Strafbares Handspiel und kein absichtliches Spielen

  • Im Nordderby gab es eine regeltechnisch harte Nuss zu knacken. Bitte selber lesen, es geht um die Situation vor dem 0:1:


    "Collinas Erben" zollen Respekt: Nordderby verlangt Schiri Siebert alles ab - n-tv.de


    Was lernen wir daraus? Ein strafbares (absichtliches?) Handspiel gilt nicht immer auch als absichtliches Spielen des Balles sondern nur als Abpraller.


    Der SR muss jetzt also nicht nur beurteilen, ob ein Handspiel strafbar ist oder nicht, sondern ggf. auch noch, ob es auch ein absichtlicher Versuch war, den Ball zu spielen.


    Die Torschussabwehr, auch durch Blocken (?) hebt Abseits auf, ebenso das Wegfausten einer Flanke, jedoch das Blocken einer Flanke nicht. Junge, Junge…Höhere Regelmatik.


    Ich leite daraus mal ganz provokativ ab, dass damit auch die Schutzhand eben kein absichtliches Berühren des Balles sein kann, sondern nur ein Abpraller und es dann tatsächlich nur noch auf die Größe der „Körperfläche“ ankommt. :)

  • Laut Regeltext ist es ja erstmal klar, dass auch nicht absichtliche Handspiele strafbar sein können.

    D.h., wenn ich das Handspiel wegen einer unnatürlichen Vergrößerung des Körpers ahnde, muss es nicht absichtlich sein und das Abseits damit nicht aufheben.

    Etwas problematisch daran ist, dass der DFB es ja eigentlich so auslegt, dass es beim Handspiel doch in erster Linie um Absicht geht und die Körpervergrößerung nur als Indiz genutzt wird. ("Generell gilt seit dieser Saison wieder, dass die Absicht das zentrale Kriterium dafür ist, ein Handspiel als strafbar zu bewerten")

    Wenn man aber beim Handspiel auf Absicht entscheidet, muss das meiner Auffassung nach auch für die Abseitsbewertung gelten, alles andere wäre nicht logisch und ich kann mir kaum vorstellen, dass es vom Regelgeber anders gewollt ist. Übrigens ist dies kein Übersetzungsproblem, im Englischen wird an beiden Stellen "deliberate" verwendet.


    Sowohl in Sieberts Interview als auch von Lutz Wagner bei Collinas Erben wird deshalb auch nicht behauptet, dass das Handspiel absichtlich war.

    Ein Blocken des Balles aus Nahdistanz wird also generell nicht als absichtliches Spielen des Balles bewertet, weil der Spieler keine Kontrolle über seine Aktion und kaum Zeit zu reagieren hat.

    Die Aussage stört mich eigentlich am meisten, weil es doch durchaus auch ein absichtliches Blocken aus Nahdistanz geben kann. Also wenn der Verteidiger aus kurzer Distanz noch aktiv den Fuß in einen Schuss stellt und so den Ball blockt, wäre das nach meinem bisherigen Verständnis klar "deliberate play". In sonstigen Situationen ist es ja auch nicht erforderlich, dass der Ballkontakt kontrolliert passiert, um Abseits aufzuheben.

    Wenn der Verteidiger hingegen nur dasteht und angeschossen wird, ist es natürlich kein "deliberate play".


    Und noch als Nebenschauplatz: Es gab für das Handspiel keine Gelbe Karte, was merkwürdig erscheint, weil ein Torschuss geblockt wurde. Im Interview spricht Siebert allerdings wiederholt von einer "Flanke", dies erklärt, warum er auf Gelb verzichtet hat. Ist meiner Meinung nach aber eine falsche Bewertung der Situation.

  • Offensichtlich gibt es in der Regelauslegung einen Unterschied zwischen absichtlichem Berühren im Sinne der Regel 12 und absichtlichem Spielen im Sinne der Regel 11. Klingt schlüssig.


    Leider ist die deutsche Übersetzung hier unglücklich. So gibt es bei uns die Begrifflichkeit Handspiel und Handspielvergehen, woraus man ebenso ableiten könnte, dass jegliches Handspielvergehen eben als Spielen des Balles ausgelegt wird.


    Abwarten, ob es auch vom FIAB eine vergleichbare offizielle Frage/Antwort hierzu geben wird.

  • Guter Punkt, den ich noch nicht bedacht hatte.


    Das bedeutet dann, dass es für das Aufheben vom Abseits eine aktive Aktion benötigt, also in der Regel eine Bewegung zum Ball.

    Absichtliches, aber passives Abblocken wäre dann nicht ausreichend.

  • Ich hab es endlich geschafft die Szene zu gucken.

