Die spinnen, die Briten - warum verstehen wir die Tommies nicht?

  • Hallo.
    Wir hatten ja im Bereich Pressetexte die Diskussionen zum Verhalten des englischen SR-Chefs und der Sperre des SR Styles. Da mir einiges an anderem bzw. fehlendem Verständnis für die englische Sichtweise und englische Gepflogenheiten gegeben zu sein scheint, mache ich einfach mal dieses Thema auf.


    Die englische Sprache hat einiges an Doppeldeutigkeiten und Wendungen, die man als Deutscher bei wörtlicher Übersetzung mißdeuten kann. Und bestimmte Handlungen und Äußerungen, und da gebe ich Christoph recht, haben in England eine andere Deutung bzw. eine andere Außenwirkung. Das ist nicht nur auf den Sport bezogen, sondern hat auch im Alltagsleben seine Auswirkungen. So kann brick im englischen sowohl Backstein heißen als auch Idiot. An der falschen Stelle gesagt kanns schon Ärger geben.


    Dafür fehlt den meisten Deutschen leider das Verständnis. Und dies trifft auch auf den Fußball zu. Ich befasse mich schon seit Jahren recht eng mit der Premier League und dem britischen Fußball im Allgemeinen, aber trotzdem fällt es mir bei bestimmten Sachen schwer, diese auf den ersten Blick richtig einzuordnen.


    Das englische Schiedsrichterwesen ist wesentlich rigider was Anweisungen und Status des SR angeht.
    Die Kleidung darf in den Amateurbereichen ausschließlich schwarz mit weißem Kragen sein, in einigen Counties werden auch weiße Manschetten vorgeschrieben. Farbige Trikots sind der Premier League und der Football League vorbehalten. Die Beobachter ziehen auch Punkte ab, wenn die Schuhe des SR zu viel Farbe zeigen, denn dies ist auch reglementiert. Predators im schwarzen Farbschema bringen hier schon Ärger. Das geht soweit, daß einige Kollegen auf der Insel die Schuhe mit Edding nachschwärzen, damit sie sie tragen können.
    Auch wird hinsichtlich der Farbe vorgeschrieben welche Fahnen wie zu benutzen sind. Assistent 1 muß eine karierte Flagge haben, Assistent 2 eine unifarbene. Dies hat auch Einfluß auf Beobachtungen!
    Bei der Regelauslegung ist es ähnlich, insbesonders bei den technischen Voraussetzungen für die Austragung des Spieles, diese werden detaillierter vorgeschrieben und haben auch viel mehr Einfluß in den Bewertungen der SR durch Beobachter. Viele nutzen dort z. B. Druckmesser, da Beobachter zum Teil die Bälle nachmessen. Oder die Vollständigkeit der Markierung (ich rede jetzt nicht vom Fehlen von Markierungen, sondern daß Markierungen nicht vollständig in der vorgeschriebenen Dicke ausgeführt sind).


