Zwei Verwarnungen in einem Spiel

  • Jetzt vermengen wir aber zwei Dinge:

    1. Was kann/darf/soll/muss der Schiedsrichter tun, nachdem ihm ein solcher Lapsus passiert ist?

    2. Was macht ein Sportgericht aus einem solchen Fehler?


    Gerade die zweite Frage ist zwar interessant, darf unsere Handlungen auf dem Feld aber nicht beeinflussen, da das Sportgericht weitere Faktoren berücksichtigt, die teilweise erst nach dem Spiel feststehen, wie etwa das Ergebnis des Spieles - hat etwa die Mannschaft, die sich hätte reduzieren müssen, das Spiel dennoch verloren, wird kein Sportgericht eine Neuansetzung anordnen ...


    Wir dürfen uns also nur mit dem ersten Aspekt beschäftigen - und der ist m.E. in den Regeln eindeutig: Wir haben den Sachverhalt gesehen, bewertet und geahndet und das Spiel auch entsprechend fortgesetzt; damit ist, wie unser Lehrwart das gerne ausdrückt, die Schranke geschlossen, ein Nachzeigen des Rote-Karte-Anteils, es ist ja keine eigenständige Rote Karte, kommt damit nicht mehr in Betracht. Wirklich spannend - und auch unklar - ist, ob es eigentlich der Roten Karte bedarf:

    Zitat

    Spieler, Auswechselspieler oder ausgewechselte Spieler, die eines der folgenden Vergehen begehen, werden des Feldes verwiesen:

    ...

    zweite Verwarnung im selben Spiel

    ...

    Regel 12 (Seite 78, PDF-Seite 80) sagt damit, dass die zweite Verwarnung eigentlich schon genügt, um den Feldverweis zu verwirken. Dann kommt aber die DFB-Anweisung Nr. 5 zur Regel 12 ins Spiel:

    Zitat

    Wird ein bereits verwarnter Spieler während eines Spiels in Folge einer zweiten Verwarnung des Feldes verwiesen, muss der Schiedsrichter ihm zuerst die Gelbe Karte und unmittelbar danach die Rote Karte zeigen. (Damit soll deutlich signalisiert werden, dass der Feldverweis aufgrund des zweiten verwarnungswürdigen Verstoßes und nicht etwa aufgrund eines Verstoßes, der einen sofortigen Ausschluss zur Folge gehabt hätte, ausgesprochen wurde.)

    Es ist nun spannend, ob der nach Regel 12 ausgesprochene Feldverweis durch die Regelung storniert wird, wenn der Schiedsrichter die Rote Karte vergisst, andererseits spricht die Anweisung selbst lediglich von einer Signalwirkung. Damit ist deutlich, dass es der Roten Karte für den Ausspruch des Feldverweises gar nicht bedarf.


    Nun haben wir aber die Situation, dass wir als SR das Spiel fortsetzen, ohne darauf zu warten/zu bestehen, dass dieser des Feldes verwiesene Spieler das Feld auch verlässt, wir gestatten ihm sogar regelwidrig die weitere Spielteilnahme - und das ist irreversibel. Wir können also, diesbezüglich sind die Ausführungen von Mark schon sinnvoll, den Spieler auf unseren Fehler hinweisen, vielleicht ihm auch verdeutlichen, dass wir dies melden werden und ein freiwilliger Verzicht auf die weitere Spielteilnahme ebenfalls gemeldet würde, was die Entscheidung des Sportgerichtes beeinflussen könnte (bitte bewusst im Konjunktiv bleiben und auch keine Richtung andeuten), mehr können wir aber eben nicht machen, unser Fehler hat Bestand. Für das Nachzeigen des Rote-Karte-Anteils gibt es jedenfalls keine Regelgrundlage.

  • Aber anders herum: Verhängt der der Schiedsrichter mit dem Zeigen einer GRK denn gleich zwei persönliche Strafen? Ich meine nein

    Laut Regeltext sind es mittlerweile tatsächlich zwei persönliche Strafen.

    Das feldverweiswürdige Vergehen ist es nämlich die zweite Verwarnung überhaupt bekommen zu haben.


