Schutzhand mittlerweile (evtl. versehentlich) erlaubt?

  • Das ist doch das Problem. Die Fußballregeln sind kein Gesetzestext, der von Juristen und Sprachwissenschaftlern ausgelegt werden muss, sondern eben nur ein Regelwerk. Leider gibt es dort Formulierungen, die man wortwörtlich auslegt und solche, die einer offiziellen Auslegung bedürfen, da sie unverständlich bzw. mehrdeutig sind.


    Daher muss der SR im Sinne der Regeln und des Fußballs entscheiden. Und den Sinn der Handspielregel habe ich weiter oben beschrieben (eigenmächtig ohne Quellenangabe aber nach bestem Wissen und Gewissen).


    In diesem Sinne.

  • KozKalanndok


    Im Ansatz nicht schlecht, leider beziehst du dich auf das alte Regelwerk. Wenn du es bitte nochmal editierst und die aktuellen Regeln berücksichtigst, wird ein Schuh daraus, der ziemlich genau meiner Kurzfassung des Sinns der Handspielregel entspricht.😉


    Tipp: Torvorlage und Hand über Schulter sind nicht mehr grundsätzlich strafbar.

  • Ok, Du hast vollkommen Recht und das ist mir auch ein bisschen peinlich.


    Ich war leider tatsächlich die ganze Zeit unbemerkt mit den PDFs 2020/2021 unterwegs ohne es zu merken.

    Selbstverständlich werde ich exakt die gleiche Analyse auch mit dem Regelwerk 2021/2022 machen.

  • Ich denke hier gibt es ein Missverständniss


    • Das IFAB spricht hier von eine "reflexartigen" Bewegung. Das diese "Unterbewusst" gesteuert wird kann es keine "Schutzhand" sein. Die Bewegung ist also prinzipiell vergleichbar mit der "Abstützbewegung" der Hände/Arme wenn der Spieler hinfällt.
    • Dagegen ist die sogenannte "Schutzhand" eine Absichtliche wissentliche - und meist vorbeugende- Bewegung um einen Treffer durch den Ball an empfindlichen Körperstellen zu bverhindern.
  • Nein, das IFAB verteidigt hier das Weiterspielen nicht, nur weil es eine reflexartige Bewegung ist. Es geht noch weiter.

    Das Argument des IFAB für die Straffreiheit dieses Handkontakts ist, weil es eine natürliche Bewegung ist (und definiert den Reflex als eine Form einer natürlichen Bewegung)!

    Tatsächlich ist jede natürliche Bewegung straffrei, sofern sie den Körper nicht unnatürlich vergrößert.


    Daher würde ich die beim Freistoß vor den Sack gehaltene Hand durchaus noch als natürliche Haltung sehen, weil sie eben einfach den Körper nicht vergrößert.



    Das Bild passt auf dem ersten Blick sowas von gar nicht zur Fragestellung und der Antwortbegründung. Dort ist die Vergrößerung des Körpers nämlich deutlich zu sehen.

    Wenn man das Regelwerk aber mal genauer ansieht, dann wäre selbst ein Kontakt am ausgestreckten Arm wie abgebildet straffrei.

    Denn dort ist definiert, dass wenn die Bewegung, die zur Körpervergrößerung führt natürlich ist, es nicht als unnatürliche Vergrößerung gilt.

  • Ich finde diese offizielle Auslegung sehr hilfreich, da ich das bisher anders interpretiert hätte.


    Ist doch schön, dass zumindest die reflexartige „Schutzhand“ als natürliche Bewegung angesehen wird, die nicht strafbar ist, wenn dabei die „Körperfläche nicht vergrößert“ wird.


    Somit kann man das Weiterspielen jetzt hier offiziell begründen, wenn man der Meinung ist, dass der Ball ansonsten das Gesicht oder irgendwelche Weichteile getroffen hätte.


    Wobei das immer noch rein im Ermessen bzw. der Wahrnehmung des SR liegt. Wenn der Ball zu weit weg vom Kopf/Körper getroffen wird, ist zumindest in höheren Klassen der Pfiff immer noch die bessere Entscheidung.

  • die nicht strafbar ist, wenn dabei die „Körperfläche nicht vergrößert“ wird

    Lies den Regeltext nochmal:


    Zitat

    Ein Vergehen liegt vor, wenn ein Spieler den Ball mit der Hand berührt und seinen Körper aufgrund der Handhaltung unnatürlich vergrößert.

