Gleichzeitige Vergehen und Vorteil

  • Außerhalb des Strafraums spielt Angreifer Nr. 11 gefährlich gegenüber Abwehrspieler Nr. 2, während er gleichzeitig von Abwehrspieler Nr. 3 festgehalten wird. Trotzdem kann er anschließend den Ball ins Tor schießen.


    Wie ist die Spielfortsetzung?

  • Selbstverständlich Strafstoß für Verteidiger auf dem benachbarten Spielfeld!


    Spaß beiseite:
    Was sagt das Regelwerk?

    Zitat

    ... bei mehreren gleichzeitigen Vergehen das schwerste Vergehen hinsichtlich

    Sanktion, Spielfortsetzung, physischer Härte und taktischer Auswirkungen zu ahnden,

    Das gefährliche Spiel wird mit einem indirekten Freistoß bestraft, für festhalten gibt es den direkten Freistoß. Damit wäre die Halterei eindeutig das schwerere Vergehen. Nun könnte man darüber philosophieren, ob die Torerzielung eine taktische Auswirkung ist, müsste aber auch darüber nachdenken, ob der Halter nicht - die Situation lässt den Schluss zu - mindestens einen aussichtsreichen Angriff verhindert. Beides hebt sich mindestens auf, tendenziell ist sogar die Verhinderung des aussichtsreichen Angriffs gravierender, da das erzielte Tor zumindest den Gedanken nahelegt, dass es sich auch um eine klare Torchance gehandelt haben könnte. Nicht vergessen werden darf aber auch der zeitliche Ablauf, der Begriff "anschließend" lässt da einfach zu viel Interpretationsspielraum.


    Im Endeffekt erscheint mir die Halterei daher das schwerere Vergehen zu sein, dessen Ahndung ich aber aufgrund der Vorteilsbestimmung unterlasse, die Entscheidung kann m.E. nur Tor - Anstoß sein.

  • Außerhalb des Strafraums spielt Angreifer Nr. 11 gefährlich gegenüber Abwehrspieler Nr. 2, während er gleichzeitig von Abwehrspieler Nr. 3 festgehalten wird. Trotzdem kann er anschließend den Ball ins Tor schießen.


    Wie ist die Spielfortsetzung?

    Sieht nach einer Regelfrage aus die abstrahiert wurde.


    Ich versuche mir mal eine reale Situation vorzustellen.


    Die Rote 11 (Angreifer) wird von der Blauen 3 (Verteidiger) von kurz vor dem Strafraum hinten geklammert während er mit "hohem Bein" etwa auf Schulterhöhe eine Flanke aus etwa 17m Volley ins Tor schießt. (Respekt:thumbup:)

    Dabei versucht die Blaue 2 (Verteidiger) im Moment des Volley-Schusses den Ball mit dem Kopf zu klären.


    Gibst noch ne andere Möglichkeit außer das das Festhalten eher ein Trikotzupfer ist und sich das gefährliche Spiel (muss ja ein Schuss sein) in Bodennähe abspielt? Oder habe ich irgendeinen Gedankenfehler?

  • Der Kern der Frage ist, ob bei zwei gleichzeitigen Vergehen grundsätzlich abgepfiffen werden muss oder ob auch die Vorteilsregelung zur Anwendung kommen darf.


    Der zweite Teil der Frage ist, ob bei einer Unterechung noch Rot wegen verhindern einer Torchance möglich ist.


    Die Frage habe ich selbst formuliert, die offizielle Antwort weiß ich nicht.

  • Ich halte die Erklärung von Manfred für sehr schlüssig und nachvollziehbar. So würde ich wohl auch entscheiden.

    35 Jahre Schiri :saufbrüder: ( und immer noch nicht genug davon )
    1981 bis 2016

  • Ich sehe das anders, da in Regel 5 der Vorteil nur dem „regelkonformen Team“ zu gewähren ist. Es gibt hier aber kein regelkonformes Team.


    Darüber hinaus ist „weiterlaufen lassen“ keine „zu ahnende Spielfortsetzung“.

