Wurfvergehen mit dem Spielball außerhalb des Spielfeldes

  • Wir hatten das Thema schon einmal vor ein paar Jahren. Jetzt taucht es als Regelfrage „Situation 8“ in der SZ 3/25 auf.


    Der Torhüter wirft während des laufenden Spiels aus dem Torraum heraus den Spielball gegen einen seitlich des Tores außerhalb stehenden Gegenspieler.


    Es gibt den Strafstoß mit der Begründung, dass der Kontakt zwar außerhalb des Spielfeldes war, aber die Situation dann als auf der Linie bewertet wird. Der fällige Platzverweis wurde dann wohl vergessen.


    Offensichtlich ist dann die Auslegung, dass nicht nur der Ort des Vergehens anstatt eines Punktes zu einer lange Linie wird, sondern der Zeitpunkt auch zu einem Zeitraum.


    Es ist zwar klar, dass bei Kontakt- und Wurfvergehen außerhalb des Spielfeldes die Spielfortsetzung auf die Stelle der Auslinie verlegt wird, die dem Ort des Vergehens am nächsten liegt. Die Voraussetzung ist aber, dass der Ball auch zu diesem Zeitpunkt im Spiel sein muss, siehe 12.4 erster Absatz.


    Der Strafstoß ist für mich daher nicht schlüssig und zu 100 % aus dem Regeltext ableitbar. Hier ist der Ball nämlich zuerst im Aus, bevor der strafbare Kontakt bzw.. das physische Vergehen vorliegt. Der Regeltext verlegt nur den „Ort der Spielfortsetzung“ auf die Linie. Eine Verlegung des „Ortes und Zeitpunkt des Vergehens“ auf die Linie kann ich nicht erkennen.



  • Der Zeitpunkt dse Vergehens ist meiner Meinung nach der Zeitpunkt des Werfens, nicht der des Treffens. Als der Torhüter sich entscheidet, den Gegner abzuwerfen, ist schon klar, dass er FaD und dF bekommt.


    Ausführung da, wo er trifft oder treffen wollte.

  • Kuba16 Du meinst also, dass bei einem physischen Vergehen für die Strafbarkeit der Zeitpunkt entscheidend, wann es eingeleitet wird und nicht wann der Kontakt stattfindet bzw. hätte stattfinden sollen.


    Anderes Beispiel: Während der Ball Richtung Torauslinie rollt, springt ein Verteidiger zur Blutgrätsche ab, er trifft den Angreifer aber erst dann brutal, als der Ball bereits die Linie vollständig überquert hat. Gibst du dann auch Strafstoß, weil der Zeitpunkt der Vergehens mit dem Absprung der Blutgrätsche beginnt?

  • In der Begründung steht explizit "im Bereich der Strafraummarkierungen".

    D.h., wenn der TW aus dem Strafraum heraus einen Spieler trifft, der z.B. neben der Seitenlinie steht, würde es keinen Strafstoß geben, was dann gegen die Aussage von @Kuba spricht.


    Für mich wäre es auch erstmal logischer, den Ort des Wurfs als Ort des Vergehens "Werfen" zu definieren, aber die gängige Auslegung nutzt den Ort des Treffers. Hat auch Vorteile, weil das ja der Ort ist, wo die Auswirkungen zu spüren sind - und wenn z.B. ein Angreifer im Strafraum von außerhalb abgeworfen wird und dadurch eine gute Torchance verliert, macht ein Strafstoß auch mehr Sinn.


    Der Feldverweis wurde übrigens in der Fragestellung abgehandelt, deshalb wird er in der Antwort nicht erwähnt.

  • Für mich wäre es auch erstmal logischer, den Ort des Wurfs als Ort des Vergehens "Werfen" zu definieren, aber die gängige Auslegung nutzt den Ort des Treffers.

    Dass der Ort des Treffers zu verwenden ist, ist keine Auslegung sondern hart festgeschriebene Regel (Regel 12.4 ziemlich weit unten).


    Das Vergehen: Werfen oder der Versuch zu Werfen.

    Der Zeitpunkt: Der Moment des Wurfs oder des Wurfversuchs.

    Der Ort: Da, wo man treffen wollte.

    Ort der Spielfortsetzung: Ganz normal am Ort des Vergehens, ggf. auf die nächste Seitenlinie verlegt.


    Daraus folgt dann auch, dass der Ball im Moment des Vergehens eben noch im Spiel ist, auch wenn der Ort des Vergehens außerhalb liegt.

    Da das auch eine Spezialregel bezüglich Wurfvergehen ist, ist damit die Allgemeinregel für die Bestimmung des Ortes hier nicht anzuwenden.


