Gegenseitiges rücksichtsloses Foul

  • Spieler Weiß geht mit hohem, gestrecktem Bein zum auf Brusthöhe befindliche Ball und spielt diesen auch.

    Sein Gegenspieler Rot versucht den Ball ebenfalls auf dieser Höhe zu spielen, kommt aber leicht zu spät.

    Die Folge: Rot tritt Weiß von unten mit dem Schienbein gegen die Fußsohle - der Kontakt passiert noch über Hüfthöhe und die Intensität kommt in dem Moment mehr aus der Bewegung von Rot.


    Klar ist, dass der SR sich beim direkten Freistoß für eine Richtung entscheiden muss - wobei es dort für beide Seiten gute Argumente gibt (Weiß spielt zuerst gefährlich, Weiß spielt den Ball, Rot tritt Weiß, Rot wird gefährlicher getroffen,...)


    Was mich hier aber interessiert: Wenn der SR nachvollziehbarerweise zu dem Schluss kommt, dass beide Spieler rücksichtslos gespielt haben, darf er dann gemäß Regeln beide verwarnen?

    Gerne mit Angabe der genauen Regelstelle.

  • Also man davon ausgeht, dass sich der Ball zwischen beiden Spielern ist und beide das gestreckte Bein brauchen um diesen Ball zu erreichen, reden wir von einem Abstand der beiden Spieler von fast zwei Metern. Das ist für mich ein Bereich, wo ich kein gefährliches Spiel mehr pfeifen würde. Aber eine konkrete Entscheidung ist situationsabhängig.


    Im vorliegenden Fall ist für mich der dF für Weiß relativ klar, er ist zuerst am Ball, spielt diesen auch und wird dann von Rot getroffen. Eine Karte ist nicht notwendig.


    Eine Situation, in der beide Seiten rücksichtslos agieren, hatte ich bisher noch nie.

  • Machen wir es einfacher:

    Wir haben in einem Zweikampf von beiden Spielern ein Vergehen, welches eine Disziplinarstrafe fordert.


    Einer von beiden bekommt eine Freistoß. Danach ist das Spiel unterbrochen (Zeitpunkt der Wahrnehmung. Da aber beide gefoult haben bekommen beide ein Diszi!

  • Betrachten wir das doch einfach mal chronologisch:
    Spieler Weiß begeht mit seinem gefährlichen Spiel das erste Vergehen, was grundsätzlich auch mit der Spielstrafe zu ahnden wäre. Dann kommt Spieler Rot und begeht ein weiteres Vergehen, welches, so es relevant wäre, mit einem direkten Freistoß zu ahnden wäre, also grundsätzlich das schwerer Vergehen wäre. Nach der Beschreibung - der Ball wurde bereits gespielt - sehe ich hier aber keine Gleichzeitigkeit mehr, ergo ist das erste Vergehen zu ahnden, der Umstand, dass Rot das schwerere Vergehen begangen hat, wird unbedeutend. Die Spielstrafe müsste damit idF für Rot lauten, wohlwissend, dass damit keine Zufriedenheit eintreten wird, das wäre anders herum aber genau so. Nach der Beschreibung bin ich eher ohne persönliche Strafe unterwegs.


    Aber: Das alles ist natürlich eine Entscheidung rein auf Basis einer Textform, in der man das alles stück für Stück sezieren kann. In Echtgeschwindigkeit auf dem Platz kann man sehr wohl zu anderen Entscheidungen kommen, die deshalb nicht falsch sein müssen.

  • OK, vielleicht hätte ich das konkrete Beispiel weglassen sollen, um mehr Antworten wie die von SixthSCTF zu bekommen.

    Leider fehlt auch dort noch die Regelgrundlage.


    Was mich stört, ist folgendes Regelzitat:

    "Ein Spieler ist wegen unsportlichen Betragens zu verwarnen, wenn er:

    ein rücksichtsloses Vergehen begeht, das mit einem direkten Freistoß geahndet wird"


    Demnach dürfte ja nur einer der beiden Spieler dafür verwarnt werden, weil nur eines der Vergehen mit direkten Freistoß geahndet wird.