    Sorry... ich verstehe die Auslegung vom DFB überhaupt nicht.


    Für mich sollte das überhaupt kein Handspiel sein.

    Das ist doch keine unnatürliche Bewegung und dadurch keine unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche.

    Wer denkt sich so ein Mist denn bitte aus.


    Ich persönlich finde halt, dass sich das überhaupt nicht mit dem Regelwerk deckt.


    Ich kann mittlerweile jeden verstehen der sagt er versteht es nicht mehr... ich verstehe es nicht mehr und ich beschäftige mich (wie ihr auch) sehr intensiv mit den Regeln.



    Die restliche Argumentation kann ich dann sogar verstehen.. wir reden hier dann halt über ein nicht absichtliches Handspiel und damit kein Deliberate Play, was eine neue Spielsituation erzeugt, somit bleibt das abseits bestehen.

    Wenn man aber beim Handspiel auf Absicht entscheidet, muss das meiner Auffassung nach auch für die Abseitsbewertung gelten

    Naja man muss ja nicht auf Absicht entscheiden für ein strafbares Handspiel.

    Gibt in den Regeln ja 3 bullets points (Kurz: Absicht, Unnatürliche Vergrößerung, Tor)


    Wenn der DFB (bzw Siebert im Interview) da wieder mit "Das die Hand seitlich vom Körper angewinkelt ausgestreckt ist"

    "Und das Problem des Verteidigers ist, dass nur das Handspiel die Flanke verhindert und die Flanke blockt"


    Nichts davon lässt sich mit der Regel als Handspiel bewerten. Entweder hat Siebert es nicht richtig erklärt und den wichtigen Punkt vergessen, nämlich, dass es sich um eine unnatürliche Handbewegung handelt.

    Ich befürchte aber das der DFB warum auch immer insbesondere auf den letzten Punkt (Hand blockt Flanke) abzielt.

    Das ist so aber halt nicht von dem Regeltext gedeckt, der wie ich finde eigentlich relativ eindeutig und einfach zu verstehen ist.


    Leider macht der DFB die Sache mit seiner Auslegung wieder viel komplizierter als es es ist.


    In dem Fall hier wäre aus meiner persönlichen Fußballersicht, weiterspiele mit anschließendem Abseits die bessere Variante gewesen.

    Gerne auch argumentierbar mit "Im Sinne des Fußballs"



    Zitat

    Der Schiedsrichter entscheidet nach bestem Wissen und Gewissen im Sinne der Spielregeln und des Fußballs.

    In der Theorie halt ein schöner Satz.. in der Praxis durch so undurchsichtige "offizielle Regelauslegungen" aber vollkommen nutzlos.

    Für mich ist das nicht im Sinne der Regeln und im Sinne des Fußballs das Handspiel zu ahnden.

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D

  • Wenn man die Perspektive der Hintertorkamera (die bei der Sportschau fehlt) anschaut, kann man es schon als unnatürliche Armhaltung bewerten, weil es keinen aus der Bewegung resultierenden Grund gibt, den Arm so weit auszustrecken.

    Ich bin auch eher bei nicht strafbar, aber ich denke es gibt Argumente für beide Seiten. Und beim DFB scheint aktuell der ausgestreckte Arm schon ein entscheidendes Kriterium zu sein.


    Ansonsten stimme ich amfa zu: Wenn man sich näher am Regeltext bewegen und die Entscheidungen damit begründen würde, wäre einiges einfacher nachzuvollziehen.

  • Ich denke, dass die Entscheidung falsch war.


    Regel 11 stellt klar:


    "Ein Spieler, der sich [...] in einer Abseitsstellung befindet, wird nur bestraft, wenn er aktiv am Spiel teilnimmt, indem er:
    durch Spielen oder Berühren des Balls, den zuletzt ein Mitspieler gespielt oder berührt hat, ins Spiel eingreift
    "


    "Ein Spieler verschafft sich keinen Vorteil aus seiner Abseitsstellung, wenn er den Ball von einem gegnerischen Spieler erhält, der den Ball absichtlich spielt
    (auch per absichtlichem Handspiel), es sei denn, es handelt sich dabei um eine absichtliche Torverhinderungsaktion eines gegnerischen Spielers."


    "Eine Torverhinderungsaktion liegt dann vor, wenn ein Spieler einen Ball, der ins oder sehr nah ans Tor geht, mit irgendeinem Körperteil außer mit den
    Händen/Armen (ausgenommen der Torhüter im eigenen Strafraum) abwehrt oder abzuwehren versucht"


    Folglich liegt bei einem Handspiel eben keine Torverhinderungsaktion vor, was bedeutet, dass die Abseitsstellung nicht bestraft werden darf, da ein Gegenspieler zuletzt den Ball berührt hat.