    D.h., wenn der TW aus dem Strafraum heraus einen Spieler trifft, der z.B. neben der Seitenlinie steht, würde es keinen Strafstoß geben,

    Tatsächlich ist die Regel genau so geschrieben. Wenn der TW einen Spieler abwerfen will, der nicht im Strafraum steht, dann gibt es keinen Strafstoß sondern nur direkten Freistoß. Für die Entscheidung über den Ort der Spielfortsetzung hat der Ort des Werfers keine Relevanz.

  • OK. Andres Beispiel. Ein Spieler wirft eine Trinkflasche absichtlich auf einen Auswechselspieler, der im Bereich des Wassergrabens der Laufbahn steht, während der Ball noch im Spiel ist. Getroffen wird er aber erst, als der Spielball bereits ins Toraus gerollt ist.


    Mir geht es um Klarheit im Regelwerk und der (DFB-?) Auslegung bei Wurfvergehen hinsichtlich Zeitpunkt und Ort. Die Auslegung ist offenbar:


    Entscheidend für den Zeitpunkt ist die Einleitung, als Beginn der Wurfbewegung. Entscheidend für den Ort der Spielfortsetzung, ist die Stelle, wo getroffen wurde oder sollte, auch wenn der Ball mittlerweile aus dem Spiel ist.


    Ich kann das dem Regelwerk leider nicht wortwörtlich entnehmen.

  • Ich kann das dem Regelwerk leider nicht wortwörtlich entnehmen.

    Dann guck mal, was eigentich beim "Wurfvergehen" genau das Vergehen ist und überleg mal, wann dieses vollendet ist.


  • Für den Wurf des Spielballs greift aus 12.4 nicht der Abschnitt zum Werfen (weil dort der Spielball explizit ausgeschlossen ist), sondern der allgemeinere zu Vergehen gegen Personen außerhalb des Spielfelds:

    Streng nach Wortlaut definiert 12.4 den Ort des Vergehens dann nicht dort, wo das Opfer steht, sondern nutzt den Ort der Beeinträchtigung.

    Wenn es keine Beeinträchtigung gibt (weil der Wurf nicht sein Ziel erreicht), gibt es also erstmal keinen Anlass den Ort des Vergehens nicht am Standpunkt des Werfers zu sehen - der Freistoß würde dann allerdings auf die Stelle der Begrenzungslinie gelegt, die dem Ort des Vergehens, also des Werfers am nächsten liegt.


    Zugegeben unnötig kompliziert, aber manchen von euch gefällt das ja. ;)

  • Da steht aber "getroffen hat oder hätte". Da geht es also nicht darum, wo der Wurf hingegangen ist, sondern wo er hätte hingehen sollen. Das gilt auch für den allgemeinen Wurf von irgendwas (inkl. Spielball) auf einen Außenstehenden.

  • ür den Wurf des Spielballs greift aus 12.4 nicht der Abschnitt zum Werfen (weil dort der Spielball explizit ausgeschlossen ist),

    Guter Einwand. Allerdings ist das logisch, da der Spielball ja zunächst einmal in erlaubter Weise aus taktischen Gründen auf einen Gegenspieler gekickt oder geworfen werden darf, z. B. um nach einer Spielfortsetzung oder nach 6 Sekunden Halten wieder den Ball spielen bzw. mit der Hand aufnehmen zu dürfen. Das darf dann natürlich weder „fahrlässig, rücksichtslos oder übermäßig“ hart erfolgen. Bei jedem anderen Gegenstand reicht halt der Wurf aus, auch wenn es Watte ist.


    Der Sonderfall „Werfen oder Kicken“ des Spielballes in z. B. übermäßiger Härte ist gar nicht so einfach über das Regelwerk zu lösen, was den Ort des Vergehens für die Spielfortsetzung anbelangt.

  • Der Sonderfall „Werfen oder Kicken“ des Spielballes in z. B. übermäßiger Härte ist gar nicht so einfach über das Regelwerk zu lösen, was den Ort des Vergehens für die Spielfortsetzung anbelangt.

    Ja, das ist in der Tat knifflig.

    Wo ist der Ort des Vergehens bei einer Tätlichkeit?

    Ich würde sagen analog zum Wurfvergehen. Der Versuch jemanden übermäßig hart abzuwerfen ist das Vergehen und damit ist der Ort des Vergehens der Ort des Werfers.

  • Der Versuch jemanden übermäßig hart abzuwerfen ist das Vergehen und damit ist der Ort des Vergehens der Ort des Werfers.

    Dann wäre aber die Begründung der Regelfrageantwort falsch. Dort setzt man aber den Ort des Treffers mit der nächsten Stelle auf der Auslinie gleich, obwohl der Ball zu diesem Zeitpunkt definitiv nicht mehr im Spiel war.


