Schutzhand mittlerweile (evtl. versehentlich) erlaubt?

  • Ich hatte mich ja wegen der Problematik nach dem Ort des Vergehens beim Handkontakt kürzlich unter anderem auch intensiv mit den Formulierungen der neuen Handspielregeln befasst.


    Bisher ist es ja gängige Lehrmeinung, dass es die "Schutzhand" nicht gibt. Mit der neuen Formulierung eines Handspiels scheint mir diese Lehrmeinung aber nicht mehr von den Regeln gedeckt zu sein.


    Folgende Situation:

    Indirekter Freistoß auf der Torraumlinie für die Angreifer.

    Eine Reihe Verteidiger stellt sich auf der Torlinie auf und hält sich ihre Hände schützend vor ihre Weichteile.

    Der Freistoß wird ausgeführt, indem ein Spieler den Ball kurz antipp tund ein zweiter Spieler einfach nur volles Rohr abzieht.

    Dabei wird einer der Verteidiger an der Hand getroffen (und um Bezüge zu meiner vorherigen Nachfrage explizit auszuschließen: Sowohl Kontakt als auch Ball sind hierbei zweifelsfrei im Strafraum).


    Mein initialer Impuls war zur Spielfortsetzung zunächst Strafstoß. Allerdings bin ich dann ob der kürzlichen Änderungen der Handspielregeln ins Zweifeln geraten. Laut Regelwerk ist es ein Handspiel, wenn mindestens einer der folgenden Punkte erfüllt ist:

    - Absichtliche Berührung (würde ich in diesem Fall verneinen)

    - Direkt ins gegnerische Tor (definitiv nein...falsche Spielfeldseite)

    - Torchance oder Tor unmittelbar nach dem Handkontakt (definitiv nein...falsche Spielfeldseite)

    - Unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche (unnatürlich, ja...aber keine Vergrößerung der Körperfläche)


    Das führt mich zu dem Schluss, dass wir in diesem Fall tatsächlich kein Handspiel mehr haben. Zumal eine Seite weiter nochmal ausdrücklich ausformuliert ist, dass angelegte Arme, die den Körper nicht unnatürlich vergrößern, kein Handspiel darstellen sollen.


    Ist das tatsächlich so gewollt oder habe ich einen Denkfehler?

  • In älteren Regelheften gab es seinerzeit (lang lang ist es her und Manfred war jung und trug Vokuhila) eine Abbildung die bei als kein Handspiel genau die Hände vor den Weichteilen zeigte.


    Hier ist ja kein absichtliches Handspiel zu erkennen. Außerdem geht der Ball zur Hand die ja auch nicht irgendwas irgendwie verbreitert.


    Reißt aber der Spieler die Hände hoch um seine Nase zuschützen, dann auch wenn es für den Verteidiger unglücklich ist Strafstoß.


    Interressant wirds allerdings wenn bei dieser Unsitte das sich einer hinter die Mauer legt und dort an der Hand / arm getroffen wird.

  • Reißt aber der Spieler die Hände hoch um seine Nase zuschützen, dann auch wenn es für den Verteidiger unglücklich ist Strafstoß.

    Da wäre dann der Punkt mit der "Absicht" erfüllt.

    In dem Fall müsste man aber über die persönliche Strafe diskutieren, vor allem vor dem Hintergrund "Kann ein Handspiel ein Tor verhindern, wenn es ohne das Handspiel zweifelsfrei von der Nase geblockt würde?".

  • Es gibt keine Schutzhand und es gab auch niemals eine. Das Ganze ist eine Presseente aus den 30er Jahren und hält sich hartnäckig.


    Wir haben und hatten bei einem Handkontakt immer die Absicht zu bewerten. Hierzu gab es dann immer wieder Regelergänzugen und Klarstellungen, aber es gab nie eine Schutzhand.


    Wie jetzt die berühmte "Hand vorm Sack" im Rahmen der Absicht zu bewerten ist, steht auf einem anderem Blatt. Aber Schutzhand schützt nicht vor Absicht.