  • Folglich liegt bei einem Handspiel eben keine Torverhinderungsaktion vor, was bedeutet, dass die Abseitsstellung nicht bestraft werden darf, da ein Gegenspieler zuletzt den Ball berührt hat.

    Ne dafür hätte er ihn ja absichtlich berühren müssen.

    Soweit sind wir ja trotz Handspiel nicht.

    Das Handspiel wird hier nicht als absichtlich gewertet, sondern als unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche.. das beudetet nicht automatisch das es absichtlich ist, sondern nur, dass es es auch strafbar ist.


    Damit war es auch keine absichtliche Torverhinderungsaktion.

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D

  • Wenn keine Torverhinderungsaktion vorliegt, gilt für die Bewertung der Abseitsstellung die letzte Berührung.


    Erfolgt diese durch die verteidigende Mannschaft kann keine strafbare Abseitsstellung vorliegen.


    So interpretiere ich zumindest die Regel.

  • Bei dir fehlt in #8

    Zitat von Regel 11

    [Es ist strafbares Abseits, wenn der Spieler]

    sich einen Vorteil verschafft, indem er den Ball spielt oder einen Gegner beeinflusst, wenn der Ball:
    - von einem Torpfosten, der Querlatte, einem Spieloffiziellen oder einem Gegner zurückprallt oder abgelenkt wird,

    - absichtlich von einem Gegner abgewehrt wurde

    D.h., wenn der Ball vom Gegner abgefälscht wird, kann auch eine strafbare Abseitsstellung vorliegen.


    Dabei fällt mir der Punkt "absichtlich von einem Gegner abgewehrt wurde" auf. Dieser verstärkt nochmal die These, dass absichtliches Abblocken in der Tat das Abseits nicht aufhebt - nur absichtliches Spielen tut dies.

  • So ist es, ein absichtliches Blocken des Balles, auch als Handspielvergehen, ist noch kein absichtliches Spielen.


    Spannend ist noch die Frage, ob eine Torverhinderungsaktion mit der „blockenden Hand“ das Abseits auflöst oder eben auch nur ein klares Spielen, wie zum Beispiel das Wegfausten.

  • Vorsicht:

    Die eigentliche Frage ist doch, was mit "ablenken" gemeint ist - reden wir also über eine unabsichtliche Aktion, etwa weil der Verteidiger angeschossen wird oder unabsichtlich in die Flugbahn läuft, hat das definitiv einen anderen Charakter als wenn der Ballkontakt gesucht wird ...

  • Manfred Es geht nicht um Ablenken, sondern nur um den Unterschied zwischen absichtlich Abwehren und absichtlich Spielen.


    Auch das absichtliche Abwehren hebt Abseits nicht auf, steht so fast wortwörtlich auch im Regeltext.

  • Wenn keine Torverhinderungsaktion vorliegt, gilt für die Bewertung der Abseitsstellung die letzte Berührung.

    Ne Eben nicht. Die Berührung des Abwehrspielers muss absichtlich sein.

    Ich hab mich da auch etwas vertan glaube ich.




    Nehmen wir nochmal den Satz hier:


    Ein Spieler verschafft sich keinen Vorteil aus seiner Abseitsstellung, wenn er den Ball von einem gegnerischen Spieler erhält, der den Ball absichtlich spielt

    (auch per absichtlichem Handspiel), es sei denn, es handelt sich dabei um eine absichtliche Torverhinderungsaktion eines gegnerischen Spielers


    Den letzten Teil können wir streichen weil Handspiel explizit ausgenommen ist.

    Was bleibt ist also folgendes


    Ein Spieler verschafft sich keinen Vorteil aus seiner Abseitsstellung, wenn er den Ball von einem gegnerischen Spieler erhält, der den Ball absichtlich spielt


    Die Absicht fehlt hier meiner Meinung nach, Somit verschafft sich der Spieler einen Vorteil und es handelt sich um ein strafbares Abseits.

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D

  • Das ist eine plausible Sichtweise, jedoch ist ein Handspiel nur strafbar, wenn es absichtlich passiert.


    Dass hier zweierlei Maß angelegt wird, was "Absicht" bedeutet, ist äußerst verwirrend.

  • Genau das ist ja der Punkt von diesem Thread. Und gegen diese Verwirrung gibt es zwei mögliche Ansätze.


    1. Auch nicht absichtliche Handspiele können strafbar sein, wenn der Körper unnatürlich vergrößert wird.

    Dies entspricht zwar nicht den Stellungnahmen vom DFB, aber dafür dem Regeltext, wo Absicht und Körpervergrößerung zwei unterschiedliche Gründe für Strafbarkeit sind.


