Lügen vor dem Sportgericht

  • Hallo zusammen,

    ich hatte heute, mal wieder, ein Verfahren vor dem Sportgericht.
    Verfahrensgegenstand:
    Spielabbruch vor 2 Wochen, weil ein Spieler des Heimvereins meinte nach seiner roten Karte für die Worte "Du bist so ein Pisser alter!" in der 88. Spielminute auf mich zu zukommen, mein Handgelenk zu packen und mir die Spielnotizkarte abnehmen wollte.

    Nun heute bei der Verhandlung:
    Er (der Spieler der mich anpackte) meinte es habe ein Zuschauer die Worte gesagt und das er auf mich zu gegangen ist sei zwar richtig, aber er habe irgendwie nur mit den Händen gefuchtelt und mich nicht berührt und die Karte auch nicht.
    Die Zeugen des Heimvereins haben natürlich nichts gesehen oder haben während der Aktion wohl nicht zum Spielfeld geguckt sondern die Trainerbank aufgeräumt.
    Der Gastverein hatte den Torwart als Zeugen mit, der allerdings am anderen Ende des Spielfeld war, da es in der Hälfte des Heimvereins stattfand.

    Alles also nicht zufriedenstellend.
    ZUM GLÜCK sagte einer der Einzelrichter zum Vorsitzenden, der gerade schon die Beweisaufnahme schließen wollte und dem Spieler wohl nur paar Wochen gegeben hätte, dass nochmal andere Zeugen geladen werden müssen.

    Aussage gegen Aussage.
    Ohne Zeugen die das wirklich bezeugen könne man da nicht viel machen als nur eine sehr geringe Strafe zu verhängen.

    Dafür muss ich mir als SR vom Kammer-Vorsitzenden auch noch anhören:
    In der 88. Spielminute hättest du auch einfach noch Abpfeifen können.
    Das hätte man auch anders lösen können und und und.


    Ende vom Lied:
    Das Verfahren wird vertagt und es werden schriftliche Zeugenaussagen vom Gastverein noch eingeholt um zu gucken ob ich denn die Wahrheit sage.

    Auf der einen Seite kann ich das verstehen, so wie ich das geschildert habe ist das eigentlich ab 1 Jahre Sperre für den Spieler und mehr - da muss man sicher sein.
    Klar. Als SR mit juristischem Hintergrund ist mir das mehr als bewusst.

    Doch kann es nicht sein, dass bei so einer Sache einfach nur noch der Beschuldigte sagen brauch: "Nö war ich nicht"- und kommt damit durch.
    Ich verstehe wirklich auch überhaupt nicht, wieso heute auch alle gelogen haben. Warum? Die haben es auch gesehen, sowas übersieht man nicht!

    Was hat ein SR denn von einer roten Karte und einem Sportgerichtsverfahren? Ich kenne den Spieler nicht und nach 90 Minuten sehe ich ihn in der Regel auch für eine Weile nicht wieder.
    Welchen logischen Grund sollte ich haben eine falsche rote Karte und einen falschen Spielabbruch zu provozieren in der 88. Spielminute? Für ein bisschen Pfeffer am Abend? Als Fetisch?

    Das ist sehr schwach und ich bin auch maximal enttäuscht.
    Muss ich mir, wie der Vorsitzende gesagt hat, denn sowas obwohl es in der 88. Spielminute ist, dann noch gefallen lassen?
    Warum ist eine Tätlichkeit in der (vor-)letzten Spielminute in Ordnung und in der 4ten dann nicht?
    Unschlüssig.

    Meiner Meinung nach ein sehr spannender Fall. Ich halte euch auf dem laufenden.
    Ich hoffe einfach nur, dass wir nun noch paar ehrliche Zeugenaussagen bekommen, dass der Spieler und der Verein auch merkt, dass sowas überhaupt nicht geht.
    Denn jedes andere Ende dieser Verhandlung würde genau das Gegenteil zeigen: Man muss nur dem SR widersprechen und im besten Fall keine Zeugen für den SR haben und es passiert nichts.
    :(

  • Dafür muss ich mir als SR vom Kammer-Vorsitzenden auch noch anhören:
    In der 88. Spielminute hättest du auch einfach noch Abpfeifen können.

    Hat Dir der Vorsitzende ernsthaft nahegelegt, eine derartige Situation anstatt mit einem Abbruch stattdessen mit einem Regelverstoß aufzulösen? Das würde ich doch versuchen eine oder zwei Ebenen nach oben zu eskalieren (gibt es denn ein Wortprotokoll der Verhandlung?). Sowas von einem Sportrichter...das geht gar nicht.