  • Wir befinden uns in dem Spannungsfeld, dass es kein regelkonformes Team gibt, das Regelwerk aber klar vorgibt, dass das schwerere Vergehen zu bestrafen ist. Nun kann ich am Buchstaben der Regel kleben und sagen, dass kein Team regelkonform agiert hat und dann auf Freistoß für die Mannschaft des Angreifers entscheiden, weil der Halter das schwerere Vergehen begeht.


    Der Regelgeber hat ausdrücklich festgelegt, was aus seiner Sicht verwerflicher ist (das schwerere Vergehen) - und genau das ist zu bestrafen. Dem Strafcharakter wiederum entspricht die Vorteilsbestimmung, nach der ich von einer Strafe absehen soll, wenn der Verzicht auf die Strafe für die Mannschaft, die von der Strafe profitieren würde, die Mannschaft noch stärker bevorteilt, also strafverschärfend wirkt. Außerdem soll die Vorteilsbestimmung dafür sorgen, dass das Spiel möglichst selten unterbrochen wird, auch dieser Umstand spricht dafür, dass die Vorteilsbestimmung Anwendung findet.


    Die Vorteilsbestimmung ist selbstverständlich ein Produkt einer Ahnung: Ich nehme aus den Umständen an (wenn sich bis zu dem Moment, in dem ich rein physikalisch überhaupt erst pfeifen könnte, nicht ohnehin schon eine Klärung ergeben hat), dass hier ein Vorteil eintreten könnte und warte ergo ab, ob dieser eintritt. Insofern ist "weiterspielen" sehr wohl eine Spielfortsetzung, da diese den Freistoß als Unterbrechung ersetzt.


    Im Endeffekt bleibe ich daher bei meinem Ergebnis.

  • Ok, andere Situation:


    Beim Strafstoß laufen Mitspieler des Schützen deutlich zu früh in den Strafraum und der Torhüter bewegt sich deutlich zu früh von der Linie. Wie ist zu entscheiden, wenn der Strafstoß verwandelt wird?

  • Wie ist zu entscheiden, wenn der Strafstoß verwandelt wird?

    Wiederholung.


    Allerdings nicht zu verwechseln mit Schiessen vom Elfmeterpunkt nach Spielende um einen Sieger zu bekommen..

    -- Schütze und Torwart begehen zur gleichen Zeit ein Vergehen. Ball landet im Tor. Entscheidung: Kein Tor, gelbe Karte für beide, Gegner macht den nächsten Schuss.

    -- Schütze und Torwart begehen zur gleichen Zeit ein Vergehen. Ball wird vom Torwart abgewehrt oder springt von der Latte zurück. Entscheidung: Wiederholung, gelb für beide.

  • Warum Wiederholung? Das Vergegehen des Torwarts ist das schlimmere und würde mit Wdh und gelb bestraft werden. Da der Ball aber im Tor ist, würde ja dann die Vorteilsregelung zum Einsatz kommen, also Tor und Anstoß ?


    Achtung: Der Schütze schießt hier korrekt, es sind nur seine Mitspieler, die zu früh reinlaufen und die gibts beim Elfmeterschießen nicht.

  • Sorry Mark, falsches Beispiel, weil das im Regelwerk ausdrücklich beschrieben ist.

  • DieMacke was du da schreibst ist völlig falsch.


    Es gibt einen einfachen Weg die Spielfortsetzung und ggf. Strafe schnell herauszufinden.


    Die Prioritätsliste lautet:

    1. Schütze
    2. Torwart
    3. Spieler

    Vergehen des Schützen sind immer gelb

    Vergehen des Torwartes sind nur bei Vorteil durch seinen Regelverstoß gelb

    Vergehen der übrigen Spieler sind nie gelb


    Bei gleichzeitigen Vergehen guckt man, wer höher in der Liste steht, und gegen die Mannschaft geht es dann weiter:

    Schütze: ind. FS

    Torwart: Wiederholung

    Spieler: je nach Ausgang




    Diese kleine Hilfe stammt übrigens von DFB-Lehrwart Lutz Wagner.