    2. Beim Abseits geht es nur um absichtliches Spielen (~ aktive Bewegung zum Ball) des Balles, während beim Handspiel jede absichtliche Berührung relevant ist. Insbesondere ist absichtliches Blocken des Balles beim Handspiel strafbar, hebt aber das Abseits nicht auf.

    Dies erfordert etwas mehr Interpretation des Regeltexts, entspricht aber der Stellungnahme von Lutz Wagner zum Handspiel in Hamburg.

  • Mir ist immer noch nicht klar, was die aktuelle Lehrmeinung ist hinsichtlich der Differenzierung:


    a) Ball Ablenken/Zurückprallen

    b) Ball Abwehren

    c) Ball Spielen

    d) Torverhinderungsaktion


    Laut Regeltext heben a) und b) Abseits nicht auf, sowie c) nur bei d).


    Für mich ist b) ein absichtliches Blocken des Balles, ohne dass der Ball bewusst in eine bestimmte Richtung gespielt werden will. Ort egal. Also auch jegliche absichtliche bzw. reflexartige Ballberührung aus nächster Distanz.


    Bei c) muss der Spieler zumindest theoretisch die Zeit gehabt haben, dem Ball eine bewusste neue Richtung zu geben, auch wenn er den Ball nur „abwehren“ möchte.


    Also, das Ganze ist im Einzelfall sehr schwer zu differenzieren und die verwendeten Begriffe im Regeltext machen es nicht einfach.

  • Für mich wäre der entscheidende Unterschied zwischen b) und c) ob der Ball gegen den Körper fliegt oder der Körper aktiv Richtung Ball bewegt wird.

    Ein Indiz könnte sein, ob der Ball sich nach der Berührung in die Richtung der Körperbewegung bewegt.

    Also beim Beispiel aus HSV-Bremen zieht der Verteidiger den Arm ja zu sich ran, also (mit Blick aufs Tor) nach rechts, während der Ball eher nach links wegfliegt. Das spricht dann für Blocken/Abwehren. Wenn er den Arm gerade von sich weg, also nach links, bewegt hätte, wäre es eher ein Spielen gewesen.

    Auch z.B. beim Abwehren durch einen Ausfallschritt. Wenn der Ball in Richtung des Ausfallschritts wegfliegt, wurde er gespielt. Wenn er im 90°-Winkel zur Schrittbewegung abprallt, ist es ein Blocken.


    Insofern könnten dann mMn auch Reflex zum Spielen des Balls führen, z.B. wenn der Ball durch den Arm weggeschlagen (und eben nicht nur geblockt) wird.


    Gebe dir aber Recht, dass dies im Einzelfall schwer zu bewerten ist.

    Ist für mich auch eine neue Erkenntnis, dass absichtliches Blocken Abseits nicht aufhebt.

  • Das ist eine plausible Sichtweise, jedoch ist ein Handspiel nur strafbar, wenn es absichtlich passiert.

    Nein eben nicht.

    Wo steht das?


    Das Regelwerk sagt was anderes.


    Zitat

    Ein Vergehen liegt vor, wenn ein Spieler:

    • den Ball absichtlich mit der Hand/dem Arm berührt (z. B. durch eineBewegung der Hand/des Arms zum Ball),
    • den Ball mit der Hand/dem Arm berührt und seinen Körper aufgrund der Hand-/Armhaltung unnatürlich vergrößert. Eine unnatürliche Vergrößerung des Körpers liegt vor, wenn die Hand-/Armhaltung weder die Folge einer Körperbewegung des Spielers in der jeweiligen Situation ist noch mit dieser Körperbewegung gerechtfertigt werden kann. Mit einer solchen Hand-/ Armhaltung geht der Spieler das Risiko ein, dass der Ball an seine Hand/ seinen Arm springt und er dafür bestraft wird,


    Beides sind Handspielvergehen, beim zweiten braucht es aber gar keine Absicht.

    Das kann auch vollkommen unabsichtlich sein.


    "Extrembeispiel" ich stelle mich mit ausgebreiteten Armen aber Rückwärts zum Gegner.

    Wenn der mich nun anschießt hab ich den Ball nicht absichtlich mit dem Arm berührt (ich seh den Ball ja nicht mal).

    Trotzdem handelt es sich um ein Vergehen aber nur auf Grund des zweiten Punktes.

    Bin kein Schiedsrichter, nur ein Spieler Trainer (wieder) Spieler der sich für die Regeln seines Sports interessiert :D