    Früher war das anders, da war das zweite verwarnungswürdige Vergehen das definierte feldverweiswürdige Vergehen und daher gab es da auch regeltechnisch da nur Rot (bis Mitte/Ende der 90er mindestens). Gelb/Rot wurde damals (glaube zunächst nur in Deutschland) eingeführt um eben den Grund für die rote Karte zu signalisieren und wurde dann viele Jahre lang nur als Verbands-/Turnierspezifikum umgesetzt bevor es durch die aktuelle Formulierung zur Pflicht geworden ist die 2. Verwarnung auszusprechen bevor man vom Platz stellt.


    Jetzt also mal weg von Gelb/Rot sondern gedanklich mal weiter mit erst Gelb, dann Rot:

    Der Schiedsrichter erteilt eine Verwarnung und lässt das Spiel dann fortsetzen.

    Irgendwann später (warum, wie und wann genau ist für den Sachverhalt eigentlich irrelevant) nach der Spielfortsetzung stellt der Schiedsrichter fest, dass er ein feldverweiswürdiges Vergehen, welches vor der Spielfortsetzung stattgefunden hat, übersehen hat. Da ist meiner Meinung nach für den Schiedsrichter der Zug abgefahren.


    Da geht wirklich nur noch melden und (da bleibe ich bei) mit den Spielführern kooperativ(!) und ohne Anweisungen oder Verpflichtungen besprechen ob sie bereit sind den durch den Regelverstoß entstandenen Schaden auf freiwilliger Basis so weit wie möglich zu kompensieren um eine mögliche Neuansetzung zu vermeiden. Im Sachverhalt würde durch einen Verzicht auf den Spieler beispielsweise der "Schaden" von "47 Minuten mit einem Mann zu viel" auf "2 Minuten mit einem Mann zu viel" eingedämmt werden.

  • Jetzt vermengen wir aber zwei Dinge:

    1. Was kann/darf/soll/muss der Schiedsrichter tun, nachdem ihm ein solcher Lapsus passiert ist?

    2. Was macht ein Sportgericht aus einem solchen Fehler?


    Gerade die zweite Frage ist zwar interessant, darf unsere Handlungen auf dem Feld aber nicht beeinflussen, da das Sportgericht weitere Faktoren berücksichtigt, die teilweise erst nach dem Spiel feststehen, wie etwa das Ergebnis des Spieles - hat etwa die Mannschaft, die sich hätte reduzieren müssen, das Spiel dennoch verloren, wird kein Sportgericht eine Neuansetzung anordnen ...


    Die Fragen sind halt miteinander vermengt. Denn wenn die Auswirkungen gemindert werden können, sollte der Schiedsrichter sich auch so verhalten. Dies geht dann mit den mutmaßlichen Entscheidungen des Sportgerichts zwangsläufig einher. Mir fällt zumindest gerade keine Situation ein, in der ein Nachziehen der roten Karte die Situation irgendwie verschlimmern würde - selbst wenn das im Worst Case sogar als zweiter Regelverstoß gewertet werden würde, die Auswirkungen des ersten Regelverstoßes werden ja immer gemindert. Ich weiß, wirklich gefährliche Argumentation, aber so sind die von Dir aufgeworfenen beiden Punkte nunmal unweigerlich miteiander vermengt.

    Wir dürfen uns also nur mit dem ersten Aspekt beschäftigen - und der ist m.E. in den Regeln eindeutig: Wir haben den Sachverhalt gesehen, bewertet und geahndet und das Spiel auch entsprechend fortgesetzt; damit ist, wie unser Lehrwart das gerne ausdrückt, die Schranke geschlossen, ein Nachzeigen des Rote-Karte-Anteils, es ist ja keine eigenständige Rote Karte, kommt damit nicht mehr in Betracht. Wirklich spannend - und auch unklar - ist, ob es eigentlich der Roten Karte bedarf:


    Genau damit schlägst Du ja in die Kerbe von Mark und mir. Natürlich ist die Schranke einer Entscheidung nach Spielfortsetzung geschlossen, das zweifelt ja nun niemand an. Aber die Frage in dieser Sondersituation GRK ist ja einfach, ob es sich bei dem Feldverweis um eine weitere, hier nicht bzw. falsch getroffene Entscheidung handelt, oder ob es nur eine nicht unterbliebene Signalisierung / Kommunikation (so habe ich es genannt im Beitrag #20) oder eben "Buchhaltungsfehler" (Mark) handelt. Das ist ziemlicher Spekulatius, zugegeben, daher auch mein Hinweis auf die lange Abhandlung. Ich bin mir einfach nicht sicher, ob die nicht gezeigte rote Karte in dem Sinne eine falsche Entscheidung ist, deren Korrektur unmöglich ist, oder ob da eben mit Aussprache der Verwarnung die Entscheidung des Feldverweises automatisch mit gefällt wurde, und die Umsetzung zu einem späteren Zeitpunkt zwar schlecht, aber doch möglich ist.

