Abseits nach Zweikampf

  • Aufgrund des nicht gegebenen Treffers bei D:NL habe ich mal wieder den Regeltext genauer gelesen. Dabei ist mir folgende Situation eingefallen:


    Der Angreifer mit der Nr. 9 dribbelt zügig Richtung gegnerisches Tor. Sein Mitspieler Nr. 10 läuft leicht versetzt neben ihm mit und ist dabei die ganze Zeit knapp im Abseits.


    Dem vorletzten Verteidiger gelingt es jetzt der Nr. 9 den Ball in einem korrekten Zweikampf kurz vor dem Strafraum von hinten wegzuspitzeln. Dabei rollt der Ball zur Nr. 10, die jetzt unbedrängt den Ball ins Tor schießt. Entscheidung?

  • Im Sinne der Regel kann der Verteidiger hier den Ball nicht unter Kontrolle bringen.

    Unter den Vorraussetzungen für die Ballkontrolle findet sich auch folgender Passus:

    Zitat

    Der Spieler hatte Zeit, seine Körperbewegungen zu koordinieren (d. h., es handelte sich nicht um instinktive Streck-, Sprung- oder sonstige Bewegungen mit begrenzter Ballberührung/-kontrolle).


    Eine langes Bein von hinten zum Wegspitzeln ist für mein Verständnis eine instinktive Handlung mit begrenzter Ballberührung.


    Die Möglichkeit der Ballkontrolle ist aber eine Voraussetzung für ein absichtliches Spiel. Ohne absichtliches Spielen des Balles bleibt die Abseitsposition des Angreifers Nr. 10 strafbar.

    Somit geht es mit idF für die verteidigende Mannschaft weiter.

  • Also alle Punkte für Abseits mal durchgehen...


    - Ball kommt nicht vom eigenen Mann -> in erster Prüfung nicht strafbar

    - Der 10er beeinflusst keinen Gegner (gibt zumindest die Beschreibung nicht her) -> in zweiter Prüfung immer noch nicht strafbar

    - Vorteil nach Abpraller vom Pfosten -> nicht geschildert, nicht strafbar

    - Vorteil nach absichtlicher Torverhinderungsaktion -> Der Sachverhalt beschreibt ein (gemäß des Regeltextes!) nicht absichtliches Spielen des Balls (keine Möglichkeit ihn unter Kontrolle zu bringen) durch den Verteidiger (über den Aspekt kann man durchaus streiten, für die endgültige Bewertung ist die Absicht aber irrelevant, denn...), allerdings liegt auch keine Torverhinderung vor. Beides sind notwendige Kriterien um das Abseits nach diesem Stichpunkt strafbar zu machen, daher nicht strafbar.


    Gesamtfazit: nicht strafbare Abseitspostion des 10ers


    Kevinho04 Eine popelige Verteidigungsaktion wie von Mark beschrieben qualifiziert sich dadurch noch nicht als Torverhinderungsaktion. Was eine Torverhinderungsaktion ist, ist in Regel 11 gegen Ende definiert.

  • KozKalanndok Du hast allerdings ein weiteres Kriterium vergessen: War es ein absichtliches Spielen gemäß Regel 11.2?


    * Ein absichtliches Spielen (Deliberate Play) (mit Ausnahme von absichtlichen Handspielen) liegt vor, wenn ein Spieler den Ball unter Kontrolle bringen könnte und die Möglichkeit hat:

    • den Ball einem Mitspieler zuzuspielen oder

    • in Ballbesitz zu gelangen oder

    • den Ball zu klären (z. B. mit dem Fuss oder dem Kopf).


    Er hat den Ball zweifellos irgendwie geklärt, aber konnte er dabei auch den Ball unter Kontrolle zu bringen?


    Ist es überhaupt möglich, im Zweikampf (egal ob als Tackling oder irgendein Gestocher), den Ball unter Kontrolle zu bringen?