    Eine unnatürliche Vergrößerung des Körpers liegt vor, wenn die Handhaltung weder die Folge einer Körperbewegung des Spielers in der jeweiligen Situation ist noch mit dieser Körperbewegung gerechtfertigt werden kann.

    Das bedeutet, dass die natürliche Bewegung ein absolutes Ausschlußkriterium für die strafbare unnatürliche Vergrößerung ist.

    Selbst wenn ich die Arme zum Gesichtsschutz hochreiße und der Ball just in dem Moment an die Hand fliegt, wo sie gerade ausgestreckt ist, ist durch die natürliche Bewegung die unnatürliche Handhaltung negativ zu bewerten.

  • KozKalanndok Der originale Erläuterungstext als offizielle Auslegung vom IFAB weicht allerdings von deiner Auslegung des deutschen Regeltextes ab. Für mich sind Auslegungen vom IFAB bindender als deine. :)

  • Zitat

    Ein angreifer schießt heftig aufs Tor. Ein sehr nahe stehender Verteidiger nimmt im Rahmen eines Reflexes seine Hände vor sein Gesicht um dieses zu schützen und der Ball trifft seine Hände. Wie lautet die Entscheidung des Schiedsrichters?


    Der Schiedsrichter lässt weiterspielen, da die Position der Hand das Ergebnis einer natürlichen Bewegung (Reflex) des Spielers war und der Körper nicht unnatürlich vergrößert wurde.


    Du interpretierst das jetzt so, als ob der Handkontakt bei natürlicher Bewegung nur dann straffrei wäre, wenn auch der Körper nicht unnatürlich vergrößert wird. Das steht da aber gar nicht. Da steht nur "ist nicht strafbar, weil A erfüllt ist und B nicht erfüllt ist". Dass für die Straffreiheit auch wirklich A erfüllt sein muss und B nicht erfüllt darf, geht aus der Formulierung nicht hervor.

    Die Regeln sind da sogar noch präziser: Die definieren nämlich, dass wenn A erfüllt ist, B ohnehin nicht erfüllt sein kann. Um eine unnatürliche Vergrößerung zu sein zu können, darf es keine Folge einer Körperbewegung des Spielers in der jeweiligen Situation sein.


    Von daher finde ich die Formulierung des IFAB tatsächlich misverständlich.


    Letztendlich ist mein Fazit auch unter der Berücksichtigung aus der KlarstellungDer Grund, warum der Handkontakt nicht strafbar ist: Es ist keine unnatürliche Vergrößerung.

    Der Grund, warum es keine unnatürliche Vergrößerung ist: Es ist eine natürliche Bewegung.

  • KozKalanndok Du verrennst dich oder wir schreiben aneinander vorbei. Auch im Regeltext wird gefordert, dass die Arm/Handhaltung durch die Körperbewegung gerechtfertigt sein muss.


    Das bedeutet, dass zunächst die reflexartige Bewegung tatsächlich grundsätzlich eine gewisse natürliche Vergrößerung der Körperfläche erlaubt. ABER sie muss trotzdem nach Ansicht des SR eben noch als gerechtfertigt beurteilt werden. Und deswegen rechtfertigt der Reflex alleine nicht jede x-beliebige Haltung.


    Beispiel: der Spieler reißt den Arm hoch, wird aber an der 30 cm über den Kopf gehalten Faust getroffen. Dann wäre das für mich eine unnatürliche Vergrößerung. Um nur den Kopf zu schützen, hätte er den Arm nicht so weit hochreißen müssen.

  • Wenn der Arm aber aufgrund des Reflexes diese 30cm über dem Kopf ist (und das stellt die Regelfrage klar), dann ist das trotzdem nicht strafbar, weil der Reflex als natürliche Bewegung klargestellt wurde. Nicht mehr und nicht weniger.

  • Wenn du der Meinung bist, dass der Reflex jegliche Armposition rechtfertigt, dann lässt du eben weiterspielen. Wenn ich der Meinung bin, dass die Armhaltung trotz Reflex den Körper ungerechtfertigt vergrößert, pfeif ich trotzdem ab mit all den erforderlichen Konsequenzen.