    (Oder wie in der Antwort von Manfred sogar keines.)


    Warum ist es also doch OK, beide Spieler zu verwarnen, wenn beide rücksichtslos in den Zweikampf gehen?

  • Ich kenne solche Situationen durchaus aus A- und B-Jugendspielen.

    Als Empiriker habe ich mal nachgemessen: ein gestrecktes Bein hat etwa 85-90 cm Abstand zum Gegner.

    Wenn nun der Gegenspieler auch nur mit gestrecktem Bein zu Ball kann, reden wir hier von einerm Abstand von mindestens 1,5m.

    Kann ich aus der Entfernung von einem gefährlichen Spiel sprechen?

    Als gefährliches Spiel gilt jede Aktion beim Versuch, den Ball zu spielen, durch die jemand verletzt werden könnte (einschließlich des Spielers, der die Aktion begeht), und schließt eine Aktion ein, durch die ein nahestehender Gegner aus Angst vor einer Verletzung am Spielen des Balls gehindert wird.

    Wenn ja, dann gäbe es in einem Spiel viele solcher Situationen.

    Aus der Entfernung kann ich niemanden mit meinem Körper körperlich verletzen (über eine Aura steht ja nichts in den Spielregeln :flieh: ) und der Gegenspieler wurde ja auch nicht daran gehindert den Ball zu spielen, wie aus der Ausganssituation hervorgeht.

    Solange da niemand getroffen wurde habe ich immer weiterspielen lassen.

    Nun wird aber jemand getroffen und damit haben wir "verbotenes Spiel", somit wäre ich bei dF für den Getroffenen.

    Was ich mir aus dem Eröffnungspost nicht auf den ersten Blick erschließt ist die Aussage: "Rot wird gefährlicher getroffen,...)"

  • Warum ist es also doch OK, beide Spieler zu verwarnen, wenn beide rücksichtslos in den Zweikampf gehen?


    Was mich stört, ist folgendes Regelzitat:

    "Ein Spieler ist wegen unsportlichen Betragens zu verwarnen, wenn er:

    ein rücksichtsloses Vergehen begeht, das mit einem direkten Freistoß geahndet wird"

    Wewil das Regelwerk niemals alls möglichen Situationen berücksichtigen kann und auch einmal das Hirn des Schiries gefragt ist.


    Es gibt doch aucfh Situationen, in denen DSu zwar einen dF geben müsstest, aber nicht darfst? (Spieler begeht ein Verwarnungswürdiges Vergehen unmittelbar nachdem der Ball die Auslinie überquerte) Kommt der Spielöer etwa bei Dir ohne Verwarnug davon nur weil der Bll schon im Aus war? Ich denke nicht!

  • gebi: Wenn beide mit gestrecktem Bein zum Ball gehen, können sie sich doch auch mit diesem Bein gegenseitig verletzen. Z.B. indem einer der beiden Spieler - wie in der geschilderten Situation - mit seiner offenen Sohle auf dem Schienbein des Gegners (in der Luft) landet.

    Verstehe also das Argument mit der Entfernung noch nicht ganz.

    Mit "Rot wird gefährlicher getroffen" meine ich, dass die Verletzungsgefahr für Rot vermutlich höher ist, wenn die weiße Sohle auf das rote Schienbein trifft.


    SixthSCTF: Dass das praktisch akzeptiert wird, habe ich mir schon gedacht. Aber trotzdem unbefriedigend dann dabei gegen den wörtlichen Regeltext verstoßen zu müssen. Und ja, bei Ball im Aus oder Vorteil tritt in der Tat das gleiche Problem auf.

    Wozu braucht der Regelgeber dann überhaupt den Teilsatz "das mit einem direkten Freistoß geahndet wird", wenn es gar nicht so gemeint ist?

  • @ nr23: das mit dem gegeseitig Treffen, geht aber nur, weil auch der Gegenspieler "gefährlich" spielt.

  • Wozu braucht der Regelgeber dann überhaupt den Teilsatz "das mit einem direkten Freistoß geahndet wird", wenn es gar nicht so gemeint ist?

    Weil Sprache nicht immer das hergibt, was Mathematik und stringente Logik aussagen.


