der Staffelleiter und mehrere seiner Verwandten ersten Grades allesamt im Verbandsvorstand sind... Der gestrige Überbringer des "verfrühten Geburtstagsgeschenks" war übrigens der mächtigste Mann bei uns überhaupt, unser Geschäftsführer.

Für die Lokalsportredaktion arbeitet insbesondere die Ehefrau unseres Pressewarts, der ist übrigens auch Vorstandsmitglied. In den letzten Wochen und Monaten haben wiederholt hochrangige SR, die auch im Schiedsrichter- und Spielaussschuss Mitglied sind, versucht, Mißstände durch Leserbriefe anzuprangern. Die Leserbriefe wurden dann entweder wegen Zensur durch den Pressewart erst gar nicht veröffentlicht oder sie wurden veröffentlicht. Dies hatte dann allerdings zur Folge, dass der betreffende SR sich in einer Vorstandssitzung für seine Vorwürfe entschuldigen musste, nachdem man ihm die Pistole auf die Brust gesetzt hatte, d.h. man hatte ihm gesagt, dass man ihn andernfalls als Staffelleiter absetzen werde und dafür sorgen würde, dass er als Schiedsrichter gestrichen wird. Weitere Drohungen waren, ihn wegen verbandsschädigendem Verhalten vor das Sportgericht zu bringen und bei seinem Dienstherrn (er ist Beamter) vom Justitiar des Fussballverbandes eine Dienstaufsichtsbeschwerde erheben zu lassen.

Noch Fragen?

Nö, aber unkaputtbare DDR-Seilschaften...;)

Also bei "Sieg Heil" ist sicher auch bei geständigen Spielern eine deutliche Strafe angemessen. Vor dem Geständnis des Spielers hatte ich ja dem Trainer so oder so einen Sonderbericht angekündigt, da der Ausruf ja zweifelsfrei von einem Spieler seiner Mannschaft kam. Dann wäre m.E. der Verein bestraft worden, durch das spätere Geständnis "nur" der Spieler.

In der Regel reicht es ja, wenn der SR der Einzige ist, der etwas gehört hat. Das ist bei uns gängige Handhabung der Sportgerichte und wird auch durch unsere Rechts- und Verfahrensordnung gestützt. Das für mich nicht Nachvollziehbare ist, dass man ausgerechnet in diesem, m.E. schwerwiegenden, Fall davon abgewichen ist, noch dazu ohne mich mündlich anzuhören. Der Geschäftsführer hat mir gestern ausdrücklich gesagt, das Sportgericht sei zu dem Ergebnis gekommen, der Spieler habe etwas anderes als "Sieg Heil" gerufen, obwohl ich dies explizit in meinem Sonderbericht angegeben hatte.

Nein!
Vielleicht wollte man ja gegenüber dem DFB darlegen, dass ganze sei nur ein bedauerlicher Irrtum gewesen...

Schließlich gibt es ja in ganz Sachsen-Anhalt keine Rechtsradikalen!

Mir gibt zwar keiner das Urteil, aber ich weiß jetzt trotzdem, was drinsteht:p:
Im schriftlichen Verfahren (eine mündliche Verhandlung hat man vermieden;)) hat der fehlbare Spieler sich dahingehend eingelassen, dass er im Bezug auf den vorhergehenden Schlachtruf ("Teamgeist!") seiner Mannschaft lediglich zu einem Mitspieler geäußert habe: "Das hört sich ja an wie `Sieg Heil!´". Dies hat der Mitspieler auch so bestätigt.
Das Sportgericht hat den Spielern ohne Rücksprache mit mir Glauben geschenkt und den Spieler freigesprochen. Wegen einer Vorsperre durch den Staffelleiter aufgrund meines Sonderberichts durfte der Spieler bis zu gerichtlichen Entscheidung allerdings 2 Wochen nicht mitspielen.

So, jetzt darf also jeder von uns darüber philosophieren, ob rechtskräftige Gerichtsurteile stets mit der Wahrheit gleichzusetzen sind...

P.S.: Tatsächlich erst heute ist mir aufgefallen, dass ein Funktionär des Vereins der beiden o.g. Spieler - selbstverständlich rein zufällig - auch Mitglied im Vorstand unsere Kreisverbandes ist.

Als Ansetzer bin ich selbst Mitglied im SR-Ausschuss.

Für die Äußerung "Sieg Heil" bin ich der einzige Zeuge. Der Spieler und sein Mitspieler stellen die Äußerung anders dar. Die Gastmannschaft hat gegenüber dem Sportgericht schriftlich angegeben, dass man gar nichts - also weder meine noch die Variante des Spielers - gehört hat.
Somit dürfte der Freispruch als solcher nicht angreifbar sein. Irritierend ist aber halt, dass hier ganz entgegen der sonstigen Praxis unseres Sportgerichts nicht gemäß Rechts- und Verfahrensordnung der Tatsachenentscheidung des SR, die sich bei uns auch auf den Sonderbericht erstreckt gefolgt ist. Damit will ich nicht sagen, dass ich mich nicht irren kann, aber zumindest hätte ich eine Rückfrage des Sportgerichts vor einem etwaigen Freispruch erwartet.

Ich werde mich nicht darum bemühen, dass Urteil anzugreifen, mein KSO weiß auch so, was ich von dem Zustandekommen des Urteils halte.

Update: Diese Woche wurde seitens der Polizei, bei der der Verband offensichtlich vorschriftsmäßig den Vorfall gemeldet hatte, beim Verband nachgefragt, was aus der Sache geworden ist. Mal sehen, ob die Beamten den Freispruch des Sportgerichts "schlucken".