    Naja, dass es sich um zwei Strafen handelt, sehe ich anders. Denn sonst müsstest Du es ja bspw. auch als zwei Strafen im Spielbericht eintragen, und ich verstehe den Regeltext auch genau gegenteilig, da bin ich bei Manfred.


    Da geht wirklich nur noch melden und (da bleibe ich bei) mit den Spielführern kooperativ(!) und ohne Anweisungen oder Verpflichtungen besprechen ob sie bereit sind den durch den Regelverstoß entstandenen Schaden auf freiwilliger Basis so weit wie möglich zu kompensieren um eine mögliche Neuansetzung zu vermeiden. Im Sachverhalt würde durch einen Verzicht auf den Spieler beispielsweise der "Schaden" von "47 Minuten mit einem Mann zu viel" auf "2 Minuten mit einem Mann zu viel" eingedämmt werden.

    Das halte ich für die schlechteste aller Optionen.

  • Denn sonst müsstest Du es ja bspw. auch als zwei Strafen im Spielbericht eintragen

    Was in den Spielbericht kommt und ob es überhaupt einen gibt ist doch keine Regelfrage.

    Wenn der Turnierleiter von die zweite Verwarnung, die zum Feldverweis geführt hat unterschlagen haben will, dann ist das so.

    Im spielinternen Sinn muss trotzdem zuerst ein zweites Mal verwarnt werden bevor Du den Spieler deswegen vom Feld stellst.

  • Zettelbox, grade das mit dem Trainer ist in dem vorgegebenen Szenario aber nicht wegzudiskutieren aufgrund der Formulierung. Erst macht der Trainer aufmerksam, dann kontrolliert der SR und bemerkt aufgrund des Hinweises den Fehler. Ob der SR seine Notizen von sich aus kontrolliert hätte und dabei den Fehler bemerkt hätte - Spekulation und geht nicht aus der Formulierung hervor.


    Genau so klar ist aber auch, dass der SR hierbei feststellt, dass er eigentlich zwei Karten gegeben hätte.


    Hier aber mal eine Entscheidung, was bei Nachziehen passiert:

    A-Liga – Brähler nimmt Schiri in Schutz – Neuansetzung vom Tisch
    Osthessen (pf) – Das Spiel zwischen der TSG Mackenzell und der SG Stockhausen/Blankenau (2:1), das wegen eines Fauxpas des Schiedsrichters für Gesprächsstoff…
    www.osthessen-zeitung.de

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Zettelbox, grade das mit dem Trainer ist in dem vorgegebenen Szenario aber nicht wegzudiskutieren aufgrund der Formulierung. Erst macht der Trainer aufmerksam, dann kontrolliert der SR und bemerkt aufgrund des Hinweises den Fehler. Ob der SR seine Notizen von sich aus kontrolliert hätte und dabei den Fehler bemerkt hätte - Spekulation und geht nicht aus der Formulierung hervor.

    Ja, aber das macht meines Erachtens keinen Unterschied.

  • Was aus dem von jambala zitierten Urteil aber klar hervorgeht: Das nachträgliche Zeigen der Ampelkarte war ein zweiter Regelverstoß - und wir sollten nicht ohne Not Regelverstöße begehen, einer, der unglücklicherweise passiert ist, genügt. Ansonsten verweise ich noch einmal darauf:

    Nun haben wir aber die Situation, dass wir als SR das Spiel fortsetzen, ohne darauf zu warten/zu bestehen, dass dieser des Feldes verwiesene Spieler das Feld auch verlässt, wir gestatten ihm sogar regelwidrig die weitere Spielteilnahme - und das ist irreversibel. Wir können also, diesbezüglich sind die Ausführungen von Mark schon sinnvoll, den Spieler auf unseren Fehler hinweisen, vielleicht ihm auch verdeutlichen, dass wir dies melden werden und ein freiwilliger Verzicht auf die weitere Spielteilnahme ebenfalls gemeldet würde, was die Entscheidung des Sportgerichtes beeinflussen könnte (bitte bewusst im Konjunktiv bleiben und auch keine Richtung andeuten), mehr können wir aber eben nicht machen, unser Fehler hat Bestand. Für das Nachzeigen des Rote-Karte-Anteils gibt es jedenfalls keine Regelgrundlage.

    Wir können also andeuten, welches Verhalten sinnvoll sein könnte, aber damit ist Ende Banane - wenn der Spieler/Verein das ignoriert, müssen wir das hinnehmen, das muss dann eben sportgerichtlich aufgearbeitet werden.

  • Was aus dem von jambala zitierten Urteil aber klar hervorgeht: Das nachträgliche Zeigen der Ampelkarte war ein zweiter Regelverstoß - und wir sollten nicht ohne Not Regelverstöße begehen, einer, der unglücklicherweise passiert ist, genügt.


    Ist ja interessant.

    Frage mich bloß, was für ein Urteil Du meinst. Die Einschätzung, dass es sich um einen Regelverstoß handelt, kommt von der "Osthessen Zeitung". Bei allem Respekt, da würde ich jetzt nur so mittelmäßig viel Wert drauf legen.

    Der ganze Artikel ist super merkwürdig. In der Einleitung geht es um ein Einzelrichterverfahren, im weiteren Text klingt es aber so, als ob das Unterlegene Team auf den Einspruch verzichtet. Genau um diese "Fair Play"-Aktion dreht sich ja der ganze verlinkte Artikel. Ich mutmaße mal, dass es sich hier gar nicht um ein Urteil gehandelt hat, weil das unterlegene Team den Einspruch zurückgezogen hat. Aber der Artikel ist ziemlich vermurkst, ergibt keinen Sinn. Von einem "Urteil" ist jedenfalls keine Rede.


    mehr können wir aber eben nicht machen, unser Fehler hat Bestand. Für das Nachzeigen des Rote-Karte-Anteils gibt es jedenfalls keine Regelgrundlage.


    Es liegen ja jetzt eine Menge Argumente auf dem Tisch, warum diese Schlussfolgerung eben nicht so einfach ist. Ich meine schon, dass es dafür eine Regelgrundlage geben könnte, siehe mein Beitrag #20 und sogar Dein Beitrag #21.

  • Dieser Fall bringt uns nicht weiter, da kein (und von DFB oder gar der FIFA bestätigtes) Urteil mit Begründung gefällt wurde. Interessant ist allenfalls der zitierte Paragraf 49:


    Er würde sogar einen zweiten Regelverstoß rechtfertigen, um eine Wiederholungsspiel zu verhindern. Es müsste nämlich Meckenzell im Falle einer Niederlage nachweisen, dass die vermeintlich zum falschen Zeitpunkt gezeigte Rote Karte spielentscheidend war, obwohl sie noch „zu unrechter“ dann diesen Spieler zu viel auf dem Feld gehabt hätten.


    Bei allem Formalismus sollten wir nicht vergessen, dass es nur Fußball ist und der Sinn und Geist im Vordergrund stehen muss.


    BestRefinTown Mit VAR passiert so etwas nicht :cool:

  • Ganz ehrlich, Deine Aussage hinsichtlich Formalismus widerlegst Du regelmäßig mit Deinem zwanghaften Verweisen auf FIFA, DFB und die Regeln.


    Mark, scheiß auf die UEFA, FIFA und den DFB, wenn es um Kreisklasse geht. Da entscheiden Leute aus dem Kreis und den Verbänden, da die für die Partie geltende Befugnis eben nicht bei den übergeordneten Verbänden liegt und das dort gesprochene Recht eben dort Anwendung findet, auch wenn es nicht durch DFB oder FIFA bestätigt ist. Und da spiegeln solche Entscheidungen eben auch die Entscheidungsfindung auf diesem Niveau wieder, auch wenn die Strukturen je nach Verband und Klasse anders sind. Genau nachvollziehen kann man es nur in der genauen Begründung.