  • Streng nach Regeltext (21/22)

    "Eine unnatürliche Vergrößerung des Körpers liegt vor, wenn die Hand-/Armhaltung weder die Folge einer Körperbewegung des Spielers in der jeweiligen Situation ist noch mit dieser Körperbewegung gerechtfertigt werden kann. "

    ist für die "unnatürliche Vergrößerung des Körpers" gar keine Vergrößerung der Körperfläche mehr nötig, sondern jegliche Armhaltung, die nicht zur sonstigen Bewegung passt, wäre strafbar. Dann wäre es auch kein Problem, darüber die Schutzhand zu bestrafen, da es dort ja in der Mauer keine rechtfertigende Körperbewegung gibt.


    Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht so gemeint ist - aber es zeigt, dass auch die neue Formulierung der Regel nicht zu Ende gedacht und sauber formuliert ist.

  • Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht so gemeint ist - aber es zeigt, dass auch die neue Formulierung der Regel nicht zu Ende gedacht und sauber formuliert is

    Ich bin mir ziemlich sicher, das es genau so gemeint ist. Nur weil wir Kerle Probleme mit kontaktsuchenden Bällen in Verbindung mit Kronjuwelen haben sollten wir uns mal Gedanken darüber machen worum es beim Handspiel geht.


    Warum macht man sich die Mühe, genau den zweiten Halbsatz zu formulieren, der sagt das eine Handbewegung nicht durch eine Körperbewegung gerechtfertigt werden kann?

    Weil der Regelgeber weis, das es Handkontakte gibt, die NICHT durch eine Vergrößerung der Körperfläche verursacht wurden und die trotzdem absichtlich sind


    Frag mal einen Spieler warum die Hand da ist und ob er die da mit Absicht hinhält oder die Körperbewegung zufällig ist.

  • Über diese Thematik habe ich mir vor paar Tagen auch meien Gedanken gemacht. In der letzten Saison kam es bei einem Pokalspiel zu folgender Situation:


    Ungefähr acht Meter vor dem Tor schießt ein Stürmer, nachdem der Ball durch eine Ecke ins Spiel gebracht wurde, mit Vollspann aufs Tor. Auf der Torlinie stand ein Verteidiger, der so schnell nicht reagieren konnte. Er drehte sich weg, riss seinen Arm hoch und verhinderte damit ein Tor. Folge: Da es keine Schutzhand gibt, gab es die rote Karte wegen einer Verhinderung einer Torchance und einen Strafstoß.


    Durch die neue Regelauslegung -- die ich grundsätzlich gut finde -- weiß ich nicht, wie diese Situation mit den neuen Handspielregeln nun bewerten soll.

  • Da hatte ein Beobachter mal den passenden Satz zu: "Den Arm hochreißen dauert länger als den Kopf einziehen."

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Den Blödsinn habe ich auch schon zig Mal gehört- "wenn jemand die Zeit hat den Arm hochzureißen (vor das Gesicht) dann hat er auch die Zeit sich wegzudrehen".
    Das ist und bleibt ja der Wahnsinn- die Handspielregel und deren Auslegung machen Leute, die die Bewegungsabläufe auf einem Fußballplatz nicht nachempfinden können.
    Das Theater haben wir auf dem Platz. Ich werde keinem Spieler eine Rote Karte dafür geben, wenn er bei einem unerwarteten Ball instinktiv die Hände schützend vor das Gesicht reißt- auch wenn er damit vielleicht ein Tor verhindert. Die Tatsache, dass das Tor auch von seinem Gesicht verhindert worden wäre, rettet mir nicht die Situation. Will ich es richtig machen, muss ich ihm einen FAD zeigen.

  • Moment - die Aussage ist völlig richtig. Dass die Spieler instinktiv eher die Hände hochreißen als den Kopf wegzunehmen, ist ja eine andere Sache. Aber "Ich musste die Arme nehmen, weil ich keine Zeit zum Kopf einziehen hatte", stimmt nun mal nicht.


