Brutales Foul und die Folgen

  • Mal wieder ein Urteil, welches sich manche Spieler zu Gemüte führen sollten - es wäre übrigens spannend zu wissen, ob hier auch der Einwand "Es ist doch das erste Foul" kam … Unabhängig davon ist das Urteil auch für uns als SR insoweit von Interesse, als das Oberlandesgericht ausgesprochen klar auf den Umstand abstellt, dass der foulende Spieler keine Chance hatte, den Ball zu spielen und bereits das als Voraussetzung für ein brutales Foul genügt. Erfreulicherweise hat der amtierende SR das aber richtig bewertet und auch die Rote Karte gezeigt, mir wird nicht besser bei dem Gedanken, dass es genügend Kollegen gibt, die es hier vermutlich bei einer Verwarnung belassen hätten, weil im Mittelkreis eben höchst selten eine klare Torchance gegeben ist.

  • Unabhängig davon ist das Urteil auch für uns als SR insoweit von Interesse, als das Oberlandesgericht ausgesprochen klar auf den Umstand abstellt, dass der foulende Spieler keine Chance hatte, den Ball zu spielen und bereits das als Voraussetzung für ein brutales Foul genügt.


    Das ist nicht richtig und steht so auch nicht in der Urteilsbegründung.


    Es gibt Fouls ohne Chance, den Ball zu spielen, die zu keinem FaD führen. Dieser Umstand ist mithin keine "hinreichende Bedingung".


    In dem von Dir verlinkten Artikel steht: "Er hat dieses grobe Foul begangen, ohne dass die Spielsituation einen Anlass dafür bot. Er hatte keine realistische Möglichkeit, den Ball zu erobern" - das ist hinsichtlich ihrer Schlussfolgerung eine deutlich andere Aussage als Deine.

  • Das sehe ich nun doch etwas anders:

    Die gängige Rechtsprechung geht bei dem Umstand, dass nicht jedes Foul strafbar ist, davon aus, dass ein Foul spieltypisch ist, mithin also ein Kampf um den Ball stattfindet, in allen anderen Fällen liegen die Voraussetzungen der Inkaufnahme des Risikos eben nicht vor - wäre ja auch schlimm, sonst käme am Ende jemand auf die Idee, dass der Schiri sich des Risikos bewusst war, Opfer einer Attacke zu werden o.ä.


    Übrigens sind wir vermutlich gar nicht weit auseinander:

    Mir war wichtig, dass es eben für ein brutales Foul ausreichend sein kann (nicht muss), dass keine Chance auf Balleroberung bestand und es eben keiner sonstigen Voraussetzungen bedarf - hier aber eben unter der Maßgabe, dass auch eine Verletzung eintritt und unabhängig von deren Schwere, was sportrechtlich/regeltechnisch durchaus zu abweichenden Ergebnissen kommen kann.

  • und steht so auch nicht in der Urteilsbegründung

    So sehe ich das auch.


    Wir müssen uns aber von der Vorstellung trennen, das ein ordentliches Gericht (hier Zivilgericht) Schlüsselbegriffe verwendet, wie wir sie in der Schiedsrichterei benutzen.

    Wir müssen vor allem vorsichtig sein, die hier dargestellte Urteilsbegründung auf irgendwelche Regelanwendung ableiten zu wollen weil:

    1. Ein ordentliches Gericht nicht mit Schlüsselbegriffen aus dem Fußballsport argumentiertund oftmals die für uns üblichen Schlüsselbegriffe anders verwendet als wir.
    2. Eine Zeitung (Online Portal) die Darstellung im Artikel so verändert, das sie für die Allgemeinheit lesbar und verständlich ist.

    Beides Zusammen genommen führt dazu das derartige Pressemitteilungen nur wenig dafür geeignet sind, Rückwirkend eine Wertung des Geschehens aus Schirisicht vorzunehmen.


    Dennoch zeigt dieses Urteil etwas, was ich seit Jahren im Rahmen der Diskussion um Sportgerichtsurteile predige. Erstattet Strafanzeigen und geht bei Körperverletzungen jedweder Art vors Zivilgericht.