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    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Es liegen ja jetzt eine Menge Argumente auf dem Tisch, warum diese Schlussfolgerung eben nicht so einfach ist.

    Ich setze jetzt mal bewusst einen drauf:

    Der clevere Trainer hat den SR-Fehler bemerkt und wechselt den fraglichen Spieler

    a) sofort

    b) in der Halbzeit aus.

    Bei a wäre vollkommen klar, dass wir den eingewechselten Spieler nicht vom Spiel ausschließen können, bei b müssen wir am Ende differenzieren, ob wir dem Eintritt zugestimmt haben, weil der sich anmeldet "Ich komme" - unsere Zustimmung - "für die ..."? Sorry, das alles kann es nicht sein. Es ist doch letztlich wie bei jeder sonstigen Fehlentscheidung, wenn das Spiel fortgesetzt ist, können wir die nicht mehr zurücknehmen - und Konzessionsentscheidungen oder weitere Regelverstöße, um das auszugleichen, nein, das ist keine Option. Unserer "Schadenminderungspflicht" kommen wir nach, wenn wir den Betroffenen auf unseren Fehler und den Umstand hinweisen, dass wir Meldung machen werden, wenn daraus keine Konsequenzen gezogen werden, müssen wir eben bis zum Sportgericht warten.

  • jambala Es ist doch genau der Sch…formalismus, der uns zwingt im Sinne des Spiels einen ersten Regelverstoß nicht durch einen vermeintlichen zweiten zu „heilen“. Es gab auch mal die Diskussion, ob man die falsche Gelbrote Karte in einem Jugendspiel nach der Spielfortsetzung in die korrekte Zeitstrafe umwandeln kann.


    Des Weiteren wollen wir in diesem Forum auch interessante und knifflige Fällen regeltechnisch möglichst zu Ende analysieren. Und regionale Urteile bzw. nur Presseberichte müssen nicht auch der Auslegungen höherer Verbände entsprechen.


    Offen bleibt meines Erachtens zunächst die spannende Frage, ob eine offenkundig ausgesprochene zweite Verwarnung für denselben Spieler automatisch zum formalen Feldverweis inkl. Unterzahl führt oder erst das Zeigen der Roten Karte.


    Im Gegensatz zu Tätlichkeiten, groben Foulspielen, Beleidigungen und DOGSOs gibt es nach der zweiten Verwarnung für denselben Spieler keinen Ermessensspielraum mehr. Die Tatsachenentscheidung ist ausschließlich das Zeigen der Gelben Karte, die nach der Spielfortsetzung tatsächlich nicht mehr zurückgenommen werden kann, jedoch nicht der durch die Regeln klar beschriebene automatische Feldverweis und der Reduzierung der maximalen Spieleranzahl um eine Person.

  • jedoch nicht der durch die Regeln klar beschriebene automatische Feldverweis und der Reduzierung der maximalen Spieleranzahl um eine Person.

    Und da liegt der Denkfehler: In dem ich als SR das Spiel fortsetze, erteile ich die Erlaubnis zur weiteren Teilnahme am Spiel, auch wenn das regelwidrig ist - und eben diese darf ich dann auch nicht mehr widerrufen.


    Übrigens ist nicht die Spielerzahl zu reduzieren, sondern genau der Umstand, dass der konkrete Spieler vom Feld muss und nicht mehr ersetzt werden darf, führt zur Reduzierung der Spielerzahl /klingt ja sonst so, als dürfe die Mannschaft einen beliebigen Spieler auswählen).

  • Manfred Ich sehe da keinen Denkfehler sondern zunächst nur eine grundsätzliche Fragestellung. Denn, wenn ich als SR irrtümlich einem 12. Spieler die Teilnahme am Spiel genehmige, ist das Überzahlspiel nach der Spielfortsetzung ja auch nicht bis zum Schlusspfiff irreversibel legitimiert.


    Und die Reduzierung der Spielerzahl habe ich bewusst deinetwegen erwähnt, da du den Spieler auswechseln wolltest.:)

  • Im Gegensatz zu Tätlichkeiten, groben Foulspielen, Beleidigungen und DOGSOs gibt es nach der zweiten Verwarnung für denselben Spieler keinen Ermessensspielraum mehr.