    Und selbstverständlich ziehe ich keinen FaD, wenn der Spieler die Hände vor das Gesicht nimmt. Wenn der Ball ohne Handspiel Kopf oder Brust getroffen hätte, verhindert das Handspiel kein sicheres Tor, ja nicht einmal eine klare Torchance, weil niemand verlässlich sagen kann, wo der Ball nach dem Kopftreffer hingesprungen wäre. In die Arme des Torwarts? Dem Stürmer vor die Füße oder in Bauchhöhe, wo ohne Verrenkungen kein Nachschuss möglich wäre? Also :gelbe_karte: (weil Torschuss) und Strafstoß und gut ist...

    Der Klügere gibt nach.


    Das erklärt, warum die Welt von den Dummen regiert wird.

  • Regeltechnisch verhindert der Spieler ein Tor mit absichtlichem Handspiel.

    In der Praxis macht's dann jeder Schiedsrichter anders.

  • Regeltechnisch verhindert der Spieler ein Tor mit absichtlichem Handspiel.

    Und genau das sehe ich nicht so. Wäre die Hand nicht da, wäre stattdessen das Gesicht dazwischen. Das ist nach meinem Sprachverständnis kein Verhindern eines Tores.

    Ein Verhindern eines Tores wäre es, wenn zwischen Hand und Tor keine weiteren "Hindernisse" mehr wären.

  • Macht da doch keine Baustelle auf. Wenn ein Spieler ein Tor verhindert, das ohne seine „Existenz“ gefallen wäre, dann gibt es Rot, wenn ein Handspielvergehen vorliegt. Und auch der reflexartige Schutz erfüllt schon die Voraussetzung „Absicht“, auch wenn in Richtung der Flugbahn die Körperfläche nicht unnatürlich vergrößert wird.


    Hier gar weiterspielen zu lassen, würde ich nur in dem untersten Altersklassen akzeptieren.

  • Macht da doch keine Baustelle auf. Wenn ein Spieler ein Tor verhindert, das ohne seine „Existenz“ gefallen wäre, dann gibt es Rot, wenn ein Handspielvergehen vorliegt. Und auch der reflexartige Schutz erfüllt schon die Voraussetzung „Absicht“, auch wenn in Richtung der Flugbahn die Körperfläche nicht unnatürlich vergrößert wird.


    Hier gar weiterspielen zu lassen, würde ich nur in dem untersten Altersklassen akzeptieren.

    Und hier sind wir wieder bei der Thematik: Hier entscheidet jeder Schiedsrichter intuitiv und anders. Persönlich bin ich aber schon froh, diese Thematik mal zur Diskussion zu stellen. Was wäre denn die Alternative? Gelb und Strafstoß? Weiterspielen? Das erscheint mir moralisch auch nicht "Richtiger" zu sein, als FaD und Strafstoß. Also: Was tun?


    Beschwerden hielten sich damals in Grenzen. Außer beim Verursacher, der nicht verstehen wollte, das es den Begriff Schutzhand nicht im Regelheft gibt. Nach Spielende habe ich dem betreffenden Verein mitgeteilt, dass ich mit der Entscheidung auch nicht glücklich war, ich regeltechnisch aber keine andere Wahl hatte. Das wurde dann wohlwollend und mit Verständnis zur Kenntnis genommen.

  • Regeltechnisch verhindert der Spieler ein Tor mit absichtlichem Handspiel.

    In der Praxis macht's dann jeder Schiedsrichter anders.

    Genau das ist der Punkt. Wir haben zu beurteilen was passiert ist. Leider wird immer wieder der Fehler gemacht, das man versucht zu bewerten was "hätte passieren können falls eventuell wahrscheinlich der Spieler möglicher weise vielleicht irgendetwas anderes gemacht hätte und sowieso etwas überhaupt nicht gewollt hat."

  • Für meine Begriffe ist es für die Beurteilung ob eine klare Torchance verhindert wurde wesentlich, sich anzusehen, was passiert wäre, wenn...


    Wenn beispielsweise der Ball nicht ins Tor hätte gehen können, weil er klar vorbeigeschossen wurde, wurde keine klare Torchance verhindert.