  • Die Regel sagt folgendes aus:

    Zitat

    Ein Spieler verschafft sich keinen Vorteil aus seiner Abseitsstellung, wenn er den Ball von einem gegnerischen Spieler erhält, der den Ball absichtlich gespielt* hat (auch per absichtlichem Handspiel), es sei denn, es handelt sich dabei um eine absichtliche Torverhinderungsaktion (Deliberate Save) eines gegnerischen Spielers.


    Also wird seine Abseitsposition strafbar, wenn der Ball vom Gegner nicht absichtlich gespielt wird. Die Absicht setzt voraus, dass der Verteidiger die Möglichkeit hat, die Ballkontrolle zu erlangen. Das ist hier nicht der Fall. Daher ist die Abseitsposition auch nach dem Wegspitzeln strafbar. Ob eine absichtliche Torverhinderungsaktion vorliegt, ist hier also irrelevant.


    Unter dem Strich bleibt die Abseitsposition von Nr. 10 strafbar.

  • Mark Unterscheide bitte zwischen Regel und Erläuterung.


    Die Regel ist folgendermaßen (beschränkt auf das Kriterium mit der Torverhinderungsaktion):


    Ein Spieler, der sich zum Zeitpunkt, in dem ein Mitspieler den Ball spielt oder berührt, in einer Abseitsstellung befindet, wird nur bestraft, wenn er aktiv am Spiel teilnimmt

    [...] oder sich einen Vorteil verschafft, indem er den Ball spielt [...], nachdem der Ball [...] bei einer absichtlichen Torverhinderungsaktion des Gegners abgewehrt wurde.


    Alles was danach kommt ist nur Erläuterung, was "absichtliches Spiel" ist und was "Torverhinderungsaktion" ist.

    Es muss aber dennoch beides erfüllt sein um die Strafbarkeit zu bejahen.

    Die Torverhinderungsaktion kann man verneinen, also braucht man die Absicht nicht zu prüfen.


    Für das "unabsichtliche Ballspielen" hat der Regelgeber ein anderes Strafbarkeitskriterium geschaffen, welches jedoch hier auch nicht greift

    [...] sich einen Vorteil verschafft, indem er den Ball spielt [...], nachdem der Ball von [...] einem Gegner zurückgeprallt oder abgelenkt worden ist.


    Ein "ich würde gerne den Ball spielen, aber kriege das nicht hin" ist zwar in der Definition der Abseitsregel als "nicht absichtlich" zu bewerten, aber ein "Zurückprallen" oder "Ablenken" sehe ich im Sachverhalt auch noch nicht.

  • KozKalanndok Meines Erachten sind das zwei Paar Stiefel, denn bei der „Torverhinderungsaktion“ hast du das wichtige Wort „absichtlich“ unterschlagen. Das bedeutet nur, dass bei eine Torverhinderungsaktion auch das absichtliche Spielen keinen neue Spielsituation darstellt.

  • Ist auch nicht relevant.

    Ohne Torverhinderungsaktion keine Strafbarkeit wegen absichtlicher Torverhinderungsaktion, gleich ob sie absichtlich oder unabsichtlich ist.


    Nichtsdestotrotz:

    Das Spielen des Balls durch den Verteidiger erfolgt meiner Meinung nach nicht absichtlich im Sinne der Abseitsregel.

    Das macht das aber weder zu einer Torverhinderungsaktion noch zu einem Zurückprallen oder einer Ablenkung.

    Damit ist keines der Kriterien, die eine Abseitsposition strafbar machen erfüllt.


    Alle möglichen Kriterien, die eine Strafbarkeit bejahen sind ausgeschlossen.

    Dann kann man nicht einfach ein Kriterium erfinden (unabsichtich ist ja nicht definiert, deshalb ist es strafbar) um eine Strafbarkeit herzuleiten.

    Wenn der Fall nicht als strafbar definiert ist, ist es eben nicht strafbar.

  • KozKalanndok Vergiss doch deine Torverhinderungsaktion, die lag bei D:NL auch nicht vor. Es geht ausschließlich darum, ob das Spielen des Verteidigers (bei D:NL sogar zwei Spieler) absichtliches Spielen im Sinne der Regel 11.2 ist.

