Bei Manfreds Weihnachtsregelquiz war ich bei den Fragen zum 2. Dezember und 3. Dezember zunächst lange auf der falschen Fährte und ich habe mir mal die Arbeit gemacht zu reflektieren, warum das so war. Interessanterweise konnte ich da trotz der wirklich detailierten Sachverhaltsbeschreibung mein Kopfkino als Verursacher ausmachen. Aber nicht etwa, weil es etwas dazugedichtet hat was es nicht gegeben hat sondern im Gegenteil. Es hat wichtige Details der Sachverhaltsschilderung schlicht und ergreifend vergessen und ich habe den Fehler gemacht dann das entstandene Filmwerk regeltechnisch zu bewerten.
Daher möchte ich hier auch nicht die konkreten Regelfragen diskutieren sondern es geht mir um die unbewussten Auswirkungen eines Kopfkinos.
Hierzu zunächst mal das Drehbuch meines Kopfkinos vom 3. Dezember:
- Ein Verteidiger führt einen korrekten Einwurf zu seinem Torwart aus.
- Schnitt und ab hier Zeitlupe.
- Der Torwart mit Torwartmütze (die warum auch immer wie ein chinesischer Reishut aussieht) geht in eine Meditationspose (stehend, Hände vor der Brust, rechte Faust in linke senkrecht gehaltene Handfläche, geschlossene Augen) und fokussiert sich auf den anrollenden Ball (visualisiert durch das Öffnen der Augen).
- Schnitt.
- Der Ball rollt über die Strafraumgrenze.
- Schnitt.
- Der Torwart beendet seine Meditation und rennt auf den Ball zu.
- Etwa eine Sekunde vor Erreichen des Balles stößt der Torwart einen lauten Kiai aus, der sich dem deutschen Wort "SCHEIßE!" zum Verwechseln ähnlich anhört.
- Der Ball rollt etwa einen Zentimeter am entgegenkommenden kiaiverstärkten Fuß des meditationsfokussierten Torwarts vorbei. Der Blick des Torwarts folgt während dessen dem Ball und entgleist ihm ähnlich wie in dem Moment als sich an Werners Moped bei der Bergabfahrt die Bremse verteilt.
- Der Torwart springt danach geistesgegenwärtig ziemlich genau 13,37m in die Luft und beginnt golden zu leuchten.
- Schnitt.
- Der Ball rollt weiter über die Torraumlinie auf die Torlinie zu.
- Kurz bevor der Ball die Torlinie vollständig passiert hat, landet der Torwart mit einer Superheldenlandung mitsamt Hinterlassens eines kleinen Landungskraters auf der Torlinie und hält (zu den Klängen der Avengers-Fanfare) den Ball mit seiner Hand auf.
- Abspann.
- Post-Credit-Scene: Der Torwart guckt den Schiedsrichter mit verständnislosem Blick an (in etwa wie Laschet als er die Wahl verloren hat) als dieser auf indirekten Freistoß entscheidet, während im Hintergrund zwei Spieler der Angreifer vom Torwart unbemerkt eine schnelle Ausführung des gegebenen indirekten Freistoßes exerzieren.
Wo ist jetzt aber das Problem? Das Drehbuch liest sich doch so wie Manfreds Sachverhaltsschilderung, oder etwa nicht?
Leider nicht. Trotz der ganzen Dramaturgie und Spezialeffekte hat der Autor des Drehbuchs ein ganz wesentliches Detail vergessen: Den in Fallbeschreibung gegebenen Klärungsversuch.
Im ganzen Film gibt es keine Gefährdung, dass für die Gegnermannschaft ein Tor entsteht (aus einem Einwurf könnte kein Eigentor erzielt werden, ein Angreifer, der den Torwart bedrängt kommt nicht vor). Damit besteht keine Notwendigkeit etwas zu klären und damit auch kein fehlgeschlagener Klärungsversuch. Und ohne Klärungsversuch wäre es ein unerlaubter Rückpass.
Zumindest hat meine Bewertung des Kopfkino-Films das zunächst ergeben (und wie beschrieben, bitte keine Diskussion darüber ob das regeltechnisch richtig oder falsch wäre. Darum soll es hier nicht gehen).
Dumm nur, dass Manfred bereits in der Sachverhaltsschilderung klargestellt hat, dass es ein Klärungsversuch war.
Dadurch habe ich bei der Bewertung des Kopfkino-Films einen Sachverhalt bewertet, der gar nicht zur Bewertung anstand, weil durch ein Schlüsselwort bereits abschließend bewertet. Die Tatsachenentscheidung "das war ein Klärungsversuch" war bereits abschließend getroffen.
Am Vortag mit dem verkürzten Abstand beim Einwurf ging es mir ähnlich und auch in den nachfolgenden Diskussionen ist mir diese Fehlverarbeitung des Kopfkinos aufgefallen.
Dort kam dann irgendwann das Argument auf, dass wir dem Spieler ja nicht in den Kopf gucken könnten (und implizierte dass wir ja gar nicht wissen könnten, ob der Einwerfer seinen Ausführungsort wegen der Abstandsverkürzung verlegt hat). Es stimmt zwar, dass wir in der Praxis diese Entscheidung nicht treffen können. In der Regelfrage konnten wir es aber (auf welche Weise auch immer) und es ist von der Formulierung her sichergestellt, dass die Verlegung des Ausführungsortes wegen der Abstandsverkürzung erfolgt ist.
Ganz ohne Kopfkino wird es wohl nicht gehen. Irgendwo muss sich jeder irgendwie ein Bild von einem Sachverhalt machen, das ist ganz natürlich. Man sollte nur darauf achten, dass dort dann auch wirklich alle geschilderten Details irgendwie vorkommen.
Ich für meinen Teil werde in Zukunft bevor ich den "Film" regeltechnisch bewerte erstmal prüfen, ob der Film auch wirklich jedes einelne Wort der Sachverhaltsschilderung berücksichtigt
Haben andere hier ähnliche Erfahrungen gemacht?
Wie geht ihr damit um?