    Wenn der Ball vermutlich nicht ins Tor gegangen wäre, weil er dem regelwidrig spielenden Spieler ins Gesicht geflogen wäre, finde ich es durchaus berechtigt, nicht von der Verhinderung einer klaren Torchance auszugehen.

  • Doch natürlich muss bei strafbarem Handspiel bewertet werden, was passiert wäre, wenn der Spieler nicht dagewesen wäre.


    Wäre der Ball eindeutig am Tor vorbei gegangen wäre, gibt es keinen FaD.


    Die Argumentation "Das Gesicht hätte das Tor auch verhindert" ist zwar praktisch richtig, zählt aber nicht. Wäre der Ball ohne den handspielenden Spieler mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Tor gegangen, gibt es den FaD. (Zumindest in der Theorie.)

  • Zitat

    - Absichtliche Berührung (würde ich in diesem Fall verneinen)

    Ich sehe diesen Punkt bei dem Freistoß-Schutzhaltungs-Beispiel erfüllt. Der/die SpielerIn rechnet ja damit, dass der Ball den Arm berührt, sonst müsste man sich ja nicht schützen. Genau so wurde mir diese Sache auch seinerzeit vom Lehrwart erklärt.

  • Leider wird immer wieder der Fehler gemacht, das man versucht zu bewerten was "hätte passieren können falls eventuell wahrscheinlich der Spieler möglicher weise vielleicht irgendetwas anderes gemacht hätte und sowieso etwas überhaupt nicht gewollt hat."

    Sorry Sixt, aber hier liegst Du grundlegend falsch!

    Alleine die Entscheidung, ob nun eine klare Torchance vorlag, ist eine Prognose darüber, ob ein durchschnittlicher Spieler aus der Situation bei normalem Lauf der Dinge ein Tor erzielt hätte - da fließt weder ein, ob der Spieler ohnehin keinen Ball gerade schießen kann, ob heftiger Gegenwind weht, der Platz eine Buckelpiste ist, bei der man nie weiß, wohin der Ball wirklich rollen wird etc., insoweit haben wir SR hier tatsächlich zu orakeln, genauer sind wir auf unsere Erfahrung angewiesen. Natürlich gibt es dann die Grenzfälle in Form der Spieler, die auch aus dem unmöglichsten Winkel Tore erzielen respektive der Spieler, die offenkundig nicht souverän genug sind, weil ihnen die Nerven flattern, so dass die selbst den Ball alleine vor dem leeren Tor noch daneben schießen würden, genau das hat aber nicht zu interessieren, deshalb müssen wir eben vom durchschnittlichen Spieler ausgehen (im Zweifel: würde es mir selbst gelingen, aus dieser Situation ein Tor zu erzielen). Wie groß die Unschärfe ist wird doch daran deutlich, dass es für eine klare Torchance ausreicht, wenn der Ball mit hinreichender Genauigkeit auf das Tor flöge und es egal ist, ob nun vielleicht der Pfosten getroffen würde oder der Ball knapp daneben ginge.


    Von daher:
    Prognoseentscheidungen zählen sehr wohl zu den Aufgaben des Schiris.


    Wenn der SR nun zu der Ansicht kommt, dass hier eine klare Torchance vorlag, dann ist das so - Punkt. Aber: In die Prognose müssen alle Aspekte einfließen, womit wir auch hierbei wären:

    Wäre die Hand nicht da, wäre stattdessen das Gesicht dazwischen.

    Komme ich zu der Auffassung, dass der Ball damit nicht hätte ins Tor gehen können, liegt eben keine klare Torchance vor, es kann sich aber sehr wohl um einen aussichtsreichen Angriff handeln. Auch hier müssen wir übrigens wieder vom Durchschnitt ausgehen, der Sonderfall, dass der Ball so scharf geschossen wurde, dass der Spieler bei einem Kopftreffer glatt umgefallen wäre und der Ball dennoch das Tor erreicht hätte, interessiert eben nicht, das wäre eine Überdehnung unserer Prognose.