  • Im Regelwerk ist doch eigentlich bis ins kleinste Detail beschrieben, was absichtliches spielen bedeutet. Aufgrund dessen, ist es hier ganz klar strafbares Abseits. Eigentlich ist die Frage supereinfach zu beantworten.

  • "... sich einen Vorteil verschafft, indem er den Ball spielt, ..., wenn der Ball von ... einem Gegner ... abgelenkt wird"

    ist meines Erachtens (zusammen mit der Abseitsstellung bei Ballberührung des Mitspielers) die hinreichende Begründung für strafbares Abseits in dieser Situation.

    Alles Ausgelassene sind nur ODER-Verknüpfungen.


    Und die Aktion des Verteidigers erfüllt für mich die Definition von "Ablenken", nämlich "in eine andere Richtung bringen".


    Die dann geschilderte Ausnahme "absichtliches Spielen" ist nicht erfüllt und somit nicht relevant.

    Dafür wurden die Gründe ja schon genannt.

    Oder was genau begründet deinen Zweifel daran, Mark?

  • Wie im anderen Thread geschrieben, habe ich die Auslegung so verstanden, dass das vorige Abseits nicht strafbar ist, wenn der Verteidiger den Ball spielen wollte und gespielt hat. Beides trifft in der OP Situation zu, daher Tor, Anstoß.

  • Nr.23 Ich habe hier regeltheoretisch keine Zweifel, siehe auch meine Antworten. Ich bin allerdings überzeugt, dass hier ein Großteil der Schiedsrichter weiterspielen lassen würden, da es ja kein Abpraller ist, sondern ein absichtliches Spielen dem Wortsinn nach.


    Der Angreifer spielt den Ball ja beim Dribbeln auch nicht wirklich ab, sondern legt ihn sich immer wieder nur auf kurze Distanz vor. Und jetzt kommt plötzlich ein Verteidiger, der den Ball nicht nur ablenkt, sondern bewusst zur Seite spielt. Ob das ein strafbares Abseits im Sinne des Regelgebers ist, weiß ich tatsächlich nicht.

  • Ok, verstanden. Ja, die Bedenken in diese Richtung kann ich nachvollziehen.


    Für mich ist es im Sinne der Regel, weil

    a) der Angreifer sich während des Angriffs des eigenen Teams im verbotenen Bereich aufhält

    b) diese Angriffsphase nicht beendet wurde, sondern es in der allgemeinen Wahrnehmung ein durchgehender Angriff ist.



  • Das wegspitzeln ist für mich in keiner weise ein absichtliches zuspiel . So wie beschrieben liegt für mich eine Abseitsposition vor. Versucht der Verteidiger natürlich klar den ball zu spielen bleibts beim Pass vom Verteidiger.

  • Es ist strafbar, weil der Spieler im Abseits steht und der Ball nicht kontrolliert vom Verteidger gespielt wird.


    Ich weiß nicht, was deine Torverhinderungsaktion damit zutun hat?


    Ich habe auch noch nicht gehört, dass eine Torverhinderungsaktion, den Spieler im Abseits stehen lässt ?!?! Vielleicht verstehe ich es auch falsch 😅


    Für mich ist es nunmal Abseits, wie schon erklärt. Bin wohl nicht der einzige.

  • Zitat

    Ein Spieler verschafft sich keinen Vorteil aus seiner Abseitsstellung, wenn er den Ball von einem gegnerischen Spieler erhält, der den Ball absichtlich gespielt* hat (auch per absichtlichem Handspiel)

    Somit verschafft er sich einen Vorteil, wenn der Ball nicht absichtlich gespielt wird und das Abseits wird strafbar. Die Thematik „absichtliche Torverhinderung“ greift nur, wenn das Zuspiel absichtlich war. Und das können wir aufgrund der regeltechnischen Definition des „absichtlichen Spielens“ verneinen.


    Somit steht Nr. 10 im strafbaren Abseits und das Spiel ist zu unterbrechen und mit einem indirekten Freistoß fortzusetzen.


    Ach mir fällt ein, das habe ich bereits zweimal so ausgeführt…