Die Behandlung "Auf der Linie"

  • Oft gesehen und nie d´rüber Gedanken gemacht....


    Aus einer Vielzahl an Möglichkeiten wähle ich mal folgendes Beispielgebend aus

    Ein Spieler geht zur Seitenauslinie vor seiner Coachingzone und lässt sich Eisspray auf die schmerzende Wahe oder den schmerzenden Knöchel durch seinen Physio sprühen. Alternativ setzt sich der Spieler auf die Seitenlinie und lässt sich vom Physio einen Wadenkrampf lösen.


    Abstrakr lässt sich das wie folgt zusammenfassen:


    • Der Spieler befindet sich auf der Seitenline
    • Ein Teamoffizieller nimmt eine Behandlung vor und Befindet sich dabei ausserhalb des Spielfeldes. (wir vergessen hierbei mal die Kleinigkeiten über die Abmessung der Coachingzone)


    Wie ist hierbei eigentlich der Status des Spielers?


    1. Hat er das Spielfeld -mit impliziter Genehmigung des SR verlassen? oder
    2. befindet er sich noch auf dem Spielfeld.


    Diese Frage stelle ich vor allem vor folgendem Hintergrund:


    Aus dem Status des Spielers ergeben sich unterschiedliche Regelanwendungen bspw. im Bezug auf die Abseitsbewertung oder dem Spieleingriff durch diesen Spieler!

  • Das ist ein Regelfragen-Kassiker, der zufällig auch in der aktuellen SRZ 2023/1 bei den Regelfragen in Situation 5 und 6 abgehandelt wird.


    Es wird immer zu Ungunsten des Spielers ausgelegt.

  • Bei der rein intuitiven Auslegung der Situation würde ich auch sagen "immer gegen den Spieler".

    Also bei der Abseitsbewertung gilt er als "drin", beim Aufspringen und den Ball spielen als "draußen".


    Beim reinen Regeltext würde ich aber sagen:

    Der Spieler ist während der Behandlung Spieler auf dem Spielfeld.

    Da der Physio einen (Spieler auf dem Spielfeld) behandelt, kommt eine Bewertung als Eingriff von außen durch den Physio in Betracht (ähnlich als ob der Trainer den Ball auf der Linie stoppt ohne dabei das Feld zu betreten). Da aber anders als im Fall Trainer-stoppt-Ball durch den Physio das Spielgeschehen nicht beeinflusst wird, muss hier nicht unterbrochen werden.


    Wenn der Spieler aufspringt und dem Ball nachrennt, sehe ich direkt nichts, was ihm das verbieten würde. Bestenfalls käme eine Bewertung als Gefährliches Spiel in Betracht (Selbstgefährdung wegen spontan abgebrochener medizinischer Behandlung), aber das ist auch wieder arg weit hergeholt.


    Anderseits könnte man auch sagen "Finten gehören zum Fußball und sind erlaubt". Sprich: Ich tu so als wäre ich nicht voll einsatzfähig, bin es aber trotzdem. Dann wäre ich aber (durch die aktive Beteiligung des Physios an dieser Finte) bei einem verbotenen Eingriff des Physios.

  • Die Begründung in der SR-Zeitung ist leider recht dürftig:

    "Da ein Spieler, der den Schiedsrichter in eine Zweifelssituation führt, diese immer zu seinen Ungunsten ausgelegt bekommt"

    a) Warum? Also woraus leitet sich das ab?

    b) Gilt das wirklich so allgemein? Also wenn ich den Gegenspieler mit einer fairen Aktion vom Ball trenne, aber der SR Zweifel hat, ob es nicht doch ein Foul war, muss die Aktion zu meinen Ungunsten ausgelegt werden? Oder wenn ich den Ball auf der Seitenlinie führe und der SR Zweifel hat, ob der Ball noch im Spiel ist, soll er es zu meinen Ungunsten auslegen und auf Einwurf für den Gegner entscheiden? Kann irgendwie nicht stimmen...

    c) Mit welcher Begründung liegt hier so eine Zweifelssituation vor? Also warum ist es nicht einfach klar, dass der Spieler noch zum Spiel gehört und direkt weiterspielen kann? Leider gibt es bei der Antwort auf Frage 6 keinerlei Aussagen, die dies erklären.


    Immerhin wissen wir, wie es beim DFB ausgelegt werden soll - aber nicht wirklich, warum...

  • Mit welcher Begründung liegt hier so eine Zweifelssituation vor?

    Das verstand ich zunächst auch nicht.


    Zur "verletzungsbedingten Behandlung" gilt doch, das der Speiler das Spielfeld zu verlassen hat (Die Ausnahme der Disziplinarstrafe ist hier ja nicht anz6uwenden)

    Gängige Praxis ist, das ein Spieler, der sich behandeln lassen möchte das Spielfeld verlassen darf und dafür die implizierte Zustimmung des SR hat.

    Also kann doch eigentlich nur eine Behandlung erfolgen wenn der Speiler "vom Feld" ist.