    Den gibt es bei den Tätlichkeiten, groben Foulspielen und Beleidigungen auch nicht. Was hier als "Ermessensspielraum" betrachtet wird ist lediglich die Unschärfe der Wahrnehmung. Wenn wir aber einen Vorgang wahrgenommen haben, bei dem die Wahrnehmung den Tatbestand der "Beleidigung" als erfüllt ansieht, dann hat der Ermessensspielraum ein Volumen von exakt 0,0m³.


    Und jetzt wird wieder wichtig, was denn genau das feldverweiswürdige Vergehen ist. Nämlich das bekommen der zweiten Verwarnung und nicht etwa das Begehen des zweiten verwarnungswürdigen Vergehens (wie es früher mal war).


    Hier mal der Entscheidungsablauf bei einem normalen Gelb/Rot:


    Erste Verwarnung:

    Wahrnehmung: Ein verwarnungswürdiges Vergehen.

    Regelentscheidung: Aussprechen der Verwarnung durch Zeigen der gelben Karte.

    Regelentscheidung: Spielfortsetzung gemäß Regel 12


    Zweite Verwarnung:

    Wahrnehmung: Ein verwarnungswürdiges Vergehen.

    Regelentscheidung: Aussprechen der Verwarnung durch Zeigen der gelben Karte.

    Weitere Wahrnehmung: Oh, der hat schon Gelb.

    Regelentscheidung: Aussprechen des Feldverweises durch Zeigen der roten Karte

    Regelentscheidung: Spielfortsetzung gemäß Regel 12



    In der Situation des TE hat der Schiedsrichter einfach nicht wahrgenommen, dass der Spieler schon verwarnt war. Ihm fehlte das, was ich bei "weitere Wahrnehmung" aufgelistet hatte.

    Und jetzt lehne ich mich mal ganz weit aus dem Fenster: Es sollte auch in Betracht gezogen werden, dass es noch nichtmal ein Regelverstoß ist!


    Der Schiedsrichter hat ein feldverweiswürdiges Vergehen (nämlich die zweite gelbe Karte zu kassieren) nicht wahrgenommen. Wie geht man üblicherweise mit Vergehen um, die der Schiedsrichter nicht wahrgenommen hat? Man kann sie spielintern nicht ahnden, auch wenn sie noch so offensichtlich sind. Wenn es im Rücken des SR passiert, kann er den Torwart nicht dafür bestrafen, dass der Stürmer ohne Zähne neben dem Torpfosten liegt, selbst wenn alle Zuschauer sagen, der Torwart hat ihm die Zähne ausgeschlagen. Genau diese Logik müsste man eigentlich hier auch anwenden.


    Klar, der Schiedsrichter sollte wissen, wen er schonmal verwarnt hat und er sollte seine Art der Buchführung überdenken, aber zunächst mal bleibt, dass er das feldverweiswürdige Vergehen vor der Spielfortsetzung nunmal einfach nicht wahrgenommen hat, warum auch immer.

  • Das eine, wie von mir bereits zitiert, ist in Regel 3 klar geregelt. Eine Mannschaft darf zu jeder Zeit der Spieldauer nicht mehr als maximal 11 Spieler gleichzeitig auf dem Feld haben. Daher sieht Regel 3 auch explizit vor, dass unabhängig vom Zeitpunkt im laufenden Spiel die Zahl unverzüglich nach Feststellung (unter Berücksichtigung explizit genannter Vorteilsbestimmungen aus Regel 3) die Zahl korrigiert werden muss, sofern sich ein zusätzlicher Spieler am Spiel beteiligt.


    Der Umstand, dass ein Spieler im laufenden Spiel das Feld auf Anweisung des SR zu verlassen hat bedingt einer Tatsachenentscheidung aufgrund eines vorliegenden Regelverstoßes. Da greift Regel 12, und diese wird aber ein Stück weit durch Regel 5 eingeschränkt, da eben bei einem Fehler, der nicht vor Fortsetzung des Spiels erkannt wird, dieser nicht mehr korrigierbar wird durch die erfolgte Spielfortsetzung. Hierdurch sollen eben auch Verzerrungen des Spielverlaufs limitiert werden, um eben zu stark verzögert vorgenommene Ahndungen zu verhindern. Denn wo zieht man dann die Grenze, vor allem, wie lange darf nachgezogen werden? Dürfte dann theoretisch nach Spielende noch eine Karte für ein Vergehen in der 10. Minute nachgetragen werden? Wäre damit dann auch noch ein Einspruch gerechtfertigt, wenn dieses Vorgehen möglich wäre, sofern der Spieler keinen Einfluss auf das weitere Ergebnis hatte?