    Aktuell wissen wir nur, dass bei einem Kick-/Wurfvergehen mit dem Spielball gegen einen Gegenspieler der Zeitpunkt und Ort der Strafbarkeit die Position des Täters während der Einleitung ist und der der Ort der Spielstrafe die Position des Opfers ist.


    Schwierig dem Regelwerk zu entnehmen.

  • Dort setzt man aber den Ort des Treffers mit der nächsten Stelle auf der Auslinie gleich

    Stop! Anderer Tatbestand!


    Meine Antwort, die Du zitiert hattest, bezog sich auf das übermäßig harte Abwerfen eines Spielers innerhalb des Feldes (von "rauswerfen" hast Du ja nichts mehr gesagt) mit dem Spielball. Das ist eine Tätlichkeit (weil das Werfen als solches in dieser Situation nicht strafbar wäre). Dabei ist der Tatbetand eben auch das übermäßig harte Werfen, aber ohne Sonderregelung für den Ort der Spielfortsetzung.


    Das Abwerfen einer Person außerhalb des Spielfeldes (ansonsten gäbe es ja ) ist aber ein anderer Tatbestand, bei dem der Ort der Spielfortsetzung eine Sonderregelung hat.

  • Das Abwerfen einer Person außerhalb des Spielfeldes (ansonsten gäbe es ja ) ist aber ein anderer Tatbestand, bei dem der Ort der Spielfortsetzung eine Sonderregelung hat.

    Und welche Sonderregelung soll das genau sein, die den Tatort auf die Linie versetzt, obwohl der Ball beim „Impact“ nicht mehr im Spielfeld war? Sprich, der Ball war nicht im Aus, da genau in diesem Spezialfall die Linie theoretisch unendlich breit ist bzw. sich - ähnlich des expandierenden Universums - mit dem Ball als äußere Grenze ausdehnt.

  • Wir haben zwei Tatbestände, über die wir hier gerade reden:


    Der eine ist das Abwerfen einer außenstehenden Person nach Regel 12.4:

    Das ist auch dann strafbar, wenn es nicht übermäßig hart oder brutal passiert (es sind keine qualifizierenden Kriterien für diesen Tatbestand).

    Da gibt es die Sonderregel, die den Ort der Spielfortsetzung abweichend vom Standard (Fortsetzung am Ort des Vergehens) explizit definiert (Regel 13.2 Anfang).

    Da geht es dann auf der Seitenlinie weiter.


    Eine Tätlichkeit:

    Das wäre ein übermäßig hartes Vorgehen gegen irgendeine Person ohne Kampf um den Ball (Regel 12.3 Tätlichkeit).

    Hier gilt mangels anderslautender Definition der Standardfall, dass der Ort der Spielfortsetzung dem Ort des Vergehens entspricht, weil es eben keine Sonderegel dazu gibt (Regel 13.2 Anfang).

    In dem Fall geht es meiner Meinung nach im Feld weiter, dort wo der Täter auch das Vergehen begangen hat.



    Was jetzt aber wirklich knifflig wird ist der Fall, dass der Torwart einen Auswechselspieler übermäßig hart(!) abwirft, dessen nähester Punkt auf der Außenlinie nicht mehr in den Strafraum kommt.

    Das ist nämlich genaugenommen ein Wurfvergehen nach 12.4 tateinheitlich mit einer Tätlichkeit nach 12.3.

    Also zwei gleichzeitige Vergehen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen.

    Da muss dann meiner Meinung nach das schwerste Vergehen betraft werden (Regel 5.3).

    Bedeutet es müsste eigentlich sogar Strafstoß wegen der Tätlichkeit geben.

    In Verbindung mit persönlichen Strafen gibt es da also nur zwei Optionen: Strafstoß und Rot (Tätlichkeit) oder dF und nichts (Wurfvergehen ohne Tätlichkeit). Was nicht geht ist meiner Meinung nach dF und Rot.



    Alle Aspekte, die ich hier anspreche sind in den Regeln definiert.

    Zugegeben, sie sind extrem weitläufig verteilt, aber es ist alles widerspruchfrei geregelt.

  • Der eine ist das Abwerfen einer außenstehenden Person nach Regel 12.4:

    Das ist auch dann strafbar, wenn es nicht übermäßig hart oder brutal passiert (es sind keine qualifizierenden Kriterien für diesen Tatbestand).

    Wir diskutieren aber nicht über eine außenstehende Person, sonder einen Gegenspieler, der in 12.4 beim Verwendung des Spielballs ausgenommen ist.

    Da gibt es die Sonderregel, die den Ort der Spielfortsetzung abweichend vom Standard (Fortsetzung am Ort des Vergehens) explizit definiert (Regel 13.2 Anfang).