    Bei etwas nachdenken lässt sich die Begründung jedoch nachvollziehen, jedoch muss man diese im erweitertem Sinne betrachten.


    Vor allem weil auch dem Gegenspieler nicht vollumfänglich klar ist welchen Status der "Spieler auf der Linie" hat

    • Hebt er denn das Abseots nun auf wenn ich den Steilpass Spiele?
    • kann ich denn ghefahrlos den Pass zu meinem (offensichtlich unbedrängtem) Mitspieler spielen?

    Der Spieler in Behandlung beugt hier eine Regel (nutzt vielleicht eine Regellücke) - das Gegnerteam erfährt durch diese unklare Situation einen Nachteil.


    Danke @Mark für den Querverweis zur SR Zeitung jedoch beantworten diese beiden Regelfragen keinesfalls meine Eingangs gestellt Frage sondern nur zwei Einzelfälle:


    Was passiert nämlich, wenn die Behandlung des Spielers abgeschlossen ist? Benötigt er die Zustimmung des SR zum betreten des Feldes oder hat er es gar nicht erst verlassen?

  • Nr.23 Die Wortwahl der Erklärung ist nicht glücklich, aber:


    a) das liegt im der Natur von Auslegung, dass sie sich in der Regel eben aus nichts ableiten lassen.


    b) Nein, bei deinem Beispiel handelt es sich um eine subjektive Wahrnehmung des SR, die für ihn nicht eindeutig ist. Dort gelten andere Auslegungen, in der Regel für die Abwehr außer bei Abseits.


    Bei den zwei Regelfragen ist die Zweifelssituation allerdings objektiv. Der Spieler ist faktisch außerhalb und innerhalb.


    c) Er ist innerhalb und somit faktisch für die Abseitsbewertung ein (passiver) Abwehrspieler, der mit jedoch berücksichtigt wird. Woher sollen die Angreifer auch wissen, dass er im Spielfeld stehend die implizite Zustimmung des SR hat sich außerhalb zu befinden?


    Da er aber sich aber auch auf erlaubter Weise außerhalb des Spielfeldes zur Behandlung befindet, benötigt er eben erst wieder die Zustimmung des SR.

  • Was passiert nämlich, wenn die Behandlung des Spielers abgeschlossen ist? Benötigt er die Zustimmung des SR zum betreten des Feldes oder hat er es gar nicht erst verlassen?

    Er benötigt selbstverständlich die Zustimmung des Schiedsrichters. Er ist ja außerhalb. :)


    Ähnlich verhält es sich, wenn sich ein Spieler abmeldet. Solange er noch auf dem Spielfeld ist, ist er bezüglich Abseits Abwehrspieler. Er darf aber trotzdem erst wieder mitspielen, wenn er die Zustimmung des SR und vorher das Spielfeld verlassen hat.

  • Da er aber sich aber auch auf erlaubter Weise außerhalb des Spielfeldes zur Behandlung befindet

    Das kann man noch bezweifeln.

    Der Spieler ist mit mindestens einem Teil seines Körpers noch im Spielfeld.

    Damit ist er ganz objektiv eben "drin" und nicht "draußen" (und da nicht draußen eben auch nicht zur Behandlung draußen).

    Dass er "zur Behandlung draußen" ist, ist nur eine subjektive Wahrnehmung, die von der objektiven Realität aber nicht gedeckt ist, weil er objektiv noch drin ist.


    Die plausibelste Lösung der Situation wäre für mich weiter eine outside interference des Physios, die zum Unterbrechungsgrund wird, wenn das Spielgeschehen sich in spielbare Nähe zum behandelten Spieler verlagert.

  • Die plausibelste Lösung der Situation wäre für mich weiter eine outside interference des Physios, die zum Unterbrechungsgrund wird, wenn das Spielgeschehen sich in spielbare Nähe zum behandelten Spieler verlagert.

    Jetzt stell doch bitte nicht elementarste Vorgaben in Frage. So wie in der aktuellen SRZ geschrieben, wird es seit Jahrzehnten gelehrt. Wenn du damit nicht einverstanden bist, wende dich doch an das IFAB.

  • Ob der Spieler sich außerhalb befindet, ist aber regeltechnisch eigentlich gar nicht die entscheidende Frage.

    Eigentlich geht es nur darum, ob er das Spielfeld verlassen hat. Und das ist hier doch offensichtlich nicht der Fall, weil er sich noch auf dem Spielfeld befindet.


    Wenn der DFB es jetzt so auslegt, dass "zur Behandlung mit mindestens einem Körperteil außerhalb des Spielfelds sein" schon "das Spielfeld verlassen haben" bedeutet, wäre das zumindest eine entsprechende Erläuterung wert.

    Und mit einer entsprechenden Klarstellung müsste es eigentlich auch gar keine "Zweifelssituation" mehr sein.



