Rudelbildung vs. Nachspielzeit

  • Die Rudelbildung ist bekanntlich im Regelwerk überhaupt nicht vorgesehen, dummerweise gibt es sie aber in der Realität. Ich stelle mir in der Rückbetrachtung der Hinrunde aber gerade die Frage, wie sich eine Rudelbildung eigentlich auf die Nachspielzeit auswirkt? Handelt es sich um verlorene Spielzeit, vergeudete Spielzeit oder ist das eigentlich gar nicht nachzuspielen?


    Für die verlorene Spielzeit spricht, dass wir ja nicht spielen und die Unterbrechung meist länger als spieltypisch beispielsweise für die Ausführung eines Einwurfes dauert. Dagegen, dass der Ball grundsätzlich spielfähig wäre und im besonderen Fall sogar, dass womöglich eine Mannschaft klarer Auslöser der Rudelbildung ist.


    Damit wären wir bei der vergeudeten Spielzeit: Eine Mannschaft ist der klare Motor des Rudels, wäre es nicht im Sinne der Vorteilsbestimmung, die so verlorene Zeit nur unter Beachtung der Vorteilsbestimmung nachspielen zu lassen.


    Gar nicht nachspielen wäre die Variante, welche davon ausgeht, dass der Ball ja spielfähig wäre (und womöglich sogar im Spiel ist) - wir intervenieren ja auch nicht, wenn der Ball im Spiel ist, aber nicht gespielt wird. Außerdem passieren Rudelbildungen oft gegen Ende des Spiels, je weniger Zeit also übrig ist, desto besser. Dagegen spricht, dass der Ball allerdings nicht im Spiel ist.


    Meine Erfahrung sagt, dass wir das meist als verlorene Spielzeit behandeln, meine Logik jedoch, dass man das eher als vergeudete Zeit betrachten müsste, taktisch wäre es meist am besten, gar nicht nachspielen zu lassen. Aber gibt es auch eine regeltechnisch richtige Lösung?

  • Mit etwas Zynismus:

    Aber gibt es auch eine regeltechnisch richtige Lösung?

    Ja Manfred, die gibt es tatsächlich.


    Rudelbildung ist eine Unsportlichkeit. Demnach hast Du jeden Teilnehmer an einer Rudelbildung prinzipiell zu verwarnen.


    Nach den gefühlt acht bis drölf Gelben Karten schaust Du auf Deine Notizkarte was mit Gelb Rot zu entsorgen ist, zählst anschließend nochmal durch ob Regel 3 noch erfüllt ist und lässt die Zeit für das Karten Zeigen und Spieler entsorgen nachspielen.

    Beachte dabei aber auch die Folgeerscheinungen bei derzu erwartenden Ruidelbildung rings um den Schiri,die Du ebenso abarbeitest, wodurch sich Deine Nachspielzeit wegen Regel 3 meist von selbst erledigt.


    Ich weis das mein Beitrag hier etwas karikaturistisch klingt, aber ich warte auf den Tag an dem das irgendein Schirie mal genau so durchzieht und dann vorm Sportgericht sagt "so steht es aber im Regelheft".

  • Mein Ansatz wäre, dass normale Unterbrechungen (z.B. mit Foul, Verwarnung, Mauerstellen) nicht nachgespielt werden müssen, wenn es zu keinen nennenswerten Verzögerungen kommt, weil diese normaler Bestandteil des Spiels sind. Wenn die Zeit für die Rudelbildung in diesem Rahmen bleibt, muss sie dementsprechend auch nicht nachgespielt werden.

    Bei einer längeren Unterbrechung (ich würde sagen ab Größenordnung 1 Minute) würde ich es als verlorene Zeit betrachten. Vergeudete Zeit ist ja nur möglich, wenn man es klar einem Team zuordnen kann und bei einer Rudelbildung sind in der Regel beide Mannschaften beteiligt.


    Eine regeltechnisch eindeutig richtige Lösung gibt es meiner Ansicht nach nicht, weil der SR hier einen großen Ermessenspielraum hat, wie er es einordnet, da es keine klare Regelung dafür gibt, ob es als verlorene Zeit gewertet werden muss.