    "Ich habe einmal die Alkoholiker aus der Mannschaft gegen die Antialkoholiker im Training spielen lassen. Die Alkoholiker gewannen 7:1, da habe ich gesagt: 'Mir ist es egal, sauftas weiter!' "

    - Max Merkel:trink:

    Einmal editiert, zuletzt von LucaSR ()

  • Das ist zwar ein netter Versuch, allerdings sagt das Regelwerk auf Seite 88 doch ganz klar, dass bei gleichzeitigen Vergehen von TW und Schütze der Strafstoß zu wiederholen ist, sofern kein Tor erzielt wurde. Somit kann die Aussage "Schütze: ind. FS (immer)" nicht richtig sein.

    In einer Aktion prallten Grevelhörster und Gerick zusammen. Der FC-Stürmer blutete aus der Nase, aber Schiedsrichter Stefan Tendyck aus Gelsenkirchen konnte mit einem Taschentuch aushelfen. Gericks Torriecher wurde nicht in Mitleidenschaft gezogen: Er markierte das 1:3.


    Westfalen-Blatt (29.5.2017) :D

  • Aber gilt dafür nicht der vorherige Satz, dass das Vergehen des Schützen ja ein schwereres sein kann? Mir fällt nämlich so spontan nichts ein was kein schwereres Vergehen als das zu frühe nach Vorn vom TW darstellt. Sonst belehr mich bitte eines besseren :D

    "Ich habe einmal die Alkoholiker aus der Mannschaft gegen die Antialkoholiker im Training spielen lassen. Die Alkoholiker gewannen 7:1, da habe ich gesagt: 'Mir ist es egal, sauftas weiter!' "

    - Max Merkel:trink:

  • was du da schreibst ist völlig falsch.

    Lese Regeln 10 und 14 im 2018/19 Regelbuch.

    In der Originalfassung von IFAB: Law 10, Seite 94, 3. Punkt

    Law 14, Seite 119, 1. Linie

    • a player of both teams offends the Laws of the Game, the kick is retaken

    Vorher in den Strafraum laufen oder als Torwart vorzeitig die Torlinie verlassen sind ähnliche Vergehen.


    Ich glaube, du verwechselst die Vergehen hier mit Schützen und Torwart

  • Das sind ähnliche Vergehen, aber wenn Torwart und Spieler des Schützen etwas verbrechen, dann geht's gegen den TW weiter, wenn er den Ball nicht rein bekommt, dann eben die Wiederholung plus gelb für TW.

    Wenn der Ball wie im Beispiel reingeht, zählt der Treffer, da das Vergehen des Torwartes schwerwiegender als das der Mitspieler des Schützen ist.


    Mit deinem "player of both teams" ist gemeint, wenn Mitspieler des Torwartes und Mitspieler des Schützen zu früh reinlaufen. Dann gibt es in jedem Fall Wiederholung.

    "Ich habe einmal die Alkoholiker aus der Mannschaft gegen die Antialkoholiker im Training spielen lassen. Die Alkoholiker gewannen 7:1, da habe ich gesagt: 'Mir ist es egal, sauftas weiter!' "

    - Max Merkel:trink:

  • Zwischenfazit:


    1. Aus meiner Sicht ist es immer noch nicht eindeutig geklärt, ob bei zwei gleichzeitigen Vergehen, die Vorteilsregelung angewendet werden darf oder die Spielunterbrechung (beim Strafstoß Wdh oder idF) zwingend ist.


    2. Ebenfalls offen ist, ob beim Strafstoß ein Vergehen des Torhüters und Ball im Tor wirklich schwerer ist als ein zu frühes Reinlaufen. Da es hier kein Gelb gibt, also keine Unsportlichkeit vorliegt und die Sanktion bzw. Spielfortsetzung dieselbe ist, sind beide Vergehen gleichwertig.


    Aber selbst wenn dieses Vergehen schwerer ist, widerspricht es meinem Regelverständnis, wenn ein Torerfolg trotz Regelverstoß regeltechnisch möglich ist.