    Ich hoffe Du hast wenigstens Rückendeckung von Deinen SR-Kollegen und Deinem Obmann.

    Und mit Rückendeckung meine ich nicht "ja, die sind halt alle doof, wir fühlen mit Dir aber da kann man nix machen" sondern eher konkrete Maßnahmen in Richtung "wenn bei tätlichen Angriffen gegen einen SR mangels Zeugen keine Strafen verhängt werden können, dann besetzen die Spiele vollständig gemäß Regelwerk oder ihr könnt Euch Eure Schiedsrichter woanders suchen"

  • Ja das hat er so gesagt, klar!

    Ich hatte vom Kreisschiedsrichterausschuss den Stellv. Obmann dabei.
    Bei uns im Kreis ist immer ein Vertreter des KSA's bei Verhandlungen dabei und helfen uns SR auch enorm.
    Der Stellv. Obmann sagte auch, dass es selbst in der letzten Sekunde einen Abbruch gibt, wenn sowas passiert!
    Wird der Schiri körperlich angegangen ist sofort Schluss und es gibt auch keine Umwege / Andere Wege das Spiel fortzuführen.

    Da steht der KSA wirklich TOP hinter uns! Dafür bin ich auch dankbar.
    Trotzdem fühle ich mich vor dem Kopf gestoßen, wenn Sportrichter so einen Spruch kloppen.

  • Zitat aus dem Fall Münster - Wolfsburg:


    Zitat

    Das Urteil des DFB-Bundesgerichts ist gefallen, es hat das erstinstanzliche Urteil und damit die Wertung gegen den VfL Wolfsburg erwartungsgemäß bestätigt.

    Gleichzeitig teilte das Sportgericht in meinen Augen eine schallende Ohrfeige für das Schiedsrichterteam aus, indem es bei der Urteilsverkündung über die Verhandlung sagte: "Uns hat nur ein Zeuge überzeugt, das war der Herr van Bommel."


    Leider wird vorm Sportgericht gelogen, dass sich die Balken biegen. Und das ein oder andere Mal ist auch der SR mit dabei. Und sei es nur um einen Fehler nicht zugeben zu müssen. Bei den Vereinen möchte oft der eine den anderen nicht anschwärzen und hat deshalb lieber nix gesehen.


    Den Tipp vorm Sportgericht mit einem Mitglied des KSA aufzutauchen, kann ich auch nur empfehlen.

  • Das einzig Gute in Hamburg bei Sportgerichtsverhandlung, der Schiri hat immer Recht !

    Bei den Verhandlungen wird gelogen das sich die Balken biegen. Egal was gesagt wird der Bericht des Schiedsrichters ist immer die Grundlage.

    Gut meistens hatte ich ja SRA dabei, die das Gleiche bezeugt haben aber selbst im Einzelfall, wird dem Schiedsrichter bedingungslos geglaubt.

    Allerdings habe ich auch das Gegenteil auch schon erlebt, dass der Kollege gelogen hat das sich die Balken biegen, Gott sei Dank nur ein Einzelfall !

    Es gibt Leute, die denken Fußball ist eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist. (Bill Shankly)

  • Das einzig Gute in Hamburg bei Sportgerichtsverhandlung, der Schiri hat immer Recht !

    Das liegt abér an der grundsätzlichen Verhandlungseinstellung der Rechtsausschüsse der Hamburger Sportgerichtsbarkeit.

    Ich habe inzwischen mitbekommen das Hamburg da offenbar ein Ausnahme ist.


    1. Grundsätzlich ist der Schiri für alles innerhalb des Spiel verantwortlich. Mit einem Feldverweis oder der Beendigung des Spiels (auch Vorzeitig) endet jedoch die Verantwortung. Ab hier ist der Schiri grundsätzlich nur noch Zeuge. Dies ist eine wichtige Systematik in der Juristerei, die ziemlich offensichtlich nur in Hamburg nur genau so auch gelebt wird.
    2. Kläger ist in Hamburg immer der HFV oder ein Verein, wenn dieser irgendwelche Proteste einlegt. Der Schiedasrichter tritt in derartigen Prozessen IMMER -und nur- als Zeuge auf. Hiebei hat dann der Vorsitzende die Aufgabe der freien Beweiswürdigung. (ein Aussage gegen Aussage gibt es nicht)
      • Bei einem Feldverweis muss der SR sich nicht für den FaD rechtfertigen. Das ist eine Tatsachenentscheidung aus der sich das Sportgericht k0omplett heraushält. Damit ist der SR auch aus der (nachträglichen) Verantwortung raus. Das Sportgericht entscheidet nur noch ob der Spieler über den Feldverweis hinaus auch noch weitere Strafen bekommt. Das ist aber nicht mehr sache des SR, sondern einziog Sache des Sportgerichts.
      • Bei einem Spielabbruch folgt das Sportgericht grundsätzlich der Subjektiven Einschätzung des SR, das er sich nicht mehr in der Lage fühlte das Spiel weiter zu leiten. In der Verhandlung geht es jetzt nur noch darum wer der Verursacher des Spielabbruchs ist, die schwere des Vergehens sowei die daraus folgenden Maßnahmen (Spielwertung, Wiederholung, Sperren etc.) Auch hier wird der SR nur als Zeuge in freier Beweiswürdigung vernommen.