  • Rein regeltechnisch (7.3) gibt es keine vergeudete Zeit, die man unter Berücksichtigung der Vorteilsregelung nicht nachspielen muss. Diese Anweisung finde ich nur bei den zusätzlichen DFB Erläuterungen, ohne dass „vergeudete Zeit“ eindeutig definiert ist. Als Beispiel wird nur „Spielverzögerungen“ genannt.


    Und das ist für mich ein absichtliches Zeitschinden, das man eindeutig nur einer Mannschaft zuordnen kann. Damit wäre eine Rudelbildung bzw. die Zeit zwischen Unterbrechung und Spielfortsetzung verlorene Zeit.


    Als Maßnahme dieses steinzeitliche Verhalten zu unterbinden, wäre grundsätzlich Spielabbruch, wobei natürlich natürlich „Rudelbildung“ zu definieren ist (z. B. mehr als 3 Spieler einer Mannschaft).


    Der Vorschlag mit „alle Gelb oder Gelbrot“ ist auch nicht schlecht. Aber bevor es mit 7 Gegen 9 weiter geht, kann man auch alle gleich erlösen.

  • Für mich ist Rudelbildung vergeudete Spielzeit, die ich nachspielen lasse, wenn der Verursacher in Führung liegt,

    die ich nicht nachspielen lasse, wenn der Verursacher im Rückstand liegt und die ich auch nicht nachspielen lasse, wenn beide die Verursacher sind, bzw ich nicht genau differenzieren kann, wer der Verursacher ist.

    Das ist mein Ermessensspielraum und den nutze ich aus.

    Steht das Spiel unentschieden, wäge ich ab, welche Mannschaft gerade am Drücker ist und wie der Spielcharakter bisher war.

    Merke: Verlorene Spielzeit muss, vergeudete Spielzeit kann nachgespielt werden.

    Das ist das gleiche, wenn mich der Trainer der zurückliegenden Mannschaft durch seine “Zurufe“ nötigt, zu ihm an die Linie zu gehen, um ihn zu verarzten. Wenn er trotz Rückstand nichts besseres zu tun hat, als sich mit mir anzulegen, dann ist das Vergeudung von wertvoller Spielzeit und die lasse ich nicht nachspielen. Da ist der Herr Trainer selbst schuld.

    35 Jahre Schiri :saufbrüder: ( und immer noch nicht genug davon )
    1981 bis 2016

  • Das ist das gleiche, wenn mich der Trainer der zurückliegenden Mannschaft durch seine “Zurufe“ nötigt, zu ihm an die Linie zu gehen, um ihn zu verarzten. Wenn er trotz Rückstand nichts besseres zu tun hat, als sich mit mir anzulegen, dann ist das Vergeudung von wertvoller Spielzeit und die lasse ich nicht nachspielen. Da ist der Herr Trainer selbst schuld.

    Klasse Idee:


    Werde ich mir merken.

    Gemütlich zur Seitenlinie schlendern. Nachfragen weil man das nicht verstanden hat. Nochmal dumm nachfragen, Sich notizen machen und nochmal nachfragen. Anschließend dem Trainer kommentarlos Gelb geben und dem Spielführer sagen, das der Trainer gerade 2 Minuten wertvolle Spielzeit vertrödelt hat die gem .Regelwerk nicht nachgespielt werden darf (Stimmt zwar nicht ganz so aber wer von den Muggels weis das schon)


    Umdrehen und sich diebisch freuen.:totlach:

  • Hier wird wieder um einen Zeitraum philosophiert, den über 95 % der Schiedsrichter sowieso nicht chronographisch exakt messen und kurz vor dem Anzeigen der NSZ auf die Sekunde genau auswerten.


    Die NSZ wird, wenn es keine außergewöhnlichen Unterbrechungen gab, ohnehin nur geschätzt. Oder weshalb erfolgt der Schlußpfiff in der Regel immer zu vollen Minuten?