    Und das Verhältnis zu den höherklassigen SR ist ein anderes, auch wenn diese menschlich gesehen top sind. Bei uns im DFB hat man ja doch ein Gemeinschaftsgefühl und auch für SR, die "nur" in der Kreisklasse pfeifen (und damit jede Woche einen wichtigen Beitrag zum Wesen des DFB leisten), ist der SR in der Bundesliga "Einer von uns". Dies ist in England etwas anders, vor allem auch wegen bestimmter Sonderrechte, die die Top-SR haben. Wie farbige Trikots. Wie die vorrangige Belieferung mit den neuen Umbro-Sätzen nach der Umstellung des Sponsors der Premier League. Bei uns in D waren die Adidas-Trikots ja schon vor Beginn der Saison verfügbar und auch "normalen" SR zugänglich, in England sieht dies mit den Umbro anders aus, dort warten, obwohl die Trikots schon über vier Wochen offiziell erhältlich sind, immer noch etliche auf ihre Bestellungen. Hängt auch damit zusammen, daß es nur einen offiziellen Lieferanten gibt, aber eben auch mit der Priorität für bestimmte Gruppen im SR-Wesen.
    Die Qualifizierungen sind auch etwas strikter als bei uns und dies hängt auch mit dem anderen Spielbetrieb zusammen. Und aus den Qualifizierungen ergeben sich bestimmte Klassifizierungen, die wesentlich strikter und ernster hinsichtlich der Beachtung und Wahrnehmung empfunden werden.
    Mal ein Beispiel hierzu. Bei uns in D ist es eigentlich hinsichtlich der Spielklasse egal, ob ein SR, der mit neutralen Assistenten eingesetzt wird, Funkfahnen einsetzt. Natürlich geben erfahrene Kollegen und auch teilweise die Beobachter jungen und grade erst aufgestiegenen Kollegen den guten Rat, erst mal auf die Spielzeuge zu verzichten (um den Augenkontakt zu suchen und sich generell an ein sauberes Zusammenspiel Assistenten und SR zu gewöhnen), aber schlußendlich ist es die Entscheidung des SR, welche Ausrüstung er nimmt. Bei den Engländer vertreten viele Kollegen die Meinung, daß es erst ab einem Niveau entsprechend Oberliga bei uns notwendig ist, solche Fahnen zu nutzen und sehen es fast als Frevel an, wenn jemand aus den unteren Leistungsniveaus darüber nachdenkt, sich solche Fahnen zuzulegen.
    Ebenso ist es in England gang und gäbe, daß der SR (auch in den untersten Klassen) mit Anzug und Kravatte, häufig mit aufgebrachtem Logo des Counties und der offiziellen Kravatte der FAMOA (Football Association Match Official Association, der englische SR-Verband), die übrigens auch jährlich wechselt, anreisen. Und die bekommen diese nicht gestellt, diese Artikel müssen für teures Geld kaufen (die Teile kosten immerhin 13,- GBP, knapp 20,- €).


    Soviel mal als erste Anregung für weitere Diskussionen und vielleicht fällt dem ein oder anderen ja noch was ein, was zum Verständnis der englischen Sichtweise weiterhilft.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Andere Länder andere Sitten!


    Einiges finde ich gut und anderes nicht!

    Es gibt Leute, die denken Fußball ist eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist. (Bill Shankly)

  • Warum sind wir kein ENGLISCHES SR-Forum ??


    Damit wäre uns die Diskussion bzgl. Farbwahl der Trikots, Einsatz von Funkfahnen bei einem B-Jugend-Freundschaftsspiel und T-Shirt mit SR-Slogan, sowie etliche Trash-Posts erspart geblieben


    Aber dann wären sicherlich einige von unseren Usern an ihren Wünschen und Träumen zugrunde gegangen !


    :ironie::ironie:

    "Der Schlüssel zum Erfolg ist Kameradschaft und der Wille, alles für den anderen zu geben."
    - Fritz Walter († 17. Juni 2002)

  • Na, auch ein Bericht aus den Niederlanden.


    Merkwürdig ist bei uns, dass es eine strenge Trennung gibt zwischen dem Profi- und dem Amateurbereich.
    Die Meister aus den höchsten Amateurligen dürfen nicht aufgrund ihrer Meisterschaft aufsteigen. Sie können schon einen Aufstieg beantragen, aber das kann man auch wenn man sogar nicht in der höchsten Amateurklasse spielt.
    Aus konfessionellen Gründen gibt es eine Trennung zwischen Erstmannschaften, die am Samstag spielen, und denen, die sonntags spielen. Beide Tage haben 3 Hoofdklasse-Staffeln (die höchste Spielklasse für Amateurs)


    Des weiteren haben Vereine in den Niederlanden viel mehr Mannschaften als in Deutschland. Vereine mit einer 11./12. Seniorenmannschaft sind keine Ausnahme.


    Es gibt eine Trennung zwischen Erstmannschaften und Reservemannschaften (wie auch in einigen Gegenden Deutschlands).


    Es gibt 6 Distrikte des KNVB, die alle einigermaßen gleich funktionieren.
    Schiedsrichter werden angesetzt ab dem 4. Niveau der Reservemannschaften (es gibt noch zig Mannschaften unter diesem 4. Niveau), aber ohne neutrale Assistenten. Wohl gibt es Vereinsassistenten, die bei ihrer eigenen Abwehr stehen müssen und auch Abseits winken dürfen. Die Entscheidung bleibt aber dem Schiedsrichter und er darf das Signal jederzeit ignorieren.
    Nur im höchsten Amateurbereich gibt es neutrale Assistenten (und im ganzen Profibereich selbstverständlich).