Jeder neue Schiedsrichter steht mit Sicherheit bereits im ersten Spiel vor dem Problem, eine „Mauer“ stellen zu müssen. Ich will hier jetzt ganz bewusst nicht darauf eingehen, ob und wann man als SR dies machen muss sowie die Konsequenzen daraus, auch die Frage, ob und wie die Spieler den Abstand einnehmen müssen, lasse ich bewusst außen vor, es geht tatsächlich vor allem darum, wie man den Abstand möglichst genau ermittelt.
9,15 m – kann doch eigentlich nicht so schwer sein, aber der Denkansatz ist nicht zielführend. Zweifelsfrei kann man den abschreiten, allerdings sieht das nicht unbedingt professionell aus und hat auch seine Tücken: Gehst Du vorwärts vom Ball weg, weißt Du nicht, was in Deinem Rücken passiert, am Ende gibt es dort Rangeleien oder der Ball liegt plötzlich ganz woanders. Benutzt Du den Rückwärtsgang bist Du der Gefahr ausgesetzt, mit einem dort stehenden Spieler zu kollidieren, im wort case stellt Dir sogar jemand ein Bein und Du kannst nichts machen, weil ein Verdacht für den fälligen Feldverweis nicht reicht, Du aber nicht gesehen hast, wer es war. Aus Sicherheitsgründen bleibt also nur das seitliche Laufen, aber da sieht abschreiten maximal doof aus. Was also tun?
1. Übe das zu Hause
Messe tatsächlich mit einem Maßband auf dem Bürgersteig vor Deiner Wohnung, auf dem Sportplatz Deines Heimvereins etc. 9,15 m ab und zähle, wie viele seitliche Schritte, optimal im Seitgalopp (sieht professionell aus), Du für die 9,15 m brauchst. Gleichzeitig entwickelst Du so einen Blick für die Distanz.
2. Nutze die „natürlichen Verbündeten“
Jeder Platz hat eine Menge an Markierungen. Mache Dir bewusst, dass Du die nutzen kannst – der Teilkreis am Strafraum bedeutet 9,15 m Abstand zur Strafstoßmarke. Wenn Du weiterhin weißt, dass die Strafraumlinie 16,5 m von der Torlinie entfernt ist und der am weitesten von der Strafraumlinie entfernte Punkt des Teilkreises bei 20,11 m liegt, wird klar, dass das rund 3,5 Meter sind, der Freistoßabstand also etwa das zweieinhalbfache dieses Wertes. Gibt es auf dem Feld auch Kleinfeldmarkierungen oder Markierungen für das modifizierte Kleinfeld (D-Jugend), wird die Sache noch einfacher, man muss eben nur wissen, welche Abstände dort eingezeichnet sind.
Ganz wichtig auch: Der übliche Abstand der Stützen des Geländers rund um den Sportplatz beträgt etwa zwei Meter, auch das kann eine wertvolle Hilfe bei der Einschätzung sein, über welche Entfernungen wir reden.
Merke: Wir reden über den Amateurbereich und damit nicht über den letzten Zentimeter – und wenn Du die Mauer einen halben Meter weiter weg aufstellst als vorgeschrieben, geht die Welt auch nicht unter, im Gegenteil, wie oft machen die bei der Ausführung noch einen Schritt nach vorne, so dass man eigentlich wiederholen und einen Spieler verwarnen müsste.
Gut, nun hast Du den Abstand „ausgemessen“ (auf kurz oder lang hat man das auch so im Blick, ich staune immer wieder über mich selbst, wie gering die Diskrepanz ist, wenn ich im Einzelfall tatsächlich „nachmesse“), am besten bleibt man mit seitlichen Blickwinkel stehen und beordert die Mauer mit den Worten „auf meine Höhe“ (dazu kann man ggf. noch den Arm angewinkelt nach vorne ausstrecken, das ist Geschmackssache) „zurück“, gleichzeitig hat man damit auch den Spieler, der im Ernstfall die Verwarnung bekommt, festgelegt, weil das der ist, der mir am nächsten steht; optimalerweise nehme ich zwar einen Spieler, der noch nicht belastet ist (es sei denn, ich habe jemanden, den ich ohnehin gerne entsorgen möchte, dann wähle ich natürlich den), aber wenn es im Eifer des Gefechts passiert oder man das zu spät bemerkt: Was soll’s.“
Aber: Wann immer es geht, spare Dir die Zeit und agiere präventiv. Der Schiri darf die Spieler an ihre Verpflichtung erinnern, dass sie sich aus eigenem Antrieb vom Freistoßort zurückziehen müssen – nur vermeidet den Eindruck, als würdet ihr zwingend den Abstand herstellen. Ich nutze gerne Sätze wie „Ihr könnt schon mal gehen“ oder „Ihr werdet hier nicht gebraucht“, was die Botschaft impliziert, dass sich die Spieler zurückziehen sollen, woraus aber niemand den Rückschluss ziehen kann, dass ich die Mauer stellen werde – diese Sätze eignen sich auch bestens als Antwort auf die gar nicht seltene Frage der Verteidiger, ob ich die Mauer stellen werde.
Die weiteren Details, vor allem, wann ich wegen der Abstandes jemanden verwarne, ob man das unmittelbar tut oder erst ermahnt etc. pp., lasse ich jetzt außen vor.
Und nun zum fröhlichen Messtraining …
P.S.
Die genannten Hilfskriterien kann man natürlich auch nutzen, wenn man auf (modifiziertem) Kleinfeld pfeift, wo bekanntlich andere Abstände gelten, aber auch bei den abweichenden Abständen bei Einwurf und SR-Ball ist das anwendbar.