    Da geht es dann auf der Seitenlinie weiter.

    Regelt ausdrücklich „beim Laufendem Spiel“ und „Vergehen außerhalb“ des Spielfeldes. Das trifft hier nicht zu, da das Vergehen während des laufenden Spiels innerhalb stattfindet und außerhalb erst währen einer Unterbrechung, weil der Spielball das Spielfeld bereits verlassen hat.


    In dem Fall geht es meiner Meinung nach im Feld weiter, dort wo der Täter auch das Vergehen begangen hat.

    Widerspricht aber der Begründung der Antwort in der SRZ.


    Was jetzt aber wirklich knifflig wird ist der Fall, dass der Torwart einen Auswechselspieler übermäßig hart(!) abwirft,

    Wäre ein anderer Fall. Lass uns erst den Gegenspieler als Opfer lösen. Aber auch hier ist nicht beschrieben, wie zu verfahren ist, wenn der Spielball (the match ball) geworfen wird, sondern nur ein Ball (a ball). Man kann jetzt trefflich darüber diskutieren, ob das IFAB hier schlicht weg das Wort „match“ vergessen hat oder wie die Differenzierung genau gemeint ist.


    Es sollte eigentlich klar sein, dass ein Ersatzball oder Tennisball wie ein Gegenstand zu betrachten ist und keinen Sonderfall darstellt.

  • Ich habe die Frage inklusive Zusatzfrage ans IFAB gestellt. Aufgrund der schnellen Antworten, gehe ich fast davon aus, dass sie KI-generiert waren.


    Zusammengefasst ist es, wie ich es schon schrieb. Die Begründung in der SRZ ist nicht ganz korrekt bzw. vollständig, auch wenn es nichts ändert:


    Entscheidend, dass es eine Spielstrafe gibt, obwohl der Spielball vor dem Treffer im Aus war, ist tatsächlich die Tatsache, dass das Vergehen bereits während des laufenden Spiels beginnt. Nur der Ort der Spielfortsetzung hängt dann davon ab, wo getroffen wurde und das ist in diesen Fall eben die nächste Stelle auf der Linie.


    Ob man diese Begründung auch auf die Blutgrätsche anwenden kann, wenn zwischen Absprung und Knochenbruch der Ball ins Aus fliegt, ist allerdings noch offen.

  • Regelt ausdrücklich „beim Laufendem Spiel“ und „Vergehen außerhalb“ des Spielfeldes

    Da haben wir ein semantisches Problem, dass es vom Text her nicht klar ist, ob das Vergehen "außerhalb des Spielfelds" sein muss oder das Opfer des Vergehens.

    Ich bin tendenziell bei der zweiten Variante, weil man sonst besser "ein Vergehen außerhalb des Spielfelds gegen XYZ" statt "ein Vergehen gegen XYZ außerhalb des Spielfelds" hätte schreiben können.

    Aber überhaupt nicht eindeutig formuliert.


    Aber auch hier ist nicht beschrieben, wie zu verfahren ist, wenn der Spielball (the match ball) geworfen wird, sondern nur ein Ball (a ball).

    Naja, aber die übergreifende Formulierung dort ist ja "einen Gegenstand" - würde an der Stelle keinen Grund den Spielball auszuschließen (zumal dass ja unmittelbar vorher extra gemacht wird, d.h. der Spielball gehört zur Menge aller Gegenstände).

  • Naja, aber die übergreifende Formulierung dort ist ja "einen Gegenstand" - würde an der Stelle keinen Grund den Spielball auszuschließen

    Ja, das stimmt. Es ist trotzdem irrelevant jetzt plötzlich alle Bälle zu erwähnen, wenn es eigentlich nur um den Spielball geht.


    Das Problem ist, dass eben genau der Fall „Spieler wirft den Spielball auf einen Gegenspieler“ in diesem Abschnitt nicht geregelt wird. Und das IFAB hat mit der Begründung genau diesen Abschnitt zitiert und den dF bzw Strafstoß mit dem zweiten und dritten Satz begründet:


  • Der Grund, warum an der einen Stelle zwischen Spielball und allgemeiner Bällen unterschieden wird ist wohl folgender:


    Das Werfen/Treten des Spielballes auf einen Gegenspieler ist gestattet, weil spieltaktisch. Mit einem anderen Ball (Beispielsweise ein Ersatzball, der neben dem Spielfeld liegt) wäre es wiederum ein Vergehen.


    Im Gegensatz dazu ist aber das Werfen von allem (auch von Bällen, welche selbstverständlich den Spielball mit meint) auf einen Außenstehenden nicht gestattet.