    BTW: Eigentlich steht der Spieler in der Ausgangsfrage ja noch nicht einmal zwingend mit einem Körperteil außerhalb des Spielfelds (im Gegensatz zur SR-Zeitung), sondern nur auf der Seitenlinie. Gilt die DFB-Auslegung dann zwingend auch für diesen Fall (also Spieler komplett im Spielfeld wird von außen behandelt)?

  • Gilt die DFB-Auslegung dann zwingend auch für diesen Fall (also Spieler komplett im Spielfeld wird von außen behandelt)?

    Gute Frage, die ich in dieser Form nicht kenne. Faktisch ist der Spieler tatsächlich komplett im Spielfeld und wir haben dann nur ein Vergehen des TO, der jedoch nicht eingreift und somit erst in der nächsten Unterbrechung verwarnt werden müsste.


    Bein Torhüter ist es sogar üblich, dass derartige Behandlungen nicht geahndet werden. Zumindest ist es mir nicht bekannt.


    Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass ein Spieler, der sich an der Auslinie behandeln lässt, genauso bewertet wird wie ein Spieler, der sich abmeldet. Er müsste dann zunächst tatsächlich ebenfalls das Spielfeld verlassen und auf die Zustimmung des SR warten. Gemäß Regel 5.3 darf ein (verletzter) Spieler nunmal nicht auf dem Spielfeld behandelt werden.

  • Das ist dann tatsächlich das interessante an Diskussionen....

    Bein Torhüter ist es sogar üblich, dass derartige Behandlungen nicht geahndet werden. Zumindest ist es mir nicht bekannt.

    Dieser Aspekt ist überhaupt nicht berücksichtigt.

    Was ist nämlich, wenn der TW sich (auf der Linie neben dem Tor) behandeln lässt.

    Hat er das Spielfeld verlassen darf ja nicht gespielt werden.

  • Hat er das Spielfeld verlassen darf ja nicht gespielt werden.

    Das ist so nicht ganz richtig. Da gibt es Ausnahmen, z. B. beim Ball Holen für den schnellen Abstoß. Eine Behandlung abseits des Geschehens sehe ich als zulässig, da der Torwart logischerweise immer die explizite Erlaubnis des SR für das Mitspielen hat.

  • Der Torwart hat aber außer dem Handspielprivilleg und dem Recht in einer Spielpause(!) auf dem Platz behandelt zu werden keine Sonderrechte.


    Wenn ein Spieler dem Physio nicht von der Massagebank springen darf um den Ball zu spielen weil er im Zweifel als "draußen" gilt, dann ist der Torwart in der Situation, dass er sich von draußen die Schuhe binden lässt genauso "draußen" und darf nicht eingreifen wenn der Ball aufs Tor zurollt.


    Der befindet sich ja dann genauso gleichzeitig drin wie draußen wie der Verteidiger.


    Eigentlich sehe ich hier einen Fall, wo durch die Auslegung des DFB eine eigentlich klare Kombination von Regeln auf eine Art und Weise gebeugt wird, die in der Folge dann wieder zu neuen Problem führt, die nur mit weiteren Regelbeugungen gelöst werden kann. Der Physio behandelt einen Spielers auf dem Spielfeld. Die Frage, ob das Spiel beeinflusst wird, stellt sich im Prinzip noch nicht mal. Ein Spieler darf nicht auf dem Spielfeld behandelt werden.

  • Es geht m.E. nicht um Regelbeugung, sondern um praxisnahe Interpretation der Regel:


    Als Alleinpfeifer wirst Du das auf dem Platz ja nur mitbekommen, wenn sich das Spiel in Richtung Seitenlinie verlagert. Wenn der Spieler dann ins Spiel eingreift, wird er unter Beachtung der Vorteilsauslegung verwarnt.


    Im Gespann ist der der Job des SRA, dafür zu sorgen, dass der behandelte Spieler das Spielfeld komplett verläßt und sich dann wieder ordnungsgemäß anmeldet.

  • So ist es, spätestens wenn der Spieler auch vorletzter Abwehrspieler ist, stehen er und der TO einem Assistenten definitiv im Weg, der dann garantiert dort nicht nur wartet.😃

  • Ich bin hier noch nicht wirklich glücklich ...


    Gut, es ist gewollte Regelauslegung, dass ein Spieler zur Behandlung einer Verletzung die implizite Zustimmung des SR hat, das Feld verlassen zu dürfen - nur tut er ja genau das nicht, sondern er versucht, sich durch die Behandung "auf der Linie" einen unsportlichen Vorteil zu verschaffen, weil er eine Regelumgehung anstrebt; alleine dafür wäre er m.E. zwingend zu verwarnen, allerdings "bei nächster Gelegenheit". Greift er ein, begeht er streng genommen sogar einen zweiten Regelverstoß, da er unerlaubt das Feld wieder betritt, mithin eigentlich eine Pflichtverwarnung, so dass Gelb und Gelb-Rot kommen müsste - erschiene mir zwar auch irgendwie überzogen, andererseits aber auch nicht ...?!?

  • Ab und zu gehört Dummheit auch bestraft, vor allem wenn sich der "Dumme" für clever hält.