    In der Praxis wird selbstverständlich eine eher unsportliche Mannschafft, nicht mit übermäßiger Nachspielzeit belohnt, wenn sie hinten liegt. Und das liegt nicht an einer exakten Messung der vergeudeten Zeit, wodurch auch immer verursacht.

  • Tja Mark, ich hatte schon einen konkreten Anlass:
    Wenn eine solche Situation auftritt, hast Du meist "Spaß" bis das wieder beruhigt und abgewickelt ist (mindestens eine Karte ist dann immer fällig) - und da reden wir dann, gleich ob geschätzt oder gemessen, über 3, 4, 5 oder noch mehr Minuten, ergo über eine Zeitspanne, die definitiv relevant ist für eine Berechnung der Nachspielzeit. Da ist es dann nicht wichtig, ob die vorher evtl. angefallene Nachspielzeit, so es überhaupt eine gab, gemessen oder geschätzt wurde.


    Und jetzt komme ich auf die grundsätzliche Frage zurück:
    In der Praxis mag die Handhabung wie vergeudete Spielzeit pragmatisch und wahrscheinlich auch sportlich fair sein, dennoch stellt sich die eigentliche Frage, was regeltechnisch richtig wäre?

  • Hallo.

    Gemäß reinem Regeltext entscheidet der SR über die Nachspielzeit:

    Regel 7, Dauer des Spiels; 3. Nachspielzeit :

    Der Schiedsrichter bestimmt in jeder Halbzeit (einschließlich der Verlängerung) die Nachspielzeit, um die Zeit zu kompensieren, die durch folgende Ereignisse verloren ging:

    Der DFB konkretisiert in seiner Zusatzanweisung:

    2.  Verloren gegangene Zeit (z. B. Unterbrechung wegen eines Gewitters) muss nachgespielt werden. Vergeudete Zeit (z. B. Spielverzögerungen) wird unter Beachtung der Vorteilbestimmung nachgespielt.


    Hier von einer zwingenden Muss-Bestimmung hinsichtlich Nachspielzeit im Falle einer Rudelbildung auszugehen mag die Regel selbst bejahen, die Zusatzanweisung limitiert es aber:


    Hier darf man aus meiner Sicht den kompletten Ablauf nicht als Ganzes betrachten, sondern regeltechnisch nach Phasen, die vergeudete Zeit, die nach Einschätzung des SR unter Berücksichtigung eines Vorteils nachgespielt werden SOLL von solchen die nachgespielt werden KÖNNEN umfassen:


    Hier ist für mich die Zeit, die beide Mannschaften zur Klärung des Sachverhaltes benötigen, verlorene Zeit OHNE Anwendung der Nachspielzeit, da BEIDE Mannschaften wie schon beschrieben die Spielfortsetzung verzögern und keine wirklich einen Vorteil aufgrund des Verhaltens generiert. Ob das jetzt 30 Sekunden oder 5 Minuten sind spielt daher für mich keine Rolle, das bekommen die Spielführer auch genau so gesagt anschließend.


    Wenn sich dann anschliessend die Gemüter so weit beruhigt haben, schließt sich für mich der Abschnitt an, dessen Zeit nachgespielt werden MUSS: Die zu erteilenden persönlichen Strafen. Da habe ich dann auch erst mal Zeit, den Timer anzuhalten, verarzte die Kinderlein gemäß ihrem Benehmen und nehme dann das Spuel wieder auf, verlängert um genau diese letzten Minuten.


    Das ist für mich die Herangehensweise, die sowohl von der Regel als auch vom Umsetzen die einfachste und objektivste ist.

    "Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nix."
    Gerhard Theobald, ehemaliger Bundesliga-SR, zum Thema Grundlagen des Stellungsspieles

  • "Vergeudete Zeit (z. B. Spielverzögerungen) wird unter Beachtung der Vorteilbestimmung nachgespielt."


    Die Vorteilsbestimmung lautet normalerweise: Auf die Spielstrafe wird verzichtet, wenn das Team, das nicht gegen die Regeln verstoßen hat, durch den Verzicht einen Vorteil hat.