    Körperverletzung? Moment war da nicht was?


    Fußball ist eine Sportart mit erhöhtem Gefährdungspotenzial. Der Gesetzgeber geht in der Rechtsprechung regelmäßig davon aus das jemand, der eine Sportart betreibt auch Sportart typische Verletzungen in Kauf nimmt und schließt daher Haftungsansprüche gegenüber einem Schädiger genau so aus wie eine Strafverfolgung des Schädigers.


    Üblicher Weise!


    Das gilt nämlich nur bei Verletzungen, die durch eine sportarttypische, übliche Handlung entstehen.

    Das OLG stellt aber offenbar fest (so steht es in der Einleitung des Artikels):

    vorsätzlich brutal foult, haftet für die dadurch hervorgerufenen Verletzungen seines Gegners

    Vorsatz im Sinne des OLG ist dann gegeben, wenn das Foulspiel eben nicht einem der Sportart üblichem Treffer entspricht der durch Fahrlässigkeit oder grobe Fahrlässigkeit (meist auch aus Unvermögen) entsteht, sondern hier ging das Gericht offenbar von einer Handlung aus die nur dazu diente den Gegenspieler zu schädigen.


    Damit sind wir in unserem (Schiri)Sprachgebrauch im Bereich der Tätlichkeit.


    Daher darf dann auch der letzte Satz der Pressemitteilung nicht mit der uns gewohnten Ausdrucksweise interpretiert werden.


    Er hat dieses grobe Foul begangen, ohne dass die Spielsituation einen Anlass dafür bot. Er hatte keine realistische Möglichkeit, den Ball zu erobern"

    Die Spielsituation gab keinen Anlass für die Aktion des beschuldigten weil der Ball offenbar weit weg war.

  • Mir war wichtig, dass es eben für ein brutales Foul ausreichend sein kann (nicht muss), dass keine Chance auf Balleroberung bestand und es eben keiner sonstigen Voraussetzungen bedarf


    Das ist aber eben nicht richtig. Eine andere Voraussetzung ist entscheidend: "Er hat dieses grobe Foul begangen, ohne dass die Spielsituation einen Anlass dafür bot." Dass der Ball nicht spielbar war, ist ein Indiz dafür, vielleicht geradezu Voraussetzung - nicht umgekehrt.


    Dein Satz ist in sich unlogisch, da er Ursache und Wirkung verdreht. Für ein brutales Foul ist es nicht ausreichend, dass der Ball nicht spielbar ist, sondern dass es brutal ist. Dass der Ball nicht spielbar war, erhärtet diese Vermutung.

    Die Spielsituation gab keinen Anlass für die Aktion des beschuldigten weil der Ball offenbar weit weg war.


    Es ist aber ein Unterschied, ob ich fernab vom Ball meinem Gegner fahrlässig in die Beine laufe oder ihm mit voller Wucht gegen das Knie trete. Diese Kausalkonstruktion wird vom Gericht in dieser Form glücklicherweise nicht vertreten. (Sie wäre auch falsch.) Das Gericht zielt nämlich zusätzlich auf die Brutalität ab.


    Klar ist: Ein Spieler hat einen anderen Spieler brutal gefoult, dieser verletzt sich. Nun prüft das Gericht, ob das im Rahmen des erhöhten Risikos eines Fußballspiels spieltypisch ist oder ob eine strafbare Handlung vorliegt. Dabei müssen Indizien herangezogen werden. Die Frage, wo sich der Ball befand, ist dabei ein wichtiges Indiz. Daneben aber die Härte der Aktion, der genaue Ort des Treffers etc. - eben um die genannte Abgrenzung vorzunehmen. Die Situation muss schon ganzheitlich betrachtet werden, Kausalzusammenhänge wie die obigen sind nicht richtig - es bleibt dabei.


    Umgekehrt kann es natürlich auch sein, dass ich mich strafbar mache, wenn ich meinen Gegner im Kampf um den Ball verletze. Nur, weil der Ball am Gegner ist, ist die offene Sohle seitlich gegen sein Knie nämlich noch lange nicht spieltypisch.