    • Das eine ist die praktische Anwendung: "wird mit einem dF geahndet"
    • Das andere ist die theoretische Folge aus einem Vergehen: "wird mit einem dF geahndet"


    Latzteres sagt aus das ein Vergehen mit einem dF geahndet wird, lässt aber offen ob es tatsächlich zu einem dF auch kommt.


    Das Regelwerk enthält nun eimmal nicht DIE perfekte Logik, die man in einen Algorithmuss pressen kann und dann von einem Computer abarbeitet. Sprache erfordert immer auch Interpretation! Ein wenig Hirnschmalz braucht es deshalb trotrzdem noch. Gewiss kann man Dinge anders formulieren, aber es gilt ja immer: Was will der Regelgeber!

  • Ich kann mich an eine IFAB-Auslegung erinnern, in der hervorgeht, dass es bei einem Zweikampf (Challenge) kein „Gefährliches Spiel“ mehr geben kann.


    Gehen beide rücksichtslos in den Zweikampf, werden natürlich beide verwarnt, wobei natürlich nur einer den Freistoß oder Strafstoß bekommt. Die Gründe, dass beide bestraft werden dürfen, sind oben genannt.


    Hinsichtlich der zeitlichen Abfolge wäre für mich dann formal entscheidend, wer als erstes in das rücksichtslose Tackling geht und nicht, wer den Ball als erstes trifft.


    Wenn ich kein zeitliche Abfolge erkenne, geht es in folgender Hierarchie weiter:


    - Spielfortsetzung, also Strafstoß vor Freistoß,


    - physische Härte (Treffer mit Sohle ist härter als mit dem Schienbein),


    - taktische Auswirkung, also direkter Freistoß für die Angreifer.

  • (Spieler begeht ein Verwarnungswürdiges Vergehen unmittelbar nachdem der Ball die Auslinie überquerte)

    Dann gibt es natürlich Gelb.


    Wenn die Verwarnung aber nur wegen eines rücksichtslosen Einsteigens erfolgen sollte, dann ist meiner Meinung nach da der dF zwingend notwendig um wegen sowas Gelb zeigen zu können.

  • Wenn die Verwarnung aber nur wegen eines rücksichtslosen Einsteigens erfolgen sollte, dann ist meiner Meinung nach da der dF zwingend notwendig um wegen sowas Gelb zeigen zu können.

    Verstehe ich nicht, zum Beispiel?

  • Wenn der Ball im Aus ist und ein Spieler tritt einen anderen rücksichtslos, dann kann es keinen dF geben.

    Da es keinen dF gibt, ist eine Verwarnung wegen rücksichtslosem Treten nicht zulässig (wohl aber wegen anderer verwarnungspflichtiger Vergehen).


    Was man in dem Fall aber auch überlegen muss ist, ob das nicht vielleicht eine Tätlichkeit war.


    Der Spieler, der rücksichtslos im Tiefflug angerauscht kommt, aber erst nachdem der Ball im Aus ist den Gegner trifft, ist rein nach Regeltext nicht zu verwarnen.

    Rein pragmatisch wird man aber entweder den Treffer wahrgenommen haben bevor der Ball im Aus war (dF, Verwarnung) oder aber den Beginn des Landeanflugs als der Ball bereits im Aus war (Einwurf, FaD).

  • KozKalanndok Ich dachte, das mit dem „ein rücksichtsloses Vergehen begeht, das mit einem direkten Freistoss geahndet wird“, wurde abschließend geklärt. Nach deiner wieder einmal wortwörtlichen Auslegung dürfte es die Verwarnung dann auch nicht nicht geben, wenn das Spiel mit Strafstoß fortgesetzt wird.


    Es gibt genügend Regelfragen, bei denen die Gelbe Karte gezeigt wird, auch wenn es keinen dF gibt, z. B. wenn der Gefoulte vorher im strafbaren Abseits war.


    Gemeint sind die Vergehen nach 12.1. Für Vergehen nach 12.2, die nur mit idF geahndet werden, kann es keine Gelbe Karte geben, auch wenn sie theoretisch rücksichtslos erfolgen, außer es wird ein aussichtsreicher Angriff unterbunden.