    Mir ist das jetzt echt zu mühsam. Ich hätte nicht gedacht, dass diese recht klare FAQ zu einer weiteren Diskussion führt, anstatt sich zu freuen, dass es auch offiziell eine Regelfrage zum Thema „Schutzhand“ gibt.

  • Also ich tue mich (auch?) schwer damit, die IFAB-Antwort auf die Regelfrage mit dem Regeltext zusammenzubringen.

    In den Regeln ist ja explizit definiert, wann eine Vergrößerung des Körpers unnatürlich ist, nämlich "wenn die Hand-/Armhaltung weder die Folge einer Körperbewegung des Spielers in der jeweiligen Situation ist noch mit dieser Körperbewegung gerechtfertigt werden kann"


    Ein solcher Reflex ist nach meinem Verständnis von dieser Definition unnatürlich, weil er in den meisten Fällen nicht mit der Körperbewegung des Spielers zusammenhängen dürfte.

    Im konkreten Fall der Regelfrage ist das Handspiel durch den aus nächster Nähe heranfliegenden Ball gerechtfertigt, aber nicht durch die Körperbewegung des Spielers.

    Insofern ist dann eigentlich nur noch relevant, ob der Körper vergrößert wurde*. Dies ist bei dem Beispiel aus der Regelfrage nicht der Fall, also wäre dies schon eine hinreichende Begründung, warum es kein Handspiel ist. Die Natürlichkeit braucht man dann doch gar nicht. Wenn ein Reflex den Körper vergrößert, wäre das Handspiel aber (ohne weitere Faktoren) regeltechnisch strafbar.


    *Natürlich muss auch geprüft werden, ob das Handspiel absichtlich/deliberate war. Und hier war ich eigentlich bisher der Auffassung, dass auch Reflexe grundsätzlich als Absicht gelten. Also einem Verteidiger, der reflexartig einen Torschuss mit der Hand neben seinem Körper von der Linie wischt, unterstellen wir doch Absicht im Sinne der Regel, oder?


    Wenn man Reflexe grundsätzlich als nicht absichtlich einstuft, würde man sich zudem eine neue Baustelle aufmachen, denn bei jeder Hand-zu-Ball-Bewegung, die bisher klar als absichtlich und strafbar bewertet werden würde, müsste man sich dann fragen, ob dies es eine bewusste oder Reflex-Bewegung war.

    Insofern finde ich es überraschend, dass in der IFAB-Antwort der Aspekt der Absicht gar nicht berücksichtigt wird.


    Kurzfassung: Die Situation aus der Regelfrage wäre mich allein schon deshalb keine unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche, weil es kein Vergrößerung der Körperfläche ist. Fraglicher wäre für mich, ob diese Aktion ein absichtliches Handspiel darstellt oder nicht, worauf in der Begründung nicht eingegangen wird. D.h., für die konkrete Situation kenne ich jetzt die gewünschte Beurteilung, aber ich finde es schwierig daraus Schlüsse für die allgemeine Regelauslegung zu ziehen.

  • Ein solcher Reflex ist nach meinem Verständnis von dieser Definition unnatürlich, weil er in den meisten Fällen nicht mit der Körperbewegung des Spielers zusammenhängen dürfte.

    Doch, gerade das ist ja das, was die IFAB-Regelfrage klarstellt.

    Die Bewegung aus dem Hand-vors-Gesicht-Reflex ist exakt eine solche Bewegung, wie sie im Regeltext als "Folge einer Körperbewegung aus der Situation" beschrieben ist. Damit ist das Ausschlußkriterium für eine "unnatürliche Körpervergrößerung" erfüllt und das Handspiel nicht mehr strafbar.

  • Was ist denn die konkrete Körperbewegung, aus der der Hand-vors-Gesicht-Reflex folgt?


    Falls du darauf hinauswillst, dass der Hand-vors-Gesicht-Reflex diese Körperbewegung ist:
    Gibt es für dich ein Beispiel, wann "eine Hand-/Armhaltung" keine "Folge einer Körperbewegung des Spielers in der jeweiligen Situation" ist?


    Nach meinem Verständnis bezieht sich dieser Satz nur auf Situationen, wo der Arm durch die allgemeine Bewegung des gesamten Körpers in seine aktuelle Position gekommen ist (also z.B. Mitschwingen beim Laufen oder Ausbalancieren beim Springen).