    Auf die Nachspielzeit übertragen müsste es also heißen: Auf das Nachspielen der vergeudeten Zeit wird verzichtet, wenn das Team, das die Zeit nicht vergeudet hat, durch den Verzicht einen Vorteil hat.


    Da bei einer Rudelbildung in der Regel beide Teams Zeit vergeudet haben, kommt die Vorteilsbestimmung meiner Ansicht nach nicht zum tragen (Wenn im laufenden Spiel beide Teams gegen die Regel verstoßen, kann ja auch nicht auf Vorteil entschieden werden).

    Und damit ist es dann auch irrelevant, ob man die Zeit als verloren oder vergeudet betrachtet - sie muss auf jeden Fall nachgespielt werden.


    Aber wie man an den unterschiedlichen Meinungen hier sieht, eine interessante Fragestellung, bei der sich wohl eine Frage an / eine Antwort durch den DFB-Lehrwart lohnen würde.

  • Na ja, es gibt solche und solche Rudel …


    Klar, es gibt die Rudel, bei denen Beteiligte beider Mannschaften ihr Scherflein beitragen, keine Frage, dass da kein Vorteil gegeben sein kann.


    Es gibt aber auch die Fälle, in denen der Antrieb eindeutig von Spielern einer Mannschaft ausgeht und bei der die andere Mannschaft eigentlich nur "verteidigend" beteiligt ist (kann bei Angriffen auf eigene Spieler, aber auch auf den SR der Fall sein), so dass ich hier durchaus dazu tendiere zu behaupten, dass nur eine Mannschaft gegen die Regeln verstößt und ein Vorteil vorliegen kann (gerade wenn diese Mannschaft in Führung liegt), wenn ich deshalb verlorene Zeit nicht nachspielen lasse.

  • Manfred, mit deiner Argumentation wäre auch eine gerechtfertigte Verletzungsbehandlung von B aufgrund eines rücksichtslosen Fouls von A vergeudete Zeit von A.

  • Im Prinzip ja, nur ist dieser Fall im Regelwerk explizit geregelt - wobei selbst dem Regelgeber offensichtlich nicht ganz wohl bei der Sache ist, nicht umsonst wurde ja die Sonderlocke aufgenommen, dass bei Fouls mit Karte und Behandlung der Spieler nicht mehr zwingend vom Feld muss.

  • Weil zu einer Rudelbildung immer (mindestens) zwei Parteien gehören wird nicht nachgespielt. So einfach iss dat!


    Warum? Das Rudel entsteht weil beide aus irgendeinem Grunde "Böckchen" rauslassen müssen.

    Wenn sich eine von beiden Mannschaften einfach umdrehen und sich entfernen würde, dann würde überhaupt kein Rudel entstehen. Ergo.......


    Rudelbildung beim Schiri sollte möglichst schnell durch reichliches Verteiilen von Verwarnungen aufgelöst werden (geht tatsächlich, habe ich sein einigen Monaten ausprobiert spätestens nach der 2. Gelben in einem Rudel entfernt sich alles freiwillig und kommt gar nicht erst zu einem zweiten Rudel)

    Da dann hier nur eine Mannschaft betzeilligt ist sollte das Thema Nachspielzeit sich von selber lösen.

  • Aber warum sollte eine Mannschaft einen Vorteil dadurch bekommen (= damit belohnt werden), dass nicht nachgespielt wird, wenn beide Mannschaften am Rudel beteiligt waren?

    Die Nachspielzeit ist ja erstmal keine Strafe, sondern der Normalfall. Man kann nur auf sie verzichten, wenn dies einer Mannschaft einen Vorteil bringt, die sich nicht der Spielverzögerung schuldig gemacht hat.

  • Wenn sich eine von beiden Mannschaften einfach umdrehen und sich entfernen würde, dann würde überhaupt kein Rudel entstehen.

    Und womöglich von hinten eine übergebraten bekommen - ganz so einfach ist die Realität manchmal leider doch nicht.