    Wenn du eine rücksichtslose gefährliche Spielweise mit Gelb bestrafen möchtest, dann musst du sie auch als Zweikampf bzw. Vergehen nach 12.1 auslegen.

  • @ nr23: das mit dem gegeseitig Treffen, geht aber nur, weil auch der Gegenspieler "gefährlich" spielt.

    Ja, und? Das ändert doch nichts daran, dass es dann gefährliches Spiel ist.

    Nur weil der Gegner sich genauso verhält, ist die Aktion ja nicht strafbefreit.


    Zum eigentlichen Thema:

    Das Problem, das wir haben, wenn die gängige Auslegung nicht dem Regeltext entspricht, ist ja immer das Gleiche:

    Ein Vereinsvertreter, der sich über die Gelbe Karte beschwert oder ein Schiedsrichter, der wegen dem Regeltext auf die Verwarnung verzichtet, liegt ja erstmal nicht falsch. Bzw. es ist schwer, da gegen an zu argumentieren. "Das machen wir halt so, das hat der Regelgeber bestimmt so gewollt" ist gegenüber "Das steht so in den Regeln" ja eigentlich das schwächere Argument.

    Und wenn dann SR1 nach Regeltext, SR2 nach dem, was er hier im Forum liest, SR3 nach dem, was er im Fernsehen sieht, SR4 nach dem, was ihm der Lehrwart sagt und SR5 nach Gefühl entscheidet, kann man ja keine einheitliche Linie bekommen.


    Die Formulierung "ein Vergehen aus Regel 12.1 auf rücksichtslose Weise begeht" wäre auch nicht so schwer zu finden und würde das abdecken, was u.a. laut Mark wirklich gemeint ist (und ich halte das für plausibel).


    Für Vergehen nach 12.2, die nur mit idF geahndet werden, kann es keine Gelbe Karte geben

    Sind wir uns hier immerhin einig?

    Also rücksichtsloses gefährliches Spiel gibt keine Verwarnung?

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass es genug Schiedsrichter gibt, die trotzdem Gelb zeigen, wenn der Fuß sich ohne Kontakt knapp am Kopf des Gegners vorbeibewegt (und es kein versuchtes Treten ist!) und so eine Karte von den wenigsten Spielern/Zuschauern hinterfragt werden würde.

    Was im Regeltext steht, ist ja schließlich scheinbar nicht so entscheidend...

  • Nach deiner wieder einmal wortwörtlichen Auslegung dürfte es die Verwarnung dann auch nicht nicht geben, wenn das Spiel mit Strafstoß fortgesetzt wird.

    Ist es aber nicht genauso?

    Bei einem Foulspiel, welches zu einem Strafstoß führt wird die pers. Strafe um eine Stufe reduziert. So wurde das zumindest in den Medien damals erklärt (Doppelbestrafungsrabatt).

    Dass eben der Fall "rücksichtsloses Vergehen, welches mit Strafstoß fortgesetzt wird" bei den verwarnungswürdigen Vergehen nicht enthalten ist, ist die regeltechnisch konsequente Umsetzung dieses Rabatts.


    Möglicherweise ist da dem Regelgeber dabei durchgerutscht, dass ein rücksichtsloses Vergehen auch so passieren kann, dass es weder mit einem dF noch mit einem Strafstoß weitergeht.

  • Offenbar ja doch...

    Ansonsten wäre ein rücksichtsloses Vergehen, welches mit Strafstoß geahndet wird doch wohl genauso detailiert als verwarnungswürdig deklariert, wie ein rücksichtsloses Vergehen, welches mit direktem Freistoß geahndet wird. Ich erkenne da durchaus einen Sinn in der Regelformulierung.


    Wenn Du an der Stelle nämlich den Begriff "direkter Freistoß" als "direkter Freistoß oder Strafstoß" interpretierst, dann musst Du diese Messlatte auch genauso auch an der Stelle anbringen, an der bei einer DOGSO nur beim Freistoß (wäre dann zu interpretieren als "Freistoß oder Strafstoß") rot gibt...und das ist ja ausdrücklich so nicht gewollt.