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • KozKalanndok Wenn ich ein rotwürdiges Vergehen wahrnehme und nur mit Gelb oder gar nicht persönlich bestrafe, ist nach der Spielfortsetzung die Tatsachenentscheidung unumkehrbar.


    Es ist auch abstrus, dass ein „farbenblinder“ SR die Karten vertauscht und nicht merkt, dass der Spieler das Spielfeld nicht verlässt. Aber selbst dann kann er Gelb nicht mehr in Rot umwandeln.


    Der Feldverweis, ausgelöst durch die zweite Verwarnung, ist keine eigenständige Tatsachenentscheidung, sondern eine automatische alternativlosenFolge zweier vorausgegangener Tatsachenentscheidungen.


    Das übrigens auch die Spieler wissen müssen. Das „dumm Stellen“ und alle Verantwortung dem SR oder der „Tatsachenentscheidung“ anzulasten, hat auch Wolfsburg gegen Preußen nichts genutzt.

  • Koz, hinsichtlich der Wahrnehmung hatte ich schon mal einen Fall, wo ich aufgrund der Beschaffenheit der Nummern auf den Trikots falsch notiert hatte und dann den falschen Spieler runter geschickt hatte. Silberfarbene, metallicfarbene Nummern auf weißen Trikots mit sehr ähnlichen Ausformungen für 8 und 6. Waren sogar noch schweine teure original Nummern von Nike und waren im Verlauf des Spiels je nach Sonnenstand nicht zu unterscheiden und beide Spieler haben sich ähnlich gesehen. Es liegt nicht immer am Notieren.


    Mark, seit wann spiegeln die Regeln in allen Aspekten die Einhaltung des Sinns des Spiels wieder? Die Regeln werden durch uralte Vertreter erzkonservativer Verbände vorgegeben. Was nicht in deren Weltanschauung passt, spielt für den Fußball als Ganzes keine Rolle. Wenn es gewollt wäre, gäbe es entsprechend platzierte Einschränkungen in Regel 5 und 12. Da diese fehlen, kann ich das aber nicht eigenmächtig vornehmen.


    Es spricht nichts dagegen, Themen auszudiskutieren. Aber, bei konkreten Szenarien sollte man nicht zu weit ausschweifen, da dann eben die ursprüngliche Fragestellung schnell aus dem Fokus gerät. Vor allem, wenn eigentlich für die gestellten Fragen klare Handlungsanweisungen bestehen.

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    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • Das „dumm Stellen“ und alle Verantwortung dem SR oder der „Tatsachenentscheidung“ anzulasten, hat auch Wolfsburg gegen Preußen nichts genutzt.

    Richtig - aber wo wurde das noch mal entschieden? Auf dem Platz oder am grünen Tisch? Um nichts anderes geht es hier doch letzten Endes.

  • Der Feldverweis, ausgelöst durch die zweite Verwarnung, ist keine eigenständige Tatsachenentscheidung, sondern eine automatische alternativlosenFolge zweier vorausgegangener Tatsachenentscheidungen.

    Aber selbstverständlich ist das eine Tatsachenentscheidung.

    "Der hatte schon Gelb" ist genauso Tatsachenentscheidung wie "es war eine offensichliche Torchance". Und der Schiedsrichter im Eingangspost ist nunmal zu dem Schluss gekommen, dass der Spieler eben noch kein Gelb hatte und daher kein feldverweiswürdiges Vergehen zu ahnden ist.


    Das "zweite Verwarnung"-Vergehen ist im gleichen Absatz gemeinsam mit allen anderen feldverweiswürdigen Vergehen aufgeführt. Wo leitest Du für gerade dieses feldverweiswürdige Vergehen eine von den anderen Vergehen abweichende Behandlung ab?