    Ergebnis: Der Schiri muss sich für seine (Tatsachen)Entscheidung Vorort und auf dem Feld NIEMALS rechtfertigen. Das Sportgericht prüft nur ob über diese Tatsachenentscheidung hinaus weitere Maßnahmen notwendig sind.

  • Dafür muss ich mir als SR vom Kammer-Vorsitzenden auch noch anhören:
    In der 88. Spielminute hättest du auch einfach noch Abpfeifen können.
    Das hätte man auch anders lösen können und und und

    Vielleicht bei sowas dem Vorsitzenden einfach mal den SR Ausweis hinwerfen und sagen:

    "Dann macht euren Scheiß doch alleine"


    Braucht sich doch keiner wundern, dass niemand mehr SR werden will.

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D

  • Nein, korrekt wäre, diese Aussage vor dem Verbandssportgericht anzuzeigen - solche Sportrichter gehören bestraft und entsorgt, im Strafrecht heißt das Rechtsbeugung.

  • Vielleicht bei sowas dem Vorsitzenden einfach mal den SR Ausweis hinwerfen und sagen:

    "Dann macht euren Scheiß doch alleine"


    Braucht sich doch keiner wundern, dass niemand mehr SR werden will.

    Das ist in der heutigen Zeit sehr schwer, da es die Ausweise (in meinem Kreis/Landesverband) nur noch digital gibt.

  • Das ist sicherlich unbefriedigend. Aber wir leben zum Glück in einem Rechtsstaat und es gibt nichts ungerechteres, als nur aufgrund einer Zeugenaussage ggf. zu unrecht bestraft zu werden. Ich will nicht wissen, wieviele SR oder auch Beamten ihre unantastbare Glaubwürdigkeit missbrauchen oder sich einfach auch nur irren.


    Daher, wenn es keine weiteren glaubwürdige Zeugen gibt, dann ist das eben so. Und immerhin gibt es trotzdem ein paar Spiele Sperre. Besser als wenn irgendwo anders ein anderer Spieler zu Unrecht hart bestraft wird.


    Und vielleicht gibt es irgendwann eine neue Begegnung und in bestimmten Situationen einen „Graubereich“, bei dem du dich auf schwarz oder weiß festlegen musst.


    Die Aussage des Vorsitzenden ist allerdings untragbar. Gibt es dafür Zeigen? :ironie:

  • Ich will nicht wissen, wieviele SR oder auch Beamten ihre unantastbare Glaubwürdigkeit missbrauchen oder sich einfach auch nur irren.

    Sorry, das kann ich so nicht stehen lassen.


    Klar, irren ist menschlich und kann jedem passieren - ärgerlich, aber unvermeidbar.


    Aber weder SR noch Beamte haben eine unantastbare Glaubwürdigkeit, deren Einlassungen müssen schon plausibel und glaubwürdig sein, sonst obsiegen auch da die Zweifel - und es gilt der Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten. Allerdings haben die genannten Gruppen in der Regel eine höhere Glaubwürdigkeit, da sie für ihre Funktion entsprechend gut ausgebildet sind und zudem regelmäßig gehörige Praxiserfahrung haben. Natürlich ist es nie auszuschließen, dass Einzelne hier auch Missbrauch des besonderen Vertrauens betreiben, aber Deine Äußerung suggeriert, dass das häufig vorkäme - das entspricht aber weder meinen Erfahrungen noch der objektiven Rechtsrealität, die Quote der Fälle, in denen plausibel gemacht werden kann, dass ein Missbrauch vorliegt, ist erfreulich klein.

  • Manfred Ich möchte nichts suggerieren, wenn ja, tut mit das Leid. Ein einziger Fall würde aber schon ausreichen. Ich bin hier auch nicht Richter und ärgere mich, wenn die Spieler damit durchkommen.


    Der Kollege muss da jetzt erst einmal durch und vielleicht finden sich noch Zeugen, sodass die Strafe dann erst so richtig schmerzt. Man darf sich, wenn es nicht klappt, nicht entmutigen lassen.